Bevor Burmester zum DBS wechselte, war er als Abteilungsleiter Wirtschaftsrecht im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalens tätig. Weitere berufliche Stationen führten ihn in das NRW-Schul- und Wirtschaftsministerium sowie als stellvertretender Abteilungsleiter Sport in das Bundesministerium des Innern. Außerdem war er von 2002 bis 2005 persönlicher Referent des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Wie sehen seine Ziele aus, welche Berührungspunkte hatte er zuvor mit dem Parasport und welche Rolle dort Hilfsmittel spielen, beantwortet Burmester im Gespräch mit der OT.
OT: Herr Burmester, wie verlief Ihr Start als DBS-Generalsekretär unter den derzeitigen Bedingungen?
Torsten Burmester: Der Start war gekennzeichnet von der Corona-Pandemie. Nach abflachenden Infektionszahlen im Spätsommer verschärfte sich bekanntlich die Situation im Herbst – mit den damit verbundenen Konsequenzen auch für uns als Verband, vor allem mit Blick auf den Rehabilitationssport. Unabhängig davon bin ich froh, dass ich in so einem attraktiven Betätigungsfeld gelandet bin. Der Sport war schon immer meine Leidenschaft und meine Aufgaben im DBS bringen sowohl viel Freude als auch Herausforderungen mit sich. Meine Begeisterung für den Behindertensport überträgt sich auch auf meine Aufgaben in der Funktion des Generalsekretärs. Ich bin überzeugt, dass es ein gutes und wertvolles Engagement ist.
OT: Welchen Unterschied können Sie zur Arbeit von Verband und Politik/Verwaltung bisher feststellen?
Burmester: Meine Arbeit ist jetzt viel mehr geprägt von aktuellen Herausforderungen und handfesten Fragestellungen. Zuvor war ich in hierarchischeren Strukturen mit verbindlicheren Abläufen unterwegs, die Vor- und Nachteile haben. Ein Sportverband ist viel dynamischer und agiler, erfordert mehr Kommunikation und mehr Empathie – auch mit Blick auf den Bereich des Ehrenamts. Generell lassen sich konkrete Ergebnisse des Handelns deutlich schneller feststellen.
OT: Welche Berührungspunkte hatten Sie zuvor mit dem Parasport?
Burmester: Als Schüler hatte ich zwei contergangeschädigte Mitschüler in der Klasse. Studiert habe ich an der Deutschen Sporthochschule in Köln, zudem war ich leidenschaftlicher Handballer. Berührungspunkte mit dem Parasport hatte ich bei verschiedenen Veranstaltungen, speziell in Erinnerung geblieben sind die Paralympics 2008 und 2010, als ich vor Ort dabei war. Das waren schöne Spiele mit prägenden Erfahrungen.
OT: Wie bewerten Sie den Stellenwert von Parasport in der Öffentlichkeit und für die Gesellschaft?
Burmester: Sowohl die Berichterstattung über den Parasport als auch der Umfang der öffentlichen Förderung sind enorm gewachsen – das ist eine sehr erfreuliche, aber auch eine notwendige Entwicklung, die noch nicht beendet sein darf. Schließlich sind die Barrieren in vielen Köpfen unserer Gesellschaft noch nicht überwunden. Gerade nach dem Verständnis eines pluralistischen Staats hat auch der Behindertensport eine große Bedeutung. Jeder sollte die Möglichkeit haben, seinen eigenen Talenten und Fähigkeiten nachgehen zu können – das gilt erst recht für Menschen mit Behinderung und den Sport. Darüber hinaus sind unsere Athletinnen und Athleten des Team Deutschland Paralympics Inspiration für die Gesellschaft. Mit ihren Geschichten sind sie Mutmacher. Es ist wichtig, solche Vorbilder zu haben für Kinder und Jugendliche sowie auch für die Gesellschaft insgesamt.
OT: Parasportler sind häufig auf spezialisierte Hilfsmittel wie Sport-Prothesen oder Sport-Rollstühle angewiesen. Wie kann man die Einstiegshürden in den Breitensport senken, sodass sich mehr Menschen sportlich betätigen können?
Burmester: Menschen mit Behinderung haben das Recht auf Teilhabe. Daher ist es die Verantwortung unserer Gesellschaft, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese Teilhabe auch gelebt werden kann. Deswegen gilt es, Menschen mit Behinderung Zugang zum Sport zu ermöglichen – das schließt Sport-Prothesen und Sport-Rollstühle mit ein. Menschen mit Behinderung, die im Breitensport aktiv werden wollen und zur Ausübung auf Sport-Prothesen und Sport-Rollstühle angewiesen sind, haben ein Anrecht darauf. Dabei handelt es sich in meinen Augen um eine gesellschaftliche Verpflichtung.
Sportstätten häufig nicht barrierefrei
OT: Welche Maßnahmen sind nötig, damit der Zugang zum Parasport vereinfacht wird?
Burmester: Häufig liegt die Ursache für fehlende Sportangebote für Menschen mit Behinderung neben der fehlenden Verfügbarkeit von Hilfsmitteln in nicht ausreichender Barrierefreiheit der Sportstätten. Beides schränkt die Möglichkeiten und die Teilhabe am Sport ein. Grundvoraussetzung für den Zugang zum Sport sind demnach barrierefreie Sportstätten und die Möglichkeit der barrierefreien Anreise ebenso wie der Wille, Angebote für Menschen mit Behinderung zu schaffen – mit Überzeugung und ohne Berührungsängste. Menschen mit Behinderung sind eine Bereicherung für Sportgruppen, es ist eine Win-win-Situation. Um den Zugang zum Sport zu vereinfachen, benötigen wir mehr Sportvereine, die sich für den Sport von und für Menschen mit Behinderung öffnen sowie mehr Sportstätten, die weniger Barrieren aufweisen. Wenn diese Angebote bekannt gemacht werden und es beispielsweise vermehrt Kooperationen mit Schulen gibt, bin ich überzeugt, dass mehr Menschen mit Behinderung den Weg in den Sport finden.
OT: Welche Rolle können Politik und Verwaltung in so einem Prozess einnehmen?
Burmester: Kernaufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen für die Menschen zu verbessern und Dinge möglich zu machen. Als Deutscher Behindertensportverband müssen wir die Politik ein Stück weit antreiben, Vorschläge machen, die Umsetzung einfordern und den Finger in die Wunden legen. Wir sind der Motor für Gedanken mit Blick auf den Sport von und für Menschen mit Behinderung.
OT: Die Paralympischen Spiele in Tokio wurden auf das Jahr 2021 verschoben. Wie sehen Sie die Austragung im kommenden Jahr?
Burmester: Wir haben die Hoffnung, dass die Spiele stattfinden werden. Klar ist aber auch, dass es andere Spiele werden mit anderen Voraussetzungen als bisher. Wir müssen daher unbedingt aufpassen, dass dies nicht zu weniger Aufmerksamkeit und weniger medialer Berichterstattung führt. Schon die Verschiebung der Spiele bedroht die Lebensträume von Athletinnen und Athleten. Sie bereiten sich jahrelang auf dieses Highlight vor und haben es verdient, dass sie ihre beeindruckenden Leistungen abrufen und auf der Bühne der Paralympics präsentieren dürfen. Ich würde es nicht verstehen, wenn durch die veränderten Rahmenbedingungen die Medienberichterstattung reduziert würde. Die Sportlerinnen und Sportler dürfen nicht noch mehr unter der Verschiebung leiden als ohnehin schon. Wir müssen den Wert der Paralympics als großartiges Sportevent für Menschen mit Behinderung erhalten.
OT: Corona beschäftigt die Menschen weiterhin weltweit. Welche Auswirkungen hat das Virus auf den nationalen wie internationalen Parasport?
Burmester: Es hat konkrete Auswirkungen auf Wettkämpfe, von denen in diesem Jahr zahlreiche abgesagt werden mussten. Im Leistungssport gab und gibt es teilweise Einschränkungen. Besonders problematisch ist es mit Blick auf den Breiten- und Rehabilitationssport, der zeitlich befristet nicht durchführbar war bzw. ist. Das bedroht bei längerer Dauer nicht nur ehrenamtliches Engagement und die Anzahl an Mitgliedern, sondern gefährdet auch ein Stück weit die gesellschaftliche Funktion des Sports. Gegen diese negative Entwicklung müssen wir ankämpfen.
OT: Welche Ziele haben Sie sich für Ihren neuen Job gesetzt?
Burmester: Generell möchte ich den Verband erfolgreich durch die nächsten Jahre führen und dazu beitragen, dass wir unsere Ziele gemeinsam erreichen und nachhaltig die Möglichkeiten im Sport für Menschen mit Behinderung verbessern. Eine der Hauptaufgaben: Der Behindertensport hat ein Nachwuchsproblem. Daher wollen wir unbedingt Kinder und Jugendliche, generell mehr Menschen mit Behinderung, zum Sport bewegen. Dafür braucht es auch Barrierefreiheit in den Sportstätten und auf dem Weg dorthin. Dieses Thema wollen wir offensiv angehen und einfordern. Übergreifendes Ziel ist es, den DBS zu einem jüngeren, digitalen, sozial-verantwortungsvollen und nanziell gesunden Verband zu entwickeln.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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