Begonnen hat die Marketing-Geschichte von GetSteps mit ihrem Auftritt bei der „Höhle des Löwen“. Dabei geht es nicht allein darum, Gründergeld zu akquirieren. Der Auftritt in der Sendung selbst hat einen Wert: Auch wenn man keinen „Deal“ macht, so hat man mit seinem Konzept zur Prime Time mehr als eine Million Zuschauer aus der werberelevanten Zielgruppe erreicht. Die Verschlagwortung durch Keywords bei Google mit „Höhle der Löwen“, Backlinks etc. bringen dann noch mal mehr Aufmerksamkeit bei Social Media.
Ein weiteres medienwirksames Tool sind „Awards“ – also Auszeichnungen. Einige Medien oder Unternehmen machen daraus ein Geschäftsmodell, sodass man mit PR-Budget bei einer Jury gut punkten kann. Der „E‑Health-Award“, mit dem sich Meevo von Noventi auszeichnen ließ, ist hoch dotiert. Den Gewinner:innen winkt neben einer der begehrten Trophäen, Ruhm und Ehre ein umfassendes Mediabudget bei Apotheke Adhoc im Gesamtwert von mehr als 50.000 Euro. Wer viele Clicks und Awards mitbringt, hat die besten Voraussetzungen für noch mehr Clicks und Awards … Da tritt dann die Leistung der Dienstleistung in den Hintergrund.
„Doppeldeutigkeiten nutzen“
Die Anbieter von sogenannter „Online-Einlagenversorgung“ haben die Versorgung selbst überhaupt nicht digitalisiert. Im Gegenteil: Hier wird ein für die Selbstvermessung durch den Laien überhaupt nicht zugelassene und ca. 200 Jahre alte Abdrucktechnik genutzt. Die Fertigung und das „Einschleifen“ der Einlagen erfolgen dann auf die einfachste und simpelste Art: mit vorgefertigten Rohlingen. Das Hauptaugenmerk haben die Firmen auf den Bestellvorgang und die Auslieferung an Kund:innen gelegt. Ganz nach dem Motto: An ein Rezept, das man abrechnen kann, kann man nicht schnell und leicht genug kommen. Mit nur einem Click soll man es „hochladen“ können. Bei der Auslieferung setzen die Firmen auch auf „was weg ist, ist weg“. Der persönliche Kontakt zu Patient:innen wird als unnötig und zeitaufwändig dargestellt. Die eigentliche fachmännische Versorgung durch Orthopädietechniker:innen wird nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung auf das Geschäft des Versandhandels reduziert. Patient:innen, die damit Probleme haben, können sich ja binnen der 30-Tage-Rückgabefrist beim Versandhändler melden.
„Mit Glaubwürdigkeit und Vertrauen punkten“
Auch und gerade weil die Anbieter der „E‑Versorgung“ mit Einlagen in Sachen Versorgungsqualität nicht viel zu bieten haben, brauchen sie große glaubwürdige Marken, die dieses Defizit ausgleichen: eine Krankenkasse. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit als eine Behörde, die dem Wohl der Patient:innen verpflichtet ist und sich eigentlich in ganz besonderer Weise an die Mindeststandards der Versorgung halten müsste, wird sie zum Kronzeugen, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht.
Kein Wunder also, dass das Logo der Barmer Ersatzkasse, die als einzige Ersatz-Krankenkasse bislang die E‑Versorgung für ihre neun Millionen Versicherten umsetzt, fast auf allen Werbematerialien von Meevo/Craftsoles auftaucht. Auch wenn Meevo keine Verträge mit anderen Kostenträgern vorweisen kann, so erwecken sie doch den Schein, dass das nur eine Frage der Zeit ist. Patient:innen, die einen Bestellvorgang per Rezept einleiten wollen, treffen so auf eine ganze Reihe von Krankenkassen – ein Click später heißt es dann „wir haben noch keinen Vertrag mit der Kasse“. In dieselbe Logik fällt die Werbung mit nicht existenten Gütesiegeln wie z. B. „Krankenkassen geprüft“ oder „wir fertigen nach der Norm des GKV-Spitzenverbandes“. Baron von Münchhausen hätte seinen Spaß, und es wäre auch wirklich zum Schmunzeln, wenn damit nicht ernstlich mit der Gesundheit von Versicherten gespielt würde.
Daher gilt es, daraus auch Schlüsse und Konsequenzen zu ziehen: rechtlich, politisch und öffentlichkeitswirksam. Versicherte müssen aufgeklärt werden, dass hier Schindluder mit ihrer Gesundheit getrieben wird. Daher sind wir nicht nur im Rahmen der „ARGE PG 08 Online-Versorgung TK/Barmer“* gemeinsame Schritte in Richtung Aufsichtsbehörde und Klageweg gegangen, sondern haben auch unsere Marketingexperten damit beauftragt, die Kampagne der „Online-Versorger“ genau zu analysieren und entsprechende Konzepte in der Information der Öffentlichkeit daraus abzuleiten.
Kirsten Abel, Patrick Grunau und Steffi Jansen
In der „ARGE PG 08 Online-Einlagen TK/Barmer“ haben sich folgende Verbände zusammengeschlossen: BIV-OT, Cura-San, Egroh, Deutsche Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung e. V. (DGIHV), IETEC Orthopädische Einlagen, Innungsverband für Orthopädie-Schuhtechnik Nordrhein-Westfalen, Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik, Landesinnung Hessen für Orthopädieschuhtechnik, Landesinnung für Orthopädie-Schuhtechnik Niedersachsen und Bremen, Ortheg Einkaufsgenossenschaft für Orthopädie-Technik, Rehavital, Sanitätshaus Aktuell/RSR und Zentralverband für Orthopädieschuhtechnik (ZVOS).
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