90 Jah­re Bau­er­feind: Der Mut des Tüchtigen

Ohne großen Pomp, stattdessen mit dem Anlass angemessenen Stil feierte der Hilfsmittelhersteller Bauerfeind am 14. Juni in Zeulenroda sein 90-jähriges Firmenjubiläum. Rund 200 geladene Gäste aus Politik, Verbänden, Wirtschaft und Gesundheitswesen nahmen zunächst am Vormittag im Bio-Seehotel am offiziellen Festakt teil. Abends feierten dann rund 1.000 Mitarbeiter des Familienunternehmens den Geburtstag mit einer standesgemäßen Party.

Nur weni­ge Tage zuvor hat­te das Ifo-Insti­tut bekannt gege­ben, dass in Ost­deutsch­land aktu­ell kaum mehr Men­schen leben als 1905 — her­vor­ge­ru­fen durch die Tei­lung Deutsch­lands und der anschlie­ßen­den Hei­mat­flucht nach dem zwei­ten Welt­krieg, der feh­len­den Zuwan­de­rung jun­ger Gast­ar­bei­ter in den 1960er- und 70er-Jah­ren sowie den Abwan­de­rungs­strö­men nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung. Dabei lässt sich die Geschich­te des Unter­neh­mens und der Fami­lie Bau­er­feind auf fes­seln­de Wei­se in die Chro­nik der Bun­des­re­pu­blik ein­flech­ten, wie der Fest­akt in Zeu­len­ro­da in vie­len Momen­ten offen­bar­te. Beson­ders auf­fäl­lig: die mehr­fa­che Ver­wen­dung des Begriffs „Mut“.

Anzei­ge

„Mut“ (Sub­stan­tiv, maskulin) 
1. „Fähig­keit, in einer gefährlichen/riskanten Situa­ti­on sei­ne Angst zu überwinden. 
2. Bereit­schaft, ange­sichts zu erwar­ten­der Nach­tei­le etwas zu tun, was man für rich­tig hält.

Fir­men­chef in drit­ter Gene­ra­ti­on Prof. Hans B. Bau­er­feind sprach in sei­ner Fest­re­de von „jenen Muti­gen, die 1989 in der DDR für ihre Frei­heit auf die Stra­ßen gegan­gen sind“. Der thü­rin­gi­sche Minis­ter­prä­si­dent a. D., Dr. Bern­hard ­Vogel wand­te sich sei­ner­seits an Prof. Bau­er­feind mit den Wor­ten: „Sie haben den Mut bewie­sen, 1991 zu sagen: ‚Meine­ Fir­ma ist aus Thü­rin­gen, und da muss sie auch wie­der hin!‘“ – Damit ver­wies er auf die Rück­kehr des Unter­neh­mens nach der Wen­de an den Ort sei­nes Ent­ste­hens. 1929 in Zeu­len­ro­da von Bru­no Bau­er­feind gegrün­det, ver­lie­ßen Sohn Rudolf und des­sen Frau Käthe 1949 aus Angst vor der dro­hen­den Ent­eig­nung ihre Hei­mat und ver­la­ger­ten ihre Fir­ma ins west­deut­sche Darm­stadt. Dass Hans B. Bau­er­feind sich schließ­lich dazu ent­schloss, an die Geburts­stät­te des Fami­li­en­un­ter­neh­mens zurück­zu­keh­ren, wird ihm in der Regi­on hoch ange­rech­net. „Du bist ein Patri­ot, der zurück­ge­kom­men ist, um Auf­bau­hil­fe zu leis­ten“, bedank­te sich Land­rä­tin Mar­ti­na Schweins­burg im Rah­men des Fest­akts noch ein­mal beim Fir­men­pa­tri­ar­chen. Die­ser ließ durch­bli­cken, dass der Umzug beim bes­ten Wil­len kein rei­bungs­lo­ser Akt gewe­sen sei: „Wir woll­ten hier einen rich­ti­gen Betrieb auf­bau­en – kei­ne ver­län­ger­te Werk­bank. Wir sind den har­ten Weg gegangen.“

Erfolgs­ge­schich­te mit vie­len Kapiteln

Aus der geo­gra­fi­schen Fer­ne jen­seits der thü­rin­gi­schen Lan­des­gren­zen betrach­tet, lässt sich die Erfolgs­ge­schich­te der Mar­ke Bau­er­feind sicher­lich an vie­len Kapi­teln able­sen: von Umsatz­stei­ge­run­gen, über Expan­sio­nen ins Aus­land bis hin zur Part­ner­schaft mit dem Inter­na­tio­na­len Olym­pi­schen Komi­tee. Für die Men­schen vor Ort zäh­len aber ins­be­son­de­re die Inves­ti­tio­nen in „Stei­ne und Bei­ne“, genau­er gesagt in Infra­struk­tur und Arbeits­plät­ze. Wie ein Leucht­turm bestimmt das 2004 eröff­ne­te Ver­wal­tungs­ge­bäu­de in Zeu­len­ro­da über die Stadt­gren­zen hin­aus die land­schaft­li­che Sze­ne­rie. Hin­zu kommt das 1999 von Hans. B. Bau­er­feind per­sön­lich initi­ier­te Pro­jekt des Bio-See­ho­tels als tou­ris­ti­scher Anker der Umge­bung. Die­se beson­de­re Episode­ der Bau­er­feind-Chro­nik griff auch der Medi­zi­ner, Buch­au­tor und Mode­ra­tor Dr. Eck­art von Hirsch­hau­sen in sei­ner Fest­re­de auf. „Ande­re Leu­te bau­en sich einen Swim­ming­pool. Sie bau­en ein See­ho­tel, damit auch ande­re schwim­men kön­nen“, ver­wies er auf die altru­is­ti­schen Cha­rak­ter­zü­ge des Firmenchefs.

Des­sen unter­neh­me­ri­sches Enga­ge­ment zeigt auch in der Gegen­wart spür­bar Wir­kung. Im unweit ent­fern­ten Gera ent­steht aktu­ell eine neue Betriebs­stät­te, die bis 2021 rund 100 Arbeits­plät­ze schafft. Um Fach­kräf­te in Thü­rin­gen zu hal­ten, bzw. sie aus ande­ren Gegen­den anzu­wer­ben, koope­riert das Unter­neh­men mit Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten aus der Regi­on, wie Bea­trix Bau­er­feind-John­son aus­führ­te. Als Toch­ter von Hans B. und Mit­glied im Auf­sichts­rat ver­kör­pert sie die vier­te Gene­ra­ti­on im Fami­li­en­un­ter­neh­men. Ange­spro­chen auf die gegen­wär­ti­gen Zie­le beton­te sie den Anspruch, in Deutsch­land in den Seg­men­ten Orthe­sen und Ban­da­gen die Markt­füh­rer­schaft inne zu haben und gleich­zei­tig im Aus­land wei­ter zu wach­sen: „Chi­na und Russ­land sind die Märk­te, die jetzt ange­gan­gen wer­den.“ Ihr Vater bestä­tigt: „Wir sind auf unse­rem Gebiet vor­ne und dabei soll es auch bleiben.“

Dass Erfolg letzt­lich oft eine Ver­knüp­fung von Pro­dukt­in­no­va­ti­on und Unter­neh­mer­geist ist, lässt sich im Fal­le von Bau­er­feind am bes­ten am Bei­spiel der
Genu­Train-Kom­pres­si­ons­ban­da­ge unter­strei­chen. Des­sen Ent­wick­lungs­ge­schich­te erzähl­te in Zeu­len­ro­da Prof. Dr. Hein­rich Hess in einer unter­halt­sa­men Rede. Der ­Ortho­pä­de und lang­jäh­ri­ge Mann­schafts­arzt der Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft war Mit­te der 1970er-Jah­re auf der Suche nach einem Hilfs­mit­tel-Part­ner zur Umset­zung der sei­ner­zeit revo­lu­tio­nä­ren Ver­sor­gungs­maß­nah­me einer Akti­vie­rung anstatt einer Ruhig­stel­lung für die Reha­bi­li­ta­ti­on von Knie­ge­lenk-Ver­let­zun­gen. Im Zuge des­sen kam er in Kon­takt mit Hans B. Bau­er­feind. „Er fer­tig­te häss­li­che Ban­da­gen, stell­te sich aber als ein cle­ve­res Kerl­chen her­aus“, führ­te Prof. Hess schmun­zelnd zur Ent­ste­hung der wie er sagt „Mut­ter aller­ Knie­ban­da­gen“ aus. „Gemein­sam haben wir etwas geschaf­fen,­ das den Umgang mit Gelenk­ver­let­zun­gen revo­lu­tio­niert hat und die früh­funk­tio­nel­le The­ra­pie zum ­Stan­dard hat wer­den lassen.“

 

Es gehört zu den typi­schen Eigen­schaf­ten von Jubi­lä­ums­ver­an­stal­tun­gen, dass in Fest­re­den viel und stolz auf das Erreich­te zurück­ge­blickt wird. Die indi­vi­du­el­len Rede­bei­trä­ge von Prof. Dr. Hess, Dr. von Hirsch­hau­sen, Mar­ti­na Schweins­burg, Dr. Vogel sowie das per Video­bot­schaft über­reich­te Gruß­wort des amtie­ren­den thü­rin­gi­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Bodo Rame­low waren aller­dings kei­nes­falls inhalts­lee­re Glück­wunsch­bot­schaf­ten, son­dern beleg­ten in der Sum­me die Fun­da­men­te, die Bau­er­feind als Unter­neh­men und in Per­son von Hans B. Bau­er­feind sowohl in der glo­ba­len Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung als auch in der regio­na­len Struk­tur­ent­wick­lung gelegt hat. In die­sem Sin­ne schlos­sen sich alle Anwe­sen­den den Wor­ten von Dr. Bern­hard Vogel an: „Glück­wunsch für das ­Erreich­te und Mut für die Zukunft!“

Michael Blatt
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