IPK+: Zusätz­li­che Ent­stau­ung dank Schaumstoffschicht

Macht das Plus den Unterschied? Während die Intermittierende Pneumatische Kompression (IPK) längst zum festen Repertoire in der Behandlung von Patient:innen mit Erkrankungen des Venen- und Lymphgefäßsystems zählt, soll die IPK+-Methode die entstauende Wirkung weiter verbessern.

Dafür wird zwi­schen der IPK-Man­schet­te und der zu ent­öde­ma­ti­sie­ren­den Regi­on eine min­des­tens 7 Zen­ti­me­ter dicke Schicht von 0,5 bis 1,0 Zen­ti­me­ter gro­ßem gewür­fel­ten elas­ti­schen Schaum­stoff auf­ge­bracht. Für die OT erläu­tert Mar­tin Morand, Mas­seur und Fach­leh­rer MLD/KPE sowie Ideen­ge­ber und Ent­wick­ler der IPK+-Methode, das Ver­fah­ren, stellt die Vor­tei­le her­aus und gibt Ein­blick in die zen­tra­len Ergeb­nis­se der vor Kur­zem erschie­ne­nen Studie.

OT: Bei der Behand­lung von Patient:innen mit Erkran­kun­gen des Venen- und Lymph­ge­fäß­sys­tems gilt die IPK als Stan­dard­maß­nah­me. Inwie­fern unter­schei­det sich das IPK+-Verfahren?

Mar­tin Morand: Alle Patient:innen, die bereits von IPK pro­fi­tie­ren, kön­nen auch mit IPK+ behan­delt wer­den. IPK in tra­di­tio­nel­ler Arbeits­wei­se ange­wen­det ist ins­be­son­de­re dort, wo eine opti­ma­le Ver­sor­gung einer Bevöl­ke­rung mit kom­bi­nier­ter Ent­stau­ungs­the­ra­pie, wie wir die­se z. B. aus Deutsch­land ken­nen, eine weit ver­brei­te­te, wenn nicht sogar eta­blier­te Behand­lungs­me­tho­de. Betrach­tet man aber IPK im Ver­gleich zu den Ergeb­nis­sen, die IPK+ her­vor­brin­gen kann, zeigt sich, dass eine Behand­lung ledig­lich mit IPK nicht unbe­dingt als gute Lösung zu sehen ist. Ins­be­son­de­re kön­nen die Pati­en­ten­grup­pen, die Manu­el­le Lymph­drai­na­ge und Kom­ple­xe phy­si­ka­li­sche Ent­stau­ungs­the­ra­pie aktu­ell als den Gold­stan­dard ein­schät­zen, bei einem Umstieg hin zu IPK+ von einem erheb­li­chen Mehr­wert pro­fi­tie­ren. Dabei den­ke ich an Effek­te wie eine deut­lich stär­ke­re Ödem­ab­nah­me, Locke­rung von krank­haft ver­här­te­tem Gewe­be und dar­an, dass Kör­per­be­rei­che ent­staut wer­den, die mit dem Ein­satz von IPK allei­ne noch nicht ein­mal erreicht wer­den. Eine gro­ße Freu­de berei­tet es mir, mit der IPK+-Methode ein sehr kos­ten­güns­ti­ges Ver­fah­ren ent­wi­ckelt zu haben, denn welt­weit fin­det sich eine Unzahl von Men­schen mit lymphan­gio­lo­gi­schen Öde­m­er­kran­kun­gen, denen jeg­li­cher Zugang zu wir­kungs­vol­len Behand­lungs­an­ge­bo­ten fehlt oder, falls ver­füg­bar, für eine dort leben­de Nor­mal­be­völ­ke­rung schier unbe­zahl­bar sind. Unbe­han­delt besteht die Gefahr von schwer­wie­gen­den Kon­se­quen­zen für das Leben Betrof­fe­ner und deren Ange­hö­ri­ge. Es soll nicht der fal­sche Ein­druck ent­ste­hen, dass IPK+ die­se Pro­bleme voll­stän­dig lösen könn­te, aber bei Betrach­tung der bereits aktu­ell bekann­ten star­ken Wir­kun­gen kann sich fall­be­zo­gen der Ein­satz von IPK+ als gro­ßer Gewinn er­weisen, vor­aus­ge­setzt, dass eine gewis­se zur Lymph­ödem­the­ra­pie gehö­ri­ge Infra­struk­tur vor Ort gewähr­leis­tet ist.

OT: Als Mate­ri­al wur­de Schaum­stoff aus­ge­wählt. Wel­che Eigen­schaf­ten überzeugen?

Morand: Indus­tri­ell gefer­tig­te Schaum­stof­fe kön­nen in allen gewünsch­ten Fes­tig­keits­gra­den bezo­gen wer­den und bewäh­ren sich sehr gut als haut­ver­träg­li­ches und preis­wer­tes Mate­ri­al, das auch bereits seit Jahr­zehn­ten unter Kom­pres­si­ons­ver­bän­den ein­ge­setzt wird. Ent­deckt wur­den bei die­sem Zusam­men­wir­ken posi­ti­ve Effek­te sowohl bezüg­lich einer Ödem­ver­drän­gung als auch sol­che zur Gewe­be­mo­bi­li­sa­ti­on krank­haft ver­här­te­ten Gewe­bes. Kos­ten­güns­tig ist Schaum­stoff auch des­halb, weil er sich selbst unter hoher Belas­tung als sehr halt­bar erweist. Eine sie­ben Tage pro Woche ver­wen­de­te IPK+-Multifunktionspolsterung, die auch einer Koch­wä­sche unter­zo­gen wer­den kann, hält je nach Typ drei bis fünf Jah­re. Möch­te man gezielt eine Druck­über­tra­gung von der IPK-Man­schet­te auf ein bestimm­tes Are­al errei­chen, gelingt dies nur unter Zuhil­fe­nah­me eines elas­ti­schen Mate­ri­als. Wenn man die soeben genann­ten Vor­zü­ge mit­ein­be­zieht, erscheint Schaum­stoff für IPK+ gera­de­zu ide­al geeig­net zu sein. Als wei­te­ren Vor­teil sehe ich die von vie­len Schaum­stof­fen aus­ge­hen­de Elek­tro­sta­se, denn beim Expe­ri­men­tie­ren mit vie­len ver­schie­de­nen elas­ti­schen Stof­fen fes­tig­te sich bei mir die Über­zeu­gung, dass man bei mit elek­tro­sta­ti­schen Eigen­schaf­ten aus­ge­stat­te­ten Mate­ria­li­en bes­se­re Ent­stau­ungs­re­sul­ta­te erzielt als bei sol­chen mit anti­sta­ti­schen. Pra­xis­tests, bei denen ein- und der­sel­be Schaum­stoff zum einen in einer elek­tro­sta­ti­schen (A) sowie zum ande­ren in einer anti­sta­ti­schen (B) Vari­an­te ver­wen­det wur­de, erbrach­ten, dass A eine signi­fi­kant stär­ke­re ödem­ver­drän­gen­de Wir­kung als B ent­fal­tet. Die Grün­de für die­se unterschied­­lichen Reak­tionsweisen sind bis­lang nicht geklärt.

Hohe ödem­ver­drän­gen­de Wirkung

OT: Wel­che Vor­tei­le bie­tet das IPK+-Verfahren?

Morand: An ers­ter Stel­le sehe ich die augen­schein­lich unge­wöhn­lich star­ke ödem­ver­drän­gen­de Wir­kung; die­se ist im Ver­gleich zu IPK in tra­di­tio­nel­ler Arbeits­wei­se und Manu­el­ler Lymph­drai­na­ge um ein Viel­fa­ches höher. Die Wir­kung stei­gert sich, je län­ger die Anwen­dung dau­ert. Der Rekord liegt bei der Behand­lung einer Pati­en­tin mit aus­ge­präg­ten Lipo-Lymph­öde­men bei­der Bei­ne über sechs Stun­den bei 5,2 Liter. IPK+ wirkt zwei­tens auch dort, wo her­kömm­li­che IPK nach­weis­lich nicht erfolg­reich ist. So ist es mög­lich, auch über die ipsi­la­te­ra­len Rumpf­quadranten hin­aus Öde­me zu Gebie­ten mit suf­fi­zi­en­tem Lymph­ge­fäß­sys­tem hin zu ver­drän­gen, und es gelingt sogar eine wir­kungs­vol­le Ent­stau­ung aus dem Geni­tal­be­reich. Drit­tens bewirkt IPK, die mit einer Man­schet­te auf einer im auf­ge­bla­se­nen Zustand glat­ten, fes­ten Ober­flä­che durch­ge­führt wird, kei­ne Locke­rung krank­haft ver­här­te­ter Haut, eine sehr wich­ti­ge Auf­ga­be inner­halb der Kom­ple­xen Ent­stau­ungs­the­ra­pie. Wird jedoch eine in sich insta­bi­le, ca. sie­ben Zen­ti­me­ter star­ke Schicht, bestehend aus ca. drei Mil­li­me­ter klei­nen Schaum­stoff­wür­feln, inter­mit­tie­rend in den epi­fas­zia­len Gewe­be­zy­lin­der gedrückt, wer­den Scher­kräf­te indu­ziert. Nach sol­chen Sit­zun­gen zeigt sich eine Lympho­statische Fibro­se oder Nar­be als deut­lich gelo­ckert und ent­staut. Vie­le Patient:innen wer­den unter Zuhil­fe­nah­me einer Hosen­man­schet­te nach Maß­an­fer­ti­gung behan­delt, acht nicht über­lap­pen­de Kam­mern plus der einen für den unte­ren Rumpf­be­reich schei­nen zu genü­gen. Daher zwölf über­lap­pen­de Kam­mern plus der einen schei­nen nicht unbe­dingt not­wen­dig. Hypo­the­tisch bleibt, ob über IPK+ ­direkt oder indi­rekt indu­zier­te Scher­kräf­te in Ver­bin­dung mit einem ther­mi­schen Reiz über die lockern­de Wir­kung hin­aus eine Reduk­ti­on der Vis­ko­si­tät von eiweiß­rei­cher Ödem­flüs­sig­keit bewirkt wird, was sich vor­teil­haft für einen schnel­le­ren Abtrans­port erwei­sen könn­te. Nun noch zum Schluss: Betrach­tet man das Haut­bild nach der IPK+-Anwendung, zeigt sich ein dich­tes Ras­ter, bestehend aus einer Unzahl win­zi­ger Kra­ter, ein Stem­pel­bild indu­ziert unter dem Wir­ken Aber­tau­sen­der klei­ner Schaum­stoff­wür­fel­chen. Ohne Über­trei­bung darf man dabei im Ver­gleich zu tra­di­tio­nell ange­wand­ter IPK auf min­des­tens eine Ver­dop­pe­lung der Behand­lungs­flä­che schließen.

OT: Wie erklä­ren Sie sich den ver­bes­ser­ten Entstauungseffekt?

Morand: Die­se span­nen­de Fra­ge kann zur­zeit nur hypo­the­tisch beant­wor­tet wer­den: Lymph­öde­me, aber noch viel mehr Öde­m­er­kran­kun­gen, ver­ur­sacht bzw. beglei­tet von akut ent­zünd­li­chen Pro­zes­sen, womög­lich sogar ver­ge­sell­schaf­tet mit Häma­to­men, wei­sen eine gewis­se Vis­ko­si­tät auf. Das liegt an dem hohen Eiweiß­ge­halt, wes­halb reich­lich bio­lo­gi­sche Poly­me­re in der Ödem­flüs­sig­keit vor­han­den sind. Ein sol­ches Flu­id ist, bio­che­misch bzw. bio­phy­si­ka­lisch betrach­tet, ein nicht-New­ton­sches Flu­id mit dem Ver­hal­ten einer Struk­tur­vis­ko­se. Wenn die­se Scher­kraft aus­ge­setzt wird, tritt ein „scher­ver­dün­nen­der“ Effekt ein, der in der Rheo­lo­gie unter der Bezeich­nung „pseu­do­pla­s­tic“ schon lan­ge bekannt ist. Gepaart mit ther­mi­schem Reiz, der durch die von den dick­wan­di­gen Pols­te­run­gen zum Ödem hin reflek­tier­ter Kör­per­wär­me bedingt ist, erklärt sich zudem auch eine erhöh­te Kine­tik des Flui­des. So ver­flüs­sigt sorgt der fort­lau­fen­de auf das Ödem ein­wir­ken­de inter­mit­tie­ren­de Druck für einen Abfluss durch die sehr klei­nen Gewe­be­spal­ten, wo wei­te­re Sche­rung erfolgt und auch Abris­se der Mole­ku­lar­ket­ten mög­lich erschei­nen. Dar­über hin­aus könn­te über den soeben schon erwähn­ten ther­mi­schen Reiz, aber auch durch eine Unzahl klei­ner Schaum­stoff­wür­fel, die auf den Haut­man­tel ein­wir­ken und punk­tu­el­le Drü­cke hin­ter­las­sen, eine Sti­mu­la­ti­on der Lymph­ge­fä­ße mög­lich sein. Unter der Fül­le die­ser soeben beschrie­be­nen Vor­gän­ge kommt es auch zu einer deut­lich spür­ba­ren Locke­rung der Haut, was sich für die Ent­stau­ung för­der­lich zu erwei­sen scheint. Eine Behand­lung unter Hoch­la­ge­rung und eine sich unter IPK häu­fig ein­stel­len­de Ent­span­nung bis hin zu tie­fem Schlaf sind eben­so als unter­stüt­zen­de Fak­to­ren nicht zu unterschätzen.

OT: Bei wel­chen Dia­gno­sen kommt die Behand­lung infra­ge? Gibt es Kon­tra­in­di­ka­tio­nen? Wann eig­nen sich klas­si­sche IPK oder ande­re Ent­stau­ungs­me­tho­den besser?

Morand: Von IPK+ kön­nen alle Patient:innen pro­fi­tie­ren, für die bereits eine leit­li­ni­en­ori­en­tier­te evi­denz­ba­sier­te MLD/KP-Zwei­pha­sen­the­ra­pie emp­foh­len wird. Wie kon­kret IPK+ und MLD/KPE kom­bi­niert wer­den, lässt sich nicht pau­schal beant­wor­ten. Jedoch kön­nen sich näher Inter­es­sier­te ein Bild über mei­ne Web­site ver­schaf­fen, auf der zwölf Anwen­dungs­be­ob­ach­tun­gen zu fin­den sind. Dar­über hin­aus habe ich posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen von Athlet:innen erhal­ten, die von IPK zu IPK+ gewech­selt haben, um die Metho­de wei­ter­hin in der Reha­bi­li­ta­ti­on nach Trai­ning und Wett­kampf zu nut­zen. Ansons­ten kön­nen alle Betrof­fe­nen, für die bereits IPK infra­ge kommt, prü­fen, ob sich über eine Erwei­te­rung hin zu IPK+ ein Mehr­wert ergibt. Zum zwei­ten Teil Ihrer Fra­ge: Sowohl für IPK wie auch für IPK+ trifft zu, dass es sich um siche­re The­ra­pie­maß­nah­men han­delt und die Kon­tra­in­di­ka­tio­nen gemäß der IPK-Leit­li­nie kei­nen Unter­schied ausweisen.

Aktu­el­le Studienlage

OT: Kürz­lich wur­de die Stu­die „Opti­mi­sa­ti­on of inter­mit­tent pneu­ma­tic com­pres­si­on in pati­ents with lymph­oede­ma of the legs“ ver­öf­fent­licht, die den Effekt der Metho­de belegt. Wie war die Stu­die auf­ge­baut, und was sind die zen­tra­len Ergebnisse?

Morand: Herr Prof. Dr. Micha­el Jün­ger, Uni­ver­si­täts­me­di­zin Greifs­wald, besuch­te mich im Mai 2019, was auf sei­ne Initia­ti­ve hin geschah. Mein Team und ich demons­trier­ten ihm mei­ne Metho­de an vier Patient:innen, die­se unter­such­te er unmit­tel­bar vor und nach einer 60-minü­ti­gen IPK+-Behandlung. Ich zeig­te ihm von mir bereits ver­öf­fent­lich­te Ergeb­nis­se eines in 12/2017 durch­ge­führ­ten Pra­xis­tests, in dem die Wir­kung zwi­schen IPK und IPK+ im Hin­blick auf die ödem­ver­drän­gen­de Wir­kung ver­glichen wur­de. Deut­lich erkenn­bar konn­te im Bereich des Knies und der Leis­te nach 60-minü­ti­ger IPK eine deut­liche Ödem­zu­nah­me gemes­sen wer­den, wäh­rend im Gegen­teil unter Anwen­dung von IPK+ eine deut­li­che Abnah­me fest­ge­stellt wer­den konn­te. Gro­ße Freu­de berei­te­te mir Prof. Jün­ger, in dem er schnell eine Ver­bin­dung zwi­schen Ergeb­nis­sen einer in 2013 ver­öf­fent­lich­ten Arbeit von M. Zaleska, WL. Olszew­ski et al. her­stel­len konn­te. Er resü­mier­te, dass in deren Unter­su­chung eine ver­min­der­te Wir­kung der IPK im Knie­be­reich und der Leisten­region nach­ge­wie­sen wur­de. Er erklär­te mir, wie es aus sei­ner Sicht mög­lich sei, dass man über das Hin­zu­fü­gen von Pols­te­rung zur IPK die­ses Pro­blem über­win­den kön­ne. Das bescher­te mir, dem die­se Stu­die bis dato noch nicht bekannt war, einen freu­di­gen Gän­se­haut­ef­fekt. In der Greifs­wal­der Pu­blikation wird die­ser Punkt sehr anschau­lich dar­ge­stellt. Ers­tens: Unter Beru­fung auf das Laplace-Gesetz, womit sich über ana­to­mi­schen Eng­stel­len ein ver­min­dert auf­tre­ten­der Druck erklärt, stellt die Greifs­wal­der Arbeits­grup­pe fest, dass über die mit­tels Pols­te­rung erreich­te mor­pho­lo­gi­sche Ver­än­de­rung der Aus­gleich im Knie- und Leis­ten­be­reich gelingt. Zwei­tens: Mit Ver­weis wird auf die Stu­die von Olszew­ski als ein wei­te­rer Grund eine Ver­min­de­rung der ­Durch­läs­sig­keit in den Flüs­sig­kei­ten füh­ren­den Räu­men ange­ge­ben, wel­ches durch eine ver­fes­tig­te Haut erklärt wird. Legt man nun zugrun­de, dass das Ziel einer Durch­lo­cke­rung fibro­ti­sier­ten Gewe­bes im Gegen­satz zu IPK über IPK+ sehr gut erreicht wird, schließt sich hier mög­li­cher­wei­se der Kreis.
Wei­ter­hin erfreu­lich sind die in Greifs­wald fest­ge­stell­ten, deut­lich bes­se­ren Ergeb­nis­se von IPK+ im Hin­blick auf die ödem­ver­drän­gen­de Wir­kung im Ver­gleich zu IPK. Aller­dings waren hier­bei noch kei­ne wirk­lich aus­sa­ge­kräf­ti­ge­ren Ergeb­nis­se zu erwar­ten, weil die­ses 18 Patient:innen umfas­sen­de Kol­lek­tiv mit Lymph­öde­men der Bei­ne bereits eine leit­li­ni­en­ori­en­tier­te, evi­denz­ba­sier­te Ent­stau­ungs­the­ra­pie bis zu einem Volu­men­mi­ni­mum und nach­weis­ba­rer Ödem­re­duk­ti­on erfah­ren hat­te. Erst nach die­sem Ein­tre­ten erfolg­te dann die Ent­stau­ungs­the­ra­pie mit­hil­fe von IPK+ und ver­gleichs­wei­se mit IPK allei­ne. Bedau­er­lich fin­de ich, dass abwei­chend von mei­ner Emp­feh­lung nicht das opti­ma­le Mate­ri­al zur Ver­wen­dung kam. Laut Beschrei­bung der Autor:innen wur­den ent­stau­te Lymphödempatient:innen the­ra­piert. Da darf man sicher unter­stel­len, dass Rest­öde­me aus fes­ter Lym­pho­sta­ti­scher Fibro­se ent­staut wur­den. Nach mei­ner Mei­nung hät­te man mit Pols­te­run­gen, die mit klei­ne­ren Wür­fel­chen aus fes­te­rem Mate­ri­al bestan­den, noch deut­lich mehr her­aus­ho­len kön­nen, was man auch in mei­ner von den Greifs­wald­ern im Lite­ra­tur­ver­zeich­nis zitier­ten Publi­ka­ti­on hät­te ent­neh­men kön­nen. Dort fin­det sich auch die Lösung zu einem wei­te­ren in der Publi­ka­ti­on geschil­der­ten Pro­blem, näm­lich, dass das nach dem Auf­zie­hen von Pols­te­run­gen geschaf­fe­ne zusätz­li­che Volu­men es nicht mehr ermög­lich­te, die Man­schet­ten bei 6 der 18 Proband:innen zu ver­schlie­ßen, was zu deren Aus­schluss aus der Unter­su­chung führ­te. Man­schet­ten nach Maß bzw. ein Zurück­grei­fen auf Erweiterungsein­sätze hät­ten hier Abhil­fe geschaffen.
Die geschil­der­ten Pro­ble­me wären aus mei­ner Sicht ver­meid­bar gewe­sen, wenn wie­der­holt von mir ange­bo­te­ne Hil­fe in Anspruch genom­men wor­den wäre. Wie und was nach der Bereit­stel­lung von 50 von Hand gefer­tig­ten Pols­te­run­gen und einer in Greifs­wald durch­ge­führ­ten Schu­lung der Mitarbeiter:innen geschah, lief ohne mein Ein­schal­ten im Ver­bor­ge­nen. Einen ange­mes­se­nen Hin­weis auf mich als Ent­wick­ler der Metho­de und wer den Begriff IPK+ ein­führ­te, sucht man in der Publi­ka­ti­on ver­geb­lich. Aber trotz der aus mei­ner Sicht auch kri­ti­schen Punk­te kann ich sagen, dass es mir nach einem lan­gen Weg der Ent­wick­lungs- und The­ra­pie­ar­beit eine gro­ße Zufrie­den­heit und Freu­de berei­tet, dass der IPK+-Methode in einer ers­ten Stu­die eine signi­fi­kan­te Über­le­gen­heit gegen­über der IPK in her­kömm­li­cher Arbeits­wei­se bestä­tigt wird. Die­se und die bis­her durch­weg posi­ti­ven Rück­mel­dun­gen von Expert:innen aus der Gefäß­me­di­zin las­sen hof­fen, dass das Ver­fah­ren wis­sen­schaft­lich wei­ter vor­an­ge­trie­ben wird.

OT: Kann es Neben­wir­kun­gen geben?

Morand: Bei sorg­fäl­ti­ger Indi­ka­ti­ons­stel­lung, Beach­tung der Kon­tra­in­di­ka­tio­nen sowie kor­rek­ter Anwen­dung des Gerä­tes han­delt es sich bei der IPK um eine siche­re The­ra­pie­maß­nah­me. So steht es in der aktu­el­len IPK-Leit­li­nie. Die­se Aus­sa­ge ist für IPK+ eben­so zutref­fend. Sehr sel­ten kommt es im Kon­takt mit Schaum­stof­fen zu haut­all­er­gi­schen Reaktionen.

OT: Wird auch Kri­tik an der Metho­de geäußert?

Morand: Gele­gent­lich wer­den Befürch­tun­gen dahin­ge­hend geäu­ßert, dass eine Ödem­ver­la­ge­rung von den Ex­tre­mitäten in die ipsi­la­te­ra­len Rumpf­qua­dran­ten, ins­be­son­de­re in den Geni­tal­be­reich, erfol­gen könn­te. Das ist bei der tra­di­tio­nell ange­wand­ten IPK durch­aus mög­lich, wes­halb die IPK-Leit­li­nie emp­fiehlt, die Metho­de bei Patient:innen mit schwe­ren okklu­die­ren­den Pro­zes­sen bzw. Öde­men im Geni­tal­be­reich nicht anzu­wen­den. Genau das Gegen­teil tritt ein, wenn mit IPK+ behan­delt wird, denn es ist in einer Viel­zahl von Fäl­len noch immer gelun­gen, auch im Rumpf und Geni­tal­be­reich eine effek­ti­ve Ent­stau­ung her­bei­zu­füh­ren. In dem Zusam­men­hang zei­ge ich bei Vor­trä­gen und im Inter­net Bild­ma­te­ri­al, auf dem gut erkenn­bar ein Geni­tal­lymph­ödem in 90 Minu­ten voll­stän­dig ent­staut wur­de. Mit die­sem Beweis kann die oben genann­te Befürch­tung aus­ge­räumt wer­den. Erfreu­li­cher­wei­se ist mir bis­her kei­ne anders gear­te­te Kri­tik bekannt geworden.

OT: Wel­che Fra­gen sind noch offen? Wird es Fol­ge­stu­di­en geben?

Morand: Auch mit Ver­weis auf mei­ne umfas­sen­de Dar­stel­lung der von den Fach­leu­ten akzep­tier­ten IPK+-Methode u. a. im Inter­net fehlt ein Weg­wei­ser, IPK+ in die Leh­re ein­zu­brin­gen und Betrof­fe­nen zugäng­lich zu machen. Es wäre fer­ner not­wen­dig, dass die zu IPK+ gehö­ren­den Mul­ti­funk­ti­ons­pols­te­run­gen indus­tri­ell gefer­tigt wer­den. Initia­ti­ven für wei­te­re Stu­di­en und not­wen­di­ge finan­zi­el­le Mit­tel sind für mich am ehes­ten aus dem ent­spre­chen­den Umfeld denk­bar. Dies­be­züg­lich sind bis jetzt kei­ne Initia­ti­ven in Sicht, die aber jeder­zeit will­kom­men wären. Die Fra­ge zu Fol­ge­stu­di­en habe ich an den Prä­si­den­ten der DGPL, Herrn Prof. Dr. Mar­kus Stü­cker, wei­ter­ge­lei­tet, der IPK+ ein­mal in dem Fach­ma­ga­zin „Vaso­med“ als Inno­va­ti­on ein­ge­stuft hat. Ich zitie­re ihn: „Lei­der sind mir der­zeit kei­ne Fol­ge­stu­di­en bekannt. Inter­es­sant wären aber Stu­di­en, die die her­kömm­li­che IPK und Ihre IPK-Tech­nik direkt in einer pro­spek­ti­ven ran­do­mi­sier­ten Stu­die mit­ein­an­der ver­glei­chen und auch sol­che, die sich mit den ver­schie­de­nen Vari­an­ten Ihrer Tech­nik mit unter­schied­li­chen Druck­wer­ten, Zyklus­län­gen und Behand­lungs­zei­ten beschäf­ti­gen. Für inno­va­ti­ve For­schungs­pro­jek­te wie Ihres ist die Wahr­schein­lich­keit einer För­de­rung sehr hoch.“

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

 

Tei­len Sie die­sen Inhalt