Medi­zi­ni­sche adap­ti­ve Kom­pres­si­ons­sys­te­me in der Praxis

S. Klör
Die Kompressionsbehandlung bei Ödemen an den Extremitäten ist seit Jahrzehnten etabliert, die Wirksamkeit wissenschaftlich fundiert belegt. Bestanden die Therapieoptionen bislang hauptsächlich aus medizinischen Kompressionsstrümpfen oder phlebologischen Kompressionsverbänden, drängen inzwischen medizinische adaptive Kompressionssysteme auf den Markt. Der große Vorteil dieser Systeme ist die Anpassbarkeit des Drucks auch bei wechselnden Schwellungszuständen. Der Artikel beleuchtet die Hintergründe der medizinischen adaptiven Kompressionssysteme und veranschaulicht die Anwendungsmöglichkeiten anhand von Fallbeispielen.

Ein­lei­tung

Seit eini­ger Zeit ste­hen die medi­zi­ni­schen adap­ti­ven Kom­pres­si­ons­sys­te­me (MAK) als Alter­na­ti­ve zu her­kömm­li­chen Kom­pres­si­ons­ver­bän­den und Kom­pres­si­ons­strümp­fen in der Ent­stau­ung von lympha­ti­schen und aus­ge­präg­ten venö­sen Öde­men sowie in der The­ra­pie des Ulcus cru­ris veno­sum zur Verfügung.

Die grund­sätz­li­chen Vor­tei­le einer Kom­pres­si­ons­be­hand­lung sind viel­fäl­tig. Durch die Unter­stüt­zung des venö­sen und lympha­ti­schen Rück­flus­ses kann sie hel­fen, die Öde­mentste­hung zu ver­hin­dern und vor­han­de­ne Öde­me zu mini­mie­ren, Schad­stof­fe abzu­trans­por­tie­ren und Ent­zün­dun­gen zu redu­zie­ren. Dies ist Vor­aus­set­zung für eine ver­bes­ser­te Wund­hei­lung, för­dert die Mobi­li­tät, kann Schmer­zen redu­zie­ren und die Lebens­qua­li­tät der Pati­en­ten (deut­lich) verbessern.

Pro­ble­ma­tisch ist bei klas­si­schen Kom­pres­si­ons­mit­teln häu­fig das Anle­gen der Ver­bän­de bzw. das Anzie­hen der Bestrump­fung. Dies wird durch die Ver­wen­dung von MAK deut­lich ver­ein­facht. Gera­de in der Ent­stau­ungs­pha­se erweist sich die Anpass­bar­keit an vari­ie­ren­de Umfän­ge bei gleich­zei­ti­gem ein­fa­chem Hand­ling als vor­teil­haft. Die Anwen­dung von medi­zi­nisch-adap­ti­ver Kom­pres­si­on soll­te jedoch stets unter Auf­sicht medi­zi­ni­scher Fach­kräf­te erfol­gen, um eine siche­re und wirk­sa­me Behand­lung zu gewährleisten.

Vor­ge­schich­te

Die Idee zu MAK wird dem Ame­ri­ka­ner Frank Shaw zuge­schrie­ben, der auf der Suche nach Lin­de­rung für die Lymph­öde­me sei­ner Frau die Beob­ach­tung mach­te, dass Giraf­fen trotz der statt­li­chen Bein­län­ge und nur kur­zen Lie­ge­pha­sen kei­ne Öde­me in den Bei­nen ent­wi­ckeln. Ursäch­lich dafür ist die Beschaf­fen­heit der Giraf­fen­haut, die an den Bei­nen deut­lich straf­fer ist als beim Men­schen und damit kei­ne Aus­deh­nung zulässt. Die­se Erkennt­nis führ­te dazu, eine unelas­ti­sche, über Klett­ver­schlüs­se ein­stell­ba­re Kom­pres­si­ons­ver­sor­gung zu entwickeln.

Medi­zi­ni­sche adap­ti­ve Kompressionssysteme

Die am Markt ver­füg­ba­ren Pro­duk­te bestehen in der Regel aus einer unelas­ti­schen Man­schet­te, die über einem Unter­zieh­strumpf ange­legt wird. Allen gemein­sam ist ein Klett­ver­schluss-Sys­tem, das ent­we­der gegen­läu­fig oder in glei­cher Rich­tung ver­schlos­sen wird. Der Kom­pres­si­ons­druck ist jeder­zeit nach­jus­tier­bar. Bei einem der ver­füg­ba­ren Pro­duk­te kann mit­hil­fe einer Scha­blo­ne der ver­ord­ne­te Kom­pres­si­ons­druck repro­du­zier­bar ein­ge­stellt wer­den, bei den ande­ren erfolgt die Ein­stel­lung nach dem Gefühl des Pati­en­ten. MAK erzeu­gen, ähn­lich wie Kurz­zug­bin­den, einen hohen Arbeits- und einen nied­ri­gen Ruhe­druck und wei­sen eine höhe­re Stiff­ness auf. Im Gegen­satz zu die­sen sind sie bei Volu­men­än­de­run­gen aber leich­ter und schnel­ler nach­pass­bar und kön­nen somit auch den erfor­der­lich Kom­pres­si­ons­druck bes­ser auf­recht­erhal­ten. Die meis­ten Pro­duk­te sind in der Maschi­ne wasch­bar und genü­gen so den hygie­ni­schen Stan­dards. MAK-Pro­duk­te sind sowohl für die unte­re als auch für die obe­re Extre­mi­tät ver­füg­bar und sind im Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis unter 17.06.23. (Bein) bzw. 17.10.10. (Arm) gelistet.

Stu­di­en­la­ge

Ein ers­ter Nach­weis zur Über­le­gen­heit der medi­zi­nisch adap­ti­ven Kom­pres­si­ons­sys­te­me konn­te von Ble­cken et al. bereits 2005 geführt wer­den1. In einer ran­do­mi­siert kon­trol­lier­ten Stu­die wur­de bei 12 Pro­ban­den mit beid­sei­ti­gen venö­sen Unter­schen­ke­lul­cera, die eine Sei­te kon­ven­tio­nell mit 4‑lagigen elas­ti­schen Wickeln ver­sorgt, wäh­rend die Gegen­sei­te mit einem MAK-Sys­tem (Cir­caid) ver­se­hen wur­de. Unter­sucht wur­de neben der Reduk­ti­on der Ulcus­grö­ße über einen Beob­ach­tungs­zeit­raum von 12 Wochen auch die Umfangs­re­duk­ti­on und die Pati­en­ten­zu­frie­den­heit. Signi­fi­kan­te Unter­schie­de zuguns­ten der MAK zeig­ten sich in der Reduk­ti­on der Ulcus­grö­ße. In der Umfang­re­duk­ti­on und Pati­en­ten­zu­frie­den­heit konn­ten kei­ne signi­fi­kan­ten Unter­schie­de fest­ge­stellt werden.

Einen signi­fi­kan­ten Unter­schied in der Volu­men­re­duk­ti­on konn­ten 2013 Dam­stra und Partsch beim Ver­gleich von MAK zu einem Mehr­kom­po­nen­ten­ver­band zur Volu­men­re­duk­ti­on bei lympha­ti­schem Bein­ödem nach­wei­sen2. Unter­sucht wur­de die Volu­men­re­duk­ti­on bei je 15 Pati­en­ten jeweils 2 Stun­den und 24 Stun­den nach Anla­ge des Kom­pres­si­ons­mit­tels. Bereits nach 2 Stun­den konn­te eine stär­ke­re Volu­men­re­duk­ti­on bei Ver­wen­dung der MAK beob­ach­tet wer­den, eine signi­fi­kan­te Über­le­gen­heit stell­te sich nach 24 Stun­den dar.

Für venö­se Öde­me führ­ten Mosti et al. 20153 den Nach­weis der Über­le­gen­heit der MAK. In der initia­len Ent­stau­ungs­pha­se wur­den 20 Bei­ne mit venö­sem Ödem mit MAK und 20 Bei­ne mit unelas­ti­schen Ban­da­gen the­ra­piert. Die Volu­men­re­duk­ti­on wur­de nach einem Tag und nach 7 Tagen gemes­sen. Auch hier zeig­te sich nach einem Tag die Ten­denz einer grö­ße­ren Volu­men­re­duk­ti­on und nach 7 Tagen eine signi­fi­kant grö­ße­re Reduk­ti­on. Eben­falls bemer­kens­wert war das Ergeb­nis, dass der Druck der unelas­ti­schen Ban­da­gie­rung über die Tra­ge­zeit stark abnahm, wäh­rend er bei den MAK durch die Nach­stell­mög­lich­keit kon­stant gehal­ten wer­den konnte.

Die­se Nach­stell­mög­lich­keit bie­tet aber nicht nur Chan­cen, son­dern auch die Gefahr, dass die Pati­en­ten den erwünsch­ten Druck nicht eigen­stän­dig repro­du­zie­ren kön­nen. Mit die­ser Fra­ge­stel­lung haben sich auch Mosti und Partsch 2017 befasst4. Allen 31 Pati­en­ten gelang es nach einer ent­spre­chen­den Ein­wei­sung in das Hilfs­mit­tel, den Druck über die Tra­ge­dau­er im vor­ge­ge­be­nen Ziel­be­reich zu halten.

Zu die­sem Ergeb­nis kommt auch eine Unter­su­chung von Protz et al. aus dem Jah­re 20175. Ver­gli­chen wur­de hier die Repro­du­zier­bar­keit der gewünsch­ten Drü­cke bei unter­schied­li­chen Kom­pres­si­ons­ver­fah­ren. Im Rah­men von Fort­bil­dungs­maß­nah­men wur­den von 137 Teil­neh­men­den ins­ge­samt 302 Ban­da­gie­run­gen vor­ge­nom­men und anschlie­ßend die Ein­hal­tung des vor­ge­ge­be­nen Druck­wer­tes über­prüft. Die Quo­te der Ein­hal­tung des gefor­der­ten Druck­be­reichs lag bei Ban­da­gie­run­gen mit Kurz­zug­bin­den bei 11,2 %, bei der Ver­wen­dung von Mehr­kom­po­nen­ten­sys­te­men bei 35,2 % und bei MAK bei 85,0 %. Auch der Tra­ge­kom­fort wur­de von den Pro­ban­den mit MAK am höchs­ten bewertet.

Die Stu­di­en­la­ge zu MAK erscheint also auf den ers­ten Blick ermu­ti­gend. Ein Review von Wil­liams aus 2016 zeigt jedoch, dass bis­lang aber vor allem Lang­zeit­be­ob­ach­tun­gen feh­len6.

Ein­bin­dung in Leitlinien

Medi­zi­ni­sche adap­ti­ve Kom­pres­si­ons­sys­te­me wur­den in die aktu­el­len S2k-Leit­li­ni­en zur medi­zi­ni­schen Kom­pres­si­ons­the­ra­pie auf­ge­nom­men7. Eben­so wer­den sie in der S2k-Leit­li­nie Dia­gnos­tik und The­ra­pie der Vari­ko­se berück­sich­tigt8. Im Fol­gen­den wer­den die wich­tigs­ten Emp­feh­lun­gen und Aus­sa­gen der bei­den medi­zi­ni­schen Leit­li­ni­en zur Anwen­dung von MAK als Ori­gi­nal­zi­ta­te zusammengefasst.

„Die medi­zi­ni­sche Kom­pres­si­ons­the­ra­pie soll inte­gra­ler Bestand­teil der The­ra­pie phle­bo­lo­gi­scher Krank­heits­bil­der sein. Sie kann mit MKS (Medi­zi­ni­scher Kom­pres­si­ons­strumpf), PKV (Phle­bo­lo­gi­scher Kom­pres­si­ons­ver­band) oder MAK erfol­gen. Vor­aus­set­zung sind spe­zi­el­le Kennt­nis­se und Erfah­run­gen sowohl hin­sicht­lich Dia­gno­se, Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­se, Risi­ken und Kon­tra­in­di­ka­tio­nen als auch in der Ver­ord­nung zeit­ge­mä­ßer Kom­pres­si­ons­ma­te­ria­li­en und der Tech­nik des Anle­gens.“ (S2k-Leit­li­nie zur medi­zi­ni­schen Kom­pres­si­ons­the­ra­pie, Emp­feh­lung 1)

„In der initia­len Ent­stau­ungs­pha­se beim Lymph­ödem und beim aus­ge­präg­ten venö­sen Ödem sowie beim Ulcus cru­ris veno­sum kön­nen MAK als Alter­na­ti­ve zur Ban­da­gie­rung mit Bin­den ein­ge­setzt wer­den.“ (S2k-Leit­li­nie zur medi­zi­ni­schen Kom­pres­si­ons­the­ra­pie, Emp­feh­lung 27 bzw. S2k-Leit­li­nie zur Dia­gnos­tik und The­ra­pie der Vari­ko­se, Emp­feh­lung 40)

Ver­sor­gungs­bei­spiel 1

Frau R. ist 2005 im Alter von 34 Jah­ren nach einer Unter­leibs­ope­ra­ti­on an einem ein­sei­ti­gen Lymph­ödem des rech­ten Bei­nes erkrankt. Trotz regel­mä­ßi­ger wöchent­li­cher Lymph­drai­na­ge über meh­re­re Jah­re ver­schlech­ter­te sich die Situa­ti­on kon­ti­nu­ier­lich. Erst 2011 erfolg­te die Erst­ver­sor­gung mit flach­ge­strick­ter Kom­pres­si­on. Zu die­sem Zeit­punkt betrug die maxi­ma­le Maß­dif­fe­renz zur Gegen­sei­te 12 cm. Aktu­ell trägt sie 23 Stun­den täg­lich auf der betrof­fe­nen Sei­te einen flach­ge­strick­ten medi­zi­ni­schen Kom­pres­si­ons­strumpf A‑G in der Kom­pres­si­ons­klas­se III mit Zehen­kap­pen und dar­über eine flach­ge­strick­te Kom­pres­si­ons­strumpf­ho­se A‑T in der Kom­pres­si­ons­klas­se II. Mit die­ser Ver­sor­gung konn­ten sowohl die Maß­dif­fe­renz als auch die Fes­tig­keit des Ödems redu­ziert wer­den. Trotz­dem bleibt ein Unter­schied zur Gegen­sei­te bestehen. Zusätz­lich zur Bestrump­fung nutzt sie MAK, um bei Bedarf tem­po­rär zusätz­li­chen Kom­pres­si­ons­druck auszuüben.

Auf den Fotos trägt sie zu Demons­tra­ti­ons­zwe­cken 3 unter­schied­li­che MAK-Pro­duk­te für den Unter­schenkel (Abb. 1 a–c) sowie eine Ganz­beinversorgung (Abb. 1d). Auf eige­nen Wunsch trägt Frau R. ihre MKS auch unter den MAK, um kei­nen Druck­ver­lust wäh­rend des Wech­sels der Pro­duk­te für die Foto­auf­nah­men zu ris­kie­ren. Ein Leben ohne Kom­pres­si­on ist für Frau R. nicht denkbar.

Ver­sor­gungs­bei­spiel 2

Die 39-jäh­ri­ge Frau lei­det unter einem beid­sei­ti­gen Lipö­dem bei gleich­zei­ti­ger Adi­po­si­tas per­ma­gna (Kör­per­ge­wicht 230 kg). Es bil­den sich Haut­fal­ten und Über­hän­ge im Fuß und Knie­be­reich. Das Anzie­hen der flach­ge­strick­ten MKS konn­te sie allei­ne nicht bewerk­stel­li­gen, so dass nach der Tren­nung von ihrem Part­ner die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie nicht fort­ge­setzt wur­de. Dies führ­te zu einer zuneh­men­den Ver­schlech­te­rung des All­ge­mein­zu­stan­des, so dass sie die Füße nicht mehr errei­chen konn­te und sich die Umfangs­ma­ße an den Bei­nen ver­dop­pel­ten. Die Haut war dem­entspre­chend stark gespannt und zeit­wei­se trat Lym­phe aus. Die Über­hän­ge erschwer­ten zusätz­lich eine MKS-Ver­sor­gung. Wegen des Hand­lings wur­de daher eine MAK-Ver­sor­gung durch­ge­führt (Abb. 2). Nach inten­si­ver Ein­wei­sung und Übung war es der Pati­en­tin mög­lich, die Ver­sor­gung allein anzu­le­gen. Von Beginn an hat­te die Pati­en­tin ein gutes ent­las­ten­des Gefühl. Nach 3 Mona­ten MAK-The­ra­pie konn­te sie ihre Stie­fel wie­der tra­gen, was vor­her unmög­lich erschien und das sub­jek­ti­ve Emp­fin­den der Lebens­qua­li­tät deut­lich stei­ger­te (Abb. 3).

Ver­sor­gungs­bei­spiel 3

Im Vor­feld der Ver­sor­gung einer 24-jäh­ri­gen Pati­en­tin erhielt der Autor vom Vater der Pati­en­tin fol­gen­de Beschrei­bung der Situation:

„Sie hat ME/CFS (Myal­gi­sche Enzephalomyelitis/Chronisches Fati­gue Syn­drom) infol­ge von Post Covid. Das Chro­ni­sche Fati­gue Syn­drom ist eine Mul­ti­sys­tem­er­kran­kung, bei der Belas­tungs­in­to­le­ranz auf­grund von Ener­gie­man­gel ein Kar­di­nal­sym­ptom ist. Bei mei­ner Toch­ter gab es einen Zusam­men­bruch des Sys­tems vor 3 Mona­ten, der sie in die kom­plet­te Bett­lä­ge­rig­keit geführt hat. Sie kommt noch auf 2 Toi­let­ten­gän­ge am Tag, sonst lie­gen, auch das Essen geht nur noch im Lie­gen. Es gibt durch die Bett­lä­ge­rig­keit eine Dekon­di­tio­nie­rung und zudem auch POTS, das ist das Pos­tu­ra­le Tachy­kar­die Syn­drom. Auch hier eine Viel­falt an Sym­pto­men, alles aus­ge­löst durch Dys­auto­no­mien. Wenn sie in den Stand kommt, geht ihr Puls auf 140, der vor­her bei 80 bis 90 war. Es wird gesagt, dass das Blut im unte­ren Kör­per ver­sackt. Des­halb auch der Ruf nach Kompressionsstrümpfen/Kompressionsstrumpfhosen, um dem Kör­per Halt zu geben. […] Mei­ne Fra­gen gehen auch in Rich­tung Anwen­dung in der Pra­xis. Sie ist tage­wei­se so geschwächt, dass sie den Akt, etwas Zusätz­li­ches anzu­zie­hen, gar nicht bewerk­stel­li­gen kann, auch mit Hil­fe nicht, da sie das kör­per­lich und auch men­tal über­for­dert. […] Viel­leicht haben Sie Ideen, wie wir vor­ge­hen könn­ten, so dass wir das Pas­sen­de auf das Rezept schrei­ben können.“

Beim Haus­be­such stell­te sich sehr schnell her­aus, dass die Pati­en­tin extrem schmerz- und druck­emp­find­lich war. Schon das Pal­pie­ren sowie das Aus­mes­sen mit dem Maß­band waren beschwer­lich. Die Bei­ne waren extrem dünn – ein b‑Maß von 18,5 cm sowie 45 cm im g‑Maß. Im Ver­sor­gungs­ge­spräch mit der Mut­ter und der Pati­en­tin waren wir uns einig, dass auf­grund der Gesamt­si­tua­ti­on kei­ne her­kömm­li­chen Strümp­fe genutzt wer­den kön­nen. So kam der Gedan­ke, MAK als 2‑teilige Ver­sor­gung für Unter­schen­kel und Ober­schen­kel ein­zu­set­zen. Kon­kret wur­de hier das Circaid®-System von medi aus­ge­wählt, weil mit­hil­fe des inte­grier­ten Built-In-Pres­su­re-Sys­tems (BPS) der indi­vi­du­el­le Kom­pres­si­ons­druck exakt ein­ge­stellt, kon­trol­liert und gera­de in die­sem spe­zi­el­len Fall ein­fach nach­jus­tiert wer­den konn­te. Das Anle­gen der MAK als sol­ches ist für die Mut­ter ein­fach umzu­set­zen. Im Ergeb­nis lässt sich fest­stel­len, dass nach einer lang­sa­men Gewöh­nung an die MAK die Pati­en­tin nun die Ver­sor­gung nutzt und trotz aller o. g. Umstän­de gut zurecht­kommt. Die gewünsch­te Kreis­lauf­sta­bi­li­sie­rung konn­te erfolg­reich umge­setzt werden.

Ver­sor­gungs­bei­spiel 4

Der männ­li­che Pati­ent, Ende 50, stellt sich mit diver­sen Dia­gno­sen vor. Neben der all­ge­mei­nen Adi­po­si­tas fin­det man im Bein­be­reich eine Vari­ko­sis, ein Lymph­ödem, abge­heil­te Ery­si­pe­le sowie links­sei­tig ein Ulcus cru­ris veno­sum, wel­ches schon seit Jah­ren besteht (Abb. 4). Es sind außer­dem deut­li­che mani­fes­te Abschnü­run­gen durch falsch ange­leg­te Kurz­zug­bin­den vor­han­den. Die Beinform in Ver­bin­dung mit der offe­nen Wun­de lässt eine MKS-Ver­sor­gung nicht zu. Die MAK ermög­li­chen die Anpas­sung auch an unter­schied­lich star­ke Wund­auf­la­gen und kann vom Pati­en­ten nach Bedarf regu­liert wer­den (Abb. 5). Der Pati­ent fühlt sich mit der Ver­sor­gung deut­lich mobi­ler. Aktu­ell ist das Ulkus noch nicht abge­heilt, befin­det sich aber auf dem Weg der Besserung.

Fazit

Die medi­zi­ni­schen adap­ti­ven Kom­pres­si­ons­sys­te­me stel­len eine deut­li­che Berei­che­rung der The­ra­pie­op­tio­nen in der Kom­pres­si­ons­be­hand­lung dar. Vor allem in der initia­len Ent­stau­ungs­the­ra­pie, wenn es um die Anpas­sung an sich rasch ändern­de Volu­mi­na geht, sind die­se Kom­pres­si­ons­sys­te­me dem phle­bo­lo­gi­schen Kom­pres­si­ons­ver­band über­le­gen, da sie jeder­zeit vom Anwen­der selbst adap­tiert wer­den kön­nen. Ein wei­te­rer Anwen­dungs­schwer­punkt liegt bei Pati­en­ten, die das Anzie­hen eines medi­zi­ni­schen Kom­pres­si­ons­strumpfs nicht selbst­stän­dig aus­füh­ren kön­nen. Hier ist das Hand­ling der MAK im Ver­gleich deut­lich ein­fa­cher. Die Stu­di­en­la­ge zur Ver­wen­dung der MAK ist bei den gän­gi­gen Indi­ka­tio­nen wie Lymph­öde­men, venö­sen Öde­men und Ulcus cru­ris veno­sum viel­ver­spre­chend, obwohl Lang­zeit­er­geb­nis­se bis­lang fehlen.

 

Der Autor:
Ste­phan Klör
Schritt für Schritt GmbH
Schüt­zen­stra­ße 1
21244 Buch­holz

 

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Klör S. Medi­zi­ni­sche adap­ti­ve Kom­pres­si­ons­sys­te­me in der Pra­xis. Ortho­pä­die Tech­nik, 2024; 75 (5): 70–73

 

 

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