Neu­ro­pro­the­tik heu­te und morgen

T. Stieglitz, M. Schüttler, D. T. T. Plachta
Ziel der Neurotechnik ist es, technische Schnittstellen mit dem Nervensystem herzustellen. In der Neuroprothetik steuern Nervensignale technische Hilfsmittel, und elektrisch stimulierte Nerven stellen verloren gegangene Sinne und Funktionen des Körpers wieder her. In der Neuromodulation wird die elektrische Stimulation von Nervenzellen zur Verringerung von Symptomen und zur Therapie neurologischer Erkrankungen eingesetzt. Cochlea-Implantate, Tiefenhirnstimulatoren und Sehprothesen haben die Zulassung als Medizinprodukt erhalten. Viele weitere Anwendungen zu einer besseren prothetischen Versorgung und Alternativen zu rein medikamentösen Therapien sind in der Entwicklung. Der Beitrag stellt Trends vor und diskutiert technische und medizinische Möglichkeiten und Grenzen von Neurotechnik.

Ein­lei­tung

Die Neu­ro­tech­nik elek­tri­siert Pati­en­ten, Ärz­te und Tech­ni­ker glei­cher­ma­ßen mit der Idee, über Ner­ven­si­gna­le Pro­the­sen zu steu­ern, Füh­len durch Strom­pul­se wie­der­her­zu­stel­len und Krank­hei­ten durch “Über­schrei­ben“ der Ner­ven­si­gna­le zu behan­deln. Was ist heu­te schon mög­lich, was sogar schon im kli­ni­schen Ein­satz, und was ist Zukunftsmusik?

Der Begriff der Neu­ro­tech­nik ist im deut­schen Sprach­ge­brauch noch recht jung, wird inter­na­tio­nal als “neu­ral engi­nee­ring“ an der Schnitt­stel­le zwi­schen Medi­zin­tech­nik, Neu­ro­wis­sen­schaf­ten, Medi­zin und Reha­bi­li­ta­ti­ons­tech­nik aber schon seit über zehn Jah­ren ver­wen­det. Die Neu­ro­tech­nik umfasst im Hin­blick auf medi­zi­ni­sche Anwen­dun­gen die Neu­ro­pro­the­tik zur Wie­der­her­stel­lung ver­lo­ren gegan­ge­ner sen­so­ri­scher und moto­ri­scher Funk­tio­nen sowie die Neu­ro­mo­du­la­ti­on zur Behand­lung neu­ro­lo­gi­scher Erkran­kun­gen. In den letz­ten Jah­ren ist noch die bio­elek­tri­sche Medi­zin hin­zu­ge­kom­men, die auch mit dem Begriff der Elek­tro­zeu­ti­ka beschrie­ben wird. Die­ser Teil hat sich zum Ziel gesetzt, Erkran­kun­gen der inne­ren Orga­ne, die übli­cher­wei­se mit Phar­ma­zeu­ti­ka medi­ka­men­tös behan­delt wer­den, mit Hil­fe neu­ro­elek­tri­scher Implan­ta­te zu behan­deln. Dabei wird für alle in For­schung und Kli­nik ver­wen­de­ten Ansät­ze und Gerä­te (Abb. 1) in die­sem Arti­kel zur Ver­ein­fa­chung der Begriff der Neu­ro­pro­the­sen ver­wen­det, auch wenn es sich um Neu­ro­mo­du­la­ti­on oder bio­elek­tro­ni­sche Anwen­dun­gen handelt.

Der Urahn aller elek­trisch akti­ven Implan­ta­te ist der Herz­schritt­ma­cher, der mitt­ler­wei­le über 350.000-mal pro Jahr bei Pati­en­ten implan­tiert wird. An ihm müs­sen sich Neu­ro­im­plan­ta­te mes­sen, wenn es um Pati­en­ten­zah­len, aber auch um Wirt­schaft­lich­keit und Absatz­markt geht 1. Eine Stu­die zur Ver­brei­tung von Erkran­kun­gen, bei denen das Gehirn eine ent­schei­den­de Rol­le spielt – von Depres­sio­nen über Schlag­an­fall bis hin zu Mor­bus Par­kin­son – zeigt bereits für das Jahr 2010 auf, dass die jähr­li­chen Kos­ten im Gesund­heits­we­sen in Euro­pa die­je­ni­gen für Herz-Kreis­lauf- und Krebs-Erkran­kun­gen zusam­men über­stei­gen; Ten­denz stei­gend in der altern­den Gesell­schaft Euro­pas 2.

Ein Bedarf scheint vor­han­den zu sein. Wie sehen die gegen­wär­ti­gen Lösun­gen aus und wel­chen Her­aus­for­de­run­gen müs­sen sich For­schung und Medi­zin­tech­nik-Indus­trie stel­len? Die­se Fra­gen sol­len beleuch­tet und zukünf­ti­ge Ent­wick­lungs­trends anhand von Bei­spie­len zur bedarfs­ge­rech­ten Neu­ro­mo­du­la­ti­on des Gehirns mit Elek­tro­de­n­ar­rays, des Funk­ti­ons­er­sat­zes und des “Über­schrei­bens“ von Signa­len zur The­ra­pie anstel­le von Medi­ka­men­ten­ga­be erläu­tert werden.

Neu­ro­tech­ni­sche Implan­ta­te in For­schung und kli­ni­scher Praxis

Elek­trisch akti­ve Implan­ta­te im medi­zi­ni­schen Ein­satz hel­fen bei der Dia­gno­se von Erkran­kun­gen, indem mit ihnen Signa­le auf­ge­nom­men und Ereig­nis­se erkannt wer­den. Sie modu­lie­ren die Ner­ven­ak­ti­vi­tät und lin­dern dadurch Sym­pto­me von Erkran­kun­gen. In der Reha­bi­li­ta­ti­on erset­zen sie funk­tio­nell die ver­lo­ren gegan­ge­nen Funk­tio­nen 1. Im Bereich der For­schung wur­den alle erdenk­li­chen Anwen­dun­gen bereits unter­sucht und in Pilot­stu­di­en auf den Men­schen über­tra­gen (sie­he Abb. 1). Wie­der­her­stel­lung von Seh- und Hör­sinn, Grei­fen, Ste­hen und Gehen, Zwerch­fell­sti­mu­la­ti­on zur Atmung, Sti­mu­la­ti­on des um das Herz gewi­ckel­ten Schul­ter­mus­kels zur Herz­kraft­un­ter­stüt­zung, Akti­vie­rung des Fußes nach Schlag­an­fall (Fall­fuß) und Harn­bla­sen­ma­nage­ment sind in der Reha­bi­li­ta­ti­on bereits unter­sucht wor­den. Elek­tri­sche Sti­mu­la­ti­on des Rücken­marks zur Ver­rin­ge­rung chro­ni­schen Schmer­zes und zur Behand­lung von Dran­gin­kon­ti­nenz, Tie­fen­hirn­sti­mu­la­ti­on bei Mor­bus Par­kin­son, aber auch bei schwers­ten psych­ia­tri­schen Erkran­kun­gen, Gehirn- und Vagus­nerv­sti­mu­la­ti­on bei Epi­lep­sie stel­len Optio­nen zu medi­ka­men­tö­sen The­ra­pien bereit.

Bei jeder Anwen­dung sind im Hin­blick auf die Funk­ti­on, den Nut­zen und die Sicher­heit eini­ge grund­le­gen­de Fra­gen zu beant­wor­ten. Die “W‑Fragen“ für Implan­ta­te lauten:

  • War­um will ich ein Neu­ro­im­plan­tat ver­wen­den? (medi­zi­ni­scher Hintergrund)
  • Wo soll es implan­tiert wer­den? (Ort)
  • Wie kommt es dort­hin? (ope­ra­ti­ver Zugang)
  • Wie vie­le Kanä­le benö­ti­ge ich? (Kom­ple­xi­tät)
  • Wie oft soll es sti­mu­lie­ren? (Funk­ti­ons­wei­se und ‑dau­er)

Unab­hän­gig von den Ant­wor­ten auf die­se Fra­gen müs­sen die grund­le­gen­den Anfor­de­run­gen, wie sie das Medi­zin­pro­duk­te­ge­setz vor­schreibt, erfüllt wer­den. Ihre Erfül­lung gewähr­leis­tet die Sicher­heit und Ver­träg­lich­keit des Implan­ta­tes im Ziel­ge­we­be. Die Mate­ri­al-Gewe­be-Schnitt­stel­le muss der­art beschaf­fen sein, dass es auf­grund der Implan­ta­ti­on zu kei­ner­lei Ver­än­de­rung der Ner­ven­ak­ti­vi­tät kommt. Das Mate­ri­al darf kei­ne gif­ti­gen Stof­fe frei­set­zen und auch selbst nicht gif­tig sein (Ober­flä­chen­bio­kom­pa­ti­bi­li­tät), und es darf durch sei­ne Form­ge­bung nicht das Ziel­ge­we­be schä­di­gen (Struk­tur­bio­kom­pa­ti­bi­li­tät). Spit­ze Ecken und schar­fe Kan­ten sind eben­so zu ver­mei­den wie stei­fe Mate­ria­li­en in direk­tem Kon­takt zum wei­chen Ner­ven­ge­we­be. Die Lebens­dau­er eines akti­ven Implan­ta­tes muss heut­zu­ta­ge im Bereich von Jah­ren bis Jahr­zehn­ten lie­gen. Bat­te­rie­wech­sel wie bei Herz­schritt­ma­chern wer­den tole­riert, wenn der Nut­zen des Implan­ta­tes hoch genug ist.

Die For­schung zu neu­ro­tech­ni­schen Implan­ta­ten hat inner­halb der letz­ten zehn Jah­re rasant zuge­nom­men und eine Viel­zahl tech­ni­scher Pro­to­ty­pen von Elek­tro­den und elek­tro­ni­schen Sys­te­men her­vor­ge­bracht. Nur weni­ge Grup­pen neh­men sich jedoch der Her­aus­for­de­rung an, einen Pro­to­typ unter den regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen der euro­päi­schen Richt­li­ni­en in ein zuge­las­se­nes Medi­zin­pro­dukt zu über­füh­ren. Im Durch­schnitt dau­ert die­ser Pro­zess über 12 Jah­re und benö­tigt neben einem lan­gen Atem auch eine soli­de finan­zi­el­le Basis und gedul­di­ge Kapitalgeber.

Mitt­ler­wei­le sind in der Neu­ro­pro­the­tik eini­ge Erfolgs­ge­schich­ten geschrie­ben wor­den 1. Die größ­te stel­len der­zeit die Coch­lea-Implan­ta­te dar, die Mit­te der 1980er Jah­re zum ers­ten Mal in Pilot­stu­di­en ertaub­ten Men­schen einen Hör­ein­druck ver­mit­tel­ten und heu­te welt­weit bei mehr als einer Vier­tel­mil­li­on Men­schen implan­tiert sind. Durch Implan­ta­ti­on im früh­kind­li­chen Alter kön­nen taub gebo­re­ne Kin­der mit Hil­fe eines Implan­ta­tes das Hören ler­nen und ver­gleich­ba­re Wege zu ihren hörend gebo­re­nen Gleich­alt­ri­gen beschrei­ten. Rücken­mark­sti­mu­la­to­ren unter­drü­cken bei mehr als 130.000 Pati­en­ten chro­ni­sche Schmer­zen, jähr­lich kom­men rund 14.000 neue Pati­en­ten hin­zu. Tie­fen­hirn­sti­mu­la­ti­on wird bei über 80.000 Pati­en­ten bei Mor­bus Par­kin­son ein­ge­setzt, um Zit­tern (Tre­mor) und Bewe­gungs­stei­fig­keit (Aki­ne­se) zu behan­deln und die über­schie­ßen­den Bewe­gun­gen (Dys­ki­ne­sien) auf­grund der medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie zu ver­rin­gern. Da das Gehirn kei­ner­lei Schmerz­emp­fin­dung hat, füh­len die Pati­en­ten den Strom nicht als unan­ge­neh­me Erscheinung.

Ande­re zuge­las­se­ne Sys­te­me sind ent­we­der wie der Sakral­wur­zel­sti­mu­la­tor zur Harn­bla­sen­ent­lee­rung nach Quer­schnitt­läh­mung oder der Atem­schritt­ma­cher durch alter­na­ti­ve Metho­den wie Botu­li­nus­to­xin-Injek­ti­on oder mobi­le Über­druck­be­atmungs­ge­rä­te ersetzt oder bis­lang nur bei rela­tiv weni­gen Pati­en­ten implan­tiert wor­den. Die bei­den zuge­las­se­nen Seh­pro­the­sen besit­zen erst seit weni­gen Jah­ren eine Zulas­sung und hel­fen knapp 100 Pati­en­ten welt­weit, sich frei in der Umge­bung zurecht­zu­fin­den. Auch implan­tier­ba­re Sti­mu­la­to­ren zur Behe­bung der Fuß­he­ber­schwä­che nach Schlag­an­fall (Fall­fuß) sind erst bei unge­fähr 100 Pati­en­ten im Ein­satz. Damit Implan­ta­te ihre Arbeits­wei­se bedarfs­ge­recht anpas­sen kön­nen, müs­sen Infor­ma­tio­nen über den Pati­en­ten auf­ge­nom­men wer­den 3: Ers­te Gerä­te befin­den sich im kli­ni­schen Ein­satz, bei denen die Strom­stär­ke ange­passt wird, je nach­dem, ob der Pati­ent steht, sitzt oder liegt. Ände­run­gen der Herz­fre­quenz wer­den als Zei­chen für einen bevor­ste­hen­den epi­lep­ti­schen Anfall gedeu­tet, die die Vagus­nerv­sti­mu­la­ti­on ein­lei­ten. Ein Implan­tat, das die Sti­mu­la­ti­on nach Auf­nah­me der Gehirn­si­gna­le auto­nom in einer geschlos­se­nen Regel­schlei­fe ein­setzt, wur­de 2014 in den USA als Medi­zin­pro­dukt in der Epi­lep­sie­t­he­ra­pie zuge­las­sen. Das Sys­tem ent­schei­det anhand der Signa­le selbst­stän­dig, ob ein Anfall im Ent­ste­hen ist und durch Sen­den von elek­tri­schen Impul­sen unter­bro­chen wer­den muss. Die Pati­en­ten sind zwar noch nicht zu 100 % anfalls­frei, kön­nen jedoch ihren all­täg­li­chen Tätig­kei­ten wie­der im nor­ma­len Rah­men nachgehen.

Die Ent­wick­lung von Implan­ta­ten für Anwen­dun­gen wie chro­ni­sche Läh­mung, Epi­lep­sie, Schlag­an­fall und Mor­bus Par­kin­son erfor­dert inter­dis­zi­pli­nä­re Ver­bund­for­schung über Jah­re hin­weg, um Erfol­ge auf­wei­sen zu kön­nen. For­schungs­pro­gram­me wie Prä­si­dent Oba­mas “Brain Initia­ti­ve“ in den USA oder For­schungs­clus­ter inner­halb der deut­schen Exzel­lenz­in­itia­ti­ve bie­ten hier­zu gute Rah­men­be­din­gun­gen. Der Exzel­lenz­clus­ter “Brain­Links-Brain­Tools“ an der Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg bin­det Inge­nieu­re, Natur­wis­sen­schaft­ler und Medi­zi­ner in ein For­schungs­um­feld ein, das die Grund­la­gen bil­det, neue Ideen zu gene­rie­ren und bis zur Anwen­dung in kli­ni­schen Stu­di­en am Men­schen wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Die Her­aus­for­de­run­gen an Neu­ro­pro­the­sen als intel­li­gen­te Implan­ta­te, die in geschlos­se­nen Regel­krei­sen mög­lichst auto­nom arbei­ten und mit wenig Ener­gie­be­darf am bes­ten aut­ark aus­kom­men sol­len, sind man­nig­fal­tig. Dabei sehen die Detail­lö­sun­gen für jede Anwen­dung unter­schied­lich aus, auch wenn die grund­le­gen­den Anfor­de­run­gen gleich sind.

Mög­lich­kei­ten und Her­aus­for­de­run­gen für mikro­tech­ni­sche Neuroimplantate

Mikro­tech­ni­sche Fer­ti­gungs­ver­fah­ren erlau­ben die Fer­ti­gung feins­ter Sys­te­me mit Struk­tur­grö­ßen, die klei­ner als der Durch­mes­ser eines mensch­li­chen Haa­res (ca. 70 Mikro­me­ter = 0,070 mm) sind. Die­se Mikro­im­plan­ta­te kön­nen in den peri­phe­ren Ner­ven oder um ihn her­um implan­tiert wer­den, auf das Gehirn gelegt oder in die Groß­hirn­rin­de oder tie­fe Hirn­struk­tu­ren hin­ein implan­tiert wer­den 4. Neue Mate­ria­li­en und die Inte­gra­ti­on mikro­elek­tro­ni­scher Schal­tun­gen las­sen kom­ple­xe intel­li­gen­te Implan­ta­te ent­ste­hen, die neue Mög­lich­kei­ten eröff­nen, die aber zual­ler­erst die grund­le­gen­den Anfor­de­run­gen an Bio­kom­pa­ti­bi­li­tät und Bio­sta­bi­li­tät erfül­len müs­sen. Anhand drei­er aus­ge­wähl­ter Ansät­ze wer­den im Fol­gen­den die Mög­lich­kei­ten der Mikro­tech­no­lo­gien erläutert.

1. Struk­tur­bio­kom­pa­ti­bi­li­tät durch smar­te Materialien

Der Kör­per erkennt Implan­ta­te als Fremd­kör­per und ver­sucht sie ent­we­der auf­zu­lö­sen oder, wenn dies nicht gelingt, so mit einer Zell­schicht ein­zu­kap­seln, dass sie von den rest­li­chen Zel­len nicht mehr als Fremd­kör­per erkannt wer­den. Wäh­rend ortho­pä­di­sche Implan­ta­te (wie bei­spiels­wei­se Hüf­ten­do­pro­the­sen) Kräf­te auf­neh­men und sich gut am Kno­chen abstüt­zen müs­sen, sol­len sich neu­ro­tech­ni­sche Implan­ta­te mög­lichst mit dem umge­ben­den Ner­ven­ge­we­be mit­be­we­gen, ohne auf es zu drü­cken oder sich rela­tiv zu ihm zu bewe­gen. Die mecha­ni­sche Anpas­sung von tech­ni­schem Mate­ri­al und bio­lo­gi­schem Ziel­ge­we­be erfor­dert wei­che tech­ni­sche Mate­ria­li­en bzw. sehr klei­ne Implan­ta­te, die im dau­er­haf­ten Kon­takt mit dem Weich­ge­we­be fle­xi­bel, aber robust genug sind, dass sie dem Milieu im Kör­per wider­ste­hen. Je klei­ner, wei­cher und gra­zi­ler die tech­ni­schen Struk­tu­ren sind, des­to schwie­ri­ger wird auch deren Implantation.

Die For­schung küm­mert sich nicht nur um die Ent­wick­lung geeig­ne­ter Implan­ta­ti­ons­werk­zeu­ge, son­dern arbei­tet auch an Ansät­zen zu bio­re­sor­bier­ba­ren Beschich­tun­gen, mit denen die Implan­ta­te über­zo­gen wer­den. Die Schich­ten ver­stei­fen die fei­nen Kon­tak­te und Trä­ger­struk­tu­ren und schüt­zen sie. Nach der Implan­ta­ti­on lösen sie sich im Gehirn auf und las­sen fle­xi­ble Kon­tak­te und Zulei­tun­gen zurück, die wie See­gras im Meer den Bewe­gun­gen des Gehirns bei Atmung und Herz­schlag fol­gen. Auch an Tarn­kap­pen­be­schich­tun­gen wird gear­bei­tet, um die Fremd­kör­per­re­ak­tio­nen zu ver­rin­gern und dau­er­haft die elek­tri­schen Signa­le ein­zel­ner Zel­len mit dem Implan­tat auf­zu­neh­men, ohne dass iso­lie­ren­de Zel­len der Immun­ab­wehr sich dazwi­schen­set­zen und lang­fris­tig das Signal abschir­men. For­scher­grup­pen aus Mate­ri­al­wis­sen­schaft, Che­mie, Mikro­tech­nik und Neu­ro­wis­sen­schaf­ten wid­men sich die­sem The­ma. Die Ergeb­nis­se der meist erkennt­nis­ori­en­tier­ten, grund­la­gen­wis­sen­schaft­li­chen prä­kli­ni­schen Stu­di­en aus den unter­schied­lichs­ten Rich­tun­gen wei­sen Erfol­ge bis­lang nur bei Nagern auf. Von dort ist es aber noch ein lan­ger Weg zu huma­nen Erfol­gen. Bis die­se Erkennt­nis­se in zuge­las­se­nen Medi­zin­pro­duk­ten zu fin­den sind, gehen noch vie­le Jah­re ins Land.

2. Erhöh­te Kom­ple­xi­tät und Miniaturisierung

Neu­ro­tech­ni­sche Implan­ta­te sind kom­ple­xe Sys­te­me mit elek­tro­ni­schen Schal­tun­gen in her­me­ti­schen Gehäu­sen, die die Elek­tro­nik vor Was­ser, Sal­zen und Enzy­men aus dem Kör­per und den Kör­per vor toxi­schen Stof­fen aus den elek­tro­ni­schen Bau­stei­nen schüt­zen. Eine gro­ße Her­aus­for­de­rung stel­len elek­trisch leit­fä­hi­ge Durch­füh­run­gen durch ein sol­ches gas- und was­ser­fes­tes Gehäu­se dar. Im kli­ni­schen All­tag stel­len Coch­lea-Implan­ta­te mit gut 20 Durch­füh­run­gen gegen­wär­tig die obe­re tech­no­lo­gi­sche Gren­ze dar. Für neu­ar­ti­ge Implan­ta­te im Gehirn, die die Akti­vi­tät auf­zeich­nen und damit tech­ni­sche Hilfs­mit­tel oder gar Seh­pro­the­sen ansteu­ern sol­len, wer­den min­des­tens Hun­der­te, teil­wei­se über ein­tau­send sol­cher Durch­füh­run­gen gefor­dert. Eine Ska­lie­rung “nach oben“ mit eta­blier­ten Tech­no­lo­gien ist kei­ne Lösung, da die Ana­to­mie der Ziel­re­gi­on die maxi­ma­le Implan­tat­grö­ße vor­gibt. Klei­ne­re Abstän­de und Struk­tur­grö­ßen sind die ein­zi­ge Mög­lich­keit, die Gesamt­grö­ße eines Implan­ta­tes bei höhe­rer Kom­ple­xi­tät bei­zu­be­hal­ten, sie im Ide­al­fall sogar noch zu ver­klei­nern. Neue Tech­no­lo­gien und Mate­ria­li­en müs­sen hier­bei auf ihre Bio­kom­pa­ti­bi­li­tät und Lang­zeit­sta­bi­li­tät in der Kör­per­flüs­sig­keit, Gesamt­sys­te­me auf ihre Robust­heit getes­tet wer­den, damit sie auch nach (Verkehrs-)Unfällen noch sicher arbei­ten und den Implan­tat­trä­ger nicht schä­di­gen. Par­al­lel zur Implan­tat­ent­wick­lung müs­sen immer auch Prüf­me­tho­den ent­wi­ckelt und vali­diert wer­den, damit die Zuver­läs­sig­keit der Implan­ta­te über ihre Lebens­dau­er vor dem Markt­ein­tritt sicher­ge­stellt wer­den kann.

3. Anpas­sung mit Hil­fe von Redundanz

Neu­ro­tech­ni­sche Implan­ta­te wer­den zur Behand­lung fort­schrei­ten­der Erkran­kun­gen wie Mor­bus Par­kin­son ein­ge­setzt oder sol­len Gehirn­ak­ti­vi­tä­ten bei Epi­lep­sie als The­ra­pie­maß­nah­me ver­än­dern. Auch bei moderns­ten Bild­ge­bungs­ver­fah­ren bleibt stets eine Rest­un­si­cher­heit über die Ana­to­mie des ein­zel­nen Pati­en­ten vor der Ope­ra­ti­on. Die ers­te Jus­tie­rung der Neu­ro­im­plan­ta­te fin­det zunächst intra­ope­ra­tiv durch ihre Plat­zie­rung statt, danach elek­tro­nisch über eine Ver­än­de­rung der Strom­pul­se auf den aus­ge­wähl­ten Elek­tro­den oder durch Umschal­ten auf einen ande­ren Kon­takt auf dem Implan­tat. Ohne die spe­zi­fi­sche Ana­to­mie eines Pati­en­ten zu ken­nen, ist eine Implan­ta­ti­on nur dann erfolg­reich, wenn genü­gend Elek­tro­den vor­han­den sind, die nach der Ope­ra­ti­on elek­tro­nisch aus­ge­wählt wer­den kön­nen (Abb. 2). Sind sie in so hoher Zahl vor­han­den, dass eine Red­un­danz vor­liegt, so kann ein intra­ope­ra­ti­ves Scree­ning deut­lich ver­kürzt wer­den. Gera­de für Unter­su­chun­gen, bei denen nicht von vorn­her­ein klar ist, wo ein gewünsch­tes Signal auf der Groß­hirn­rin­de zu erwar­ten ist, wie bei der prä­chir­ur­gi­schen Epi­lep­sie­dia­gnos­tik oder wenn es bei Gehirn-Com­pu­ter-Schnitt­stel­len durch die Plas­ti­zi­tät im Gehirn auf­grund von Lern­pro­zes­sen zu räum­li­chen Ver­schie­bun­gen der Signa­le kommt, kann Red­un­danz bei Elek­tro­den­kon­tak­ten die Lösung dar­stel­len, auch lang­fris­tig die best­mög­li­chen Signa­le auf­zu­neh­men 5. Die Her­aus­for­de­rung bei die­sem Ansatz stellt die gro­ße Anzahl der Kon­tak­te dar. Die Kon­tak­te müs­sen über Zulei­tun­gen mit einem Implan­tat­ge­häu­se und der innen­lie­gen­den Auf­nah­me­elek­tro­nik ver­bun­den wer­den. Zuver­läs­si­ge minia­tu­ri­sier­te Gehäu­se mit einer hohen Zahl elek­tri­scher Durch­füh­run­gen sind die unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für die­se Lösung.

Wel­che medi­zi­ni­schen Ansät­ze mit den vor­ge­stell­ten tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen der Mikro­tech­nik mög­lich sind, wird im Fol­gen­den am Bei­spiel der The­ra­pie von Blut­hoch­druck und am sen­so­ri­schen Feed­back nach Ampu­ta­ti­on vorgestellt.

The­ra­pie von Blut­hoch­druck mit Strom statt mit Pillen

Von einer Blut­hoch­druck­erkran­kung (arte­ri­el­le Hyper­to­nie) sind ca. 25 % der deut­schen Bevöl­ke­rung betrof­fen. Trotz gro­ßer Fort­schrit­te in der medi­ka­men­tö­sen, anti­hy­per­ten­si­ven The­ra­pie und bei prä­ven­ti­ven Gesund­heits­pro­gram­men kann bei­ ca. 35 % die­ser Pati­en­ten der Blut­druck nicht dau­er­haft in den the­ra­peu­tisch gewünsch­ten Bereich (systo­lisch < 140 mmHg) gesenkt wer­den. Da der Blut­hoch­druck für über 50 % aller Fol­ge­er­kran­kun­gen im Herz-Kreis­lauf-Sys­tem und bei Schlag­an­fäl­len ver­ant­wort­lich ist und sowohl eine gro­ße Sterb­lich­keit auf­weist als auch hohe Kos­ten für das Gesund­heits­sys­tem ver­ur­sacht, besteht Handlungsbedarf.

Der Blut­druck des mensch­li­chen Kör­pers wird haupt­säch­lich von drei Sys­te­men kon­trol­liert: Das aku­te Sys­tem ver­fügt über (kör­per­ei­ge­ne) Druck­sen­so­ren, die sich in den Gefäß­wän­den vor allem der Aor­ta und der Hals­schlag­adern befin­den. Die Sen­so­ren in der Hals­schlag­ader (dem Sinus caro­ti­cus), über­mit­teln ihre Signa­le über den N. glos­so­pha­ryn­geus an den Hirn­stamm. Die Sen­so­ren in der Aor­ta, Aor­ten­bo­gen­re­zep­to­ren genannt, sind über den N. vagus mit dem Hirn­stamm ver­bun­den. Mel­den die­se Sen­so­ren einen Blut­druck­an­stieg oder ‑abfall, reagiert das Gehirn reflex­ar­tig hier­auf und steu­ert durch Ver­än­de­rung der Herz­kraft und der Gefäß­wi­der­stän­de dage­gen. Die­ser Regel­kreis­lauf wird Baro­re­flex genannt und ist der Ansatz­punkt für neu­ro­tech­ni­sche Therapieansätze.

Seit eini­gen Jah­ren ist ein Implan­tat auf dem Markt, das die Druck­re­zep­to­ren auf den Blut­ge­fä­ßen elek­trisch sti­mu­liert und damit den Blut­druck über den Baro­re­flex senkt 6. Bis­lang bie­tet es noch kei­ne Mög­lich­keit, die Sti­mu­la­ti­on an den vor­herr­schen­den Blut­druck anzu­pas­sen oder gar den Blut­druck über die Auf­nah­me der Akti­vi­tät der kör­per­ei­ge­nen Sen­so­ren abzu­schät­zen. Die Infor­ma­ti­on der Aor­ten­bo­gen­re­zep­to­ren wird beim Men­schen über den N. vagus an den Hirn­stamm wei­ter­ge­lei­tet. Die­ser Nerv kann im Bereich des Hal­ses rela­tiv leicht kon­tak­tiert und sti­mu­liert wer­den, ohne die Rezep­to­ren direkt sti­mu­lie­ren zu müs­sen. Eine unse­lek­ti­ve Sti­mu­la­ti­on des gesam­ten Ner­ven führt aller­dings zu uner­wünsch­ten Neben­wir­kun­gen wie Ver­lang­sa­mung des Herz­schla­ges (Bra­dy­kar­die) oder Aus­set­zern in der Atmung (Apnoe) sowie Magen-Darm-Beschwer­den. Die wei­ter oben schon beschrie­be­nen Vagus­nerv-Sti­mu­la­to­ren zur Reduk­ti­on der Anfalls­häu­fig­keit bei Epi­lep­sie­pa­ti­en­ten bewir­ken auf­grund der gerin­gen Ampli­tu­den und der inter­mit­tie­ren­den Sti­mu­la­ti­on gewöhn­lich kei­ne Blut­druck­sen­kung. Soll die Sti­mu­la­ti­on des Vagus­ner­ven zur Blut­druck­sen­kung ein­ge­setzt wer­den, bedarf es also eines Ver­fah­rens, selek­tiv nur die­je­ni­gen Fasern zu sti­mu­lie­ren, die für die Blut­druck­sen­kung ver­ant­wort­lich sind.

Ziel der Ver­fas­ser ist es, im Rah­men einer indi­vi­dua­li­sier­ten The­ra­pie die kör­per­ei­ge­nen Blut­druck­si­gna­le aus dem Vagus­ner­ven auf­zu­neh­men und deren Ort im Ner­ven­quer­schnitt zu bestim­men (Abb. 3). Anschlie­ßend wer­den aus die­sen Blut­druck­da­ten errech­ne­te Bedarfs­wer­te in elek­tri­sche Sti­mu­la­ti­ons­si­gna­le umge­setzt, mit denen über den Baro­re­flex der Blut­druck gesenkt wird 7. In einem geschlos­se­nen Regel­kreis wird so pati­en­ten­in­di­vi­du­ell dau­er­haft der Blut­druck gere­gelt. Die tech­ni­sche Schnitt­stel­le zum Ner­ven besteht aus einer Man­schet­ten­elek­tro­de, auf deren Umfang Elek­tro­den ver­teilt sind, mit deren Hil­fe die Signal­quel­le im Ner­ven ermit­telt wer­den kann. Räum­lich selek­ti­ve Sti­mu­la­ti­on erregt dann nur die­se Blut­druck-Infor­ma­ti­on tra­gen­den Fasern und über­schreibt das ursprüng­li­che Signal mit Strom­pul­sen, sodass der Blut­druck je nach Mus­ter die­ser Pul­se kurz- oder lang­fris­tig gesenkt wird. Signal­ver­ar­bei­tung und Schnitt­stel­le zum Ner­ven wur­den gemein­sam opti­miert und in ein Implan­tat­kon­zept umge­setzt, das nun zu einem Medi­zin­pro­dukt wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den soll.

Ner­ven­schnitt­stel­len für füh­len­de Prothesen

Hand- und Bein­pro­the­sen haben sich in den letz­ten Jah­ren rasant wei­ter­ent­wi­ckelt. Hand­pro­the­sen kön­nen mit Hil­fe von Mus­kel­si­gna­len unter­schied­li­che Grif­fe aus­füh­ren und Fin­ger unab­hän­gig von­ein­an­der bewe­gen. In die Ansteue­rung der Hand­pro­the­sen ist viel Ent­wick­lungs­ar­beit geflos­sen, die die Pati­en­ten nun im All­tag nut­zen kön­nen. Das Füh­len mit der künst­li­chen Hand, die sen­so­ri­sche Rück­mel­dung von Griff­kraft und Fes­tig­keit der gegrif­fe­nen Gegen­stän­de, ist aller­dings noch nicht in intui­tiv nutz­ba­re Pro­duk­te umge­setzt wor­den, son­dern noch Gegen­stand der For­schung. Der Weg­fall die­ser sen­so­ri­schen Rück­mel­dung nach Ampu­ta­ti­on durch den Weg­fall der Hand und deren Sen­so­ren ist einer der Grün­de für Phan­tom­schmerz, an dem vie­le Men­schen nach Ampu­ta­ti­on leiden.

Eine Fra­ge, der die Autoren im Rah­men euro­päi­scher Ver­bund­for­schung im 7. Rah­men­pro­gramm nach­ge­hen, lau­tet, ob ein Pati­ent durch Elek­tro­sti­mu­la­ti­on der noch im Ampu­ta­ti­ons­stumpf vor­han­de­nen Ner­ven intui­tiv sen­so­ri­sche Infor­ma­tio­nen über Griff­kraft und Objekt­form wahr­neh­men und zur Steue­rung von Hand­pro­the­sen ein­set­zen kann. Inwie­weit die­se Sti­mu­la­ti­on auch den Phan­tom­schmerz beein­flus­sen kann, ist ein wei­te­rer Punkt der geplan­ten kli­ni­schen Stu­di­en. Inner­halb von fünf Jah­ren wur­de eine haar­fei­ne Elek­tro­de ent­wi­ckelt und prä­kli­nisch getes­tet 8, mit der Faser­bün­del im Ner­ven selek­tiv sti­mu­liert wer­den kön­nen (Abb. 4). Je zwei Elek­tro­den mit jeweils 14 Kon­takt­punk­ten wur­den in einer huma­nen Pilot­stu­die an einem Pati­en­ten 9 10 in den N. ulnaris und den N. media­nus im Arm implan­tiert. In einem auf­wen­di­gen Scree­ning­ver­fah­ren wur­den die­je­ni­gen Kon­takt­punk­te auf den Elek­tro­den iden­ti­fi­ziert, bei denen der Pati­ent ein Berüh­rungs­ge­fühl von den Innen­sei­ten des Dau­mens, des Zei­ge­fin­gers und des klei­nen Fin­gers berich­te­te. Die­se Kon­takt­punk­te der Elek­tro­den stell­ten nun den Rück­mel­de­ka­nal dar, über den Infor­ma­tio­nen von Kon­takt und Kraft aus Sen­so­ren der Hand­pro­the­se als elek­tri­sche Sti­mu­la­ti­ons­si­gna­le in die Ner­ven ein­ge­lei­tet und an den Pati­en­ten zurück­ge­mel­det wur­den. Durch die­se Art der Rück­mel­dung gelang es dem Pati­en­ten nahe­zu intui­tiv, inner­halb weni­ger Minu­ten die Infor­ma­tio­nen beim Grei­fen nutz­bar zu machen. Er konn­te drei unter­schied­li­che For­men (Kugel, Zylin­der, Wür­fel) sowie drei Här­te­gra­de (einen Sta­pel Baum­woll­flies = weich, einen Ein­weg­trink­be­cher aus Kunst­stoff = mit­tel, ein Glas = hart) unter­schei­den. Wahr­neh­mung und Rück­mel­dung blie­ben zuver­läs­sig über den Implan­ta­ti­ons­zeit­raum von 30 Tagen; die Elek­tro­den arbei­te­ten repro­du­zier­bar im siche­ren Bereich. Die Stu­die war auf­grund (sicherheits-)technischer Grün­de und regu­la­to­ri­scher Rah­men­be­din­gun­gen des Medi­zin­pro­duk­te­ge­set­zes auf 30 Tage begrenzt.

Zukünf­ti­ge chro­ni­sche Stu­di­en wer­den neben der sen­so­ri­schen Rück­kopp­lung auch die Beein­flus­sung von Phan­tom­schmerz durch selek­ti­ve Ner­ven­sti­mu­la­ti­on in den Fokus neh­men. Die Sti­mu­la­ti­on klei­ner Faser­ver­bün­de im Ner­ven über vie­le Kon­takt­punk­te ist gegen­wär­tig eben­falls noch eine Her­aus­for­de­rung auf dem Weg zu einem voll­stän­dig implan­tier­ba­ren Sys­tem. Implan­tier­ba­re Ste­cker mit einer hohen Anzahl von Kon­tak­ten und klei­nem Durch­mes­ser, wie sie zur Ver­bin­dung von Elek­tro­den und Implan­ta­t­elek­tro­nik not­wen­dig wären, gibt es lei­der immer noch nicht für chro­ni­sche Implan­ta­te zu kaufen.

Fazit

Neu­ro­tech­ni­sche Implan­ta­te eröff­nen neue Mög­lich­kei­ten in Dia­gnos­tik, The­ra­pie und Reha­bi­li­ta­ti­on. Medi­zi­ni­sches Exper­ten­wis­sen ist noch not­wen­dig, um die Sys­te­me pati­en­ten­spe­zi­fisch ein­zu­stel­len, gera­de wenn eine Regel­schlei­fe geschlos­sen wer­den soll. Die neu­en Implan­ta­te sind aller­dings auch Werk­zeu­ge, mit denen Signa­le auf­ge­nom­men und neue Algo­rith­men ein­ge­setzt wer­den kön­nen, um Model­le zu über­prü­fen, Wis­sen über den Kör­per und die Ände­run­gen bei Erkran­kun­gen zu gewin­nen und bes­ser zu ver­ste­hen und damit neue The­ra­pien und Implan­ta­te zu ent­wi­ckeln (Abb. 5). In die­sem Fall scheint es sich also für Ärz­te und Tech­ni­ker zu loh­nen, im Kreis zu gehen, um Fort­schrit­te zu erzie­len und Pati­en­ten bes­ser ver­sor­gen zu können.

Für die Autoren:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil.
Tho­mas Stieglitz
Lehr­stuhl für Bio­me­di­zi­ni­sche Mikrotechnik
Insti­tut für Mikro­sys­tem­tech­nik – IMTEK
Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Freiburg
Geor­ges-Köh­ler-Allee 102
79110 Frei­burg
thomas.stieglitz@imtek.uni-freiburg.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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