Im Fokus standen innovative Methoden zur Erhebung von Daten über die Krankheitslast bei Patient:innen mit Oberschenkelamputationen. Zudem bot die Veranstaltung Gelegenheit zum Austausch bewährter Verfahren für Patientenbefragungen. Die Moderation übernahm Prof. Dr. med. Frank Braatz, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Physikalische und Rehabilitative Medizin und Kinderorthopädie.
Einblick in die ersten Ergebnisse einer digitalen Befragung zur Krankheitslast von Patient:innen nach einer Oberschenkelamputation gab Prof. Dr. med. Bernd Brüggenjürgen, Leiter des Instituts für Versorgungsforschung und technische Orthopädie am Diakovere-Krankenhaus Annastift in Hannover. 536 Patient:innen, die seit mindestens drei Monaten ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk (MPK) nutzen, beantworteten dafür bis zu 184 Fragen. Themenschwerpunkte dieser ersten Auswertung waren Lebensqualität, Teilhabe an der Gesellschaft, Körperbild und Genderaspekte. Das Ergebnis: Die Teilhabe der Patient:innen am täglichen und beruflichen Leben ist zwar bis zu einem gewissen Grad eingeschränkt, kann aber mit MPK verbessert werden. Die Lebensqualität der Patient:innen mit einem MPK ist vergleichsweise hoch. „Eine digitale Datenerhebung ist machbar und liefert relevante Erkenntnisse über die Krankheitslast der Patienten nach Oberschenkelamputation oder Knieexartikulation“, verbucht Brüggenjürgen auch das Vorgehen bei der digitalen Befragung als Erfolg.
Wie sich vier verschiedene Kniegelenksprothesen auf das Sturzrisiko von Oberschenkelamputierten auswirken, untersuchte Dr. Pierpaolo Palumbo, Bioingenieur an der Universität von Bologna und mit einem Forschungsschwerpunkt auf Stürzen von Menschen mit Amputationen der unteren Gliedmaßen. Für seine retrospektive Beobachtungsstudie analysierte Palumbo 1.486 Rehabilitationsaufenthalte (32.213 Krankenhaustage) von 815 Patient:innen. Die Studie zeigt, dass MPK für die Erstversorgung der Prothesenträger:innen das Modell der Wahl sind: „MPK bieten Sicherheitsmechanismen, die ein Blockieren des Knies ermöglichen, wenn sich ein Sturz ankündigt“, berichtet Palumbo. Zusätzlich identifizierte er Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit zu stürzen erhöhen können. Während Alter und Geschlecht keine Risikofaktoren für Stürze darstellen, haben vor allem die Einnahme von Antidepressiva und Antiepileptika einen signifikanten Einfluss: „In unserem Datensatz betrug die Häufigkeit der Verwendung von Antidepressiva und Antiepileptika 8,6 Prozent bzw. 9,8 Prozent. Diesen Patient:innen muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, und es sollten die besten prothetischen Optionen für sie untersucht werden.“
Wie können Stürze verringert und deren Folgen bei Träger:innen von Prothesen der unteren Extremitäten abgemildert werden? Daran forscht Andrew Sawers, PhD, Associate Professor an der University of Illinois Chicago in der Abteilung für Kinesiologie. Beim Symposium präsentierte er eine Studie, in der er die Details von Sturzereignissen von Menschen mit Prothesen der unteren Gliedmaßen (LLP) analysierte. „Stürze bei LLP-Nutzern sind heute genauso häufig und mit medizinischen Folgen verbunden wie vor mehr als 20 Jahren“, sagt Sawers. Es fehle an wirksamen Interventionen, um diesen Stürzen vorzubeugen. Das liege unter anderem daran, dass es keine klare Definition von Sturzereignissen bei LLP-Nutzern gebe, bislang gesammelte Daten wenig vergleichbar und Befragungen oft lückenhaft oder nicht auf LLP-Nutzende zugeschnitten seien. Um diese Lücke zu schließen, hat Sawers einen Fragebogen mit 37 Fragen erstellt, der auf einer einheitlichen Definition von Sturzereignissen basiert. So kann er Häufigkeit, Umstände und Folgen von Sturzereignissen für LLP-Nutzer erheben. Als Basis dienten Fokusgruppen und kognitive Interviews. Der Fragebogen soll nun großflächig zum Einsatz kommen, erklärt Sawers: „Die Befragung bietet Klinikern und Forschern die Möglichkeit, Sturzereignisse unter ihren Teilnehmern und Patienten konsequent zu dokumentieren und zu vergleichen. Die umfassenden Daten, die mit der Sturzerhebung gesammelt werden können, sind entscheidend für die Festlegung spezifischer Ziele für Interventionen zur Sturzprävention bei LLP-Nutzern.“