DDG for­dert Ein­schrän­kun­gen bei Online-Einlagenversorgung

Bis zuletzt haben die Kostenübernahme von sogenannten Online-Einlagenversorgungen durch die Barmer Ersatzkasse sowie gleichlautende Pläne der Techniker (TK) hohe Wellen unter Experten in Deutschland geschlagen. An der Diskussion um gesundheitliche Risiken einer Versorgung auf der Grundlage der Selbstvermessung von Patienten hat sich auch die Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß (AG Diabetischer Fuß) in der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) beteiligt.

In der Stel­lung­nah­me vom 13. Okto­ber nennt Dr. Micha­el Eck­hard, Mit­glied des Vor­stan­des und Spre­cher der AG, fol­gen­de zen­tra­le Forderungen:

Anzei­ge
  • Die indi­vi­du­el­le, fach­lich ver­sier­te Betreu­ung durch Arzt und Orthopädie(schuh)techniker ist bei der Ver­sor­gung mit Hilfs­mit­teln der PG 08 (Ein­la­gen) zwin­gend erfor­der­lich. Dies gilt ins­be­son­de­re bei der Ver­sor­gung von Men­schen mit Dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom mit Ein­la­gen und/oder Diabetes-Schutzschuhen.
  • Die Abga­be von Ein­la­gen oder Schutz­schu­hen online ohne die indi­vi­du­el­le, fach­lich assis­tier­te Druck­ab­nah­me, Her­stel­lung, Anpas­sung und Abnah­me durch Arzt und Orthopädie(schuh)techniker für die Hoch­ri­si­ko­grup­pe der Men­schen mit dia­be­tisch-neu­ro­pa­thi­schem Fuß­syn­drom stellt eine nicht hin­rei­chend adäqua­te Ver­sor­gung dar und bedeu­tet eine Gefähr­dung für das Wohl der Pati­en­ten und deren Fuß­ge­sund­heit und führt schlimms­ten­falls zu Fuß­lä­sio­nen mit dro­hen­dem Amputationsrisiko.

„Wir for­dern, die Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung für Pati­en­ten mit dia­be­tisch-neu­ro­pa­thi­schem Fuß­syn­drom von der Online-Ver­sor­gung aus­zu­neh­men“, so Dr. Micha­el Eck­hard. „Einer Online-Ver­sor­gung mit Ein­la­gen und/oder Schutz­schu­hen, wie es nach der­zei­ti­gem Vor­ha­ben der Bar­mer und der TK vor­ge­se­hen ist, darf für Men­schen mit Hoch­ri­si­ko­fü­ßen nicht statt­ge­ge­ben werden!“

AG Dia­be­ti­scher Fuß sieht hohes Gefährdungspotenzial

In der aus­führ­li­chen Begrün­dung der AG heißt es wörtlich:

„Als Deut­sche Dia­be­tes Gesell­schaft sind wir in ers­ter Linie dem Wohl aller Pati­en­ten ver­pflich­tet, wel­che an einem Dia­be­tes mel­li­tus erkrankt sind und wel­che sich ver­trau­ens­voll in die Behand­lung unse­res dia­be­to­lo­gi­schen Fach­per­so­nals und unse­rer spe­zia­li­sier­ten Behand­lungs­ein­rich­tun­gen bege­ben“, erklärt der Spre­cher der AG. Bezo­gen auf die Pro­blem­stel­lung der Ver­ord­nung von Hilfs­mit­teln aus der Pro­dukt­grup­pe 08 sei­en das vor allem Men­schen mit Dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom mit neu­ro­pa­thi­schen und/oder angio­pa­thi­schen Defi­zi­ten. „Daher soll im Fol­gen­den auch spe­zi­ell auf die­se Hoch­ri­si­ko­grup­pe für Fuß­lä­sio­nen, chro­ni­sche Wun­den und Ampu­ta­tio­nen ein­ge­gan­gen wer­den“, so der Medi­zi­ner. „Das bedeu­tet aus­drück­lich nicht, dass wir die Online-Ver­sor­gung mit Hilfs­mit­teln aus der PG 08 für alle ande­ren Per­so­nen als unpro­ble­ma­tisch ansehen.“

Das Risi­ko für einen Men­schen mit Dia­be­tes mel­li­tus, im Lau­fe sei­nes Lebens an einem Dia­be­ti­schen Fuß­syn­drom zu erkran­ken, sei mit bis zu 34 Pro­zent anzu­neh­men, wie der Exper­te im Namen der AG betont. Die Prä­va­lenz eines Dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms (DFS) lie­ge nach Stu­di­en­da­ten bei etwa 10 Pro­zent. Auf­grund einer stei­gen­den Dia­be­tes-Prä­va­lenz und ange­sichts der demo­gra­fi­schen Ent­wick­lung sei in den nächs­ten Jah­ren eine stei­gen­de Inzi­denz für das Dia­be­ti­sche Fuß­syn­drom zu erwar­ten. Noch immer sei die Zahl von Ampu­ta­tio­nen bei Men­schen mit Dia­be­tes zu hoch. Zwei Drit­tel aller Ampu­ta­tio­nen der unte­ren Extre­mi­tä­ten erfolg­ten bei Men­schen mit Diabetes.

„Die häu­figs­te grund­le­gen­de Pro­ble­ma­tik bei der Ent­ste­hung des dia­be­ti­schen Risi­ko­fu­ßes ist der Ver­lust schüt­zen­der, pro­tek­ti­ver Warn­sym­pto­me, wie wir Gesun­de sie in der Regel haben“, sagt Dr. Eck­hard. Wäh­rend Gesun­de durch ihr Schmerz‑, Druck- und Tem­pe­ra­tur­emp­fin­den recht­zei­tig vor schä­di­gen­den Ein­flüs­sen wie Druck oder Tem­pe­ra­tur gewarnt wer­den und ent­spre­chend Abhil­fe schaf­fen kön­nen, lie­fen Men­schen mit Ver­lust die­ser schüt­zen­den und war­nen­den Alar­me, im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes in ihre Fuß­pro­ble­me hin­ein. „Im Eng­lisch­spra­chi­gen ist hier von ‚LOPS‘ die Rede. Dabei steht LOPS für ‚Loss of pro­tec­ti­ve sen­sa­ti­on‘. Die­ser Ver­lust pro­tek­ti­ver, schüt­zen­der Wahr­neh­mun­gen ist es, der die Pati­en­ten mit Dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom so außer­or­dent­lich gefähr­det“, so der Medi­zi­ner. Das Glei­che gel­te übri­gens für alle Pati­en­ten, die an einem neu­ro­pa­thi­schen Fuß­syn­drom lei­den, wo die Ursa­che für die Neu­ro­pa­thie nicht der Dia­be­tes ist. Das Gefähr­dungs­po­ten­zi­al sei dabei wegen des LOPS aber letzt­end­lich gleich.

„Die­se Pati­en­ten kön­nen nicht selbst beur­tei­len, ob ein Schuh oder eine Ein­la­ge rich­tig pas­sen und für ihre Füße adäquat sind“, betont Dr. Eck­hard. „Statt­des­sen kau­fen sie sich häu­fig zu klei­ne oder zu enge Schu­he, weil sie nur in die­sen das sub­jek­ti­ve Gefühl haben, dass sie pas­sen wür­den, was sich bei objek­ti­ver Betrach­tung lei­der als falsch erweist.“

Daher kom­me der indi­vi­du­el­len Ver­sor­gung die­ser Hoch­ri­si­ko­grup­pe für Fuß­lä­sio­nen und Ampu­ta­tio­nen von Glied­ma­ßen durch fach­lich kom­pe­ten­te und in der beson­de­ren The­ma­tik ver­sier­te Ärz­te und Leis­tungs­er­brin­ger unmit­tel­bar am Fuß, an der Extre­mi­tät des Pati­en­ten, eine beson­de­re Bedeu­tung zu.

Das gel­te für den gesam­ten Pro­zess der Ver­sor­gung nach SGB V: von der Indi­ka­ti­ons­stel­lung anhand einer fach­li­chen kör­per­li­chen Unter­su­chung (inklu­si­ve einer Basis-neu­ro­lo­gi­schen Unter­su­chung) und ggf. zusätz­li­cher dia­gnos­ti­scher Maß­nah­men (z. B. Rönt­gen), wel­che Art der Ver­sor­gung für die indi­vi­du­el­len Ver­sor­gungs­an­for­de­run­gen aus­rei­chend und zweck­mä­ßig ist, über die Fer­ti­gung des Hilfs­mit­tels inklu­si­ve geeig­ne­tem Maß­neh­men bis hin zur Abga­be, wel­che nach den Maß­ga­ben des Hilfs­mit­tel­ka­ta­logs eine Abnah­me des Hilfs­mit­tels durch den Ver­ord­nen­den und den Leis­tungs­er­brin­ger einschließt.

Zwangs­läu­fi­ge Fehlversorgungen

„Auf­grund der eben beschrie­be­nen Beson­der­hei­ten des hier behan­del­ten Pati­en­ten­kli­en­tels stellt das Maßnehmen/die Anfer­ti­gung eines Abdrucks nur durch den Pati­en­ten selbst (sei es in 2D oder 3D) aus aller Erfah­rung in den vie­len Jah­ren spe­zia­li­sier­ter Ver­sor­gung seit 1993 – dem Grün­dungs­jahr der AG Dia­be­ti­scher Fuß der DDG – kein ange­mes­se­nes Ver­fah­ren dar“, erklärt der AG-Spre­cher. „Auch die Ein­pas­sung einer Ein­la­ge in die Schu­he sowie die Über­prü­fung, ob die Ein­heit von Schuh und Ein­la­gen dem Ziel der Indi­ka­ti­ons­stel­lung gerecht wird, kön­nen nicht von dem Pati­en­ten selbst mit hin­rei­chen­der Sicher­heit erfol­gen.“ Viel­mehr wür­de dies zwangs­läu­fig zu Fehl­ver­sor­gun­gen füh­ren, vor dem die­ses Hoch­ri­si­kokli­en­tel unbe­dingt geschützt wer­den muss!

Die ver­pflich­ten­de Abnah­me­kon­trol­le des Hilfs­mit­tels schlie­ße eine Über­prü­fung von Ein­la­ge und zuge­hö­ri­gem Schuh am Fuß und in der Gang­ab­wick­lung ein. „Erst hier­bei wer­den man­che Abwei­chun­gen von der beab­sich­tig­ten Indi­ka­ti­ons­stel­lung und Ziel­set­zung erkenn­bar und es wird offen­bar, dass das Hilfs­mit­tel in der vor­lie­gen­den Aus­füh­rung nicht zweck­mä­ßig und nicht aus­rei­chend ist“, so der Medi­zi­ner abschlie­ßend. „Dafür sind die nach den der­zei­tig beab­sich­tig­ten Ver­trä­gen vom Leis­tungs­er­brin­ger anzu­bie­ten­den Bera­tun­gen per Tele­fon oder Video kein aus­rei­chen­der Ersatz.“

Ruth Jus­ten

 

Tei­len Sie die­sen Inhalt
Anzeige