Das Poten­zi­al der sys­te­ma­ti­schen Gang- und Bewe­gungs­ana­ly­se im inter­dis­zi­pli­nä­ren Kontext

W. von Klot
Patienten, bei denen ein Schädel-Hirn-Trauma bereits einige Jahre zurückliegt, arrangieren sich im Alltag häufig­ sowohl mit den funktionellen Defiziten als auch mit möglichen Schmerzsituationen, insbesondere nach­­ gescheiterten Behandlungsversuchen.

Pati­ent nach Schä­del-Hirn-Trau­ma (SHT) mit Fuß­schmerz – ein Fallbericht

Der Grund für frus­tra­ne The­ra­pien liegt aber nicht immer in der patho­lo­gi­schen Situa­ti­on des Betrof­fe­nen, son­dern bis­wei­len in einer unzu­rei­chen­den Ana­ly­se der funk­tio­nel­len Defi­zi­te und dem­entspre­chend insuf­fi­zi­en­ter The­ra­pie­pla­nung. An die­ser Stel­le kann das Pro­gramm der Gang- und Bewe­gungs­ana­ly­se der Obser­va­tio­nal Gait Ins­truc­tor Group (O.G.I.G) die Pla­nung unter­stüt­zen und die Doku­men­ta­ti­on des Behand­lungs­er­fol­ges erleich­tern. Das Poten­zi­al die­ser Metho­de wird exem­pla­risch an einem Fall­bei­spiel dargestellt.

Anzei­ge

Fall­be­schrei­bung

Der heu­te 27-jäh­ri­ge Pati­ent Herr B. erlitt im Alter von sechs Jah­ren ein Schä­del-Hirn-Trau­ma drit­ten Grades­ mit ­der Fol­ge einer links­be­ton­ten ­zere­bra­len Bewe­gungs­stö­rung. Es er­folgten­ ver­schie­de­ne Unter­schen­kel-­Or­the­sen­ver­sor­gun­gen, die jedoch immer wie­der Druck­stel­len erzeug­ten oder durch­bra­chen und daher abge­lehnt wur­den. Zwölf Jah­re nach dem Unfall, im Alter von 18 Jah­ren, wur­de beim Pati­en­ten links eine extra­ar­ti­ku­lä­re Arthro­de­se nach Green-Gri­ce zur Auf­rich­tung des Pes pla­n­o­val­gus durch­ge­führt. Nach dem Ein­griff ließ sich der Pati­ent zwar auf funktionelle­ Orthe­sen ein, Nacht­la­ge­rungs­schie­nen dage­gen wur­den auf­grund der wie­der­keh­ren­den Druck­stel­len abge­lehnt. Eine Behand­lung mit Botox­ wur­de aus­pro­biert, auf­grund der dar­aus resul­tie­ren­den Schwä­che und Insta­bi­li­tät aber nicht wei­ter­ver­folgt. Seit 2012 trug der Pati­ent nur noch Ein­la­gen und erhielt zwei­mal pro­ Woche phy­sio­the­ra­peu­ti­sche Behand­lun­gen nach dem Bobath-Kon­zept. Auf­grund des seit lan­ger Zeit bestehen­den Behand­lungs­still­stan­des ­been­de­te der Pati­ent im Jahr 2015 auf eige­nen Wunsch die phy­sio­the­ra­peu­ti­sche Behandlung.

Nach einem ers­ten zufäl­li­gen Kon­takt, bei dem der Pati­ent über die Mög­lich­kei­ten des O.G.I.G‑Programms infor­miert wur­de, stell­te er sich im Juni 2016 in der Phy­sio­the­ra­peu­ti­schen Pra­xis des Sani­täts­hau­ses John + Bam­berg vor. Er litt zum einen unter Belas­tungs­schmer­zen links im Sprung­ge­lenk und unter dem Klein­ze­hen­bal­len, zum ande­ren bedau­er­te er sein „unrun­des“ Gang­bild. Zwei­mal pro Woche trai­niert der Pati­ent in einem Fitness­zentrum. Das Fit­ness­pro­gramm setzt sich aus dyna­mi­schen Antei­len (Lauf­band, Cross­trainer) und kräf­ti­gen­den Übun­gen (Schul­ter­gür­tel, Rumpf und Bein­mus­ku­la­tur) zusam­men. Etwa alle zwei Wochen legt der Pati­ent bis zu sechs Kilo­me­ter mit Wal­king-Stö­cken zurück.

Ein­gangs­be­fund (T0) Patientenwunsch

Für den Pati­en­ten steht der Wunsch nach Schmerz­frei­heit im Vor­der­grund. Dabei unter­schei­det er ­­­­­zwei ver­schie­de­ne Schmerzlokalisatio­n­en;­ das Aus­maß der Beschwer­den ­char­ak­terisiert er mit Hil­fe der Nume­ric Rating Sca­le (NRS; 1 = sehr gering bis 10 = uner­träg­lich) wie folgt: Tief im lin­ken Sprung­gelenk beschreibt er einen punk­tu­el­len Schmerz zu Beginn des Gehens mit 5 bis 6 auf der Schmerz­ska­la. Nach 10 bis 15 Minu­ten Gehen liegt der Schmerz schon im Bereich 7 bis 8; schnel­les Gehen ver­stärkt die Schmer­zen wei­ter. Den zwei­ten Schmerz­punkt gibt der Pati­ent links unter dem Klein­ze­hen­bal­len an; Bar­fuß­ge­hen ver­mei­det er (die Schmer­zen lie­gen im Bereich 8 bis 9), mit Schu­hen und Ein­la­gen gibt der Pati­ent die Schmer­zen mit ­­­­3 bis 4 auf der Ska­la an. Die Inspek­ti­on der lin­ken Fuß­soh­le zeigt am Klein­ze­hen­bal­len ein ausgeprägtes­ Horn­haut­are­al; die elek­tro­ni­sche Fuß­druck­mes­sung bestä­tigt die Über­belastung der Fuß­soh­le in dieser­ ­Regi­on. Deut­lich unter­ge­ord­net, aber trotz­dem bedeut­sam für den Pati­en­ten ist der äuße­re Ein­druck sei­nes ­Gehens: Er möch­te dem­nach „flüs­si­ger“ und „run­der“ gehen.

Inspek­ti­on im Stand

Die Inspek­ti­on ergibt, dass die Fer­sen beid­seits Kon­takt mit dem Boden haben; jedoch weicht links der Cal­ca­neus in eine Varusstel­lung ab, und die Fuß­au­ßen­kan­te erfährt mehr Belas­tung. Die lin­ke Wade ist deut­lich gerin­ger aus­ge­prägt. Die Arm­hal­tung unter­streicht die Rück­ver­la­ge­rung der gesam­ten lin­ken Rumpf­sei­te; das Kör­per­ge­wicht ist leicht nach rechts ver­la­gert (Abb. 1).

Aufstehen/Hinsetzen

Bei der Auf­ga­be, aus dem Sitz auf­zu­ste­hen, ohne sich auf den Ober­schen­keln abzu­stüt­zen, ver­la­gert der Pati­ent das Kör­per­ge­wicht auf die rechte­ Sei­te und holt Schwung mit dem Ober­kör­per und den Armen. Sobald das Gesäß den Kon­takt zum Hocker ver­liert, sta­bi­li­siert er sich, indem sich die Knie medi­al gegen­sei­tig abstüt­zen (Abb. 2).

Gang­ana­ly­se

Aus­ge­hend vom Pati­en­ten­wunsch kon­zen­triert sich die Gang­ana­ly­se auf die lin­ke Kör­per­hälf­te, wobei die Betrach­tung der Video­auf­nah­men sowohl in der Sagit­tal­ebe­ne (Abb. 3a) als auch in der Fron­tal­ebe­ne (Abb. 3b) wich­ti­ge Erkennt­nis­se lie­fert: Der initia­le Kon­takt (IC) links erfolgt nicht mit der Fer­se, son­dern mit dem Vor­fuß (kein „heel rocker“). Im wei­te­ren Ver­lauf wäh­rend der Gewichts­über­nah­me (LR) wird der Unter­schen­kel nicht nach vorn geführt (kein „ank­le rocker“). Das Knie­ge­lenk ist voll gestreckt, die Fer­se schwebt; somit kann kei­ne Stoß­dämp­fung statt­fin­den. In der Fron­tal­ebe­ne weist das Absin­ken des Beckens zur Gegen­sei­te („pel­vic drop“ rechts) und das Seit­pen­deln des Ober­kör­pers zur betrof­fe­nen Sei­te („trunk lean“ links) auf eine insuf­fi­zi­en­te hüft­über­grei­fen­de Mus­ku­la­tur hin. Zum Ende der Standbeinphase­ (TST) kommt es weder zur Hüft­stre­ckung noch zur Stre­ckung im obe­ren Sprung­ge­lenk; die Schritt­län­ge bleibt dadurch begrenzt. Kom­pen­sa­to­risch weicht der Pati­ent in die Hyper­lor­do­se aus. Wäh­rend der Schwung­bein­pha­se sind die inad­äqua­te Fuß­he­bung und die Knie­beu­gung auf­fäl­lig. Das Durch­schwin­gen des Bei­nes (ISW) wird nur ermög­licht, indem kon­tra­la­te­ral die Fer­se abhebt („con­tra­la­te­ral vaul­ting“) und somit mehr Abstand zum Boden gene­riert wird.

Kli­ni­sche Untersuchung

Die Unter­su­chung der mög­li­chen Bewe­gungs­um­fän­ge zeigt beid­seits eine gerin­ge Ein­schrän­kung der Hüft­stre­ckung. Das rech­te Sprung­ge­lenk kann nur bis zur Null­grad­stel­lung dorsal­extendiert wer­den, links besteht ein deut­li­ches Streck­de­fi­zit. Die sons­ti­gen Bewe­gungs­um­fän­ge sind ohne Befund.

Die Kraft­mes­sun­gen nach Jan­da zei­gen eine deut­li­che Sei­ten­dif­fe­renz, wobei auch die rech­te Sei­te Schwä­chen auf­weist (Tab. 1). Ein erheb­li­ches Kraft­de­fi­zit links (Mus­kel­wert 1) wird im Bereich der Glu­te­al­mus­ku­la­tur und der dorsal­extendierenden und plant­ar­flek­tie­ren­den Mus­ku­la­tur deut­lich. Hier gelingt dem Pati­en­ten zwar die Ansteue­rung der Mus­ku­la­tur, jedoch kann nur der Exten­sor hal­lu­cis eine end­gra­di­ge Bewe­gung erzeu­gen. Die Über­prü­fung des Tonus aus Rücken­la­ge nach der modi­fi­zier­ten Ashworth-Ska­la (MAS) wird beid­sei­tig mit 1 („leich­ter Wider­stand gegen Bewe­gung“) bewer­tet, wobei links zusätz­lich ein Zahn­rad-Phä­no­men beob­ach­tet wer­den kann. Beid­seits kann ein Klo­nus aus­ge­löst wer­den, links ist der Klo­nus ­jedoch sehr viel lebhafter.

Therapieplanung/Zielparameter

Die Kom­bi­na­ti­on aus erheb­li­cher Mus­kel­schwä­che und deut­li­cher Bewe­gungs­ein­schrän­kung im lin­ken Unter­schen­kel-Fuß-Seg­ment führt dazu, dass kein Abroll­vor­gang statt­fin­den kann – die drei für die Pro­gres­si­on des Bei­nes not­wen­di­gen ­Rocker­funk­tio­nen kön­nen vom Pati­en­ten nicht durch­ge­führt wer­den. Der leicht aus­lös­ba­re Klo­nus durch Vor­fuß­kon­takt und der Streck­to­nus erschwe­ren die Bewe­gungs­über­gän­ge zusätz­lich. Es kommt zu einer Über­be­las­tung der pas­si­ven Struk­tu­ren, wobei der Pati­ent dies als Schmerz tief im obe­ren Sprung­ge­lenk und unter dem Klein­ze­hen­bal­len wahr­nimmt. Das vom Pati­en­ten beschrie­be­ne „unrun­de“ Gang­bild wird wäh­rend der Stand­bein­pha­sen im Wesent­li­chen durch die schwa­che Glu­te­al­mus­ku­la­tur ver­ur­sacht: Wäh­rend der Schwung­bein­pha­sen ver­hin­dert der per­sis­tie­ren­de Streck­to­nus selek­ti­ve und flüs­si­ge Bewegungsübergänge.

Mit dem Pati­en­ten wer­den drei Haupt­zie­le der The­ra­pie vereinbart:

  • Ansteue­rung und Kräf­ti­gung der Dor­sal­ex­ten­so­ren mit Fokus auf der Ever­si­on zur Ent­las­tung des Kleinzehenballens
  • Ansteue­rung und Kräf­ti­gung der Glu­te­al­mus­ku­la­tur zur För­de­rung der Becken-Bein-Stabilität
  • Schu­lung der Kör­per­wahr­neh­mung im Stand und wäh­rend der Dynamik

Den Vor­schlag, wäh­rend des Gehens eine kon­fek­tio­nier­te Fußheberorthese­ mit Car­bon­fe­der aus­zu­pro­bie­ren, lehnt der Pati­ent auf­grund sei­ner nega­ti­ven Erfah­run­gen in der Ver­gan­gen­heit ab; auf einen Fer­sen­keil zur Ent­las­tung der Sprung­ge­len­ke lässt er sich dage­gen – wenn auch wider­stre­bend – ein. Er befürch­tet bei der mus­ku­lä­ren Annä­he­rung der Plant­ar­flex­o­ren eine Zunah­me der Ver­kür­zung. Zur eige­nen Über­prü­fung des Behand­lungs­ver­lau­fes wählt der Pati­ent eine Stre­cke von 600 Metern von sei­ner Woh­nung zur Stra­ßen­bahn. Er will dort ein­mal wöchent­lich die Zeit stop­pen und das Schmer­zaus­maß im Sprung­ge­lenk und unter dem Klein­zehenballen ange­ben. Zusätz­lich wer­den elek­tro­ni­sche Fuß­druck­mes­sun­gen zur Objek­ti­vie­rung der Belas­tungs­si­tua­ti­on am Fuß vereinbart.

Dar­über hin­aus wünscht sich der Pati­ent die Inte­gra­ti­on der physio­therapeutischen Übun­gen in sein Fit­ness­pro­gramm. Daher wird im Fit­ness­zen­trum vor der ers­ten Inter­ven­ti­on (T1) ein gemein­sa­mer Ter­min ver­ein­bart. Bei genaue­rer Betrach­tung wird jedoch deut­lich, dass die insuf­fi­zi­en­te Glu­te­al­mus­ku­la­tur und die Unter­schen­kel-­Fuß-Mus­ku­la­tur inner­halb des Übungs­pro­gramms nicht gezielt ange­spro­chen werden.

Phy­sio­the­ra­peu­ti­sche Inter­ven­ti­on (fünf Ter­mi­ne T1 bis T5)

Ter­min T1

Unter Zuhil­fe­nah­me der auf­ge­nom­me­nen Vide­os und der Ergeb­nis­se der kli­ni­schen Unter­su­chung wer­den mit dem Pati­en­ten drei Übun­gen erar­bei­tet und ein­ge­übt, die der Pati­ent täg­lich bei sich zu Hau­se über 20 bis 30 Minu­ten durch­füh­ren will (Abb. 4a–c). Allen­ Übun­gen gemein­sam ist die Fokus­sie­rung auf die kor­rek­te Aus­gangs­stel­lung im Hin­blick auf die Rumpf­grund­span­nung. Die Kräf­ti­gungs­übun­gen sol­len lang­sam kon­zen­trisch-exzen­­trisch durch­ge­führt wer­den (Dorsal­extensoren im Sitz, Glu­te­al­mus­keln aus Seit­la­ge).­ Im Stand, wahl­wei­se vor dem Spie­gel, steht die Wahr­neh­mung der Kör­per­aus­rich­tung im Vor­der­grund. Dem Pati­en­ten fällt es schwer, die lin­ke Becken­hälf­te exten­so­risch nach ven­tral zu schie­ben und dort zu hal­ten. Die Übung wird mit alter­nie­ren­den Knie­beu­ge- und Armpendel­bewegungen dyna­misch erwei­tert; dabei bleibt die Belas­tung auf bei­den Füßen.

Ter­min T2

Nach einer Woche berich­tet der Pati­ent, dass sich die Schmer­zen im Sprung­ge­lenk von 6 auf 4 redu­ziert hät­ten (siehe­ das Schmerz­pro­to­koll in Tab. 2). Dies lässt sich pri­mär auf die bewuss­te Wahr­neh­mung der Kör­per­hal­tung zurück­füh­ren. Da dem Pati­en­ten die Wahr­neh­mungs­übung im Stand und die Ansteue­rung der Fuß­he­ber aus dem Sitz gut gelin­gen, soll er die Übun­gen unver­än­dert wei­ter durch­füh­ren. Die kor­rek­te Ein­hal­tung der Seit­la­ge für die Ansteue­rung der Glu­te­al­mus­ku­la­tur fällt ihm jedoch schwer. Mit der Aus­rich­tung und Anstüt­zung des Rückens und der Fuß­soh­len an der Wand wird die Übung leich­ter (Abb. 5). In der video­ge­stütz­ten Gang­ana­ly­se fällt wei­ter­hin die schwe­ben­de Fer­se wäh­rend LR auf. Der Pati­ent lässt sich daher auf den Ver­such ein, bis zum nächs­ten Ter­min beid­seits mit je 1 cm ­Absatz­er­hö­hung (Keil) zu gehen.

Ter­min T3

Nach zwei Wochen Erpro­bung mit den Fer­sen­kei­len berich­tet der Pati­ent trotz guter Schnü­rung der Schu­he über ein Unsi­cher­heits­ge­fühl, das sich in einer redu­zier­ten Geh­ge­schwin­dig­keit wider­spie­gelt (s. Tab. 2). Der Schmerz im Sprung­ge­lenk hat sich gering­fü­gig ­redu­ziert; der Schmerz unter dem Klein­ze­hen­bal­len dage­gen ist unver­än­dert. Der Pati­ent möch­te daher sein Pro­gramm erst ein­mal ohne Absatz­erhöhung fort­füh­ren. Im Hin­blick auf das Übungs­pro­gramm berich­tet der Pati­ent, dass ihm die Ansteue­rung der Fuß­he­ber „gefühlt am meis­ten bringt“. Die Übung wird erwei­tert: Er soll über die Fuß­soh­le abrol­lend im Wech­sel Dor­sal­ex­ten­so­ren und Plant­ar­flex­o­ren akti­vie­ren; die Übung in Seit­la­ge bleibt unver­än­dert. Wäh­rend der „Pen­del­übung“ im Stand soll der Pati­ent jetzt kurz­fris­tig sowohl links als auch rechts den Fuß anhe­ben und damit die Stand­pha­sen­be­las­tung erar­bei­ten. Der Pati­ent fühlt sich nach eige­ner Aus­kunft gut mit dem Übungs­pro­gramm und stimmt daher einer Erwei­te­rung zu. Aus einer Schritt­stel­lung mit dem rech­ten Bein auf dem Step­per soll der Pati­ent ent­spre­chend „mid stance“ (MST) die Hüft­stre­ckung wahr­neh­men und gleich­zei­tig die Fer­se am Boden hal­ten. Erst im zwei­ten Schritt soll sich der Pati­ent ent­spre­chend TST links „explo­siv“ abdrü­cken und das Gewicht auf den Step­per ver­la­gern. Sowohl die lin­ke Hand am Becken als auch der Spie­gel kön­nen hier­bei kor­ri­gie­rend ein­ge­setzt wer­den ­­(s. Abb. 5). Aus per­sön­li­chen Grün­den wird der Fol­ge­ter­min erst zwei Mona­te spä­ter vereinbart.

Ter­min T4

Nach zwei Mona­ten kehrt der Pati­ent mit deut­li­chen Schmer­zen (NRS 7) im Sprung­ge­lenk in die Behand­lung zurück. Anfäng­lich hat­ten sich die Beschwer­den zwar wei­ter­hin redu­ziert, und der Pati­ent konn­te sogar bar­fuß gehen. Eine deut­li­che Ver­schlech­te­rung der Situa­ti­on stell­te sich aber nach ein­stün­di­gem Rasen­mä­hen ein: Die lang anhal­ten­de Belas­tung in deut­li­cher Vor­la­ge vor dem Hin­ter­grund der ein­ge­schränk­ten Dor­sal­ex­ten­si­on hat die pas­si­ven Gelenk­struk­tu­ren offen­sicht­lich über­las­tet. Der Pati­ent stimmt daher dem Vor­schlag einer zeit­na­hen ärzt­li­chen und rönt­ge­no­lo­gi­schen Abklä­rung zu. Unab­hän­gig davon möch­te er jedoch mit dem Übungs­pro­gramm fort­fah­ren. Er fühlt sich zuneh­mend siche­rer; die Schmer­zen unter dem Klein­ze­hen­bal­len tre­ten nicht mehr auf. Im Haus kann er mitt­ler­wei­le mit nur noch gerin­gen Schmer­zen (1 bis 2) bar­fuß gehen. Die Kräf­ti­gungs­übun­gen für die Fuß­mus­ku­la­tur und die Glu­te­en blei­ben bestehen. Hier­bei soll der Pati­ent jetzt den Fokus auf die exzen­tri­sche Akti­vi­tät legen. Wäh­rend der Pen­del­übung erhält der Pati­ent zur Unter­stüt­zung der Becken-Bein-Span­nung ein The­ra-Loop (s. Abb. 4c). Die Übung der Stand­bein­pha­se mit dem Step­per fällt dem Pati­en­ten jedoch sehr schwer. Es wird leich­ter für ihn, wenn er sich seit­lich an der Spros­sen­wand bzw. zu Hau­se an einem Möbel­stück fest­hält. Das ange­for­der­te Rönt­gen­bild zeigt einen knö­cher­nen Sporn am ven­tra­len Talus. Beim anschlie­ßen­den gemein­sa­men Gespräch mit der Ärz­tin stimmt der Pati­ent der ope­ra­ti­ven Ent­fer­nung des Spor­nes zu. Des Wei­te­ren wird eine Tibia­lis-ante­rior-Teil­ver­set­zung und eine­ mini­mal­in­va­si­ve Achil­les­seh­nen­ver­län­ge­rung bespro­chen. Bis zur OP in zwei Mona­ten möch­te der Pati­ent das Übungs­pro­gramm beibehalten.

Zwi­schen­be­fund T5 (prä­ope­ra­tiv)

Pati­en­ten­wunsch

Seit T4 ist der Pati­ent am Klein­ze­hen­bal­len schmerz­frei (s. Tab. 2), was sich auch in der Haut­si­tua­ti­on und der Fuß­druck­mes­sung wider­spie­gelt. Bezo­gen auf die Schmer­zen im Sprung­ge­lenk hofft er auf den Erfolg der ope­ra­ti­ven Sporn­ent­fer­nung. Wenn er das Gang­bild der Aus­gangs­si­tua­ti­on mit dem des Zwi­schen­be­fun­des im Video ver­gleicht, kann er qua­li­ta­tiv zwar kaum Unter­schie­de fest­stel­len, jedoch fühlt sich das Gehen für ihn siche­rer und sym­me­tri­scher an.

Inspek­ti­on im Stand

Im Ver­gleich zu T0 ist die Belas­tung der lin­ken Fuß­au­ßen­kan­te gerin­ger. Die lin­ke Rumpf­hälf­te ist weni­ger stark rück­ver­la­gert (s. Abb. 1).

Aufstehen/Hinsetzen

Der Pati­ent fühlt sich mit den sich medi­al abstüt­zen­den Knien so unbe­hag­lich, dass er das Auf­ste­hen und Hin­set­zen jetzt nur noch unter Zuhil­fe­nah­me der stüt­zen­den Hän­de durch­füh­ren möch­te. Er nimmt die Fehl­stel­lung zwar deut­lich wahr, kann die­se mus­ku­lär jedoch noch nicht korrigieren
(s. Abb. 2).

Gang­ana­ly­se

Qua­li­ta­tiv hat sich das Gang­bild im Hin­blick auf die selek­ti­ven Bein­be­we­gun­gen im Ver­gleich zur Ausgangs­situation kaum ver­än­dert. Das per­sis­tie­ren­de Streck­de­fi­zit im Hin­blick auf die Dor­sal­ex­ten­si­on, der nur sehr leich­te Kraft­zu­wachs und die unver­än­der­te Tonus-Situa­ti­on las­sen nur mini­ma­le Ver­än­de­run­gen zu. Deut­li­cher im Bereich des Rump­fes ist jedoch die reduzierte­ Hyper­lor­do­se wäh­rend LR und TST (s. Abb. 3a). Quan­ti­ta­tiv konn­te die Stre­cke von 600 Metern in einer deut­lich kür­ze­ren Zeit zurück­gelegt wer­den (s. Tab. 2).

Zwi­schen­er­geb­nis

Trotz des Rück­schlags ist der Pati­ent hoch moti­viert. Durch das ­gemein­sa­me Anschau­en und Reflek­tie­ren der Gang- und Bewe­gungs­vi­de­os ver­steht er den Zusam­men­hang ­zwi­schen bio­me­cha­ni­scher Fehl­be­las­tung und Schmerz. Er kann so die Not­wen­dig­keit erken­nen, bestimmte­ Mus­kel­grup­pen und Bewe­gungs­über­gän­ge zu trai­nie­ren. Der ­Pati­ent fühlt sich beim Gehen zwar siche­rer, das „unrun­de“ Geh­ge­fühl im ­All­tag besteht aber nach wie vor. Nur im Rah­men kur­zer, sehr bewuss­ter ­Stre­cken mit Wal­king-Stö­cken ist der Pati­ent in der Lage, bes­ser aus­ge­rich­tet und damit sei­nem Gefühl ent­spre­chend „run­der“ zu gehen.

Inter­ven­ti­on post­ope­ra­tiv (Ter­mi­ne t1 bis t9)

Die OP und die anschlie­ßen­de sechs­wö­chi­ge Behand­lung mit einem­ ­Unter­schen­kel­gips ver­lau­fen ­kom­pli­ka­ti­ons­los. Im Anschluss ­wer­den beid­sei­tig Unter­schen­kel-Hül­sen­ap­pa­ra­te und links zusätz­lich eine Unter­schen­kel­nacht­la­ge­rungs­or­the­se ange­fer­tigt (Abb. 6a u. b). Die The­ra­pie wird post­ope­ra­tiv auf Wunsch des Pati­en­ten fle­xi­bel ca. ein­mal pro Monat durch­ge­führt. Herr B. nimmt ange­passt an die post­ope­ra­ti­ven Schmer­zen und die Belas­tungs­vor­ga­ben der Ärz­tin das selbst­stän­di­ge Übungs­pro­gramm wie­der auf. Zusätz­lich akti­viert er ein­mal täg­lich für 20 Minu­ten elek­tro­sti­mu­la­tiv die ­Fuß­he­ber. Bedeut­sam für den Behand­lungs­ver­lauf ist die Zeit nach sechs ­Mona­ten post­ope­ra­tiv (t5), da der ­Pati­ent ab die­sem Zeit­punkt ohne Orthe­sen voll belas­ten darf.

Ter­min t5

Der Pati­ent ist mit dem post­ope­ra­ti­ven Ver­lauf zufrie­den. Im Haus geht er ­zuneh­mend mit Ein­la­gen (Abb. 6c), außer­halb mit Orthe­sen und Wal­king-Stö­cken. Die ursprüng­li­chen Schmer­zen unter dem Klein­ze­hen­bal­len und im Sprung­ge­lenk kann er nicht mehr wahr­neh­men. Hin­ge­gen beschreibt er Schmer­zen unter der Fer­se beim Bar­fuß­ge­hen (NRS 1 bis 2). Dies ist wahr­schein­lich auf die unge­wohn­te Fer­sen­be­las­tung zurück­zu­füh­ren. Der Pati­ent soll die Schmer­zen nicht pro­vo­zie­ren und wenn mög­lich mit Schu­hen gehen. Zum ande­ren beschreibt er nach ver­mehr­ter Fuß­he­ber-Akti­vi­tät einen Dehn­schmerz im Ver­lauf der Seh­ne des Tibia­lis ante­rior, der jedoch bereits abge­nom­men habe (NRS von 4 auf 2). Auf­grund sei­nes hohen Arbeits­auf­kom­mens (Herr B. stu­diert und arbei­tet neben­her) möch­te der Pati­ent die Übun­gen soweit es geht in sei­nen All­tag inte­grie­ren. Ange­lehnt an das prä­ope­ra­ti­ve Pro­gramm erar­bei­tet der Pati­ent drei Übun­gen, die er auch an anderen­ Orten kom­pli­ka­ti­ons­los durch­füh­ren kann. Es bleibt die Ansteue­rung der Unter­schen­kel-Fuß-Mus­ku­la­tur, wobei der Pati­ent jetzt die Füße einer Zieh­har­mo­ni­ka gleich zusam­men und wie­der aus­ein­an­der bewe­gen soll (s. Abb. 4a). Im Stand mit Halt an einem Gegen­stand soll der Pati­ent lang­sam dyna­misch die Plant­ar­flex­o­ren kon­zen­trisch und exzen­trisch akti­vie­ren. Wäh­rend die­se bei­den Übun­gen nur bar­fuß oder mit Schu­hen durch­führ­bar sind, kann der Pati­ent die drit­te Übung auch mit Orthe­sen durch­füh­ren. Dabei soll er, wann immer es sei­ne Zeit zulässt, sich im Stand bewusst aus- und auf­rich­ten. Der Fokus liegt auf der Anspan­nung der Bauch- und Glu­te­al­mus­ku­la­tur. Sowohl für eine begrenz­te Stre­cke im Frei­en als auch für weni­ge Schrit­te in der Woh­nung soll der Pati­ent mit Fokus auf dem Abroll­vor­gang (Rocker­funk­tio­nen) weich federnd gehen.

Ter­mi­ne t6 und t7

Der Pati­ent kommt im Ver­lauf der fol­gen­den drei Mona­te zwei­mal in die Behand­lung. Der Fer­sen­schmerz tritt nicht mehr auf; der Schmerz ent­lang der Seh­ne des Tibia­lis ante­rior ist abhän­gig von der Belas­tung (NRS 2 bis 4). Die drei genann­ten Übun­gen kann der Pati­ent im Hin­blick auf die Fre­quenz und die Qua­li­tät der Durch­füh­rung stei­gern. Auf­grund der lan­gen Arbeits­zei­ten im Sit­zen für sein Stu­di­um möch­te er wie­der das Pro­gramm im Fit­ness­zen­trum auf­neh­men und es mit den the­ra­peu­ti­schen Übun­gen kom­bi­nie­ren bzw. ergän­zen. Es wird ein vor­erst letz­ter Ter­min in der Pra­xis für den Abschluss­be­fund (t8) und ein Ter­min zu einem spä­te­ren Zeit­punkt (t9) im Fit­ness­zen­trum vereinbart.

Abschluss­be­fund t8

Pati­en­ten­wunsch

Der Pati­ent ist im All­tag nahe­zu schmerz­frei (Abb. 7). Den gele­gent­li­chen Schul­ter-Nacken-Ver­span­nun­gen­ nach lan­gem Sit­zen begeg­net er mit sei­nem Übungs­pro­gramm im Fit­ness­zen­trum. Seit er nicht nur gele­gent­lich, son­dern regel­mä­ßig im All­tag mit den Wal­king-Stö­cken geht, erlebt er sich mit ­sei­nem Gang­bild dynamischer.

Inspek­ti­on im Stand

Der Pati­ent steht jetzt mit vol­lem Fer­sen­kon­takt und ent­rie­gel­ten Knie­ge­len­ken. Der Ober­kör­per muss nicht mehr zur Wah­rung des Gleich­ge­wich­tes nach vorn gebeugt wer­den, die ­lin­ke Rumpf­sei­te ist nur noch gering­fü­gig rück­ver­la­gert (s. Abb. 1).

Aufstehen/Hinsetzen

Es gelingt dem Pati­en­ten jetzt, vom Stuhl auf­zu­ste­hen und sich wie­der hin­zu­set­zen, ohne dass sich medial­ die Knie berüh­ren. Dies zeigt ­ein­drucks­voll die ver­bes­ser­te ­Ansteue­rung der hüft­über­grei­fen­den ­Mus­ku­la­tur (s. Abb. 2).

Gang­ana­ly­se

Da der Pati­ent zu die­sem Zeit­punkt außer­halb der Woh­nung durch­ge­hend ohne Orthe­sen, aber mit Ein­la­gen und Wal­king-Stö­cken geht, erfolgt auch die Ana­ly­se in die­ser Gang­si­tua­ti­on (Abb. 3a u. b). Der Pati­ent kann jetzt den Fuß initi­al mit Fer­sen­kon­takt auf­set­zen. Frag­lich ist jedoch, wie aus­dau­ernd er mit den deut­lich ver­bes­ser­ten, aber immer noch rela­tiv schwa­chen Fuß­he­bern dazu in der Lage ist. Auf­fal­lend ist die Rück­ver­la­ge­rung des Rump­fes wäh­rend IC, die jedoch schon wäh­rend LR redu­ziert wird. Even­tu­ell steht die­se Rück­ver­la­ge­rung im Zusam­men­hang mit der star­ken Kon­zen­tra­ti­on auf den Abroll­vor­gang des Fußes. Der posi­ti­ve ­Abroll­vor­gang zu Beginn der Stand­pha­se kann auf­grund der durch die OP zusätz­lich geschwäch­ten Plant­ar­flex­o­ren wäh­rend TS nicht abge­schlos­sen wer­den – durch die freie ­Beweg­lich­keit in Rich­tung Dor­sal­ex­ten­si­on bleibt die Fer­se buch­stäb­lich am Boden­ ­kle­ben. Die Schritt­län­ge wird dadurch im Ver­gleich zur Situa­ti­on vor der OP klei­ner. Dies spie­gelt sich in der deut­lich ange­stie­ge­nen Zeit wider, die der Pati­ent jetzt für den Weg zur Stra­ßen­bahn benö­tigt (von 8:17 auf 9:42 Minu­ten; s. Tab. 2). In der Fron­tal­ebe­ne fällt wäh­rend LR die deut­lich grö­ße­re Spur­brei­te, das gerin­ge­re Absin­ken des Beckens und das klei­ne­re Rumpf­pen­deln nach links auf. Beim Durch­schwin­gen des lin­ken Bei­nes ist die Knie­beu­gung unver­än­dert insuf­fi­zi­ent, jedoch ermög­licht die akti­ve Fuß­he­bung ein bes­se­res und kom­pen­sa­ti­ons­är­me­res Durchschwingen.

Ter­min t9

Die OP liegt zu die­sem Zeit­punkt knapp ein Jahr zurück. Der Pati­ent ­berich­tet zufrie­den, dass er bis auf weni­ge Momen­te mit star­ker Belas­tung kei­ne Schmer­zen mehr habe. Er hat sich daher ent­schie­den, im All­tag außer­halb des Hau­ses durch­ge­hend mit Wal­king-Stö­cken zu gehen; die Orthe­sen trägt er gar nicht mehr. Zum einen hat ihn der Wech­sel zwi­schen Gehen mit und Gehen ohne Orthe­sen unver­än­dert ver­un­si­chert, zum ande­ren hat­te er zuneh­mend das Gefühl, gegen die Orthe­sen zu arbei­ten. Der ­Pati­ent besucht bereits wie­der seit eini­gen Wochen das Fit­ness­zen­trum. Das Pro­gramm (ca. zwei­mal pro Woche) beginnt er mit jeweils 15 Minu­ten auf dem Lauf­band und auf dem Cross­trai­ner. Die beid­sei­ti­ge Hand­füh­rung unter­stützt den Pati­en­ten bei der Aus­rich­tung des Rump­fes – er kann so bewusst den Abroll­vor­gang kontrollieren.

Aus­blick

Der Pati­ent Herr B. ist zum Zeit­punkt der Abfas­sung die­ses Arti­kels mit dem Behand­lungs­er­geb­nis und sei­nem Übungs­pro­gramm zufrie­den und wünscht auf­grund sei­ner ange­spann­ten Zeit­si­tua­ti­on der­zeit kei­ne wei­te­ren The­ra­pie­ter­mi­ne. Aus phy­sio­the­ra­peu­ti­scher Sicht wäre aller­dings im Hin­blick auf die gele­gent­li­chen Nacken­schmer­zen die Arbeit an einer ver­mehr­ten Rumpf­vor­la­ge sinn­voll. Sowohl die schwa­che fuß­he­ben­de Mus­ku­la­tur als auch die tonus­be­ding­te inad­äqua­te Knie- und Hüft­beu­gung wäh­rend der Schwung­pha­se ­(s. Abb. 3a) lie­ßen sich mit Hil­fe der funk­tio­nel­len Elek­tro­sti­mu­la­ti­on even­tu­ell posi­tiv beein­flus­sen. Der Pati­ent möch­te dies jedoch erst zu einem spä­te­ren Zeit­punkt ausprobieren.

Dis­kus­si­on

Im Fal­le einer kom­ple­xen und schon lang­fris­tig bestehen­den Aus­gangs­si­tua­ti­on wie beim hier vor­ge­stell­ten Pati­en­ten ist es wich­tig, zwi­schen pri­mä­ren bio­me­cha­ni­schen Haupt­pro­ble­men und sekun­dä­ren Kom­pen­sa­tio­nen zu dif­fe­ren­zie­ren. Dies kann nur mit Hil­fe einer video­ge­stütz­ten Gang- und Bewe­gungs­ana­ly­se gelin­gen. Die Zeit­lu­pen­funk­ti­on ist dabei sowohl für den The­ra­peu­ten als auch für den Pati­en­ten sehr hilf­reich. Ist der Zusam­men­hang zwi­schen Pati­en­ten­wunsch und pri­mä­rem Defi­zit her­ge­stellt, bleibt es jedoch schwie­rig, durch ent­spre­chen­de Übun­gen die­se lang bestehen­den Insuf­fi­zi­en­zen zu beein­flus­sen und im bes­ten Fall zu über­win­den. Häu­fig kann der Pati­ent zwar iso­liert und unter vol­ler Auf­merk­sam­keit eine Übung kor­rekt durch­füh­ren – eine ent­spre­chen­de Kon­di­tio­nie­rung bzw. ein Trans­fer in den All­tag benö­tigt jedoch sehr viel mehr Zeit und viel­fa­che Wiederholungen.

Unab­hän­gig davon schei­nen die für die Stand­bein­pha­se so wich­ti­gen Plant­ar­flex­o­ren und Glu­te­en beson­ders schwer ansteu­er­bar und trai­nier­bar zu sein: Zwar ist Herr B. ein aus­ge­spro­chen moti­vier­ter Pati­ent, trotz­dem ist es ihm im Ver­lauf der fast andert­halb­jäh­ri­gen The­ra­pie nicht gelun­gen, eine deut­li­che Ver­bes­se­rung der Kraft zu errei­chen – weder auf der lin­ken noch auf der rech­ten Sei­te. Bemer­kens­wert ist den­noch, dass sich schon klei­ne Ver­än­de­run­gen im Hin­blick auf die Wahr­neh­mung und Ansteue­rung von Hal­tung und Bewe­gung posi­tiv auf die Gesamt­si­tua­ti­on aus­wir­ken: Der Pati­ent konn­te mit Hil­fe sei­nes Übungs­pro­gramms sei­ne Schmer­zen vor der Über­be­las­tung (T1 bis T3) deut­lich sen­ken. Zufrie­den­stel­lend für den Pati­en­ten (schmerz­arm zu sein auch unter stär­ke­rer Belas­tung) konn­te die Behand­lung nur durch das inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­spiel aller Betei­lig­ten wer­den: Dank der Nähe und Offen­heit aller­ Dis­zi­pli­nen im Annastift und im Sani­täts­haus John + Bam­berg konn­te der Pati­ent zeit­nah ope­riert wer­den. Orthe­sen, Ein­la­gen und Fuß­druck­mes­sun­gen wur­den unter den Betei­lig­ten dis­ku­tiert und abgestimmt.

Die vor­ge­stell­te Pati­en­ten­si­tua­ti­on zeigt ein­drucks­voll das Poten­zi­al der video­ge­stütz­ten Gang- und Bewe­gungs­ana­ly­se auf. Der interdisziplinäre­ Rah­men in Ver­bin­dung mit einem reflek­tier­ten und hoch moti­vier­ten Pati­en­ten führ­ten zu dem für den Pati­en­ten zufrie­den­stel­len­den Behandlungsergebnis.

Dank­sa­gung

Herz­lich dan­ken möch­te ich Frau Dr. Doris Stü­der-Kuhl (Annastift), Herrn Uwe Goos­sens (John + Bam­berg) und Frau Ange­la Hansch­ke (John + Bam­berg) für hilf­rei­che und wei­ter­füh­ren­de Diskussionen.

Die Autorin:
Wieb­ke von Klot, Phy­sio­the­ra­peu­tin, M.Sc.
John + Bam­berg GmbH u. Co. KG
Anna-von-Bor­ries-Stra­ße 2
30625 Han­no­ver
WKlot@john-bamberg.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
von Klot W. Das Poten­zi­al der sys­te­ma­ti­schen Gang- und Bewe­gungs­ana­ly­se im inter­dis­zi­pli­nä­ren Kon­text. Ortho­pä­die Tech­nik. 2019; 70 (3): 32–40

 

Tei­len Sie die­sen Inhalt