Ende April trafen sich deshalb Vertreter:innen aus Politik, Industrie, Handwerk, Medizin und Sport zum Austausch in den Räumlichkeiten der Französischen Botschaft mit Blick auf das Brandenburger Tor.
Mit den Olympischen und Paralympischen Spielen sowie der OTWorld, deren Partnerland Frankreich in diesem Jahr ist, standen die Gastgeber um Botschafter François Delattre natürlich im Mittelpunkt des Interesses. 2024 stehe besonders die Kooperation im Bereich des Sports im Mittelpunkt der deutsch-französischen Zusammenarbeit, erklärte Botschafter Delattre. „Die Hilfsmittelversorgung spielt eine entscheidende Rolle im Spitzensport. Sie ist die Schnittstelle zwischen Menschen und Technik. Die Anpassung der Technologie an individuelle Bedürfnisse der Athletinnen und Athleten und die Schulung von Fachkräften im Umgang mit dieser Technik sind zentral für den Erfolg der Spitzensportlerinnen und ‑sportler“, so Delattre.
Inhaltlich wurde der Finger von den Redner:innen allerdings in die sprichwörtlichen Wunden der Hilfsmittelversorgung in Deutschland gelegt: die Absenkung des Versorgungsstandards, die fehlende Berücksichtigung von Folgekosten bei Fehl- oder Unterversorgungen, der Fachkräftemangel sowie die teils schleppende Integration neuer Technologien in das Hilfsmittelverzeichnis und damit den Versorgungsalltag aller Patient:innen.
Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, forderte: „Rund 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entstehen durch die Gesundheitswirtschaft – und dazu gehört auch der Hilfsmittelbereich. Da können Sie ruhig viel, viel selbstbewusster sein!“ Außerdem sei wichtig, dass es Erleichterungen geben sollte, Innovationen in die Versorgung zu bekommen. Beim Thema Digitalisierung wurde Sorge deutlich: „Ich finde es ein Unding, dass die Leistungserbringer bei den Themen Elektronische Patientenakte und Telematikinfrastruktur so stiefmütterlich behandelt werden.“
Alf Reuter, Mitglied des WvD-Vorstands und Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT), stellte die Herausforderungen und Erfolge in der technischen Orthopädie vor: „Wir sind stolz darauf, in einem Land zu sein, das weltweit als Vorreiter in der Hilfsmittelversorgung gilt. Doch es bleibt viel zu tun, damit wir unserer Verantwortung weiterhin gerecht werden können. Denn Fachkräftemangel und Bürokratie bluten das Fach und damit die Versorgung von Millionen Menschen aus.“
Emotionaler Höhepunkt des Abends war der inspirierende Auftritt von Sophie Loubet, einer Para Snowboarderin, die durch ihre Lebensgeschichte und sportlichen Erfolge beeindruckte. Loubet unterstrich: „Eine moderne prothetische Versorgung ermöglicht es uns, Grenzen zu verschieben und Unmögliches möglich zu machen.“
Ein weiterer Schwerpunkt des Abends lag auf der Kompressionstherapie für Bein und Arm. Es wurde intensiv die Situation der Versorgung von Lymphödemen in Deutschland diskutiert sowie die schwierige Situation der Betroffenen beleuchtet. Prof. Dr. Gerd Lulay führte durch diesen Teil der Veranstaltung und legte den Fokus auf die Herausforderungen, aber ebenso auf die Fortschritte in der Lymphödem-Behandlung.
Nach aktuellen Schätzungen sind laut Lulay etwa 1,5 Millionen Menschen in Deutschland von Lymphödemen betroffen, Frauen häufiger als Männer. Die Dunkelziffer sei jedoch hoch. Die Erkrankung führt oft zu schwerwiegenden physischen und psychischen Belastungen, einschließlich Isolation und Depression. Bislang sei bei diesem Krankheitsbild nicht angemessen in eine strukturierte Versorgung investiert worden, obwohl längst nachgewiesen sei, dass die Vermeidung immenser Folgeschäden ein hohes Einsparpotenzial mit sich bringen würde. Es bleibe kritisch, erklärte Lulay, wie die Schließung von spezialisierten Kliniken und die mangelnde Kostenerstattung für strukturierte Modelle durch die Krankenkassen zeige.
In vielen Gesprächen kamen die Gäste anschließend in unterschiedlichen Konstellationen zusammen, um Positionen zu erläutern und Detailfragen zu klären. Dabei wurde viel diskutiert, teilweise bis in den späten Abend, aber stets auf Augenhöhe. Insgesamt ein gelungener Abschluss für die Premiere des Parlamentarischen Abends von WvD.
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