Sym­po­si­um bie­tet Ein­blick in die Krank­heits­last von Oberschenkelamputierten

Unter dem Titel „Real World Evidence – Einblick in die Krankheitslast von Oberschenkelamputierten“ hat der Hilfsmittelhersteller Ottobock Anfang April rund 340 Expert:innen aus 47 Ländern zum virtuellen Live-Symposium begrüßt.

Im Fokus stan­den inno­va­ti­ve Metho­den zur Erhe­bung von Daten über die Krank­heits­last bei Patient:innen mit Ober­schen­kel­am­pu­ta­tio­nen. Zudem bot die Ver­an­stal­tung Gele­gen­heit zum Aus­tausch bewähr­ter Ver­fah­ren für Pati­en­ten­be­fra­gun­gen. Die Mode­ra­ti­on über­nahm Prof. Dr. med. Frank Bra­atz, Fach­arzt für Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie, Phy­si­ka­li­sche und Reha­bi­li­ta­ti­ve Medi­zin und Kinderorthopädie.

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Ein­blick in die ers­ten Ergeb­nis­se einer digi­ta­len Befra­gung zur Krank­heits­last von Patient:innen nach einer Ober­schen­kel­am­pu­ta­ti­on gab Prof. Dr. med. Bernd Brüg­gen­jür­gen, Lei­ter des Insti­tuts für Ver­sor­gungs­for­schung und tech­ni­sche Ortho­pä­die am Dia­ko­ve­re-Kran­ken­haus Annastift in Han­no­ver. 536 Patient:innen, die seit min­des­tens drei Mona­ten ein mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­tes Knie­ge­lenk (MPK) nut­zen, beant­wor­te­ten dafür bis zu 184 Fra­gen. The­men­schwer­punk­te die­ser ers­ten Aus­wer­tung waren Lebens­qua­li­tät, Teil­ha­be an der Gesell­schaft, Kör­per­bild und Gen­der­aspek­te. Das Ergeb­nis: Die Teil­ha­be der Patient:innen am täg­li­chen und beruf­li­chen Leben ist zwar bis zu einem gewis­sen Grad ein­ge­schränkt, kann aber mit MPK ver­bes­sert wer­den. Die Lebens­qua­li­tät der Patient:innen mit einem MPK ist ver­gleichs­wei­se hoch. „Eine digi­ta­le Daten­er­he­bung ist mach­bar und lie­fert rele­van­te Erkennt­nis­se über die Krank­heits­last der Pati­en­ten nach Ober­schen­kel­am­pu­ta­ti­on oder Knie­ex­ar­ti­ku­la­ti­on“, ver­bucht Brüg­gen­jür­gen auch das Vor­ge­hen bei der digi­ta­len Befra­gung als Erfolg.

Wie sich vier ver­schie­de­ne Knie­ge­lenks­pro­the­sen auf das Sturz­ri­si­ko von Ober­schen­kel­am­pu­tier­ten aus­wir­ken, unter­such­te Dr. Pier­pao­lo Pal­um­bo, Bio­in­ge­nieur an der Uni­ver­si­tät von Bolo­gna und mit einem For­schungs­schwer­punkt auf Stür­zen von Men­schen mit Ampu­ta­tio­nen der unte­ren Glied­ma­ßen. Für sei­ne retro­spek­ti­ve Beob­ach­tungs­stu­die ana­ly­sier­te Pal­um­bo 1.486 Reha­bi­li­ta­ti­ons­auf­ent­hal­te (32.213 Kran­ken­haus­ta­ge) von 815 Patient:innen. Die Stu­die zeigt, dass MPK für die Erst­ver­sor­gung der Prothesenträger:innen das Modell der Wahl sind: „MPK bie­ten Sicher­heits­me­cha­nis­men, die ein Blo­ckie­ren des Knies ermög­li­chen, wenn sich ein Sturz ankün­digt“, berich­tet Pal­um­bo. Zusätz­lich iden­ti­fi­zier­te er Risi­ko­fak­to­ren, die die Wahr­schein­lich­keit zu stür­zen erhö­hen kön­nen. Wäh­rend Alter und Geschlecht kei­ne Risi­ko­fak­to­ren für Stür­ze dar­stel­len, haben vor allem die Ein­nah­me von Anti­de­pres­si­va und Anti­epi­lep­ti­ka einen signi­fi­kan­ten Ein­fluss: „In unse­rem Daten­satz betrug die Häu­fig­keit der Ver­wen­dung von Anti­de­pres­si­va und Anti­epi­lep­ti­ka 8,6 Pro­zent bzw. 9,8 Pro­zent. Die­sen Patient:innen muss beson­de­re Auf­merk­sam­keit gewid­met wer­den, und es soll­ten die bes­ten pro­the­ti­schen Optio­nen für sie unter­sucht werden.“

Wie kön­nen Stür­ze ver­rin­gert und deren Fol­gen bei Träger:innen von Pro­the­sen der unte­ren Extre­mi­tä­ten abge­mil­dert wer­den? Dar­an forscht Andrew Sawers, PhD, Asso­cia­te Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­ty of Illi­nois Chi­ca­go in der Abtei­lung für Kine­sio­lo­gie. Beim Sym­po­si­um prä­sen­tier­te er eine Stu­die, in der er die Details von Sturz­er­eig­nis­sen von Men­schen mit Pro­the­sen der unte­ren Glied­ma­ßen (LLP) ana­ly­sier­te. „Stür­ze bei LLP-Nut­zern sind heu­te genau­so häu­fig und mit medi­zi­ni­schen Fol­gen ver­bun­den wie vor mehr als 20 Jah­ren“, sagt Sawers. Es feh­le an wirk­sa­men Inter­ven­tio­nen, um die­sen Stür­zen vor­zu­beu­gen. Das lie­ge unter ande­rem dar­an, dass es kei­ne kla­re Defi­ni­ti­on von Sturz­er­eig­nis­sen bei LLP-Nut­zern gebe, bis­lang gesam­mel­te Daten wenig ver­gleich­bar und Befra­gun­gen oft lücken­haft oder nicht auf LLP-Nut­zen­de zuge­schnit­ten sei­en. Um die­se Lücke zu schlie­ßen, hat Sawers einen Fra­ge­bo­gen mit 37 Fra­gen erstellt, der auf einer ein­heit­li­chen Defi­ni­ti­on von Sturz­er­eig­nis­sen basiert. So kann er Häu­fig­keit, Umstän­de und Fol­gen von Sturz­er­eig­nis­sen für LLP-Nut­zer erhe­ben. Als Basis dien­ten Fokus­grup­pen und kogni­ti­ve Inter­views. Der Fra­ge­bo­gen soll nun groß­flä­chig zum Ein­satz kom­men, erklärt Sawers: „Die Befra­gung bie­tet Kli­ni­kern und For­schern die Mög­lich­keit, Sturz­er­eig­nis­se unter ihren Teil­neh­mern und Pati­en­ten kon­se­quent zu doku­men­tie­ren und zu ver­glei­chen. Die umfas­sen­den Daten, die mit der Stur­zer­he­bung gesam­melt wer­den kön­nen, sind ent­schei­dend für die Fest­le­gung spe­zi­fi­scher Zie­le für Inter­ven­tio­nen zur Sturz­prä­ven­ti­on bei LLP-Nutzern.“

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