Rei­bungs­los von Papier zu digital

Mitte 2027 wird die eVerordnung in der Hilfsmittelversorgung zur Pflicht. Das Pilotprojekt elektronische Verordnung für orthopädische Hilfsmittel unter Federführung des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT) bereitet diesen Schritt für die OT-Betriebe und Sanitätshäuser vor.

04Einen ruck­el­frei­en Über­gang aus dem ana­lo­gen All­tag der papier­nen Zet­tel­wirt­schaft in die digi­ta­le Welt der elek­tro­ni­schen Ver­ord­nung will Tho­mas Münch ermög­li­chen, im BIV-OT-Vor­stand zustän­dig für Digi­ta­li­sie­rung und Ver­tre­ter der Arbeits­grup­pe (AG) Tele­ma­tik. Im OT-Gespräch erklärt er, wie das Pilot­pro­jekt eVer­ord­nung für ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel unter Feder­füh­rung des BIV-OT den OT-Betrie­ben und Sani­täts­häu­sern einen pro­blem­lo­sen Über­gang ermöglicht.

Anzei­ge

OT: Herr Münch, Sie haben das Pilot­pro­jekt eVer­ord­nung für ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel in der AG Tele­ma­tik von Beginn an aktiv beglei­tet. War­um wur­de es vor über drei Jah­ren gestartet?

Tho­mas Münch: Dem ging eine gemein­sa­me Initia­ti­ve der Gesund­heits­hand­wer­ke im Zen­tral­ver­band des Deut­schen Hand­werks (ZDH) vor­aus, um die gesam­te Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung auf einen geord­ne­ten Über­gang vom Papier zur elek­tro­ni­schen Ver­ord­nung vor­zu­be­rei­ten. Des­halb haben wir unser Pilot­pro­jekt auf­ge­setzt. Wir wuss­ten, dass wir unse­re Anfor­de­run­gen genau defi­nie­ren müs­sen, um nicht in ähn­li­che Start­schwie­rig­kei­ten, wie es sie beim E‑Rezept bei Arz­nei­mit­tel gab und die bis zu Reta­xie­run­gen führ­ten (Kran­ken­kas­se ver­wei­gert die Erstat­tung eines Arz­nei­mit­tels, das die Apo­the­ke bereits abge­ge­ben hat; Anm. d. Red.). Inzwi­schen decken die Part­ner des Pilot­pro­jekts alle Schrit­te der kom­ple­xen Pro­zess­ket­te einer elek­tro­ni­schen Hilfs­mit­tel­ver­ord­nung ab, von der Aus­stel­lung in der Arzt­pra­xis über den Kos­ten­vor­anschlag bis zur Abrech­nung mit den gesetz­li­chen Krankenkassen.

OT: Was unter­schei­det das Pilot­pro­jekt unter Feder­füh­rung des BIV-OT von ande­ren Ansät­zen, wor­in liegt sei­ne Einzigartigkeit?

Münch: Wir sind ein voll­kom­men offe­nes Pilot­pro­jekt. Jeder, der mit­ma­chen will, bekommt alle Daten zur Ver­fü­gung gestellt. Mit PVSIM haben wir die „lebens­ech­te“ Simu­la­ti­on eines Pra­xis­ver­wal­tungs­sys­tems nach­ge­baut, um elek­tro­ni­sche Ver­ord­nun­gen zu erstel­len und durch­zu­tes­ten. Wir haben einen unab­hän­gi­gen Fach­dienst für Abruf und Work­flow der Ver­ord­nun­gen in der Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur (TI; = zen­tra­le Platt­form für digi­ta­le Anwen­dun­gen im deut­schen Gesund­heits­we­sen. Anm. d. Red.) ent­wi­ckelt. Dabei ori­en­tie­ren wir uns prä­zi­se an den gesetz­li­chen Vor­ga­ben und den Stan­dards der gema­tik GmbH – der für die TI ver­ant­wort­li­chen Natio­na­len Agen­tur für Digi­ta­le Medi­zin. In die­sem simu­lier­ten Sys­tem prü­fen wir alle Abläu­fe auf Herz und Nie­ren, che­cken sie auf mög­li­che Feh­ler­quel­len. Wir sind dabei so nah an der Rea­li­tät, dass unser Sys­tem sofort auf Echt­be­trieb umge­schal­tet wer­den könn­te. Alle Schnitt­stel­len sind vorbereitet.

Part­ner des Pilot­pro­jekts eVer­ord­nung für ortho­pä­di­sche Hilfsmittel

Abrechnungszentren/Software:
Acri­ba Ser­vice GmbH, Akqui­net GmbH, AS Abrech­nungs­stel­le für ­Heil‑, Hilfs- u. Pfle­ge­be­ru­fe AG, Care­lo­gic GmbH, Dava­so GmbH, Kuma­vi­si­on AG, Micha­el Mar­tin GmbH & Co. KG, Noven­ti Health SE, Opta Data Grup­pe, Opti­ca Abrech­nungs­zen­trum, OTEDV Oes­ter­reich GmbH, TopM Soft­ware GmbH;

Pra­xis­ver­wal­tungs­sys­te­me (PVS):
Inda­med EDV-Ent­wick­lung und ‑Ver­trieb GmbH, Zoll­soft GmbH;

Leis­tungs­er­brin­ger OT:
Fried­rich Georg Strei­fen­e­der KG, Jütt­ner Ortho­pä­die KG, Let­ter­mann GmbH, Lin­de GmbH, Medi­team GmbH & Co KG, Medi­zin­tech­nik Ros­tock GmbH, Münch + Hahn GmbH & Co. KG, Münch OT GmbH & CO KG, Ortho­pä­die- und Reha­tech­nik Dres­den GmbH, Reha Team Betzl­ba­cher OHG Sani­täts­fach­han­del, Res­med Health­ca­re GmbH & Co. KG, Vita­l­ai­re GmbH;

Leis­tungs­er­brin­ger­ge­mein­schaf­ten:
Egroh-Ser­vice GmbH, Nowe­cor AG, Reha­vi­tal Gesund­heits­ser­vice GmbH, Sani­täts­haus Aktu­ell AG, Ver­band Ver­sor­gungs­qua­li­tät Home­ca­re e. V.;

OST:
Spit­zen­ver­band Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik e. V. (Spi­OST);

Ärz­te­schaft:
Deut­sche Gesell­schaft für inter­pro­fes­sio­nel­le Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung e. V. (DGIHV), Ver­ei­ni­gung Tech­ni­sche Ortho­pä­die (VTO);

Kos­ten­trä­ger:
AOK Bun­des­ver­band, AOK Baden-Würt­tem­berg, AOK Nie­der­sach­sen, AOK Nord­ost, AOK Nord­West, AOK PLUS für Sach­sen und Thü­rin­gen, AOK Sachsen-Anhalt
(Stand 11/2024)

 

OT: Wel­che grund­sätz­li­chen Unter­schie­de gibt es zwi­schen dem E‑Rezept für Arz­nei­mit­tel, das jetzt bereits im Ein­satz ist, und der eVer­ord­nung für ortho­pä­di­sche Hilfsmittel?

Münch: Der Ver­ord­nungs­pro­zess ist bei Hilfs­mit­teln ganz anders. Im Gegen­satz zum Arz­nei­mit­tel wird eine Leis­tung ver­an­lasst und der Ver­ord­nen­de gibt dafür einen Ver­sor­gungs­vor­schlag. Des­halb ist eine Hilfs­mit­tel­ver­ord­nung – anders als ein Arz­nei­mit­tel­re­zept – in der Regel nicht „fer­tig“. Arzt oder Ärz­tin legen ledig­lich die Dia­gno­se und die Anwen­dungs­art des Hilfs­mit­tels fest, geben somit die Rich­tung der Ver­sor­gung vor. Selbst­ver­ständ­lich kön­nen Ärz­tin oder Arzt eben­so eine defi­ni­ti­ve Ver­sor­gung ver­ord­nen, die dann begrün­det wer­den muss. Die Anfor­de­run­gen an die Ver­ord­nung sind in der Hilfs­mit­tel­richt­li­nie des Gemein­sa­men Bun­des­aus­schus­ses (G‑BA), dem obers­ten Beschluss­gre­mi­um der gemein­sa­men Selbst­ver­wal­tung im deut­schen Gesund­heits­we­sen, gere­gelt – ins­be­son­de­re in den Para­gra­fen 7 bis 9. Hier ist fest­ge­legt: wie der Ver­ord­nungs­vor­schlag aus­zu­stel­len ist, wie die Kor­rek­tur­pro­zes­se zwi­schen Ärz­tin bzw. Arzt und Leis­tungs­er­brin­ger erfol­gen und wel­che Anfor­de­run­gen an eine Abnah­me der Ver­sor­gung gestellt wer­den. Alle Schrit­te müs­sen in der eVer­ord­nung abge­bil­det wer­den können.

OT: Was hat sich im Ver­lauf des Pro­jekts als beson­ders ­kom­plex und schwie­rig erwiesen?

Münch: Eine star­ke Her­aus­for­de­rung berei­ten uns die Kor­rek­tur­läu­fe der elek­tro­ni­schen Ver­ord­nung. Die­se sind in der Hilfs­mit­tel­richt­li­ne vor­ge­se­hen – und aus den Erfah­run­gen unse­rer Betrie­be wis­sen wir, dass öfter Rück­spra­chen mit den ver­ord­nen­den Ärz­tin­nen und Ärz­ten nötig sind. Laut Richt­li­nie muss der Leis­tungs­er­brin­ger den Kor­rek­tur­be­darf zeit­nah mel­den. Ver­ord­nen­de müs­sen die Mög­lich­keit haben, ihre Ein­tra­gun­gen ohne gro­ße Umstän­de zu kor­ri­gie­ren. Bis das rechts­si­cher in den Sys­te­men ein­ge­baut ist, sind noch etli­che Gesprä­che und Tests erfor­der­lich. Den Anfang machen wir mit „ein­fa­chen“ Pro­dukt­grup­pen (PG) wie 05 (Ban­da­gen), 08 (Ein­la­gen) sowie 17 (Hilfs­mit­tel zur Kom­pres­si­ons­the­ra­pie) gemacht. Hier schau­en wir auch schon auf die Fort­schrei­bung des Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis­ses, um hier die Ver­ord­nungs­qua­li­tät zu ver­bes­sern. Wenn das dort per­fekt funk­tio­niert, arbei­ten wir uns zu den ande­ren voran.

Erfolg­rei­cher Test

OT: Wor­in bestan­den die letz­ten Mei­len­stei­ne, die das Pro­jekt­team erreicht hat?

Münch: Beson­ders her­vor­he­ben will ich die erfolg­rei­che ers­te Test­pha­se seit Som­mer 2023 und die Echt­zeit-Prä­sen­ta­ti­on auf der OTWorld 2024. Dort wur­den an drei Tagen von den Besu­che­rin­nen und Besu­chern 1.200 eVer­ord­nun­gen voll­kom­men digi­tal abge­ru­fen und bei den betei­lig­ten Soft­ware­häu­sern auf der Mes­se ein­ge­löst. Dabei gab es auch einen Mes­se­be­su­cher, der test­wei­se ver­such­te, eine Ver­ord­nung zwei Mal ein­zu­rei­chen. Das wur­de mit einer Feh­ler­mel­dung quit­tiert und vom Fach­dienst zurück­ge­wie­sen. Somit konn­ten wir live bewei­sen, dass das Sys­tem kor­rekt funk­tio­niert und kei­ne Dop­pel­ein­lö­sun­gen mög­lich sind. Die Ver­ord­nung wur­de in der Gema­tik-App bereits erkannt. Außer­dem haben wir zwei Her­stel­ler von Pra­xis­ver­wal­tungs­soft­ware (PVS) neu im Boot, sodass wir in dem für 2025 geplan­ten Test­lauf neben Sani­täts­häu­sern und Kos­ten­trä­gern auch Arzt­pra­xen real ein­bin­den kön­nen – ein wei­te­rer wich­ti­ger Meilenstein.

OT: Wie vie­le Soft­ware­an­bie­ter für Hilfs­mit­tel­ab­rech­nun­gen haben das Pilot­pro­jekt inzwi­schen kom­plett in ihre Pro­gram­me integriert?

Münch: Zur­zeit fünf bis sechs. Durch die Lern­kur­ven geht es bei jedem wei­te­ren Anbie­ter sehr viel schnel­ler. Wir gehen davon aus, dass bis Ende die­ses Jah­res alle soweit sind.

OT: In wel­cher Pha­se befin­det sich das Pilot­pro­jekt derzeit?

Münch: Momen­tan sind wir bei der Aus­tes­tung. Wir brau­chen die Rück­mel­dung aus dem Ver­sor­gungs­all­tag. Wo sind wei­ße Fle­cken? Wel­che Son­der­pro­zes­se gibt es? Sind alle Medi­en­brü­che bekannt und berück­sich­tigt? Für die­se Ant­wor­ten brau­chen wir die­se umfang­rei­che ­Pro­be­pha­se. Gemein­sam mit den Kos­ten­trä­gern arbei­ten wir gegen­wärtig eben­falls an den Abrechnungsprozessen.

OT: Wie oft trifft sich das Projektteam?

Münch: Seit drei Jah­ren fin­den alle sechs bis acht Wochen Tref­fen in gro­ßer Run­de von zehn bis 15 Per­so­nen statt, vor allem aus den Soft­ware­häu­sern, von den Kran­ken­kas­sen und vom BIV-OT. Ins­ge­samt gibt es zahl­rei­che Exper­ten­grup­pen, die par­al­lel und mit unter­schied­li­cher Perspek­tive an dem Pro­jekt arbeiten.

Was das Pilot­pro­jekts eVO für ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel auszeichnet?

Es …
… holt alle ins Boot: Koope­ra­ti­on von Leistungs­erbringern, Leis­tungs­er­brin­ger­ge­mein­schaf­ten, Abrech­nungs­zen­tren, Soft­ware­an­bie­tern, Kran­ken­kas­sen und Ärz­te­schaft; digi­ta­le Abbil­dung des gesam­ten Ver­ord­nungs­pro­zes­ses von Aus­stel­lung bis Abrechnung.

… ist trans­pa­rent: Wett­be­werbs­neu­tra­le, offe­ne und eta­blier­te Stan­dards, aus­ge­rich­tet an Infra­struk­tur und Schnitt­stel­len der gema­tik; alle Daten­we­ge lau­fen über eine gema­tik­kon­for­me Test­struk­tur der TI, mit allen Schnitt­stel­len für die Live-Tests.

… ist geset­zes­treu: Hält sich an die im Sozi­al­ge­setz­buch (SGB) V, in der Hilfs­mit­tel­richt­li­nie des G‑BA und im Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis (HMV) fest­ge­leg­ten Regeln; bie­tet alle Ein­ga­be­mög­lich­kei­ten für die ärzt­li­che Ver­ord­nung und ent­spricht somit gesetz­li­chen Vor­ga­ben – inklu­si­ve Frei­text­feld für Anmer­kun­gen oder Ver­ord­nun­gen außer­halb des HMV, Ein­ga­be Sie­ben­stel­ler, Ergän­zungs­pro­zess zum Zehn­stel­ler und inklu­si­ve der nöti­gen Kor­rek­tur­pro­zes­se in KIM (Kom­mu­ni­ka­ti­on im Medi­zin­we­sen) und der Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten über TIM (Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur-Mes­sen­ger).

… wird umfang­reich getes­tet: Ab 2023 Pra­xis- sowie Feld­tests zum Durch­spie­len aller Pro­zes­se, um der Gema­tik einen gut durch­dach­ten und erprob­ten Pro­zess zu über­ge­ben, der der Ver­ord­nungs­rea­li­tät ent­spricht und Mehr­wer­te für alle Betei­lig­ten bietet.

… bie­tet Wahl­frei­heit für Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten: Die TI sieht bereits einen Ver­zeich­nis­dienst vor. Die­ser wird unab­hän­gig und neu­tral von der Gema­tik für die TI erstellt. Grund­la­ge bil­den die Daten der Hand­werks­kam­mern und des elek­tro­ni­schen Gesund­heits­be­ru­fe­re­gis­ters. Ver­si­cher­te ent­schei­den über die Wahl ihres Leis­tungs­er­brin­gers für ihre Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung – kei­ne kom­mer­zi­el­le Len­kung durch zum Bei­spiel Prio­ri­sie­rung bestimm­ter Leistungserbringer. 

 

Dras­ti­sche Ver­ein­fa­chung – aber noch Medienbrüche

OT: Wel­chen Mehr­wert bringt die eVer­ord­nung letztendlich?

Münch: Eine dras­ti­sche Ver­ein­fa­chung der admi­nis­tra­ti­ven Pro­zes­se und deut­lich weni­ger Papier. Wobei die Ver­ord­nung selbst auf Wunsch der Ver­si­cher­ten nach wie vor als QR-Code aus­ge­druckt wer­den kann. Zeit­er­spar­nis bringt beson­ders der auto­ma­ti­sche Daten­ab­gleich. Wenn die eVer­ord­nung ein­ge­le­sen wird, wer­den die Daten von Pati­en­tin oder Pati­ent, von Arzt bzw. Ärz­tin sowie die Kos­ten­trä­ger­an­ga­ben auf Kor­rekt­heit geprüft. Man sieht sofort, ob alles rich­tig ange­legt wur­de. Auf Basis der Daten auf der Ver­ord­nung wird ein Auf­trag erstellt und vor­ge­schla­gen. Die Abrech­nung läuft voll digi­tal. Aller­dings gibt es noch ärger­li­che Medi­en­brü­che, die uns Papier aufzwingen.

OT: Wel­che?

Münch: Im Gegen­satz zum E‑Rezept für Arz­nei­mit­tel wer­den für jede elek­tro­ni­sche Hilfs­mit­tel­ver­ord­nung zusätz­lich vier Ori­gi­nal­un­ter­schrif­ten per Hand gefor­dert: für Bera­tungs­pro­to­koll, Mehr­kos­ten­re­ge­lung, Daten­schutz­for­mu­lar und Lie­fer­be­stä­ti­gung. Wir sind mit den Kran­ken­kas­sen im Gespräch, wie man die­se Büro­kra­tie deut­lich ver­ein­fa­chen kann.

Poli­ti­scher Handlungsbedarf

OT: Braucht es noch poli­ti­sche Weichenstellungen?

Münch: Die Poli­tik muss das elek­tro­ni­sche Gesund­heits­be­ru­fe­re­gis­ter (eGBR) noch beauf­tra­gen. Damit fehlt nach wie vor die gesetz­li­che Grund­la­ge für die Ertei­lung von elek­tro­ni­schen Berufs­aus­wei­sen (eBA) für das fach­li­che Lei­tungs­per­so­nal aus nicht kam­mer­ge­bun­de­nen Betrie­ben. Ohne eBA kön­nen sich weder die kam­mer­ge­führ­ten noch die nicht kam­mer­ge­bun­de­nen Betrie­be an die TI anschlie­ßen. Sie kön­nen zum Bei­spiel nicht mit den Arzt­pra­xen kom­mu­ni­zie­ren oder eVer­ord­nun­gen ändern. Eben­so fehlt bis­lang die gesetz­li­che Grund­la­ge für die Gesamt­heit der not­wen­di­gen Fach­an­wen­dun­gen, so dass alle Anfor­de­run­gen der Hilfs­mit­tel­richt­li­ne erfüllt wer­den kön­nen. Das bedeu­tet auch die Ein­räu­mung von Lese- und Schreib­rech­ten in der elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­ak­te. Zum einen ist es für ein Ver­sor­gungs­kon­zept ele­men­tar, Medi­ka­tio­nen oder dia­gnos­ti­zier­te Ein­schrän­kun­gen zu ken­nen. Zum ande­ren soll­te die fina­le Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung in der Akte doku­men­tiert wer­den. Das ver­ein­facht Abnah­men und Kon­trol­len des Medi­zi­ni­schen Dienstes.

Pro­jekt eVer­ord­nung für ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel – Überblick

2011
BIV-OT ist Grün­dungs­mit­glied des elek­tro­ni­schen Gesund­heits­be­ru­fe­re­gis­ters (eGBR)

2020
Grün­dung der AG Tele­ma­tik des BIV-OT

2021
Start des Pilot­pro­jekts eVer­ord­nung für ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel unter Feder­füh­rung des BIV-OT und Betei­li­gung von zehn Sani­täts­häu­sern ver­schie­de­ner Grö­ßen­ord­nun­gen, Pro­jekt­steue­rung: Opta Data Grup­pe; Abschluss Pha­se 1 des Pro­jekts (Defi­ni­ti­on der Anfor­de­run­gen bzw. Soll-Pro­zes­se, die das umfang­rei­che Ver­ord­nungs- und Ver­sor­gungs­spek­trum und zahl­rei­che ver­schie­de­ne IT-Sys­te­me berück­sich­ti­gen); Start Pha­se 2 (Daten­mo­dell & Schnittstellen)

2022
Pha­se 2 des Pilot­pro­jekts – stu­fen­wei­se Opti­mie­rung aller Pro­zes­se für alle Nut­zungs­grup­pen; wett­be­werbs­neu­tra­le Aus­rich­tung an Infra­struk­tur und Schnitt­stel­len der Gema­tik

2023
Beginn Pha­se 3 (Test­pha­se) der elek­tro­ni­schen Ver­ord­nung für ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel (Mus­ter 16) mit zehn aus­ge­wähl­ten OT-Betrie­ben ver­schie­de­ner Grö­ßen­ord­nun­gen und aus ver­schie­de­nen Bundesländern

2024
BIV-OT mit „Tag des E‑Rezepts“ auf der OTWorld, 1.200 simu­lier­te Ver­ord­nun­gen beim elek­tro­ni­schen Ver­ord­nung-Live­test eingelöst;
Start AG Son­der­pro­zes­se der Leis­tungs­er­brin­ger, um Son­der­an­for­de­run­gen und Medi­en­brü­che zu identifizieren;
Inte­gra­ti­on bei allen Bran­chen­soft­ware­her­stel­lern; Anbin­den von PVS-Her­stel­lern; fina­le Pla­nung der Feldtests

2025
1. Quar­tal: Start erwei­ter­ter Feld­test der eVer­ord­nung für ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel mit Test­da­ten (Sani­täts­häu­ser und Arzt­pra­xen); Rund 140 Betrie­be haben sich bereits angemeldet;
2. Quar­tal: Start Feld­test der eVer­ord­nung für ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel mit rea­len Daten; Bean­tra­gung und Aus­ga­be eBA und SMC‑B für alle kam­mer­ge­bun­de­nen Betrie­be bei den Handwerkskammern

2026
1. Janu­ar: Anschluss­pflicht der Hilfs­mit­tel­leis­tungs­er­brin­ger an die TI; Abschluss Pro­jekt elek­tro­ni­sche Ver­ord­nung Hilfs­mit­tel; pra­xis­taug­li­cher, geset­zes­kon­for­mer und markt­of­fe­ner Pro­zess zur Ein­lö­sung von elek­tronischen Ver­ord­nun­gen für alle OT-Betrie­be und Sani­täts­häu­ser verfügbar

2027
1. Janu­ar: gesetz­li­che Frist zur Ein­füh­rung der elek­tro­ni­sche Ver­ord­nung star­tet; Sani­täts­häu­ser haben ein hal­bes Jahr Zeit, ihre Pro­zes­se umzustellen;
1. Juli: eVer­ord­nung für Hilfs­mit­tel wird für alle Leis­tungs­er­brin­ger verpflichtend 

 

OT: Meis­ter­be­trie­be kön­nen den eBA aber schon beantragen?

Münch: Dem­nächst! Düs­sel­dorf, Dort­mund und Mainz sind die Pilot­kam­mern, bei denen vor­aus­sicht­lich noch Ende diesen/Anfang nächs­ten Jah­res Aus­wei­se aus­ge­ge­ben wer­den. Dort kön­nen eben­falls die nöti­gen Insti­tu­ti­ons­kar­ten (Secu­ri­ty Modu­le Card Typ B – SMC‑B) bean­tragt wer­den, wel­che die jewei­li­ge Ein­rich­tung aus­wei­sen. Die ande­ren Hand­werks­kam­mern kom­men im Lauf des nächs­ten Jah­res hinzu.

OT: Ab 1. Juli 2027 wird die elek­tro­ni­sche Ver­ord­nung in Deutsch­land zur Pflicht. Wie nutzt das Pilot­pro­jekt die Zeit bis dahin?

Münch: Für mich ist nicht maß­geb­lich, wann die eVer­ord­nung zur Pflicht wird, son­dern ab wann die Betrie­be frei­wil­lig teil­neh­men und sich an die TI ando­cken kön­nen. Dann wol­len wir bereit­ste­hen, damit unse­re Unter­neh­men kei­nen Wett­be­werbs­nach­teil erlei­den, weil ande­re schnel­ler sind und zum Bei­spiel die Apo­the­ken uns das Geschäft weg­neh­men. Unser Ziel ist, ab 1. Janu­ar 2026 alle Häu­ser in die Lage zu ver­set­zen, eVer­ord­nun­gen zu lesen, wenn sie das wol­len. Des­halb möch­ten wir 2025 jede Art der Ver­ord­nung – wie Dau­er­ver­ord­nun­gen und Ver­ord­nun­gen aus Kran­ken­häu­sern – sowie wei­te­re Pro­dukt­grup­pen wie 23 (Orthesen/Schienen) und 24 (Pro­the­sen) flä­chen­de­ckend tes­ten kön­nen. Im ers­ten Quar­tal 2025 sol­len Feld­tests mit allen teil­neh­men­den Soft­ware­an­bie­tern losgehen.

OT: Wie ist das Echo in der Branche?

Münch: Das Inter­es­se ist sehr groß, auch bei den Innun­gen, die in die Tests auf­ge­nom­men wer­den. Vie­le Betrie­be haben sich schon gemel­det und wol­len mitmachen.

Die Fra­gen stell­te Cath­rin Günzel.

 

Updates zum Pilot­pro­jekt für Mit­glieds­be­trie­be des Bun­des­in­nungs­ver­ban­des lie­fert der neue News­let­ter „eVO-Aktu­ell“. Inter­es­sier­te kön­nen sich im Mit­glie­der­be­reich unter dem Menü­punkt News­let­ter anmelden.

Inter­es­sen­ten, die sich aktiv betei­li­gen wol­len (zum Bei­spiel Mit­glieds­be­trie­be, Kos­ten­trä­ger oder PVS-Anbie­ter), mel­den sich bei: telematik@biv-ot.org. Die Pro­jekt­lei­tung infor­miert anschlie­ßend über Details.

Infor­ma­tio­nen des ZDH zum eBA und SMC‑B sowie zum Stand der Kar­ten­aus­ga­be sind unter https://www.zdh.de/ueber-uns/udh/gesundheitshandwerke/pilotprojekt-eba/ abzurufen.

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