Das erste Fazit vorneweg: Manuel Blum und OTM Frank Hodey hätten wahrscheinlich mehrere Live-Videotalks zu dem Thema „3D-Druck optimal nutzen“ bespielen können – und wollen. Gerade Frank Hodey demonstrierte, wie sehr man für die Additive Fertigung brennen kann, wenn es um deren Anwendungsmöglichkeiten im Sanitätshaus geht. Dabei, so erklärte er am 23. November, ist immer ein Dreiklang aus Scannen, Modellieren und dann Drucken notwendig, um wirklich eine digitalisierte Prozesskette zu erhalten. Den Einstieg in den 3D-Druck hat sein Betrieb bereits 2012 begonnen – damals aber überhaupt nicht mit dem Ziel, selbst zu drucken. Gemeinsam mit der Fortbildungsvereinigung für Orthopädie-Technik (FOT) sei man in Frankreich gewesen und hätte sich dort bei einem Anbieter die Vorteile des Scannens demonstrieren lassen. Eine Zäsur für Hodey, denn heute werden bei ihm alle Modelle digital erfasst. Es folgte das Thema Modellieren und erst einige Jahre später die Anschaffung eigener Drucker. Für Frank Hodey selbst, der in seiner Ausbildung noch mit Holz und Leder gearbeitet hat, ein wichtiger Schritt, um die „Hodey-Qualität“, wie er es nennt, zu stabilisieren. Denn, so erklärte es der Inhaber des Familienbetriebs, durch Personalwechsel gehe immer wieder Know-how verloren, was die Qualität der Versorgung beeinflusst. Digitale Werkzeuge sind dagegen objektiver zu nutzen und erhöhen damit die Wiederholbarkeit von Versorgungen. Dabei möchte Frank Hodey die Additive Fertigung nicht als Allheilmittel anpreisen. „Es ist ein normales Werkzeug im Werkzeugkasten, so wie ein Hammer, nur eben digital“, sagte Hodey. Vor allem warnte er vor einer überzogenen Anspruchshaltung, denn die Fertigkeit mit Scanner, Modelliersoftware und 3D-Druck brauche vor allem im ersten Schritt Zeit.
Einstieg nicht allein wagen
Einen guten Partner an der Seite zu haben, der sich mit den Prozessen auskennt und vielleicht auch über das eigene Produkt hinweg berät, ist in dieser Zeit empfehlenswert. Manuel Blum hat sich schon während seines Ingenieurstudiums intensiv mit dem Thema Additive Fertigung auseinandergesetzt. Bei seinem jetzigen Arbeitgeber BASF Forward AM hat er nun auch beruflich täglich mit diesem Thema zu tun. „Wir beschäftigen uns primär mit Material, sind aber mehr als Materiallieferant“, bemerkte Blum. Es gehe vor allem um die Auswahl und Beratung bei den druckfähigen Materialien. Wer sich mit Materialien beschäftigt, der muss auch immer die Drucktechnik mitdenken. Deswegen erklärte Blum den Teilnehmenden anschließend, welche drei großen Verfahren es aktuell gibt und welches Material sich mit welcher Technik verarbeiten lässt. Für den Einstieg wurde vor allem das Extrusionssystem empfohlen, das Filamente verdruckt. Photopolymersysteme basieren auf Harzen und benötigen eine Nachbearbeitung, während im Bereich der pulverbasierten Systeme wie Lasersintern oder Multi-Jet-Fusion große Teile mit feinen Strukturen realisiert werden können, mit dem entsprechenden Aufwand. Frank Hodey führte mit einem Video durch seine Druck-Werkstatt, in der derzeit sechs 3D-Drucker – mit unterschiedlicher Größe und Funktion – stehen.
Den Drucker in die eigene Werkstatt stellen oder doch extern drucken lassen? Es gibt für beide Optionen Argumente. Frank Hodey kaufte sich 2018 den ersten Drucker. „Und der läuft auch heute noch“, betonte er. In kurzer Zeit etablierte sich das Gerät in den Versorgungsalltag, sodass die Kapazitäten nicht mehr ausreichten. Schnell kamen weitere Drucker hinzu – mit allen Vor- und Nachteilen. Diese Investitionen kosteten Geld, allerdings liegt die Hürde für den Einstieg für die günstigsten Drucker mit rund 500 Euro relativ niedrig. Für ein Modell der „Mittelklasse“ müsse man mit rund 5.000 bis 8.000 Euro rechnen, und nach oben gibt es – wie bei so vielen Dingen – kaum eine Beschränkung. „Man kann siebenstellige Beträge für einen Drucker ausgeben“, so Hodey, der jedoch darauf verwies, dass man sehr gute Produkte auch für deutlich weniger Geld bekommt. Einen deutlichen Vorteil sieht er auch in der dauerhaften Benutzung der Drucker. „Die Drucker können 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche arbeiten, der Einzige, der dann sonntags mal raus muss, ist der Inhaber, der die Druckerzeugnisse austauscht“, so Hodey.
Eine Umfrage unter den Teilnehmenden des Live-Videotalks ergab, dass sich jeder Fünfte von ihnen mit dem Thema 3D-Druck beschäftigt, aber noch nicht intensiv in die Materie eingetaucht ist. Ein eigener Drucker ist in diesem Fall häufig nicht gegeben, es muss also extern gedruckt werden. „Wir vermitteln aus unserem Netzwerk auch gerne externe Dienstleister“, erklärte Manuel Blum und weiter: „Häufig kommen die Betriebe mit einer konkreten Anforderung auf uns zu, haben also das Teil schon im Kopf. Wir helfen dann bei der Umsetzung und der richtigen Materialauswahl.“
Aber nicht nur Beginner, sondern auch bereits erfahrene 3D-Druck-Expert:innen müssen manchmal einen Druckauftrag extern vergeben – zum Beispiel, wenn der eigene Bauraum oder das Verfahren nicht zum zu erzeugenden Teil passt. Eine gute Beratung sei in diesem Fall wichtig, denn „passt es nicht, dann ist das Teil für die Vitrine“, warnt Hodey vor Schnellschüssen, die hinterher nur Ausschuss produzieren.
Nachhaltiges Produzieren möglich
Apropos Ausschuss: Natürlich fallen beim 3D-Druck auch Abfälle an. „Im Bereich Extrusionssysteme und Photopolymersysteme müssen wir Stützstrukturen mitdrucken, im Bereich der pulverbasierten Systeme gibt es überschüssiges Pulver“, erklärt Blum. Doch all dies gehört nicht in die berühmte „Tonne“, sondern kann größtenteils wiederverwendet werden. Das Pulver, dass nicht verbraucht wurde, kann im nächsten Produktionsgang wieder in den Bauraum eingebracht werden. Der Abfall beim Extrusionsverfahren wird wieder eingeschmolzen und zu neuem Filament verarbeitet. „Das kann man bei uns einschicken und wir bereiten das Filament neu auf. Das hat den Vorteil, dass man etwas Gutes für die Umwelt tut und gleichzeitig bekommt man sein Filament am Ende wieder zurück“, so Blum.
Um sich mit den Themen 3D-Druck, Scannen und Modellieren auseinanderzusetzen, müsse man „ein bisschen nerdig sein“ findet Frank Hodey – und will dies klar positiv verstanden wissen. Denn der Einstieg in die Additive Fertigung benötigt einen langen Atem, man muss lernen und üben, um die Vorteile des neuen Werkzeugs auch auszunutzen. Wie wichtig das Thema für die Branche ist, zeigte sich an den vielen Fragen, die die Zuschauer:innen des Live-Videotalks immer wieder in die Runde einbrachten. Michael Blatt, Programmleiter Verlag OT, nahm als Moderator viele Fragen auf, auch wenn am Ende trotz einer fast viertelstündigen Zugabe nicht alle geklärt werden konnten. Die Zuschauer:innen profitierten von der offenen Art der beiden Experten Frank Hodey und Manuel Blum, die tiefe Einblicke in die praktische Umsetzung von 3D-Druck in einem Sanitätshaus gegeben haben. Dennoch lautete das allgenmeine Fazit am Ende: Eine Fortsetzung des Formats zum Thema Additive Fertigung ist dringend notwendig für die Branche, die offensichtlich einen großen Bedarf hat, sich zu informieren.
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