Einleitung
Instrumentierte Ganganalyse in der Prothesentechnik ist seit langer Zeit ein wichtiges Werkzeug in der Forschungs- und Entwicklungsarbeit. In der täglichen Praxis spielt sie hingegen kaum eine Rolle, was in erster Linie sicherlich am erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand liegt, der mit der Implementierung technischer Ganganalysemethoden verbunden ist. Ein weiterer Gesichtspunkt ist der vergleichsweise geringe effektive Nutzen, der dieser Technik im Bereich der Patientenversorgung zugesprochen wird. Die Begutachtung und Optimierung von Prothesenpassform und ‑statik gehört zu den wesentlichen fachlichen Fähigkeiten des Orthopädie-Technikers und wird daher im Allgemeinen auch ohne technische Hilfsmittel sehr erfolgreich durchgeführt. Basierend auf visueller Überprüfung des Gangbildes und Rückmeldungen seitens des Patienten lassen sich viele Gangunregelmäßigkeiten identifizieren und entsprechend beheben.
Dennoch hat diese traditionelle Methode ihre Grenzen: Der Augenschein gibt lediglich Aufschluss über die Gangkinematik, also die Bewegungen an sich. Die wirkenden Kräfte, die diesen Bewegungen zugrunde liegen, sind selbst unsichtbar und können bestenfalls indirekt abgeleitet werden. Weiterhin unterliegt die Gangbeurteilung im Anproberaum möglicherweise der Beschränkung, dass nur ein Teil des üblichen Bewegungs- und Aktivitätsspektrums des jeweiligen Patienten in Betracht gezogen wird. In vielen Fällen ist es wahrscheinlich, dass sich das Gangbild ändert, sobald etwa Bodenunebenheiten auftreten, das Schuhwerk gewechselt wird, sich Licht- oder Windverhältnisse ändern, Ausgeruhtheit oder Aufmerksamkeit nachlassen oder auch nur die Beobachtungssituation vorbei ist.
Ein relativ neuer Ansatz, diesen Problemen zu begegnen, ist die prothesenintegrierte Ganganalyse 1 2 3. Obwohl bereits seit vielen Jahren miniaturisierte Messtechnik in elektronisch gesteuerten Prothesenpassteilen verbaut wird und experimentelle Sensoren in der Forschung verwendet werden, sind spezialisierte Sensormodule für die mobile Ganganalyse erst seit Kurzem in Form kommerziell vermarkteter Produkte erhältlich. Ein technisch sehr ambitioniertes Beispiel darunter ist das iPecs Lab (RTC Electronics, Dexter, Michigan, USA). In dessen kompaktem Gehäuse sind insgesamt 32 Dehnmessstreifen untergebracht, welche die akkurate Erfassung von Kräften und Drehmomenten in allen drei Raumdimensionen garantieren sollen 4. Nach entsprechender Kalibrierung können aus diesen Informationen und der Position des Sensors auch die Gelenkmomente für die benachbarten Gelenkachsen berechnet werden. Das Messmodul kann mit geringem technischem Aufwand in Prothesen eingebaut werden (Abb. 1), solange diese in der geläufigen Endoskelettalbauweise gefertigt sind und den nötigen Raum zwischen Schaftende und Fußadapter bieten. Daten können dann mit Frequenzen bis zu 850 Hz erfasst und über Funk an einen Computer übermittelt werden.
Die mobile Messtechnik ermöglicht die Untersuchung von Fragestellungen, die mit konventioneller Ganganalyse nicht oder nur unter erhöhtem technischem Aufwand adressiert werden können 5. Dieses Argument soll im Folgenden anhand einiger Beispiele aus entsprechenden vom Autor durchgeführten Studien diskutiert werden.
Messung der Schrittvariabilität
Eines der wichtigsten Anliegen in der Rehabilitation von Personen mit Amputationen der unteren Extremität ist die Vermeidung von Stürzen 6 und ähnlichen Unfällen, die auf eine beeinträchtigte Gehstabilität zurückgeführt werden können. Somit ist die erreichte Gehstabilität von großem Interesse in der Beurteilung des funktionalen Ergebnisses einer prothetischen Versorgung. Schritt-für-Schritt-Variabilität wird oft als Maß für Gehstabilität verwendet 7 8. In den beschränkten Räumlichkeiten von Ganglabors können allerdings nur wenige aufeinanderfolgende Schritte erfasst und analysiert werden, was die Aussagekraft der in Studien gewonnenen Erkenntnisse limitiert. Die Integration dedizierter Sensoren direkt in die Struktur des Bewegungsapparates ermöglicht hingegen die kontinuierliche Erfassung von Informationen zu Schrittfrequenz, bilateraler Gewichtsverteilung sowie Knie- und Knöchelmomenten über lange Zeiträume (Abb. 2).
Diese Messvariablen lassen sich anschließend hinsichtlich ihrer Varianz über mehrere Schritte hin auswerten 9. Die ungewöhnliche Fülle an verfügbaren Daten, die durch diese kontinuierliche Messung erfasst werden, muss reduziert werden, um die relevanten Informationen zu extrahieren. Ein Blick auf die verschiedenen Ganganalyse-Kurven erlaubt eine erste einfache Sequenzierung des Bewegungsablaufes. Abbildung 3 zeigt einen einminütigen Ausschnitt aus dem Messdatensatz für die axiale Kraft, also die Kraft längs des Schienbeins, gemessen während einer Ganganalysesitzung. Diese Variable ist besonders gut verwertbar zur Identifikation von Aktivitäten. Es ist leicht erkennbar, wann der Testpatient saß (wenn die gemessene axiale Kraft nahe des Nullniveaus verharrt), ging (periodisch wiederholte typische vertikale Kraft-Kurve) und stand (Kraft verharrt bei etwa 50 % des Maximalwertes). Neben der jeweiligen Gangphase, Schrittfrequenz und Schrittvarianz erlaubt die Messvariable „Axialkraft” auch Aufschluss über das Terrain. Die Form der Kurve ändert sich beispielsweise markant beim Treppensteigen, wobei sich je nach Richtung die Signatur ändert.
Diese Daten illustrieren, dass, um in vollem Umfang die Möglichkeiten der prothesenintegrierten Messtechnologie zu nutzen, effiziente Algorithmen für die Reduktion und Analyse der beträchtlichen Menge an Informationen und für deren Übersetzung in nützliche quantitative Metriken in der klinischen Anwendung entwickelt werden müssen. Eine praktische Beschränkung der Technologie ist dadurch gegeben, dass nur Daten von der Prothesenseite gesammelt werden können. Vorausgesetzt, es sollen keine weiteren mobilen Sensoren auf der kontralateralen Seite installiert werden, steht nur die Hälfte der Informationen, die mit konventionellen Ganganalysemethoden erfasst werden, zur Verfügung, während die andere Hälfte durch geeignete Berechnungen und Annahmen extrapoliert werden muss. Informationen zur Körpergewichtsverteilung zum Beispiel können von unilateralen Daten abgeleitet werden, solange das Gesamtkörpergewicht bekannt ist.
Eine interessante Variable, die direkt gemessen werden kann, ist hingegen die Schritt-für-Schritt-Varianz als Indikator für Gangunsicherheit. Diese Information kann verwendet werden, um die Verschreibung passender Prothesenkomponenten, aber auch Gehtraining und Therapie zu optimieren, mit dem Ziel der Reduzierung von Sturzunfällen und einer Verbesserung der Gangeffizienz sowie letztendlich des Vertrauens der Anwender in ihre Prothesen.
In einer entsprechenden Pilotstudie 10 wurden Daten von acht aktiven und erfahrenen Unterschenkelprothesenträgern (Durchschnittsalter: 51 Jahre ± 12 Jahre, Gewicht: 90 kg ± 19 kg, Körpergröße: 181 cm ± 9 cm) analysiert, um den Einfluss körperlicher Erschöpfung auf die Schrittvariabilität zu untersuchen. Zum direkten Vergleich der Schrittunterschiede innerhalb einer Versuchsbedingung mit den Unterschieden zwischen den verschiedenen Bedingungen wurden F‑Statistiken für jeden einzelnen Probanden berechnet. Bei 37 % der Versuchsteilnehmer waren hier signifikante Unterschiede in der Axialkraft zu finden (p < 0,05).
Kinetische Analyse des Treppensteigens
Die Fähigkeit, Treppen zu überwinden, ist ein wichtiges Rehabilitationsziel, da Treppen zu den Hindernissen gehören, die in vielen Alltagssituationen vorkommen. Verschiedene Behinderungen sind dafür bekannt, die Effizienz des Treppensteigens zu reduzieren, was nicht nur den Mobilitäts- und Aktionsradius von Patienten einschränkt, sondern wegen der hohen Verletzungsgefahr bei Treppenunfällen auch ein ernstes Sicherheitsproblem darstellt. Dementsprechend wurde die Biomechanik des Treppauf- und ‑abstiegs bereits in großem Umfang untersucht 11. Entsprechende Studien, die verschiedene Testpopulationen, einschließlich älterer Menschen 12, Patienten mit Kreuzband-Rekonstruktion 13 und mit Beinamputationen 14 15 16, untersuchten, verwendeten Kraftmessplatten, die in eine oder mehrere Treppenstufen integriert wurden. Dieser Testaufbau limitiert die Anzahl der Schritte, die zur Auswertung zur Verfügung stehen, und begrenzt damit unter anderem Informationen zur Schritt-für-Schritt-Varianz. Prothesenintegrierte Sensoren ermöglichen hingegen eine kontinuierliche Datenerhebung über vollständige Treppenaufgänge hinweg.
Eine entsprechende Pilotstudie mit zehn Probanden untersuchte Kinetik-Variablen des Treppengangs mittels iPecs-Sensoren, die in die jeweiligen ursprünglichen Prothesen der Teilnehmer eingebaut wurden 17. Daten wurden kontinuierlich erfasst, während die Probanden eine 13-stufige Treppe mit beidseitigen Geländern auf und ab gingen. Gehgeschwindigkeit und Technik sowie Geländerbenutzung wurden dabei nicht vorgegeben. Knie- und Sprunggelenkmomente wurden über die mittleren 11 Stufen der Treppe getrennt für Auf- und Abstieg ausgewertet. Mittelwerte und Standardabweichungen in Schrittdauer, Axialkraftmaximum, Knöchelmomentmaximum und Kniemomentmaximum wurden zwischen Probanden verglichen, die keinen Handlauf, einen Handlauf oder beide Handläufe verwendet hatten (Abb. 4). Probanden, die eine Präferenz angaben, wurden gebeten, die Treppe außerdem unter Verwendung des Handlaufs auf der nicht bevorzugten Seite zu besteigen. Auf statistische Signifikanztests wurde angesichts der kleinen Stichprobengröße und der Vielzahl der Messvariablen verzichtet.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung eines Handlaufs beim Treppensteigen die auf das Körpergewicht normalisierte maximale Axialkraft im Schienbein-Segment um fast 50 % im Vergleich zum freihändigen Gehen reduziert. Wurden beide Handläufe gleichzeitig verwendet, verringerte sich die Kraft um 39 % beim Treppabund um 8 % beim Treppaufgehen.
Die Varianz in Axialkraft und Gelenkmomenten zwischen aufeinanderfolgenden Schritten war erheblich, mit Standardabweichungen von 10 bis 20 % der Maximalwerte. Die Varianz war am geringsten bei Verwendung des bevorzugten Handlaufs und am größten bei Verwendung beider Handläufe gleichzeitig. Allerdings verringerte sich die Schrittdauer, wenn beide Handläufe verwendet wurden.
Kinetik-Daten vom Treppensteigen zeigen, welche Strategie der jeweilige Proband verwendet (alternierendes Steigen resultiert in einer typischen Signatur in der Kurve des Knöchelgelenkmoments), ob ein Handlauf verwendet wurde (Kraftspitzen sind deutlich höher ohne Handlaufnutzung) und ob es zu gefährlichen Situationen kam (ausgedrückt durch eine ungewöhnliche Schritt-für-Schritt-Varianz). Erste Ergebnisse legen nahe, dass vor allem die Varianz im Kniemoment steigt, wenn der Handlauf auf der gegenüberliegenden Seite der Prothese verwendet wird. Eine mögliche Erklärung ist eine uneinheitliche seitliche Platzierung des Prothesenfußes, wie sie nur auf der wandabgewandten Seite der Treppe möglich ist.
Bei der Wahl des Handlaufes spielt vermutlich die bevorzugte Hand eine wichtigere Rolle als das bevorzugte Bein. Die ermittelten Unterschiede vor allem in der Kniemomentvarianz deuten allerdings darauf hin, dass bei entsprechend diagnostizierter Sturzanfälligkeit die Verwendung des prothesenseitigen Handlaufs empfehlenswert ist, unabhängig von der Händigkeit. Die Verwendung des gegenüberliegenden Handlaufs schien allgemein die Gehgeschwindigkeit zu verringern, vor allem beim Treppabsteigen, und die gemessenen Knieund Sprunggelenkmomente beim Treppaufsteigen zu erhöhen.
Ganganalyse bei Patienten mit bilateralen Amputationen
Ganganalysen bei beidseitigem Gliedmaßenverlust der unteren Extremität wurden bislang nur in relativ kleinem Umfang in der Forschungsliteratur diskutiert. Ein Grund dafür ist sicherlich die vergleichsweise geringe Inzidenzrate von Doppelamputationen, für welche gleichwohl – zumindest im Fall transtibialer Amputationen – eine prothetische Rehabilitation oft vielversprechend ist. Ein weiteres Problem bei der konventionellen Ganganalyse mit dieser Patientengruppe ist die erhöhte Schwierigkeit, akkurate Kinetikdaten zu erfassen: Eine tendenziell geringere Gehgeschwindigkeit, eine kürzere Schrittlänge, eine stärkere Nutzung von Gehhilfen und eine höhere Erschöpfungsrate limitieren die Zahl der Schritte, die einwandfrei mit Hilfe von Kraftmessplatten erfasst werden können. Die Vorteile prothesenintegrierter Sensoren fallen dadurch stärker ins Gewicht. Zusätzlich erlaubt der Sonderfall, dass beide Beine mit Messzellen ausgestattet werden können, nun auch eine direkte Messung aller beim Gehen auftretenden Bodenreaktionskräfte und damit die Untersuchung von Symmetrievariablen.
Anders als bei Patienten mit unilateraler Amputation, bei denen in der Regel angenommen wird, dass das erhaltene Bein einen Großteil der biomechanischen Arbeit des Gehens übernimmt, ist in Fällen beidseitiger Amputation oft nicht ohne Weiteres zu erkennen, ob eine Seite stärker, belastbarer oder besser steuerbar ist. Diese Information jedoch könnte nicht nur bei der Auswahl und Anpassung von Prothesenpassteilen helfen, sondern auch bei der Verschreibung von Ergotherapiemaßnahmen und möglicherweise empfohlenen Gehhilfen. Die Eigenschaften von Prothesenfüßen zum Beispiel lassen sich allgemein auf einem Kontinuum zwischen Steifigkeit und Flexibilität einordnen: Während auf der einen Seite Energiespeicherung und ‑rückgabe dem Interesse eines dynamischen und effizienten Gangbildes dienen, stehen auf der anderen Seite solider Bodenkontakt und Reduzierung der Knöchelmomente im Vordergrund, was förderlich für die Standstabilität und somit die (empfundene) Sicherheit des Patienten ist 18. Wenn nach bilateralen Amputationen beide Beine nicht identisch sind, mag es also angezeigt sein, für beide Seiten verschiedene Fußpassteile oder gar andere funktionelle Teile wie Torsionsadapter oder Stoßdämpfer zu verschreiben.
Eine Vorstudie untersuchte die Gangasymmetrie bei Personen mit bilateralen Unterschenkelamputationen 19, indem verschiedene Gangvariablen mit iPecs-Modulen gemessen und anschließend paarweise zwischen den Beinen verglichen wurden 20. Zwei männliche Probanden (A: 61 Jahre, 170 cm, 84 kg; B: 32 Jahre, 173 cm, 81 kg) nahmen an dieser Studie teil. Zusätzlich zur Erfassung anthropometrischer Daten wurde der Amputee Activity Score 21 ermittelt. Beide Studienteilnehmer waren aktive Prothesenträger mit mehrjähriger Erfahrung in der Benutzung ihrer Prothesen. Beide waren mit PTB-Schäften mit Silikonliner und Karbonfüßen versorgt.
Kontinuierliche iPecs-Messungen wurden durchgeführt, während die Probanden jeweils in ihrer bevorzugten Geschwindigkeit in verschiedenen Umgebungen (innerhalb des Labors, auf Treppen, im Freien) gingen. Parameter wie Standphasendauer‑, Knie- und Sprunggelenkmomente sowie Axialkraft wurden über die jeweiligen Teilabschnitte gemittelt. Beide Beine wurden mittels MANOVA verglichen. Für jede Aufgabe wurde die mittlere Differenz der Parameter basierend auf einer Stichprobe von jeweils 10 Schritten berechnet. Abbildung 5 zeigt die bilateralen Differenzen zwischen den Beinen beim Gehen in der Ebene für einen der Probanden.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Gang von Personen mit bilateralen Amputationen durch erhebliche Asymmetrie in vielen Gangparametern charakterisiert ist. Die Parameter, für die diese Asymmetrien ermittelt wurden, sind individuell verschieden: Proband A hatte eine sehr symmetrische Gewichtsverteilung während des Gehens, aber signifikante bilaterale Unterschiede in Standphasendauer (p < 0,001), Kniemoment (p = 0,004) und Knöchelmoment (p < 0,001). Beim Gehen im Freien waren die vertikalen Kräfte weniger ausgeglichen, aber die Unterschiede in Kniemoment und Standphasendauer geringer. Unabhängig von der Gangumgebung war das Knöchelmoment im rechten Fuß größer als im linken (p = 0,011). Die bilateralen Unterschiede bei Proband B waren insgesamt beständiger. Vor allem war das Kniemoment in allen Situationen im rechten Bein höher als im linken (p = 0,021). Laut eigener Aussage verlässt sich dieser Patient bevorzugt auf sein linkes Bein, was durch gemessene höhere Kraftspitzen beim Gehen in der Ebene für diese Seite (p < 0,001) bestätigt zu werden scheint. Dass ein größeres Moment im rechten Knie gemessen wurde, könnte demnach damit zusammenhängen, dass der Amputationsstumpf hier länger ist als auf der linken Seite.
Vorbehaltlich der Frage, ab welchem Ausmaß die ermittelten bilateralen Unterschiede in der Tat von klinischer Bedeutung sind, mögen diese Ergebnisse geeignet sein, die prothetische Versorgung von Patienten mit doppelseitiger Beinamputation zu optimieren.
Diskussion
Die angeführten Beispiele illustrieren die Anwendungsmöglichkeiten prothesenintegrierter Sensortechnologie. Obwohl die Art und Auswahl der diskutierten Studienergebnisse keine definitiven Schlussfolgerungen erlaubt, finden sich verschiedene Hinweise darauf, dass derartige Messtechnik im Bereich der Forschung helfen kann, einen Teil der Limitationen konventioneller Ganganalysemethoden zu überwinden. Ohne auf im Boden verankerte Kraftmessplatten angewiesen zu sein, vergrößert sich die Stichprobengröße erheblich, während unerwünschte Ermüdungs- oder Beobachtereffekte reduziert werden. Viele der hier diskutierten Ansätze können im Prinzip auch auf die Oberschenkelprothetik übertragen werden, was durch die zusätzlichen Freiheitsgrade der Prothesenbewegung jedoch deutlich komplexer ist: Eine einzelne Kraftmesszelle in der Art des iPecs-Moduls kann nur die Drehmomente in den jeweils benachbarten Gelenken messen, beim Einbau im Prothesenunterschenkel also Knöchel- und Kniegelenk. Soll zusätzlich auch das – in der transfemoralen Prothetik bedeutsame – Hüftmoment auf diese Weise erfasst werden, muss ein zweiter Senor im Prosthesenoberschenkel installiert werden.
Zu den Schwächen dieser Technologie gehört die vergleichsweise geringe Datenquantität, da nur kinetische Variablen des Prothesenbeins direkt gemessen werden können. Das schränkt die Verwendbarkeit für viele wissenschaftliche Studien stark ein. Die Verwendung weiterer mobiler Messtechnikkomponenten, um Daten auch vom erhaltenen Bein zu messen 22, kann hier Abhilfe schaffen, geht allerdings mit erhöhtem technischem Aufwand einher.
Ein wesentlich bedeutsamerer Anwendungsbereich für integrierte Sensoren mag in der klinischen Praxis liegen. Die bekannte Heterogenität in der Gruppe der Amputationspatienten führt dazu, dass nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse etwa zur Wirkung von Passteilen, Bettungssystemen oder Aufbauveränderungen universell anwendbar sind. Was für einen Patienten eine perfekte Lösung ist, mag schon beim nächsten Patienten zum Scheitern verurteilt sein. Orthopädie-Techniker sind daher darauf angewiesen, die individuell verschiedenen Gegebenheiten und Ansprüche ihrer Patienten zu analysieren und die jeweils optimale Versorgungsmöglichkeit zu realisieren.
Ein zunehmend wichtiger Aspekt ist zudem die Dokumentation der Ergebnisse ihrer Arbeit. Bei diesen Aufgaben kann prothesenintegrierte Messtechnik von großem Nutzen sein. Dies gilt insbesondere, wenn es gelingt, die entsprechenden Sensormodule im Sinne von Miniaturisierung und Erschwinglichkeit weiterzuentwickeln.
Danksagung
Die vorgestellten Studien wurden durch zwei Forschungsstipendien der University of Wisconsin-Milwaukee (Chancellor’s Award und Student Research Grant) ermöglicht. IPecs-Equipment wurde leihweise von College Park Industries zur Verfügung gestellt.
Der Autor:
Göran Fiedler, PhD, OTM
Assistant Professor
Department of Rehabilitation Science and Technology
University of Pittsburgh
Suite 403, Bakery Square
USA – Pittsburgh, PA 15206
gfiedler@pitt.edu
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
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