Dabei nimmt die Prävalenz der Harninkontinenz mit dem Alter drastisch zu. Unkontrollierbarer Harnverlust beeinflusst die Lebensqualität der Betroffenen in der Geriatrie massiv; Scham und Heimlichkeit beeinträchtigen deren Lebenswirklichkeit. Der Artikel erörtert, inwiefern das Problem durch kompetente Beratung und Aufklärung sowie durch den individuellen Einsatz geeigneter Hilfsmittel und spezifischer Maßnahmen positiv beeinflusst werden kann.
Einleitung
Die Fähigkeit zur Kontinenz, also die willentliche Steuerung der Ausscheidungen zur geeigneten Zeit und am passenden Ort, ist ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität aller Menschen und wird bereits in der frühen Kindheit trainiert. Weltweit sind Millionen Menschen von Harninkontinenz betroffen. Bezogen auf Deutschland geht man von ca. zehn Millionen Betroffenen aus; die Dunkelziffer mag bedingt durch die Tabuisierung sogar noch höher liegen.
Auftreten und Schweregrad einer Inkontinenz sind altersabhängig; die Prävalenz nimmt mit dem Lebensalter deutlich zu. Bei Frauen im Alter von 40 Jahren leiden 7,6 Prozent, bei 40-jährigen Männern nur 1,7 Prozent an Inkontinenz; bei Achtzigjährigen dagegen liegt die Befundung jeweils bei 40 Prozent 1. Bereits im Jahr 2007 stellte das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) nach einjähriger Zusammenarbeit den nationalen Expertenstandard „Förderung der Harnkontinenz in der Pflege“ vor, der im Jahr 2014 aktualisiert wurde. Kernvorgabe des Standards: Bei jedem Patienten bzw. Bewohner wird die Harnkontinenz erhalten oder gefördert; eine identifizierte Harninkontinenz wird beseitigt, weitestgehend reduziert bzw. kompensiert 2.
Nomenklatur der Harninkontinenz
Die International Continence Society (ICS) unterscheidet folgende Formen der Harninkontinenz 3:
Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz)
Dabei handelt es sich um Harnabgang durch körperliche Belastung. Symptom ist ein tropfenweiser bis starker Harnverlust bei körperlicher Anstrengung, ohne dass ein Harndrang vorliegt.
- Grad I: beim Husten, Niesen oder Lachen
- Grad II: beim Heben, Treppensteigen oder Aufstehen
- Grad II: im Liegen
Die Blasenschwäche tritt bei Frauen häufiger auf als bei Männern, da bei Letzteren die Prostata im Normalfall den Blasenverschluss unterstützt. Ursachen der Belastungsinkontinenz:
- Schwäche des Beckenbodens, z. B. nach Geburten
- Bindegewebsschwäche
- Folge von Operationen
- Entfernung des Schließmuskels (Sphinkter) bei Prostatektomie
Dranginkontinenz
Die überaktive Blasenmuskulatur sorgt dafür, dass die Blase (trotz eines intakten Verschlussmechanismus) keine größere Menge Harn speichern kann. Bereits eine geringe Füllmenge der Blase führt zu Harndrang. Ursachen der Dranginkontinenz:
- neurologische Erkrankungen, z. B. Multiple Sklerose
- Harnwegsinfektionen
- Blasensteine oder Tumore
- degenerative Erkrankungen
Überlaufinkontinenz
Bei der Überlaufinkontinenz fehlt der Entleerungsreflex, und es liegt ein zu starker Harnröhrenwiderstand vor. Typische Symptome sind Beschwerden bei der Blasenentleerung, Startschwierigkeiten, ein abgeschwächter Urinstrahl sowie Nachträufeln nach Beendigung des Wasserlassens. Ursachen der Überlaufinkontinenz:
- Prostatahyperplasie
- Blasensteine
- Tumore
- Urethrastrikturen (Harnröhrenverengungen)
Reflexinkontinenz
Neurogene Entleerungsstörungen sind häufig mit einem hohen Blaseninnendruck verbunden. Ursache dafür ist eine Störung der Übertragung der Nervenimpulse aus dem Gehirn auf die Steuerung der Blasenmuskulatur. Die dadurch vorliegende teilweise oder vollständige Fehlsteuerung der Blase und des Schließmuskels kann zu einem unkontrollierbaren Harnverlust führen, bei dem Restharn zurückbleibt. Ursachen der Reflexinkontinenz:
- Verletzung/Unterbrechung der Nervenbahnen, z. B. durch Querschnittlähmung
- Tumore
- Multiple Sklerose
- Morbus Parkinson
Extraurethrale Inkontinenz
Dabei handelt es sich um organische Fehlbildungen, durch die Urin abgeht, z. B. angeborene Fisteln. Mischformen treten besonders bei Belastungs- und Dranginkontinenz auf.
Diagnostik
Wichtig für die Einschätzung einer vorliegenden Harninkontinenz ist eine differenzierte Anamnese 4. Neben der körperlichen Untersuchung durch den behandelnden Arzt gilt es in Kooperation mit allen Beteiligten die unten aufgeführten Fragestellungen einfühlsam zu thematisieren. Viele Betroffene leiden seit Jahren unter ihrer Problematik; deshalb gilt es sensibel zu erheben, seit wann das Problem besteht und ob es ggf. einen Auslöser gegeben hat. Folgende Gesichtspunkte sollten dabei angesprochen und der Status quo geklärt werden
- Dauer: Hat sich das Kontinenzproblem im Laufe der Zeit verschlimmert? In Bezug auf Therapien im Vorfeld: Wurden in der Vergangenheit bereits Gegenmaßnahmen eingeleitet, und mit welchem Erfolg? Die Beantwortung dieser Frage ist wichtig, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Darüber hinaus können erste Hinweise auf möglicherweise bereits durchgeführte, aber erfolglose Therapieangebote eruiert werden.
- Aktuelle Medikation: Insbesondere bei älteren und chronisch kranken Menschen gilt es, detailliert die Wirkstoffe der individuellen Medikation zu analysieren, da z. B. die Einnahme eines Diuretikums den Harndrang beeinflusst.
- Trinkverhalten: Hat der Betroffene Erfahrungen mit u. U. harntreibenden Getränken? Wie ist die Trinkmenge über den Tag verteilt, gibt es Vermeidungsstrategien? Häufig ist eine radikale Reduzierung der Trinkmenge zu beobachten.
- Stuhlgewohnheiten: Wie sind die Stuhlgewohnheiten? Auch eine Obstipation ist ein Risikofaktor für eine Harninkontinenz. Deshalb gilt es zu erfragen, wie es sich mit Stuhlkonsistenz und ‑frequenz in der Woche verhält und ob es möglicherweise Defäkationsprobleme gibt. Obstipation, häufig auch Kotsteine, können einen starken Druck ausüben und dadurch den Harndrang auslösen.
- Eingesetzte Hilfsmittel: Werden bereits entsprechende Materialien eingesetzt? Werden diese verordnet oder selbst finanziert? Häufig werden aufgrund von Scham oder nicht ausreichender Information ungeeignete Produkte wie Toilettenpapier oder Produkte aus dem Bereich der Monatshygiene eingesetzt. Dies kann unter anderem Hautirritationen zur Folge haben.
- Kognitive Einflussfaktoren: Liegen kognitive Einschränkungen vor? Das Hauptaugenmerk sollte dabei auf folgende Aspekte gelegt werden: Wird der Harndrang vom Betroffenen richtig interpretiert? Besteht die Fähigkeit, die Toilette selbstständig aufzusuchen und den Toilettengang eigenständig durchzuführen? Benötigt der Betroffene Anleitung bzw. ist er in der Lage, sie umzusetzen?
- Umgebungsfaktoren und Mobilität: Im Kontext der ersten Anamnese stellt die Umgebung einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar. Wie ist die Toilette erreichbar, kann sie alleine aufgesucht werden? Gibt es eventuell Hindernisse auf dem Weg dorthin? Welche Distanzen müssen überwunden werden? Wie sind die Lichtverhältnisse? Werden bereits entsprechende Hilfsmittel eingesetzt und können sie eigenständig gewechselt werden?
- Psychosoziale Auswirkungen: Der Leidensdruck kann bei vielen Betroffenen immens sein und dadurch zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen. Viele verheimlichen ihr Problem aus Angst und Scham. In diesem Zusammenhang ist die Klärung folgender Fragen wichtig: Welche Auswirkungen hat die Kontinenzstörung auf die Partnerschaft? Wie sind insgesamt die sozialen Strukturen des Patienten beschaffen?
- Miktionsprotokoll: Das Führen eines Miktionsprotokolls stellt ein wichtiges Instrument zur objektiven Einschätzung der Harninkontinenz und damit zur Bestimmung der Auswahl an kontinenzfördernden Maßnahmen dar.
Des Weiteren sollte im Vorfeld der Behandlung eine Harnwegsinfektion (HWI) stets ausgeschlossen werden, da diese häufig der Grund für eine Harninkontinenz ist. Mögliche Symptome einer HWI können Brennen beim Wasserlassen, Pollakisurie (häufiges Wasserlassen in kleinen Mengen), ständiger Harndrang sowie stark riechender Urin sein. Auch eine Temperaturerhöhung bzw. Fieber können mit einem akuten Harnwegsinfekt einhergehen. Der behandelnde Arzt entscheidet in jedem Fall bei einem positiven Ergebnis, welche Methode angewendet werden soll. Ein weiteres organisches Problem – die Blase wird nicht vollständig entleert, und es verbleibt Restharn – kann am einfachsten und schonendsten durch eine sonografische Bestimmung nach erfolgter Blasenentleerung diagnostiziert und ausgeschlossen werden. Diese Methode ist schonender als die Restharnbestimmung mittels Einmalkatheter. Das Abklären durch eine Sonografie ist deshalb sinnvoll, weil Restharn zu Infektionen und Nierenschädigungen führen kann. Als therapiebedürftig gilt bei diesem organischen Problem ein Restharn zwischen 100 und 200 ml.
Schweregrad der Harninkontinenz
Aufschluss über den Schweregrad der Harninkontinenz bietet der 24-Stunden-Vorlagen-Gewichtstest. Dabei wird die Gewichtsdifferenz zwischen gebrauchter und ungebrauchter Vorlage ermittelt. Dieser Test kann auch genutzt werden, um die Versorgung mit saugenden Materialien zu optimieren oder den Therapieverlauf zu evaluieren. Die von der Expertengruppe entwickelten Kontinenzprofile liefern einen Ausgangspunkt und leisten Hilfestellung beim Festlegen und der Auswahl der angestrebten Ziele (Tab. 1). Da es u. U. Unterschiede zwischen der Tag- und der Nachtsituation geben kann, wird angeregt, eine Differenzierung vorzunehmen 2.
Versorgungsformen
Generell wird zwischen saugenden und ableitenden Versorgungsformen unterschieden.
Saugende Materialien
Die Fülle an saugenden Materialien ist groß. Dabei werden drei Produktgruppen unterschieden: Vorlagen für Urininkontinenz, anatomische Vorlagen und geschlossene Systeme. Bei der Auswahl sollte das Hauptaugenmerk auf die individuellen Bedürfnisse des Betroffenen gelegt werden. Generell sind Produkte vorzuziehen, die im Saugkörper einen Superabsorber besitzen. Dieser zeichnet sich durch eine hohe und schnelle Flüssigkeitsabsorption aus. Er bindet die Flüssigkeit im Kern, indem sie in Gel umgewandelt wird. Dies sorgt für ein trockenes Tragegefühl und hemmt die Geruchsbildung. Ebenso sollte auf die Atmungsaktivität der Produkte geachtet werden, damit es zu einer optimalen Luftzirkulation kommt und Hautirritationen vorgebeugt werden kann. Diese Materialien knistern nicht und sind somit besonders diskret 3.
Ableitende Materialien
Ableitende Materialien sollten nur nach ärztlicher Abklärung und Anordnung zum Einsatz kommen. Im Folgenden werden die wichtigsten davon vorgestellt.
- Kondom-Urinale: Für Männer stehen Kondom-Urinale zur Verfügung. Auch hier ist die Bandbreite der auf dem deutschen Markt erhältlichen Produkte vielfältig. Um eine optimale Hautverträglichkeit sicherzustellen, bestehen die Kondome in den meisten Fällen aus Silikon. Da herstellerspezifisch unterschiedliche Größen und Längen erhältlich sind, muss der Penis vor dem Einsatz abgemessen werden, und zwar am mittleren Bereich des Penisschafts oder an der Stelle des größten Umfangs in nichterigiertem Zustand. Zu jedem Produkt gibt es spezielle Schablonen oder Maßbänder. Die korrekte Anlegemethode muss erlernt werden, damit es zu keinen Misserfolgen kommt. In der Regel können die Betroffenen oder die Angehörigen nach einer kurzen Anleitung das Kondom selbstständig anlegen. An der offenen Spitze des Kondoms können alle herkömmlichen Beutel angeschlossen und der Urin auf der Toilette entleert werden. Es empfiehlt sich (tagsüber) das Tragen eines Beinbeutels, der mit einem Halteband je nach Vorliebe des Betroffen am Unter- oder Oberschenkel getragen wird. Dies ermöglicht eine diskrete Versorgung 5 (Abb. 1).
- Blasenkatheter: Blasenkatheter können zur Förderung oder zum Erhalt der Kontinenz durch das sogenannte Intermittierende (Selbst-)Katheterisieren (ISK) zum Einsatz kommen. Ziel dessen ist es, die Blase regelmäßig und restharnfrei zu entleeren. Dabei kommen Betroffene in Betracht, die z. B. unter einer neurogenen Blasenfunktionsstörung leiden 3. Weitere primäre therapeutische Ziele sind physiologische intravesikale Drücke, Prophylaxe und Rehabilitation von Sekundärveränderungen am Harntrakt sowie Kontinenz unter hygienisch und sozial akzeptablen Bedingungen 6. Es werden nur Produkte empfohlen, die eine optimale Gleitfähigkeit aufweisen, da diese ein sanftes, harnröhrenschonendes Vorgehen erlaubt und somit das Risiko sekundärer Strukturbildung minimiert. Die Gleitschicht kann entweder aus Gel oder aus einer hydrophilen Beschichtung bestehen. Zudem müssen die Katheter eine atraumatische Spitze und abgerundete Katheteraugen aufweisen. Die Produkte unterscheiden sich neben der Beschichtung auch in Länge und Form. Eine diskrete Versorgung und ein optimales Handling für den Betroffenen stehen hierbei im Fokus. Ein ISK-Katheter bietet dem Betroffenen nach einer professionellen Anleitung die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dies steigert die Lebensqualität in erheblichem Maß. Voraussetzung zur Durchführung des ISK ist, dass der Betroffene diese Methode akzeptiert. In Einzelfällen, z. B. bei geriatrischen Patienten, kann auch der sogenannte Intermittierende Fremdkatheterismus (IFK) zum Einsatz kommen (Abb. 2).
- Blasenverweilkatheter: Die Anlage eines Blasenverweilkatheters ist an eine zwingende Indikation gebunden, da katheterassoziierte Harnwegsinfekte das vorrangige Problem dieser Form der Harnableitung darstellen. Es kommen dafür z. B. Personen in Frage, die inkontinenz- oder druck assoziierte Hautschäden aufweisen oder unter anderen körperlichen oder geistigen Einschränkungen leiden und die nicht oder nur sehr schwer mit alternativen Hilfsmitteln zu versorgen sind 2. Die transurethrale Ableitung ist zwar weniger invasiv, bringt aber wie eingangs dargestellt ein erhöhtes Risiko nosokomialer Infektionen mit sich. Ist eine längerfristige Ableitung geplant, wird die suprapubische Harnableitung empfohlen. Dabei ist auch die Möglichkeit der spontanen Miktion gegeben, ebenso ist eine weitgehend ungehinderte Sexualität möglich 4. Beide Formen der Ableitung dürfen nach den Richtlinien des Robert Koch-Instituts ausschließlich mit sterilen geschlossenen Beutelsystemen versorgt werden. Es steht eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme zur Verfügung. Bei immobilen bettlägerigen Betroffenen werden häufig geschlossene Urindrainagesysteme mit einem Fassungsvermögen von bis zu zwei Litern eingesetzt. Sie weisen in der Regel eine belüftete Tropfkammer und eine Probeentnahmestelle sowie eine integrierte Bettbeutelhalterung auf (Abb. 3). Bei mobilen Personen bietet sich auch hier der Einsatz eines Beinbeutels an. Dieser ermöglicht eine diskrete Versorgung, da er unter der Alltagskleidung getragen werden kann. Es stehen Produkte mit unterschiedlichem Fassungsvermögen und verschiedenen Schlauchlängen zur Verfügung, sodass der Betroffene frei entscheiden kann, ob er das System am Unteroder Oberschenkel tragen möchte. Wichtig bei der Auswahl des Systems ist die Konnektionsmöglichkeit am Ablassventil für einen Nachtbeutel, damit keine Diskonnektion am Katheter notwendig ist. Zur Fixierung stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Auswahl; dabei ist den Vorlieben des Betroffenen Rechnung zu tragen. Eine diskrete und einfache Handhabung sollte dabei immer im Vordergrund stehen.
- Katheterventil: Die Möglichkeit der Steuerung der Harnblasenentleerung ist mit einem Katheterventil gegeben, soweit keine Kontraindikationen vorliegen. Die Blase erfüllt dabei weiterhin ihre Speicherfunktion, und die Entleerung kann gezielt über das Ventil erfolgen [7]. Es handelt sich um einen sterilen Verschluss des Blasenkatheters, der zu öffnen und wieder zu schließen ist. Das Ventil kann sowohl beim transurethralen als auch beim suprapubischen Katheter eingesetzt werden (Abb. 4).
Zu den funktionellen anatomischen Hilfsmitteln für Frauen zählen Vaginal‑, Ring und Würfelpessare, Vaginaltampons sowie Urethrastöpsel. Dazu im Einzelnen:
- Pessare: Pessare werden intravaginal getragen und dienen dem Zweck, eine gesenkte Gebärmutter anzuheben. Sie werden neben der nichtinvasiven Therapie beim Prolaps auch bei inkontinenten Patientinnen angewendet. Unterschiedliche Formen, Größen und Materialien stehen zur Verfügung, müssen aber vom Gynäkologen angepasst werden.
- Vaginaltampons: Vaginaltampons können unterstützend zum Beckenbodentraining eingesetzt werden und bestehen in der Regel aus Polyurethanschaumstoff. Sie heben die vordere Blasenwand; der Blasenhals sowie die Muskulatur des Beckenbodens werden gestützt.
- Harnröhrenstöpsel: Ein Harnröhrenstöpsel (auch Urethrastöpsel oder „urethral insert“) ist ein kleiner, gelgefüllter Stab, der bei Frauen im Fall stressbedingter Harninkontinenz zum Einsatz kommt. Er besteht aus einem weichen Ballon, der mit Gel gefüllt ist. Der Harnröhrenstöpsel wird mittels eines Applikators in die Harnröhre eingeführt. Danach kann der Applikator entfernt werden; dadurch dehnt sich das Gel aus und verhindert ein ungewolltes Hinausrutschen. Auf diese Weise wird die Harnröhre verschlossen. Zur Miktion wird der Stöpsel entfernt und verworfen, da es sich um ein steriles Einmalprodukt handelt 3.
Wie diese Auflistung zeigt, sind die Versorgungsmöglichkeiten vielfältig; sie sollten stets je nach dem individuellen Therapieziel und den Wünschen und Möglichkeiten des Betroffenen ausgewählt und angepasst werden.
Fazit
Häufig wird die Meinung geäußert, dass Harninkontinenz eine übliche Alterserscheinung sei. Das vorherrschende Bild der Betroffenen ist meist das des bettlägerigen multimorbiden Patienten. Diese Vorstellung entspricht aber nicht der Realität: Auch jüngere und durchaus mobile Menschen sind von Inkontinenz betroffen, wenn auch in weit geringerem Maße. Die Auswirkungen jedoch sind für alle Betroffenen gleich gravierend – der Verlust der Fähigkeit, die Ausscheidung zu kontrollieren, geht häufig mit Scham und einer starken Einschränkung der Lebensqualität einher. Wie im Beitrag aufgezeigt wurde, steht heute unabhängig von der jeweiligen Diagnose eine Vielzahl geeigneter Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten zur Auswahl, die für eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen sorgen – sowohl für immobile als auch für mobile Patienten. Dabei ist eine einfühlsame Diagnostik ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine gelingende Versorgung, da sie Hemmschwellen abbaut und für eine zügige Ermittlung der jeweils geeignten Hilfsmittel sorgt.
Die Autorin:
Simone Kather
Curt Beuthel GmbH & Co. KG
Reha Team Beuthel GmbH
Leitung Care Außendienst/
Leitung Vertrieb
Erich-Hoepner-Ring‑1,
42369 Wuppertal
simone.kather@beuthel.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Kather S. Inkontinenzversorgung in der Geriatrie. Orthopädie Technik, 2019; 70 (9): 26–30
Profil | Merkmale | Beispiel |
---|---|---|
Kontinenz |
| |
unabhängig erreichte Kontinenz |
| z. B. Patienten/Bewohner, die durch eigenständige Medikamenteneinnahme, eigenständigen Gebrauch von mobilen Toilettenhilfen, intermittierenden Selbst-Katheterismus oder Durchführung von Trainingsmaßnahmen (z. B. Blasentraining) keinen unwillkürlichen Harnverlust erleiden |
abhängig erreichte Kontinenz |
| z. B. Patienten/Bewohner mit begleitenden Toilettengängen zu individuellen/festgelegten Zeiten oder bei denen ein Fremd-Katheterismus durchgeführt wird |
unabhängig kompensierte Inkontinenz |
| Es kommt zu einem unwillkürlichen Harnverlust, aber der Umgang mit Inkontinenzhilfsmitteln (aufsaugende Hilfsmittel, Kondom-Urinal, Blasenverweilkatheter) erfolgt selbstständig. |
abhängig kompensierte Inkontinenz |
| Kompensierende Maßnahmen werden von einer anderen Person übernommen. |
nichtkompensierte Inkontinenz |
| Dieses Profil trifft beispielsweise auf Betroffene zu, die nicht über ihre Inkontinenz sprechen wollen und deshalb keine personelle Hilfe oder Hilfsmittel in Anspruch nehmen bzw. aufgrund kognitiver Erkrankungen nicht akzeptieren oder die Hilfsmittel entfernen. |
(DNQP) (Hrsg.). Expertenstandard Förderung der Harnkontinenz
in der Pflege. 1. Aktualisierung 2014. Osnabrück: DNPQ, 2014[/efn_note].
- Kinder mit Trisomie 21: Einsatz der Ganganalyse zur adäquaten Schuh- und Orthesenversorgung — 5. November 2024
- Rehabilitation aus orthopädietechnischer und physiotherapeutischer Sicht – Osseointegration und Schaftprothesen der unteren Extremität im Vergleich — 5. November 2024
- Belastungsprofile von knochenverankerten Oberschenkelimplantaten verbunden mit modernen Prothesenpassteilen — 5. November 2024
- BVMed – Bundesverband Medizintechnologie e. V. Inkontinenz in Deutschland: Zahlen, Daten, Fakten (Stand: 24.02.2015). https://www.bvmed.de/print/de/versorgung/hilfsmittel/hilfsmittel-aufsaugende-inkontinenz/inkontinenz-in-deutschland-zahlen-daten-fakten (Zugriff am 11.07.2019)
- Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (Hrsg.). Expertenstandard Förderung der Harnkontinenz in der Pflege. 1. Aktualisierung 2014. Osnabrück: DNPQ, 2014
- Wiesinger G, Stoll-Salzer E. Stoma- und Kontinenzberatung. Grundlagen und Praxis. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2005–2012 30
- Hayder D, Kuno E, Müller M. Kontinenz – Inkontinenz – Kontinenzförderung. Praxishandbuch für Pflegende. 2., korrigierte Auflage. Bern: Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, 2012
- Schön G, Seltenreich M. Inkontinenz. Ein mutmachender Ratgeber für Betroffene, Angehörige und Pflegende. Wien: Wilhelm Maudrich Verlag, 2011
- Boelker T, Hegeholz D, Webelhuth W. Außer Kontrolle. Pflege bei Harn- und Stuhlinkontinenz. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag, 2006