Sowohl Inhaber:innen und Mitarbeiter:innen aus OST-Betrieben als auch Vertreter:innen benachbarter Berufsgruppen wie Orthopädie-Technik, Podologie, Sanitätsfachhandel, Medizin und Forschung kamen bei Messe, Kongress sowie bei den Seminaren auf ihre Kosten. Auch der Nachwuchs war stark vertreten und konnte abseits des eigenen Ausbildungsbetriebs OST-Luft schnuppern, sich weiterbilden und austauschen, um nach dem Wochenende inspiriert in den Azubi-Alltag zurückzukehren. Stand an Stand reihten sich die mehr als 140 Aussteller aneinander und präsentierten ihre Neuheiten und Angebote rund um die orthopädieschuhtechnische Versorgung. Doch nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wie“ wurde gezeigt – der Weg zum Endprodukt ist heute oft ein digitaler. An den Themen 3D-Druck und ‑Scan kam auch nicht vorbei, wer im Forum der Messehalle Platz nahm oder die Seminare besuchte. „Die Technik gibt mir die Möglichkeit, Dinge herzustellen, die ich so mit der Hand nie hätte bauen können“, betonte OSM Martin Jaeger bei seiner Einführung in die für ihn immer wichtiger werdende Additive Fertigung. Als „Werkzeug der Zukunft“ bezeichnete auch Frederic Großmann vom Kompetenzzentrum Orthopädieschuhtechnik (Komzet O.S.T.) den 3D-Druck, betonte aber: „Es ist kein Ersatz, sondern ein zusätzliches Mittel, das die Branche bereichern kann.“
3D-Technologie als Zeitersparnis
Dass sich ein Betrieb nicht das komplette Wissen aneignen und vollumfänglich ausstatten muss, sondern auch Schritte an Dritte auslagern kann, verdeutlichte im Rahmen des Forums der gemeinsame Vortrag des niederländischen Unternehmens PLT Products und Klein Orthopädie Schuhtechnik mit Sitz in Köln. Während der Scan im Betrieb gemacht wird, übernimmt der Outsourcing-Partner das Modellieren. „Wir bekommen den Leisten immer mit sehr gutem Ergebnis zurück“, berichtete Inhaber Dirk Klein. „Das spart auch Zeit. Mehr Zeit, die wir für unsere Patient:innen haben.“ Alle Veranstaltungen im Forum waren für die Messebesucher:innen frei zugänglich. Industrieunternehmen, Dienstleister und Bildungsträger präsentierten dort ihre Innovationen sowie aktuellen Projekte. Darunter auch das Komzet O.S.T. Projektleiterin Dr. Annette Kerkhoff stellte die Einrichtung, die sich für Forschung, Aus- und Weiterbildung stark macht, mit ihren einzelnen Standorten vor, ebenso bekam das Publikum Informationen zu Lehrgängen und laufenden Studien. Auch die Seminare deckten ein breites Spektrum ab – von medizinischen und handwerklichen Themen über Beratung und Verkauf bis hin zu Rechtsfragen und Nachhaltigkeit.
Paradigmenwechsel in der Schuhversorgung
Schwerpunkte des Fachkongresses, der in diesem Jahr zusammen mit dem Kongress des Internationalen Verbandes der Orthopädie-Schuhtechniker (IVO) stattfand, waren die Themen „Biomechanik des Fußes“ und „Diabetisches Fußsyndrom“. Während sich an Tag zwei die Keynote-Speaker Kelly Robb und Dr. Michael Ryan den biomechanischen Konzepten aus nordamerikanischer sowie Thomas Stief aus europäischer Perspektive widmeten, referierte Prof. Sicco Bus an Tag eins unter dem Titel „Biomechanik des Diabetischen Fußsyndroms und orthopädisches Schuhwerk: Neuester Wissensstand, Leitlinien und Umsetzung“ und konnte dabei aufgrund des erkrankten Prof. Dr. med. Bernhard Greitemann spontan noch weiter ausholen als geplant. Lob gab es schon, bevor Bus die Bühne überhaupt betrat: „Ich kenne keinen Wissenschaftler, der sich so tief in die Materie der Orthopädie-Schuhtechnik eingearbeitet und so gute Wissenschaft in diesem Jahr betrieben hat“, kündigte OSM Jürgen Stumpf den Redner an. „Einer von elf Erwachsenen hat Diabetes mellitus, 19 bis 34 Prozent davon entwickeln einen Fußulcus“, machte Bus zu Beginn seines Keynote-Vortrags auf die weltweite Relevanz der Erkrankung, Prävention und Therapie aufmerksam. Zunächst nahm Bus die Ursachen und die Entwicklung eines Ulcus in den Blick, anschließend die Behandlung sowie die Schuh- und Einlagenversorgung. Das entscheidende Stichwort hier: Entlastung. Neueste Studien, die zeigen, worauf es dabei ankommt, stellte Bus dem Publikum im Überblick vor und machte dabei auch deutlich, dass er einen Paradigmenwechsel in der Schuhversorgung sieht – weg von einem erfahrungsorientierten hin zu einem evidenzbasierten Ansatz. Dahingehend werde derzeit die 2019 von der International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF) veröffentlichte Richtlinie aktualisiert. Die Vorstellung sei für kommendes Jahr geplant.
„Jetzt haben wir aufgeräumt“
Eine klare Linie definieren – das war auch das Ziel der Deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung e. V. (DGIHV). Ergebnis ist das Kompendium „Qualitätsstandard im Bereich Fuß und Schuh“ – das erste von Orthopädieschuhtechniker:innen und Medizinern gemeinsam entwickelte und verabschiedete Standardwerk zur orthopädieschuhtechnischen Versorgung. Für Michael Möller ein Projekt, in das viel Herzblut floss. Das merkte man dem Orthopädieschuhmacher-Meister, der gemeinsam mit Dr. Hartmut Stinus als Schriftleiter fungierte, bei seinem leidenschaftlichen Vortrag auf der OST-Messe an. Im Rahmen des Forums stellte er das Kompendium vor, gab Einblick in die Inhalte, den Aufbau und auch in die Hintergründe. „Wir haben in der Vergangenheit ein riesen Durcheinander von Indikationen, Versorgungskonzepten und Verordnungen gehabt“, blickte er zurück. „Jetzt haben wir aufgeräumt“, betonte er mit stolzem Blick auf das druckfrische Werk in seinen Händen. Die Sitzgelegenheiten hatten sich zu Anfang schnell gefüllt, ebenso schnell leerte sich der Bestand an Leseproben am Ende des Vortrags, den Möller aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalls von Stinus allein meisterte. Wer noch eine Leseprobe ergattern wollte, wurde am Stand des Verlags OT fündig. Hier nutzte auch der eine oder andere Interessent die Gelegenheit, das – bis dahin noch nicht veröffentlichte – Werk gleich vorzubestellen. Ab dem 20. Oktober wird das Kompendium nun verschickt.
Zwei Tage „Orthopädie-Schuh-Technik“-Messe: Dem regen Treiben wich am Ende eine nahezu leere Halle. Geblieben sind zahlreiche Eindrücke, anregende Gespräche, Wissenslücken, die gefüllt wurden, und Vorträge, die nachschwingen. In die gesammelten Taschen steckten die Besucher:innen nicht nur Prospekte und Werbegeschenke, sondern nahmen sicherlich ebenso viele Anregungen für den Arbeitsalltag mit nach Hause.
Pia Engelbrecht
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