Funk­tio­na­li­sier­te (Pflege-)Betten – das Erbe der Bal­lis­to­kar­dio­gra­phie? — Von per­sön­li­chen Schlaf­la­bo­ren und intel­li­gen­ten Möbeln

A. Kitzig, G. Stockmanns, R. Viga, A. Grabmaier
Bedingt durch den demografischen Wandel und durch den Anstieg an Zivilisationskrankheiten werden in den nächsten Jahren zusätzliche und alternative Lösungsansätze benötigt, die eine Unterstützung von Patienten und Pflegekräften ermöglichen. Einen Ansatz zur Unterstützung bieten hierbei funktionalisierte Möbel, die durch integrierte Sensorik ein nichtinvasives, für den Patienten unauffälliges und präparationsfreies Langzeitmonitoring erlauben. So kann bereits frühzeitig eine Verschlechterung des Patientenzustands erkannt und diesem entgegengearbeitet werden. Im Rahmen des Artikels werden Ansätze aus Forschung und Wissenschaft sowie bereits als Produkt existierende kommerzielle Systeme vorgestellt, die sich mit dem Patientenmonitoring im Bereich der funktionalisierten Betten befassen.

Ein­lei­tung

Der aktu­el­le Pfle­ge­re­port 2015 der Bar­mer GEK 1 weist expli­zit dar­auf hin, dass die bis­he­ri­ge Pro­gno­se für die Anzahl Pfle­ge­be­dürf­ti­ger im Jahr 2060 um 221.000 Per­so­nen zu nied­rig aus­ge­fal­len ist. Somit erwar­tet die Gesell­schaft im Jahr 2060 eine Zahl von 4,52 Mio. Pfle­ge­be­dürf­ti­gen. Das ent­spricht in Sum­me etwa der Ein­woh­ner­zahl von Ber­lin und Mün­chen zusam­men. Neben der Über­al­te­rung der Gesell­schaft sind auch kri­ti­sche und chro­ni­sche Zivi­li­sa­ti­ons­krank­hei­ten ein Pro­blem, das in den letz­ten Jah­ren rapi­de zunimmt. Das Ergeb­nis die­ser Ent­wick­lun­gen sind extrem hohe Anfor­de­run­gen an den Kran­ken­haus- und Gesund­heits­sek­tor, der bereits jetzt einem hohen Kos­ten­druck unter­liegt und die Ver­sor­gung der stei­gen­den Anzahl an Pati­en­ten unter Berück­sich­ti­gung gleich­blei­ben­der oder fal­len­der Mit­ar­bei­ter­zah­len im Bereich der Pfle­ge­kräf­te gewähr­leis­ten muss.

Die Auf­ga­be, die die Gesell­schaft in den nächs­ten Jah­ren in die­sem Bereich erwar­tet, ist klar for­mu­liert: Es muss zeit­nah an alter­na­ti­ven Lösungs­an­sät­zen gear­bei­tet wer­den, die eine Unter­stüt­zung von Pati­en­ten und auch von Pfle­ge­kräf­ten ermög­li­chen. Wei­ter­hin muss der Fokus im Bereich der Ger­ia­trie auf Prä­ven­ti­on mit­tels Lang­zeit­mo­ni­to­ring gerich­tet wer­den, um bereits früh­zei­tig eine Ver­schlech­te­rung des Pati­en­ten­zu­stands erken­nen und die­sem ent­ge­gen­ar­bei­ten zu kön­nen. Einen mög­li­chen Ansatz auf dem Weg zur Lösung die­ses Pro­blems stellt die Ver­wen­dung von mit Sen­so­rik funk­tio­na­li­sier­ten Möbeln dar, ins­be­son­de­re von funk­tio­na­li­sier­ten Bet­ten. In wel­cher Wei­se die Funk­tio­na­li­sie­rung von Möbeln dazu bei­tra­gen kann, Pati­en­ten und Pfle­ge­kräf­te zu unter­stüt­zen, wird im Rah­men die­ses Arti­kels beschrie­ben. Dazu wer­den exem­pla­risch Ansät­ze aus For­schung und Wis­sen­schaft sowie bereits als Pro­dukt exis­tie­ren­de kom­mer­zi­el­le Sys­te­me vor­ge­stellt, die sich mit dem Pati­en­ten­mo­ni­to­ring und des­sen tech­ni­scher Rea­li­sie­rung befas­sen. Eine Dis­kus­si­on recht­li­cher bzw. ethi­scher Aspek­te des Pati­en­ten­mo­ni­to­rings fin­det hier jedoch nicht statt, da die Kom­ple­xi­tät die­ser The­men­be­rei­che den Umfang des Arti­kels über­schrei­ten würde.

Im Fokus des Arti­kels steht ein nicht­in­va­si­ves, für den Pati­en­ten unauf­fäl­li­ges und prä­pa­ra­ti­ons­frei­es Moni­to­ring. Als „prä­pa­ra­ti­ons­frei“ wer­den in die­sem Zusam­men­hang Moni­to­ring­sys­te­me ver­stan­den, die ohne Vor­be­rei­tung des Pati­en­ten zur Ablei­tung von Pati­en­ten­pa­ra­me­tern ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Die Sys­te­me kön­nen kon­takt­be­haf­tet arbei­ten, z. B. bei Mes­sun­gen in einem Bett, jedoch wer­den dabei kei­ner­lei Elek­tro­den, Lei­tun­gen, Sen­so­ren etc. am Kör­per angebracht.

Das Moni­to­ring in Form einer lücken­lo­sen Über­wa­chung der Vital­funk­tio­nen eines Pati­en­ten ist nicht nur in der Inten­siv- und Not­fall­me­di­zin üblich, son­dern auch bei chro­nisch kran­ken Pati­en­ten, die z. B. zyklisch den Blut­druck, den Blut­zu­cker oder die Sau­er­stoff­sät­ti­gung des Blu­tes etc. ermit­teln und doku­men­tie­ren müs­sen. Das Pro­blem hier­bei ist jedoch, dass in den beschrie­be­nen Berei­chen der Zustand des Pati­en­ten bereits einen kri­ti­schen Sta­tus erreicht haben muss, an dem die Über­wa­chung unbe­dingt erfor­der­lich ist. Sinn­vol­ler ist es, durch die lang­fris­ti­ge Beglei­tung eines Men­schen mit­tels eines Moni­to­ring­sys­tems eine even­tu­ell auf­tre­ten­de Ver­schlech­te­rung des Zustands früh­zei­tig zu detek­tie­ren, bevor ein kri­ti­scher Zustand erreicht wird. Dadurch wird es mög­lich, bereits in einem frü­hen Sta­di­um Maß­nah­men zu ergrei­fen und so bestimm­te Krank­heits­ver­läu­fe posi­tiv zu beein­flus­sen. Da jedoch eine zykli­sche Mes­sung und Doku­men­ta­ti­on von z. B. Herz- und Atem­ra­te, Kör­per­ge­wicht usw. über einen Zeit­raum von Mona­ten oder Jah­ren für einen Pati­en­ten zu Hau­se nicht manu­ell und feh­ler­frei durch­führ­bar ist, bie­tet es sich an, durch in Möbeln inte­grier­te Sen­so­ren ent­spre­chen­de Para­me­ter abzu­lei­ten und aus­zu­wer­ten. Dadurch kann eine für den Pati­en­ten unauf­fäl­li­ge und prä­pa­ra­ti­ons­freie Mes­sung gewähr­leis­tet werden.

Es stellt sich jedoch zunächst die Fra­ge, wel­che Para­me­ter abge­lei­tet wer­den soll­ten und inwie­weit die Ablei­tung den vor­ge­ge­be­nen Kri­te­ri­en „nicht­in­va­siv, unauf­fäl­lig und prä­pa­ra­ti­ons­frei“ ent­spricht. Um Aus­sa­gen über Ver­än­de­run­gen des kar­dio­vas­ku­lä­ren und des respi­ra­to­ri­schen Sys­tems auto­ma­tisch pro­to­kol­lie­ren und aus­wer­ten zu kön­nen, ist es im Bereich des Lang­zeit­mo­ni­to­rings ziel­füh­rend, eine lang­fris­ti­ge Ablei­tung von Herz- und Atem­ak­ti­vi­tät durch­zu­füh­ren. Dies wird z. B. im kli­ni­schen Bereich mit­tels Lang­zeit-EKG-Sys­te­men bereits durch­ge­führt. Zusätz­lich soll­te eine kon­ti­nu­ier­li­che Gewichts­mes­sung sowie ein Akti­vi­täts- und Schlaf­mo­ni­to­ring durch­ge­führt wer­den, um dar­aus über einen lan­gen Zeit­raum Ten­den­zen für eine auf­tre­ten­de Ver­schlech­te­rung des All­ge­mein­zu­stands des Pati­en­ten zu detektieren.

Zur Erhö­hung der Sicher­heit des Pati­en­ten sowie zur Unter­stüt­zung des Pfle­ge­per­so­nals soll­ten zusätz­lich Deku­bi­tus- und Sturz­prä­ven­ti­on mit im Fokus ste­hen. Nach Anga­ben der Ber­li­ner Cha­ri­té ent­wi­ckeln jähr­lich 72.000 Kran­ken­haus­pa­ti­en­ten in Deutsch­land wäh­rend ihres Auf­ent­hal­tes im Kran­ken­haus ein Druck­ge­schwür. Wei­ter­hin berich­tet die Cha­ri­té, dass vier Pro­zent aller Kran­ken­haus-Pati­en­ten stür­zen 2.

Durch die Ermitt­lung des Deku­bi­tus­ri­si­kos kön­nen z. B. ein zykli­sches Umla­gern des Pati­en­ten durch die Pfle­ge­kräf­te bedarfs­ge­recht durch­ge­führt und zeit­auf­wen­di­ge und gege­be­nen­falls unnö­ti­ge Arbeits­schrit­te opti­miert wer­den. Ähn­li­ches gilt für die Sturz­prä­ven­ti­on, bei der früh­zei­tig eine Auf­steh­ten­denz ermit­telt wird und somit z. B. ein Sturz aus dem Bett durch recht­zei­ti­ges Ein­grei­fen der alar­mier­ten Pfle­ge­kraft ver­hin­dert wer­den kann. Hier­bei trägt das Moni­to­ring zur Ent­las­tung des Pfle­ge­per­so­nals durch Ver­mei­dung von rou­ti­ne­mä­ßi­gen und nicht bedarfs­ge­rech­ten Kon­troll­gän­gen durch zeit­na­he und geziel­te Mel­dung bei.

Abbil­dung 1 ver­mit­telt einen Über­blick über die Para­me­ter, die mit­tels eines prä­pa­ra­ti­ons­frei­en Sen­sor­sys­tems erfasst wer­den kön­nen. Die Grund­pa­ra­me­ter kön­nen dem­nach grob in die drei Berei­che „Bewe­gung“, „Bele­gung des Möbels“ und „Vital­pa­ra­me­ter“ unter­teilt wer­den. Aus die­sen Para­me­tern las­sen sich dann, wie bereits dar­ge­stellt wur­de, das Schlaf­ver­hal­ten, Akti­vi­täts­und Bewe­gungs­pro­fi­le, z. B. zur Deku­bi­tus­prä­ven­ti­on, die Sturz­ge­fahr und der Zustand des kar­dio­vas­ku­lä­ren und respi­ra­to­ri­schen Sys­tems erfas­sen. Die größ­te Her­aus­for­de­rung von Sei­ten der Tech­nik besteht dar­in, die benö­tig­ten Para­me­ter prä­pa­ra­ti­ons­frei abzu­lei­ten. Für die Ablei­tung der Herz- und Atem­ak­ti­vi­tät kann ein fast in Ver­ges­sen­heit gera­te­nes Ver­fah­ren mit moder­nen Mess­me­tho­den „wie­der­be­lebt“ wer­den – die Ballistokardiographie.

Bal­lis­to­kar­dio­gra­phie (BKG)

Die Bal­lis­to­kar­dio­gra­phie ist eine nicht­in­va­si­ve und prä­pa­ra­ti­ons­freie Tech­nik zur Auf­zeich­nung der Herz­ak­ti­vi­tät. Grund­la­ge die­ser Tech­nik ist die Ablei­tung der Kräf­te des Her­zens, die durch myo­kar­dia­le Wand­be­we­gung und die Beschleu­ni­gung des Blu­tes in den gro­ßen Gefä­ßen des Kör­pers ver­ur­sacht wer­den 3. Das ältes­te Sys­tem die­ser Art stell­ten Gor­don et al. 4 bereits 1877 vor. Die­ses bestand aus einem Bett, das mit­tels Sei­len an der Decke befes­tigt war und in das eine Per­son gelegt wur­de. Durch die auf­tre­ten­den Kräf­te des Her­zens wur­de das Bett gemäß dem drit­ten new­ton­schen Axi­om („actio gleich reac­tio“) ent­ge­gen der Beschleu­ni­gungs­rich­tung des Blu­tes bewegt. Die­se Bewe­gung wur­de auf­ge­zeich­net und z. B. im Hin­blick auf die Herz­fre­quenz aus­ge­wer­tet. Da durch die Atmung eben­falls eine Mas­sen­ver­schie­bung des Kör­pers auf­tritt, ist das Signal durch Antei­le der Atem­ak­ti­vi­tät über­la­gert. Abbil­dung 2 oben zeigt bei­spiel­haft den Ver­lauf eines BKG-Signals eines aktu­el­len Sys­tems als Rohsignal.

Der gefil­ter­te Signal­ver­lauf in Abbil­dung 2 Mit­te stellt den aus der Atem­ak­ti­vi­tät resul­tie­ren­den sinus­för­mi­gen Signal­ver­lauf dar. Im gefil­ter­ten Signal­ver­lauf in Abbil­dung 2 unten wird eine Fol­ge von BKG-typi­schen Kom­ple­xen bedingt durch die Herz­ak­ti­vi­tät deut­lich. Den „Beginn“ der moder­nen Bal­lis­to­kar­dio­gra­phie stellt ein von Starr 5 1939 ent­wi­ckel­tes Sys­tem dar. Elek­tri­sche und mecha­ni­sche Restrik­tio­nen führ­ten aber dazu, dass die BKG zunächst kei­ne wei­te­re Beach­tung fand. Erst nach­dem Anfang 1980 ein gestei­ger­tes Inter­es­se an prä­pa­ra­ti­ons­frei­en Mess­sys­te­men bestand und sich der Fokus von der Dia­gno­se und Pro­gno­se kar­dio­vas­ku­lä­rer Erkran­kun­gen in Rich­tung der Moni­to­ring­sys­te­me ver­schob, wur­de die BKG wie­der­ent­deckt. Ein Durch­bruch gelang Koi­vis­to­inen 2004 6 bei der Ent­wick­lung eines funk­tio­na­li­sier­ten Stuhls. Hier­bei wur­den Sen­so­ren in die Sitz- und Lehn­flä­che ein­ge­ar­bei­tet, durch die Herz- und Atem­ak­ti­vi­tät abge­lei­tet wer­den konn­ten. Als wei­te­re Basis bie­tet sich das Bett für Lang­zeit­mes­sun­gen an, da hier eine Auf­ent­halts­dau­er von sechs Stun­den und mehr für eine Mes­sung zur Ver­fü­gung steht. So exis­tie­ren Mess­auf­bau­ten, die als Sen­sor einen Druck­sen­sor in einer Luft­ma­trat­ze ver­wen­den und aus der Ände­rung des Luft­drucks die Herz- und Atem­ak­ti­vi­tät ablei­ten. Des Wei­te­ren wer­den auch im Bett­ge­stell oder unter den Bett­fü­ßen inte­grier­te Kraft­mess­zel­len zur BKG-Ablei­tung eingesetzt.

Akti­gra­phie

Zur Unter­su­chung mensch­li­cher Akti­vi­täts- und Ruhe­zy­klen wird die soge­nann­te Akti­gra­phie ein­ge­setzt, bei der die Bewe­gungs­da­ten einer Test­per­son gesam­melt und aus­ge­wer­tet wer­den. Die Akti­gra­phie fin­det Anwen­dung in der Schlaf­me­di­zin und der Schlaf­for­schung und lei­tet sich aus der Poly­s­om­no­gra­phie (PSG) ab. Im Ver­gleich zur PSG ist das Spek­trum der auf­ge­zeich­ne­ten Daten jedoch gerin­ger. Der gro­ße Vor­teil der Akti­gra­phie besteht dar­in, dass eine Anwen­dung über einen lan­gen Zeit­raum (24 Stunden/7 Tage und län­ger) und in Berei­chen, die eine PSG nicht erlau­ben, z. B. bei der Unter­su­chung demen­ter Per­so­nen oder zur Durch­füh­rung von Mes­sun­gen in der ver­trau­ten Wohn­um­ge­bung, statt­fin­den kann. Bei der klas­si­schen Akti­gra­phie wird ein arm­band­uhr­ähn­li­cher mit iner­tia­len Bewe­gungs­sen­so­ren bestück­ter Akti­graph am Hand­ge­lenk 7 ver­wen­det, um aus den auf­ge­zeich­ne­ten Bewe­gun­gen z. B. Schlaf-Wach-Maße oder cir­ca­dia­ne Para­me­ter abzuleiten.

Bestehen­de Sys­te­me – auf dem Weg zu per­sön­li­chen Schlaflaboren?

Sys­te­me, die aus dem Bereich der For­schung stam­men, lie­gen meist als Pro­to­typ vor und wer­den zur Grund­la­gen­for­schung sowie zur Wei­ter­ent­wick­lung von Sen­so­ren und/oder Ver­fah­ren ein­ge­setzt. So exis­tie­ren Sys­te­me zur Klas­si­fi­ka­ti­on von Schlaf­pha­sen, von Schla­fef­fi­zi­enz, der Lie­ge­po­si­ti­on oder von Bewe­gun­gen. Wei­ter­hin sind auch kom­mer­zi­el­le Sys­te­me erhält­lich, zum Bei­spiel der Schlaf­sen­sor Beddit 2.0 des Her­stel­lers Beddit Ltd. aus Finn­land. Das Basis­sys­tem wird für ca. 150 Euro ange­bo­ten und rich­tet sich an pri­va­te Anwender.

Beddit basiert laut Her­stel­ler­an­ga­ben auf einem pie­zo­elek­tri­schen Sen­sor­strei­fen und lei­tet neben der Herz- und Atem­ak­ti­vi­tät zusätz­lich Schlaf­qua­li­tät, Gesamt­schlaf­dau­er, ein­zel­ne Schlaf-Zyklen, aber auch Rhon­cho­pa­thie und das Auf­steh­ver­hal­ten ab. Die Daten wer­den an einen Ser­ver im Inter­net über­tra­gen, dort ana­ly­siert und zur Dar­stel­lung z. B. auf dem Smart­phone aufbereitet.

Ein wei­te­res kom­mer­zi­el­les Sys­tem ist Ear­ly­Sen­se der gleich­na­mi­gen israe­li­schen Fir­ma, bei dem eine pie­zo­elek­tri­sche Sen­sor­mat­te zum Ein­satz kommt, die unter der Matrat­ze plat­ziert wird. Mit­tels des Sen­sors wer­den Herz- und Atem­ak­ti­vi­tät, Bewe­gung und zusätz­lich das Risi­ko für Deku­bi­tus und ein Maß zur Ein­schät­zung des Sturz­ri­si­kos aus dem Pfle­ge­bett abge­lei­tet. Die Daten wer­den in einem zen­tra­len Mel­de­sys­tem ver­ar­bei­tet und kön­nen dem Pfle­ge­per­so­nal im Sta­ti­ons­zim­mer oder auf mobi­len End­ge­rä­ten ange­zeigt wer­den. Zusätz­lich ver­treibt Ear­ly­Sen­se ein Sys­tem mit dem Namen my.EarlySense für pri­va­te Nutzer.

Das funk­tio­na­li­sier­te Pfle­ge­bett der Hoch­schu­le Niederrhein

Nach einer Ein­füh­rung in den The­men­be­reich der funk­tio­na­li­sier­ten Möbel für das Kli­nik- und Pfle­ge­um­feld wer­den in die­sem Abschnitt eini­ge Arbei­ten der Autoren dis­ku­tiert, um dem Leser einen detail­lier­te­ren Ein­blick in aktu­el­le For­schungs­the­men aus dem Bereich der funk­tio­na­li­sier­ten Pfle­ge­bet­ten zu ermög­li­chen. Dazu wird zunächst der Pro­to­typ eines funk­tio­na­li­sier­ten Pfle­ge­betts vor­ge­stellt, der im Rah­men des Auf­baus des Labors für „Ambi­ent Intel­li­gence“ an der Hoch­schu­le Nie­der­rhein (HN) in Zusam­men­ar­beit mit der Uni­ver­si­tät Duis­burg-Essen (UDE) ent­wi­ckelt wur­de. Aus­gangs­punkt war ein han­dels­üb­li­ches Pfle­ge­bett, das mit­tels Kraft­mess­zel­len aus dem indus­tri­el­len Bereich funk­tio­na­li­siert wur­de. Die Sen­sor­an­ord­nung ist in Abbil­dung 3 dar­ge­stellt und unter­teilt sich in die Sen­sor­sys­te­me I und II.

Sen­sor­sys­tem I umfasst vier für den Auto­mo­ti­ve-Ein­satz kon­zi­pier­te Kraft­mess­sen­so­ren der Fir­ma Bosch, die zwi­schen der Lie­ge­flä­che und den Bett­fü­ßen des Pfle­ge­betts inte­griert wur­den. Das Mess­prin­zip der Sen­so­ren basiert auf der Mes­sung der räum­li­chen Ver­la­ge­rung eines sta­ti­schen Magnet­fel­des und den damit ver­bun­de­nen Ände­run­gen der Feld­ver­tei­lung mit­tels Hall-Sen­so­ren. Sen­sor­sys­tem II besteht aus vier Kraft­mess­zel­len des Her­stel­lers Zemic, die unter den Bett­fü­ßen plat­ziert wur­den. Das Mess­prin­zip die­ser Sen­so­ren basiert auf Deh­nungs­mess­strei­fen, die in einem Metall­ge­häu­se inte­griert sind und deren last­be­ding­te elas­ti­sche Defor­ma­ti­on eine Ände­rung des elek­tri­schen Wider­stands bewirkt.

Bei­de Sen­sor­sys­te­me kön­nen getrennt von­ein­an­der zur Erfas­sung der Auf­la­ge­mas­se und von Mas­se­än­de­run­gen inner­halb des Bet­tes ver­wen­det wer­den und sind als Refe­renz für das jeweils ande­re Sys­tem nutz­bar. Zusätz­lich wer­den für Refe­renz­mes­sun­gen ein in einem Brust­gurt inte­grier­ter Beschleu­ni­gungs­sen­sor zur Ablei­tung der Atem­ak­ti­vi­tät und ein Puls­o­xi­me­ter zur Erfas­sung der Herz­ak­ti­vi­tät der so prä­pa­rier­ten Schlaf­pro­ban­den in den Mess­sze­na­ri­en eingesetzt.

Alle Sen­sor­si­gna­le wer­den par­al­lel über einen A/D‑Umsetzer unter Ver­wen­dung des soge­nann­ten Bed-Side-Ser­vers erfasst und ver­ar­bei­tet. Somit ist eine latenz­freie Wei­ter­ver­ar­bei­tung der Signa­le gewähr­leis­tet. Einen Über­blick über das Gesamt­sys­tem ver­mit­telt Abbil­dung 4. Die Sen­sor­da­ten kön­nen mit­tels eines User­in­ter­face visua­li­siert wer­den. Die Bedien­ober­flä­che für Test- und Eva­lu­ie­rungs­zwe­cke ist in Abbil­dung 5 dar­ge­stellt. Hier wer­den neben der Dar­stel­lung der Roh­da­ten eines der bei­den Sen­sor­sys­te­me zusätz­lich die Kör­per­schwer­punkt­la­ge, das Gewicht der Per­son im Bett, die Bett­be­le­gung, ein Indi­ka­tor für Unru­he sowie die aktu­el­le Atem­ra­te ange­zeigt. Als Soft­ware­ent­wick­lungs­um­ge­bung wur­de Lab­VIEW von Natio­nal Instru­ments ver­wen­det. Die in Abbil­dung 4 gezeig­te kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­sche Anbin­dung ist der­zeit nicht aus­ge­führt, aber in einer spä­te­ren Aus­bau­stu­fe vorgesehen.

Die Aus­wahl der Sen­so­ren und der damit ver­bun­de­ne Auf­wand zum Umbau eines Pfle­ge­betts erfolg­te nach den Gesichts­punk­ten „Hygie­ne“ und „über­wach­te Lie­ge­flä­che“. Im Hin­blick auf Hygie­ne-Aspek­te sind fest in das Bett­ge­stell mon­tier­te Sen­so­ren zu bevor­zu­gen, da auf oder unter der Matrat­ze plat­zier­te Sen­so­ren ggf. Kör­per­flüs­sig­kei­ten aus­ge­setzt sind und die Gefahr einer Kon­ta­mi­na­ti­on besteht. Zusätz­lich sind bei frei beweg­li­chen Sen­so­ren eine feh­ler­haf­te Posi­tio­nie­rung oder das Ver­rut­schen des Sen­sors und damit ver­bun­de­ne feh­ler­haf­te Mes­sun­gen denk­bar. Neben dem Hygie­ne-Aspekt wur­de die für Mes­sun­gen nutz­ba­re über­wach­te Lie­ge­flä­che betrach­tet. Sys­te­me, die leicht nach­zu­rüs­ten sind, gehen oft mit Ein­schrän­kun­gen bei der Ablei­tung der Para­me­ter ein­her, da die über­wach­te Lie­ge­flä­che nur einen Bruch­teil der ver­füg­ba­ren Lie­ge­flä­che erfasst. Dies kann gera­de im Hin­blick auf die Deku­bi­tus- und Sturz­prä­ven­ti­on pro­ble­ma­tisch sein, wenn die Per­son sich nicht mehr voll­stän­dig oder gar nicht im Bereich des Sen­sors befin­det. Aus die­sem Grund wur­de für das Sys­tem von HN und UDE eine Sen­sor­lö­sung ange­strebt, bei der Auf­la­ge­mas­se und Mas­se­än­de­run­gen auf der gesam­ten Lie­ge­flä­che erfasst wer­den können.

Obwohl die kom­mer­zi­el­len Sys­te­me den Ein­druck erwe­cken, dass sämt­li­che Pro­ble­me der prä­pa­ra­ti­ons­frei­en Ablei­tung von Pati­en­ten­pa­ra­me­tern bereits gelöst sind, erge­ben sich wei­ter­hin Fra­ge­stel­lun­gen, die bear­bei­tet wer­den müs­sen. Dazu wur­den an der HN ent­spre­chen­de For­schungs­fra­gen for­mu­liert, die neben einer theo­re­ti­schen Betrach­tung am neu ent­wi­ckel­ten Sys­tem Abb. 6 Sys­tem zur Bestim­mung der Atem­ra­te. Gra­fik: Ver­lag OT/Pekasch Inhalt: A. Kit­zig prak­tisch unter­sucht wer­den. Ein Teil der hier­zu ergän­zen­den For­schungs­ar­bei­ten wird nach­fol­gend vorgestellt.

Ent­wick­lung eines Algo­rith­mus zur Bestim­mung der Atem­ra­te 8

Nach dem Auf­bau des Pro­to­typ-Betts wur­de zunächst ein robus­tes Ver­fah­ren zur Detek­ti­on der Atem­ak­ti­vi­tät ent­wi­ckelt, das die gro­ße Varia­bi­li­tät der Nutz­si­gnal­an­tei­le, eine Stö­rung durch Bewe­gungs­ar­te­fak­te sowie exter­ne Stör­ein­flüs­se berück­sich­tigt und eine Detek­ti­on ein­zel­ner Atem­zü­ge ermög­licht, um die sonst übli­che Zusam­men­fas­sung der Atem­ra­te in Epo­chen zu ver­mei­den. Die Infor­ma­tio­nen über ein­zel­ne Atem­zü­ge kön­nen z. B. zur Detek­ti­on von Apnoen genutzt wer­den. Das Ver­fah­ren adap­tiert einen Ansatz aus der Sprach­si­gnal­ver­ar­bei­tung für die Nut­zung in der Bio­si­gnal­ver­ar­bei­tung und wur­de durch zusätz­li­che Metho­den zur robus­ten Signal­ver­ar­bei­tung ergänzt, um Ein­flüs­se von Bewe­gungs­ar­te­fak­ten zu detek­tie­ren und Stö­run­gen zu kompensieren.

Das Gesamt­sys­tem ist in ver­ein­fach­ter Form als Block­schalt­bild in Abbil­dung 6 dar­ge­stellt. Hier­bei wer­den zunächst die Sen­sor­si­gna­le digi­ta­li­siert, anschlie­ßend fin­den eine Sepa­ra­ti­on des rele­van­ten Signal­an­teils mit­tels digi­ta­ler Fil­te­rung und eine Bestim­mung der Fre­quenz­zu­sam­men­set­zung des Signals statt. Die Bewe­gungs­ar­te­fakt-Detek­ti­on beruht auf einer Ermitt­lung der Schwer­punkt­la­ge und einer Metho­de zum Ver­gleich spe­zi­el­ler „Bewe­gungs­mus­ter“ im Signal. Anschlie­ßend kann aus den Ein­zel­er­geb­nis­sen die Atem­ra­te berech­net wer­den. Zur Eva­lua­ti­on des Ver­fah­rens wur­den Test­da­ten mit unter­schied­li­chen Test­per­so­nen nach einem vor­ge­ge­be­nen Ablauf­sche­ma im funk­tio­na­li­sier­ten Bett (Rücken­la­ge, Sei­ten­la­ge links, Rücken­la­ge, Sei­ten­la­ge rechts) erstellt. Die Eva­lua­ti­on zeig­te, dass das Ver­fah­ren zur Bestim­mung ein­zel­ner Atem­zü­ge mit einer aus­rei­chend hohen Genau­ig­keit bei zeit­glei­cher Detek­ti­on von Bewe­gungs­ar­te­fak­ten arbei­tet. Das Ver­fah­ren wur­de bereits in das in Abbil­dung 6 dar­ge­stell­te Sys­tem zur Echt­zeit­de­tek­ti­on inte­griert. Zur Opti­mie­rung des Sys­tems wird an einer wei­te­ren Ver­bes­se­rung der Detek­ti­ons­ge­nau­ig­keit gear­bei­tet, um eine Sen­kung der Stan­dard­ab­wei­chung der Mess­ergeb­nis­se zu errei­chen und die Ver­lust­ra­te ein­zel­ner Atem­zü­ge durch die Bewe­gungs­ar­te­fakt-Detek­ti­on zu minimieren.

Modell­bil­dung zur Opti­mie­rung von Bio­si­gnal­ver­ar­bei­tungs­ver­fah­ren 9

Im Bereich der Bio­si­gnal­ver­ar­bei­tung besteht das bereits dar­ge­stell­te Pro­blem, dass das zu akqui­rie­ren­de und zu ver­ar­bei­ten­de Signal eine gro­ße Varia­bi­li­tät auf­weist und durch Bewe­gungs­ar­te­fak­te und exter­ne Stö­run­gen über­la­gert wird. Wei­ter­hin gibt es kaum pas­sen­de Daten­ban­ken mit ent­spre­chen­den Test- und gela­bel­ten Refe­renz­da­ten, die zur Eva­lua­ti­on eines Sys­tems genutzt wer­den kön­nen, da oft die Sen­so­rik als Neu­ent­wick­lung vor­liegt und es kei­ne ein­heit­li­chen Stan­dards gibt. Dar­über hin­aus erfol­gen Ent­wick­lung und auch Posi­tio­nie­rung von Sen­so­ren in einem Pfle­ge­bett meist durch empi­ri­sche Betrach­tun­gen. Die­se Vor­ge­hens­wei­se stößt jedoch oft an Gren­zen im Hin­blick auf die Signa­le, die abge­lei­tet wer­den kön­nen, da nicht unbe­dingt die opti­ma­le Sen­sor­po­si­ti­on sowie die benö­tig­te Sen­sor­emp­find­lich­keit ermit­telt wer­den kön­nen. Über­dies ist eine der­ar­ti­ge Ent­wick­lung sehr oft mit hohem Zeit- und dadurch auch mit hohem Kos­ten­auf­wand verbunden.

Um die genann­ten Punk­te zu berück­sich­ti­gen und die empi­risch gestütz­te Ent­wick­lung zu erwei­tern, wird an der HN ein mehr­stu­fi­ges Modell ent­wi­ckelt, das die Ent­wick­lung mit­tels einer auf die spä­te­re Ziel­grup­pe und auf das funk­tio­na­li­sier­te Möbel zuge­schnit­te­ne Simu­la­ti­on unter­stützt. Das Modell kann bereits in einem frü­hen Ent­wick­lungs­sta­di­um ein­ge­setzt wer­den, um ver­schie­dens­te Test­be­din­gun­gen nach­zu­stel­len. So kann z. B. bei der Ent­wick­lung von Ver­fah­ren zur Sturz­prä­ven­ti­on die Auf­wach­pha­se eines Men­schen bis hin zum Auf­ste­hen abge­bil­det wer­den. Dadurch wird eine kos­ten­in­ten­si­ve Eva­lu­ie­rung mit rea­len Test­per­so­nen in einer kli­ni­schen Stu­die auf spä­te­re Ent­wick­lungs­sta­di­en ver­la­gert und muss erst durch­ge­führt wer­den, wenn die Grund­funk­tio­na­li­tät des neu­en Ver­fah­rens anhand der Simu­la­ti­on gesi­chert nach­ge­wie­sen wer­den konn­te. Das Gesamt­mo­dell unter­teilt sich in drei Unter­grup­pen, die den Men­schen, das Möbel und die Sen­so­rik berück­sich­ti­gen und so sowohl die Simu­la­ti­on des Gesamt­sys­tems als auch ein­zel­ne Simu­la­tio­nen mit den Modell­tei­len ermög­li­chen. Durch den modu­la­ren Auf­bau ist es wei­ter­hin mög­lich, die Sen­sor­auf­nah­me­punk­te an der Lie­ge­flä­che des Betts zu vari­ie­ren oder eine ande­re Anzahl an Sen­so­ren zu simu­lie­ren, um z. B. eine opti­ma­le Sen­sor­po­si­ti­on und/oder ‑anzahl zu ermit­teln. Aus den resul­tie­ren­den Kräf­ten der Teil­mo­del­le kön­nen zusätz­lich Richt­wer­te für die Ent­wick­lung neu­er Sen­so­ren abge­lei­tet wer­den. So las­sen sich z. B. anlie­gen­de Kräf­te dif­fe­ren­zier­ter betrach­ten, um dar­aus die not­wen­di­ge Sen­sor­emp­find­lich­keit abzu­lei­ten. Der sche­ma­ti­sche Auf­bau des Modells ist in Abbil­dung 7 dargestellt.

Der ers­te Teil des Modells (Modell­teil „Mensch“ in Abb. 7) berück­sich­tigt den Men­schen im Pfle­ge­bett und sieht als Modell­pa­ra­me­ter die Dimen­sio­nen der ein­zel­nen Kör­per­tei­le sowie deren Mas­sen­ver­tei­lun­gen vor. Zusätz­lich wer­den kar­dio­vas­ku­lä­re und respi­ra­to­ri­sche Ele­men­te sowie Bewe­gun­gen und Kör­per­la­gen des Men­schen nach­ge­bil­det. Die­ser Modell­teil ermög­licht die Simu­la­ti­on typi­scher Lie­ge­po­si­tio­nen eines Men­schen (Rücken‑, Bauch,- Sei­ten­la­ge usw.) sowie von Bewe­gungs­ab­läu­fen (Dre­hen, Set­zen, Hocken, Auf­ste­hen usw.) bei zeit­glei­cher Nach­bil­dung der Mas­sen­ver­schie­bun­gen von Herz- und Atem­ak­ti­vi­tät. Phy­si­ka­lisch betrach­tet wer­den dabei die unter­schied­li­chen Auf­la­ge­teil­mas­sen des mensch­li­chen Kör­pers an den ent­spre­chen­den Posi­tio­nen im Bereich der Lie­ge­flä­che simu­liert. Um eine zeit­li­che Abfol­ge zu model­lie­ren, wer­den sta­ti­sche Ein­zel­po­si­tio­nen zu einem Bewe­gungs­ab­lauf kombiniert.

Zur Model­lie­rung des Möbels (Modell­teil „Bett“ in Abb. 7) wird in dem vor­ge­stell­ten Ansatz die Lie­ge­flä­che des Pfle­ge­betts mit den ent­spre­chen­den Sen­sor­auf­nah­me­punk­ten gemäß Abb. 3 für Sen­sor­sys­tem 1 beschrie­ben. Die resul­tie­ren­den Kräf­te der ver­schie­de­nen Kör­per­la­gen aus Teil­mo­dell 1 wer­den für die ein­zel­nen Sen­sor­auf­nah­me­punk­te anhand von Momen­ten­glei­chun­gen berech­net, wobei in der vor­lie­gen­den Ver­si­on des Modells zunächst nur eine Rich­tung sen­si­tiv für Kraft­än­de­run­gen ist.

Die Sen­so­ren (Modell­teil „Sen­sor“ in Abb. 7) wer­den unter Ver­wen­dung der mathe­ma­ti­schen Beschrei­bung aus den Daten­blät­tern der Sen­so­ren beschrie­ben. So kann z. B. die anlie­gen­de Kraft in eine pro­por­tio­na­le Aus­gangs­span­nung umge­rech­net wer­den. Um eine Anpas­sung an rea­le Gege­ben­hei­ten zu ermög­li­chen, ist eine optio­na­le Über­la­ge­rung der Sen­sor­si­gna­le in Form eines addi­ti­ven gauss­ver­teil­ten Rausch­si­gnals als zusätz­li­ches Stör­si­gnal möglich.

Das Modell befin­det sich zur­zeit noch in der Ent­wick­lungs­pha­se; ers­te Unter­su­chun­gen zei­gen aber, dass die kor­rek­te Funk­ti­on gewähr­leis­tet ist. In den nächs­ten Schrit­ten wird an einer wei­te­ren Kom­bi­na­ti­on der ein­zel­nen Tei­le (Mensch – Möbel – Sen­sor) und einer Ver­fei­ne­rung gear­bei­tet, wobei auch exter­ne Stö­run­gen, z. B. durch Gebäu­de­schwin­gun­gen, model­liert wer­den sol­len. Wei­ter­hin ist vor­ge­se­hen, ver­schie­de­ne Sen­sor­ty­pen, Sen­sor­ein­bau­or­te und die Dämp­fung durch die Matrat­ze im Modell zu berück­sich­ti­gen sowie die Model­lie­rung des Möbels ska­lier­bar zu gestal­ten, um unter­schied­li­che Typen eines Pfle­ge­betts zu berücksichtigen.

Erken­nung von Lie­ge­po­si­tio­nen in einem funk­tio­na­li­sier­ten Pfle­ge­bett 10

Um z. B. eine Schlaf­ana­ly­se durch­zu­füh­ren oder um das Deku­bi­tus- oder Sturz­ri­si­ko zu ermit­teln, wur­de ein Sys­tem zur Erken­nung der Kör­per­la­ge und der Akti­on einer Per­son im Pfle­ge­bett ent­wi­ckelt. Vie­le Ansät­ze zur Sturz­prä­ven­ti­on basie­ren auf einer bild­ge­stütz­ten Ana­ly­se unter Ver­wen­dung von Video­ka­me­ras, die die Bewe­gun­gen der Per­son in dem Bett auf­zeich­nen. Die­se Art des Moni­to­rings stellt jedoch einen Ein­griff in die Pri­vat­sphä­re des Nut­zers dar und wird daher zuneh­mend kri­tisch gese­hen. Ande­re Arbei­ten zur Ablei­tung der Kör­per­la­ge oder zur Ein­schät­zung des Deku­bi­tus­ri­si­kos ver­wen­den druck­emp­find­li­che Mat­ten im Bett, die aus hygie­ni­schen Grün­den nicht opti­mal sind. Wei­ter­hin besteht die Gefahr eines Ver­rut­schens der Mat­te und einer dar­aus resul­tie­ren­den feh­ler­haf­ten Detektion.

Der Vor­teil des Sys­tems zur Detek­ti­on von Kör­per­po­si­ti­on und Aktio­nen der HN liegt hier­bei in den vor­ge­stell­ten Kraft­mess­zel­len des Sen­sor­sys­tems I. Zur Erken­nung der ein­zel­nen Bewe­gun­gen neben den vier Kraft­mess­zel­len wer­den kei­ne wei­te­ren Sen­so­ren benö­tigt. Um die gro­ße Varia­bi­li­tät der ein­zel­nen Bewe­gun­gen und Kör­per­la­gen, die selbst bei der Wie­der­ho­lung von Bewe­gun­gen einer Per­son auf­tre­ten, zu kom­pen­sie­ren, bie­tet sich zur Detek­ti­on ein Ver­fah­ren an, das auf Hid­den-Mar­kov-Model­len (HMM) basiert. HMMs sind im Bereich der Ver­ar­bei­tung von Daten immer dort vor­teil­haft anwend­bar, wo Signa­le, etwa im Bereich der Sprach- oder Ges­ten­er­ken­nung, eine zeit­li­che Varia­bi­li­tät auf­wei­sen, z. B. durch das Deh­nen von Voka­len bei der Aus­spra­che. Durch die spe­zi­el­le Struk­tur der HMMs ist es auch im Bereich der Bio­si­gnal­ver­ar­bei­tung mög­lich, die zeit­li­che Varia­bi­li­tät der ein­zel­nen Aktio­nen und Lagen einer Per­son im Bett zu model­lie­ren. So wird z. B. der Ablauf einer Dre­hung im Bett immer ähn­lich aus­fal­len, jedoch wer­den ein­zel­ne Ele­men­te bei einer Wie­der­ho­lung zeit­lich vari­ie­ren. Im Hin­blick auf ihre Eigen­schaf­ten sind die Signa­le der Kraft­mess­zel­len mit Sprach­si­gna­len ver­gleich­bar, somit konn­te für die Ent­wick­lung des HN-Sys­tems das Hid­den-Mar­kov-Tool­kit der Uni­ver­si­tät Cam­bridge (HTK) genutzt wer­den. Hier­zu wur­de HTK an die spe­zi­el­le Anwen­dung der Lage­er­ken­nung adap­tiert, um ein eige­nes Lage­er­ken­nungs­sys­tem auf­zu­bau­en. Die grund­le­gen­den Ele­men­te des Sys­tems sind in Abbil­dung 8 dargestellt.

Das Sys­tem wur­de in einer ers­ten Instanz als soge­nann­tes Off­line-Sys­tem auf­ge­baut. Das bedeu­tet, dass gespei­cher­te Test­da­ten ver­wen­det wer­den, wel­che die Sen­sor­da­ten vor­ge­ge­be­ner Abläu­fe ent­hal­ten. Die­ser Punkt ist in Abb. 8 als „Kör­per­po­si­ti­ons­da­ten­bank“ dar­ge­stellt. Um ent­spre­chen­de HMMs gene­rie­ren zu kön­nen, bedarf es neben einem soge­nann­ten Trai­ning einer Merk­mals-Extrak­ti­on. Die­se dient dazu, rele­van­te spek­tra­le Merk­ma­le aus den Daten zu extra­hie­ren. Das Trai­ning der Model­le und die Erken­nung wer­den unter Ver­wen­dung ange­pass­ter HTK-Funk­tio­nen durch­ge­führt. Der Erken­ner („Clas­si­fier“ in Abb. 8) wird mit einer soge­nann­ten Syn­tax der­art gesteu­ert, dass eine „freie“ Erken­nung ein­zel­ner Kör­per­la­gen und der dazu­ge­hö­ren­den Aktio­nen mög­lich ist. Ein Bei­spiel für die Syn­tax wird in Abbil­dung 9 gegeben.

Durch die Syn­tax wird zunächst erkannt, ob das Bett leer ist („bed_empty“), gefolgt von der Erken­nung des Betre­tens des Betts („inbed“). Im Anschluss dar­an ist eine kon­ti­nu­ier­li­che Erken­nung ein­zel­ner Aktio­nen, die in eine Kör­per­la­ge über­ge­hen („getin­pos­tu­re“), und der ent­spre­chen­den Kör­per­la­ge („inpos­tu­re“) mög­lich. Die Erken­nung wird abge­schlos­sen durch das Ver­las­sen des Betts („out­bed“) und die Detek­ti­on des lee­ren Betts („bed_empty“). Somit kann neben den Kör­per­la­gen zusätz­lich erkannt wer­den, ob das Bett belegt ist oder nicht. Als Daten­bank wur­de ein Set von zwölf Per­so­nen ver­wen­det, das pro Per­son jeweils zwei Ses­si­ons beinhal­tet. Ins­ge­samt wur­den in Sum­me zwan­zig ver­schie­de­ne Aktio­nen und Kör­per­la­gen von den Test­per­so­nen in einer vor­ge­ge­be­nen Rei­hen­fol­ge je Ses­si­on ein­ge­nom­men. Ein Teil davon ist bei­spiel­haft in Abbil­dung 10 dargestellt.

Die Erken­nungs­ra­te des Sys­tems liegt der­zeit bei etwa 95 % (bei iden­ti­schen Trai­nings- und Test­da­ten); somit ist es mög­lich, ein­zel­ne Kör­per­la­gen und Posi­tio­nen einer Per­son in einem Pfle­ge­bett mit hoher Sicher­heit zu erken­nen und zu unter­schei­den. Das Sys­tem kann z. B. zur Schlaf­ana­ly­se als Erwei­te­rung der Akti­gra­phie im Bereich der Unter­su­chung mensch­li­cher Akti­vi­täts- und Ruhe­zy­klen ver­wen­det wer­den. Im Bereich der Deku­bi­tus­pro­phy­la­xe kann das Sys­tem ein­ge­setzt wer­den, um zu ermit­teln, ob sich die Per­son im Bett aus­rei­chend bewegt hat. Für eine Sturz­pro­phy­la­xe kön­nen wei­ter­hin Abfol­gen von Posi­tio­nen genutzt wer­den, um z. B. Auf­steh­ten­den­zen zu erken­nen. Das Erken­nungs­sys­tem wird suk­zes­si­ve wei­ter­ent­wi­ckelt. Der nächs­te Ent­wick­lungs­schritt sieht den Auf­bau eines Online-Erken­nungs­sys­tems zur Ver­ar­bei­tung der Daten in Echt­zeit vor. Eine gro­ße Fra­ge­stel­lung besteht noch hin­sicht­lich der Trai­nings­da­ten, die jeweils von rea­len Pro­ban­den auf­ge­nom­men wer­den müs­sen. Um den Zeit- und dadurch beding­ten Kos­ten­auf­wand gering zu hal­ten, wird in einer wei­te­ren Aus­bau­stu­fe das bereits bestehen­de mehr­stu­fi­ge Modell dazu ver­wen­det, Trai­nings­da­ten mit­tels Simu­la­tio­nen zu erzeu­gen. Wei­ter­hin ist vor­ge­se­hen, eine Adap­ti­on von Model­len an einen spe­zi­fi­schen Benut­zer vor­zu­neh­men. Dazu wer­den simu­lier­te Trai­nings­da­ten mit­tels spe­zi­el­ler Ver­fah­ren zur Adap­ti­on von Hid­den-Mar­kov-Model­len an rea­le Benut­zer angepasst.

Fazit

Im Rah­men des vor­lie­gen­den Arti­kels wur­de ein Über­blick über die Mög­lich­kei­ten des prä­pa­ra­ti­ons­frei­en Lang­zeit­mo­ni­to­rings durch die Ver­wen­dung funk­tio­na­li­sier­ter Möbel mit dem Fokus auf die Unter­stüt­zung von Pati­en­ten und Pfle­ge­kräf­ten ver­mit­telt. Hier­bei wur­den unter­schied­li­che Sys­te­me betrach­tet und deren Vor- und Nach­tei­le dar­ge­stellt. Deut­lich wird bei der Betrach­tung, dass aktu­ell bereits eine viel­ver­spre­chen­de Anzahl von Ansät­zen im Bereich der funk­tio­na­li­sier­ten Möbel exis­tiert und auch kom­mer­zi­el­le Pro­duk­te ange­bo­ten wer­den, die einen mess­ba­ren Mehr­wert durch das prä­pa­ra­ti­ons­freie Moni­to­ring auf dem Gebiet der Pfle­ge schaffen.

Im Bereich der Moni­to­ring­sys­te­me für die Anwen­dung im pri­va­ten Wohn­um­feld sind bereits kom­mer­zi­el­le Sys­te­me als „per­sön­li­ches Schlaf­la­bor“ erhält­lich, die mit inter­es­san­ten Merk­ma­len über­zeu­gen und deren Leis­tungs­fä­hig­keit in der nächs­ten Zeit noch wei­ter aus­ge­baut wird. Es exis­tie­ren aber trotz der fort­ge­schrit­te­nen Tech­nik immer noch Fra­ge­stel­lun­gen, die sich aus der Betrach­tung ein­zel­ner Sys­te­me erge­ben, die zur Ver­bes­se­rung der Sys­te­me und zur Stei­ge­rung der Akzep­tanz beim Nut­zer in den nächs­ten Jah­ren bear­bei­tet wer­den müssen.

An die­ser Stel­le soll noch ein­mal der Titel die­ses Bei­trags auf­ge­grif­fen wer­den – „Funk­tio­na­li­sier­te (Pflege-)Betten – das Erbe der Bal­lis­to­kar­dio­gra­phie?“. Die­se Fra­ge kann mit einem kla­ren Ja beant­wor­tet wer­den, denn wie gezeigt wer­den konn­te, wird die einst als unge­eig­net betrach­te­te Tech­nik der Bal­lis­to­kar­dio­gra­phie durch moder­ne Sen­sor- und Rech­ner­sys­te­me im Bereich der funk­tio­na­li­sier­ten Bet­ten wie­der ein­ge­setzt. Somit kann das mit Sen­so­ren aus­ge­stat­te­te Pfle­ge­bett als eine Art „moder­ner“ Bal­lis­to­kar­dio­graph ange­se­hen wer­den, der das Erbe der his­to­ri­schen BKG antritt.

Für die Autoren:
Dipl.-Ing. (FH) Andre­as Kit­zig, M. Eng.
Hoch­schu­le Niederrhein
Fach­be­reich Elek­tro­tech­nik und Informatik
Rein­arz­str. 49, 47805 Krefeld

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on Kit­zig A, Stock­manns G, Viga R, Grab­mai­er A. Funk­tio­na­li­sier­te (Pflege-)Betten – das Erbe der Bal­lis­to­kar­dio­gra­phie? Von per­sön­li­chen Schlaf­la­bo­ren und intel­li­gen­ten Möbeln Ortho­pä­die Tech­nik. 2016; 67 (4): 52–59
Kör­per­la­geErklä­rung
1Lee­res Bett (bed_empty)
2Bett betre­ten (inbed)/ Bett ver­las­sen (out­bed)
3Rücken­la­ge, in der Bett­mit­te Arme und Bei­ne ausgestreckt
4Rücken­la­ge, in der Bett­mit­te Arme und Bei­ne angelegt
5Gehock­tes Sit­zen, in der Bettmitte
6Rand­la­gi­ges Lie­gen, am linken/rechten Bettrand
7Unru­he Kon­ti­nu­ier­li­ches Hin- und Herbewegen
Abb. 10 Kör­per­la­gen der Testpersonen.

 

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