3. Betriebs­be­fra­gung zu Corona-Auswirkungen

Versorgungssicherheit wiederhergestellt: Sanitätshäuser und orthopädietechnische Betriebe sind in der „neuen Normalität“ angekommen. Auch wenn das Virus SARS-CoV-2 das öffentliche Leben sowie das Gesundheitswesen nach wie vor beeinflusst: Die Häuser haben ihre Arbeitsfähigkeit in allen Versorgungsbereichen überwiegend wiederhergestellt. Allerdings wirken die Auftrags- und Umsatzeinbrüche der letzten Monate fortlaufend nach. Dies zeigen die Ergebnisse der dritten Befragung des Bundesinnungsverbands für Orthopädie-Technik (BIV-OT) zu den „Corona-Auswirkungen 2020“, an der vom 2. bis 19. Juni 2020 bundesweit 371 Mitgliedsbetriebe teilgenommen haben.

„Ver­mut­lich nicht auf­hol­bar sind die Ver­lus­te der ver­gan­ge­nen Mona­te, als Kran­ken­häu­ser plan­ba­re Ope­ra­tio­nen zuguns­ten der Inten­siv­me­di­zin flä­chen­de­ckend her­un­ter­ge­fah­ren haben, Arzt­pra­xen teils geschlos­sen und etli­che Pati­en­ten aus Angst vor Infek­tio­nen Behand­lun­gen ver­scho­ben haben“, so BIV-OT-Prä­si­dent Alf Reu­ter. Die wirt­schaft­li­chen Fol­gen leg­te die aktu­el­le Befra­gung erneut offen: Zum drit­ten Mal in Fol­ge gab die Mehr­zahl der Befrag­ten an, dass sowohl Umsatz- als auch Auf­trags­la­ge gegen­über dem glei­chen Monat des Vor­jah­res ein­ge­bro­chen bzw. stark ein­ge­bro­chen sei­en. Bei 83 Pro­zent habe der Umsatz im Mai 2020 im Ver­gleich zum Mai 2019 abge­nom­men bzw. stark abge­nom­men. Bei der 2. Befra­gung (Ver­gleich April) hat­ten das 92,2 Pro­zent ange­ge­ben, bei der 1. Befra­gung (Ver­gleich März) 82 Pro­zent. Für die Auf­trags­la­ge sag­ten dies in der aktu­el­len Befra­gung 78,2 Pro­zent (2. Befra­gung: 90,3%; 1. Befra­gung: 88,8%).

Gefahr trotz leich­tem Optimismus

Jedoch hell­te sich der Blick in die Zukunft – auf den jewei­li­gen Fol­ge­mo­nat – von Befra­gung zu Befra­gung etwas auf: So erwar­ten 21,9 Pro­zent der befrag­ten Betrie­be im Juli 2020 einen zuneh­men­den oder stark zuneh­men­den Umsatz. In der vor­her­ge­gan­ge­nen Befra­gung (Bezug Juni) hat­ten dies 14,6 Pro­zent ange­ge­ben und in der 1. Befra­gung (Bezug Mai) sogar ledig­lich 3,4 Pro­zent. Den­noch sahen in der aktu­el­len Unter­su­chung immer noch 46,5 Pro­zent eine Abnah­me oder star­ke Umsatz­ab­nah­me vor­aus. Bei der Auf­trags­la­ge rech­ne­ten 26,5 Pro­zent mit einer Zunahme/starken Zunah­me (2. Befragung/Bezug Juni: 18,1%; 1. Befragung/Bezug Mai: 4%) und 42,7 Pro­zent mit einer Abnahme/starken Abnah­me (2. Befra­gung: 64,7%; 1. Befra­gung: 90,7%). „Es wer­den also nach wie vor sehr hohe Ein­bu­ßen erwar­tet, die letzt­lich die Exis­tenz von Betrie­ben und damit die flä­chen­de­cken­de Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung gefähr­den kön­nen“, so Reuter.

Auf 2. Wel­le vor­be­rei­tet sein

Zudem ste­he die Gefahr einer erneu­ten Infek­ti­ons­wel­le immer im Raum, kon­sta­tiert Reu­ter. „Dar­auf müs­sen wir vor­be­rei­tet sein, um die Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung mit Hilfs­mit­teln zu sichern.“ Des­halb gel­te es, per­sön­li­che Schutz­aus­rüs­tung (PSA) in ent­spre­chen­der Zahl zu beschaf­fen und die Lager auf­zu­sto­cken. Dabei sieht der BIV-OT-Prä­si­dent eben­falls die Bun­des- und Lan­des­po­li­tik in der Pflicht: „Die Prei­se für Pro­duk­te wie pro­fes­sio­nel­le FFP2/3‑Schutzmasken sind nach oben geschnellt, teils waren sie auf dem Markt gar nicht zu bekom­men. Da bei jeder Ver­sor­gung PSA getra­gen wer­den muss, belas­tet dies die Betrie­be enorm. Es ist für uns unver­ständ­lich, dass nahe­zu alle ande­ren Leis­tungs­er­brin­ger – wie zum Bei­spiel Ärz­te und Phy­sio­the­ra­peu­ten und zuletzt sogar die Bau­in­dus­trie – hier­für einen Aus­gleich erhal­ten, wir aber nicht.“ Die Kran­ken­kas­sen sei­en klar in der Pflicht. PSA gehö­re zur Ver­sor­gung dazu.

PSA: Lage weit­ge­hend ent­spannt – Bedarf nicht voll­stän­dig gedeckt

Im Gro­ßen und Gan­zen habe sich die Situa­ti­on im Hin­blick auf PSA aber im Ver­gleich zum Beginn der Pan­de­mie, als nahe­zu nichts erhält­lich war, ent­spannt, sagt Reu­ter. Dazu hät­ten nicht zuletzt Pro­jek­te wie „Wir nähen für Deutsch­land“ bei­getra­gen, wobei der BIV-OT gemein­sam mit Unter­neh­men die Her­stel­lung zer­ti­fi­zier­ter Schutz­aus­rüs­tung ange­sto­ßen habe. Trotz­dem wur­de bei­spiels­wei­se ein Man­gel an Ein­weg­hand­schu­hen von 34,77 Pro­zent der teil­neh­men­den Betrie­be als ein Grund benannt, der „aktu­ell oder inner­halb der nächs­ten Woche“ zu Ein­schrän­kun­gen ihrer Lie­fer­fä­hig­keit führt. Damit stand die­ses Pro­blem im „Ran­king“ feh­len­der PSA der­zeit an ers­ter Stel­le – gefolgt von feh­len­dem Des­in­fek­ti­ons­mit­tel und FFP2/3‑Mundschutz.

Wie­der arbeitsfähig

Die Arbeits­fä­hig­keit in allen Ver­sor­gungs­be­rei­chen hat sich nach den Ergeb­nis­sen der neu­es­ten Betriebs­be­fra­gung wesent­lich ver­bes­sert. „Sie ist dem­nach zu einem hohen Pro­zent­satz nahe­zu wie­der­her­ge­stellt – auch wenn es über­all und spe­zi­ell im Bereich der Ver­sor­gung mit Medi­zin­tech­nik noch Nach­hol­be­darf gibt“, erklärt Alf Reu­ter. So lag der Anteil der befrag­ten Unter­neh­men, die sich als „eher bzw. voll arbeits­fä­hig“ ein­schätz­ten, im Ver­sor­gungs­seg­ment Sani­täts­haus bei 82,6 Pro­zent (2. Befra­gung: 63,5%; 1. Befra­gung: 42,5%), in der Ortho­pä­die-Tech­nik bei 79,6 Pro­zent (2. Befra­gung: 62,1%; 1. Befra­gung: 48,5%), in der Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik bei 70,9 Pro­zent (2. Befra­gung: 45,6%; 1. Befra­gung: 44,2%), im Bereich Reha bei 79 Pro­zent (2. Befra­gung: 64,9%; 1. Befra­gung: 53,1%), in der Home Care bei 80,7 Pro­zent (2. Befra­gung: 64,1%; 1. Befra­gung: 47,6%) und im Bereich Medi­zin­tech­nik bei 62,2 Pro­zent (2. Befra­gung: 54%; 1. Befra­gung: 42,2%).

Weni­ger Engpässe

Auch wenn sich die Lie­fer­fä­hig­keit in etli­chen Pro­dukt­grup­pen wei­ter ver­bes­sert hat –  „die Eng­päs­se auf­grund feh­len­der Han­dels­wa­re oder Mate­ria­li­en zur Pro­duk­ti­on sind den­noch vor­han­den“, kri­ti­siert Alf Reu­ter. So erge­ben sich Lücken vor allem bei zum Ver­brauch bestimm­ten Pfle­ge­hilfs­mit­teln (PG 54), bei Pfle­ge­hilfs­mit­teln zur Körperpflege/Hygiene und zur Lin­de­rung von Beschwer­den (PG 51) sowie zur Erleich­te­rung der Pfle­ge (PG 50), bei Inha­la­ti­ons- und Atem­the­ra­pie­ge­rä­ten (PG 14) sowie Kran­ken­pfle­ge­ar­ti­keln (PG 19).

„Neue Nor­ma­li­tät“ ist nicht die alte

„Selbst wenn wir über­all Locke­run­gen sehen, Kran­ken­häu­ser ihre Leis­tun­gen wie­der hoch­fah­ren, Sani­täts­häu­ser und ortho­pä­die-tech­ni­sche Betrie­be ihre Arbeits­fä­hig­keit in wei­ten Tei­len zurück­ge­won­nen haben – es gibt kei­nen Grund, sich zurück­zu­leh­nen“, unter­streicht Reu­ter. „Die Coro­na-Kri­se ist nicht gebannt. Auch wenn die Unter­neh­men inzwi­schen etwas opti­mis­ti­scher in die Zukunft bli­cken – die ‚neue Nor­ma­li­tät’ ist nicht die alte. Zudem müs­sen wir künf­tig bes­ser gerüs­tet sein – und da ist die Poli­tik gefragt: Unse­re Betrie­be müs­sen end­lich deut­lich als sys­tem­re­le­van­ter Kom­plex des Gesund­heits­we­sens benannt werden.“

Die vier­te Befra­gung der Mit­glieds­be­trie­be des BIV-OT fin­det ab 6. Juli bis ein­schließ­lich 16. Juli statt.

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