Laut Angaben des Veranstalters trafen sich dabei 340 Expert:innen aus 36 Ländern. Der Schwerpunkt des Symposiums, das von Dipl.-Ing. Merkur Alimusaj, Leiter der Technischen Orthopädie, Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Querschnittlähmung am Universitätsklinikum Heidelberg und OTWorld-Präsident 2022, moderiert wurde, lag auf dem Austausch von Prozessen und Best-Practice-Beispielen.
„Viele meiner Patienten berichten nach der Amputation von einer besseren Lebensqualität durch die Prothese, sie sind nicht mehr auf Rollstuhl oder Krücken angewiesen und haben teilweise auch weniger Schmerzen“, berichtete Michael Carroll vom US Department of Veterans Affairs und Assistenzprofessor an der University of Central Florida. In seinem Beitrag erläuterte er die Prozessschritte für bilaterale Oberschenkelamputierte von der Genesung bis zur Mobilität. Da die Anzahl an Amputationen steige, sei ein Einsatz von Prothesen – laut Carroll – in allen Stadien der Rehabilitation sinnvoll. Aufgrund der fordernden Reha müssten bilaterale Prothesen-Kandidat:innen körperlich, aber auch mental geeignet sein. Carroll stellte die vier Hauptphasen seines Protokolls für Prothesen mit abgestufter Länge vor: In der ersten Phase liegt der Schwerpunkt auf dem Aufbau von Selbstvertrauen, einschließlich emotionaler Unterstützung, Muskelaufbau, Gewichtskontrolle und erreichbaren Zielen. In der zweiten Phase beginnt der Prozess des Erlernens des Gehens auf sogenannten Short Legs, d. h. Stubby-Prothesen. In der dritten Phase werden die Stubby-Prothesen verlängert. In Phase vier wird auf Prothesen mit voller Beinlänge umgestellt.
Professor Dr.-Ing. Malte Bellmann, PFH Göttingen und Director Research Biomechanic in der globalen Abteilung Klinische Forschung & Service von Ottobock, hatte bei dem Symposium sozusagen Heimrecht. Er erläuterte den Nutzen von MPKs bei beidseitig oberschenkelamputierten Menschen. Entscheidend für die Rehabilitation von transfemural (TF) Amputierten seien die Zuverlässigkeit und Sicherheit des Prothesen-Kniegelenks – besonders, um Stürze zu vermeiden. MPKs könnten auch die geringere körperliche Leistungsfähigkeit beidseitig Amputierter kompensieren sowie das Gangbild verbessern. Dies und die höhere Sicherheit würden zu besseren funktionellen Resultaten mit höherer Lebensqualität und Zufriedenheit führen. „Eine bestmögliche Prothesenfunktion und ‑sicherheit sowie ein speziell qualifiziertes Rehabilitationsteam sind für die erfolgreiche Rehabilitation und soziale Teilhabe von beidseitig oberschenkelamputierten Menschen unerlässlich“, lautet daher Bellmanns Fazit.
Aus Japan war Dr. med. Takaaki Chin, PhD, Director des Hyogo-Rehabilitationszentrums, zugeschaltet. In seinem Vortrag sprach er über die Rehabilitation mithilfe smarter Robotik. „Die Integration von Robotertechnologie in den orthopädischen Rehabilitationsprozess ermöglicht eine völlig neue Strategie zur Bewältigung von Behinderungen durch Verbesserung und Kompensation von Funktionen zur Bewältigung von Aktivitäten des täglichen Lebens. Während der Rehabilitationstrainingsphase eröffnet das Zusammenspiel zweier unterschiedlicher Technologien, der Hybrid Assistive Limb und der mikroprozessorgesteuerten Knie-Knöchel-Fußorthese, neue Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen“, so Chin und erklärte weiter: „Bislang dauerte es in der prothetischen Rehabilitation in Japan mehr als ein Jahr, bis ein Mensch mit einer beidseitigen Oberschenkelamputation selbstständig gehen konnte. Mit der Einführung unseres Kenevo-Protokolls kann dieser Zeitraum auf etwa sechs Monate verkürzt werden. Dies bedeutet eine erhebliche Einsparung an Ressourcen und damit auch an Kosten. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass diese Anwender möglicherweise weiterhin zusätzliche Hilfsmittel wie einen Rollstuhl benötigen.“
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