„Brin­gen Sie die Lym­phe zum Fließen“

Bei Erkrankungen rund um das Lymphsystem ist das Selbstmanagement eine wichtige Säule der Behandlung. Deshalb wurden die Aufklärung und Schulung zur individuellen Selbsttherapie der Patient:innen als 5. Therapiesäule der KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie) in die S2k-Leitlinie „Lymphödem“ aufgenommen. Mit dem 2022 erschienenen Buch „Der kleine Coach für das Lymphsystem“ erhalten Betroffene nicht nur Hintergrundinformationen zu ihrer Erkrankung, sondern bekommen konkrete Vorschläge aufgezeigt, wie sie das Selbstmanagement zuhause umsetzen können.

Ob Grif­fe oder Basis­übun­gen, Tipps zur Selbst­be­hand­lung bei Öde­men oder zum Anle­gen von Kom­pres­si­ons­ver­bän­den: In ver­ständ­li­chen Wor­ten und illus­triert mit vie­len Bil­dern aus der Pra­xis erklärt Autor Hen­ry A. Schul­ze, wor­auf es dabei ankommt.

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Im Gespräch mit der OT-Redak­ti­on ver­rät der enga­gier­te Lymph- und Ödem­the­ra­peut Details zum Ratgeber.

OT: Wie ist die Idee für die­ses Buch entstanden?

Hen­ry Schul­ze: Als aus­ge­bil­de­ter The­ra­peut, der seit vie­len Jah­ren tätig ist, bin ich schon lan­ge auf der Suche nach Mate­ri­al, das ich mei­nen Patient:innen mit an die Hand geben kann, damit sie sich zuhau­se selbst hel­fen kön­nen. Aber mei­ne Suche blieb erfolg­los; ent­we­der war die Infor­ma­ti­on nicht aus­rei­chend oder das Mate­ri­al war schlecht bebil­dert. Des­halb hat­te ich schon län­ger Plä­ne, selbst etwas zu ver­fas­sen, aber die Zeit fehl­te mir, es allein auf die Bei­ne zu stel­len. Dann kam der Thie­me Ver­lag auf mich zu, weil er auf der Suche nach einem Autor für ein Pro­jekt war, das genau dem ent­sprach, was ich mir vor­ge­stellt hat­te. Der Vor­teil war, dass es bereits eine gewis­se Auf­lis­tung gab, wie die­ses Buch inhalt­lich struk­tu­riert wer­den soll­te. Und das pass­te genau zu mei­nen Ideen, wel­che ich selbst noch erwei­tern konn­te und so ent­schied ich mich für die­ses Pro­jekt, trotz der Her­aus­for­de­rung es neben mei­nem Berufs­all­tag zu stem­men. Im Prin­zip sind in die­sem Buch alle Infor­ma­tio­nen, Fly­er und Bro­schü­ren zusam­men­ge­fasst und um mei­nen Erfah­rungs­schatz ergänzt. Beim Schrei­ben sowie bei der Erstel­lung der Bil­der habe ich dar­auf geach­tet, dass die gesam­ten Inhal­te für die Patient:innen leicht ver­ständ­lich und gut nach­voll­zieh­bar sind. Natür­lich fal­len in dem Buch auch Fach­be­grif­fe, aber die wer­den auch immer direkt erklärt, und zwar so, dass auch jeder Nicht­me­di­zi­ner Zugang dazu bekom­men kann.

OT: Wie ist es inhalt­lich aufgebaut?

Schul­ze: Es beginnt mit den Grund­la­gen des Lymph­sys­tems – sei­nen Auf­ga­ben und sei­nen Prin­zi­pi­en. Dar­an schließt sich ein Über­blick der ver­schie­de­nen lympha­ti­schen Erkran­kun­gen an. Anschlie­ßend wird das Lipö­dem erläu­tert. Das Behand­lungs­kon­zept wird zwar aktu­ell kon­tro­vers dis­ku­tiert, aber der The­ra­pie­be­darf der Patient:innen ist wei­ter­hin unbe­strit­ten. Auch der kos­me­ti­sche Anwen­dungs­be­reich – Zel­lu­li­te – wird in dem Kapi­tel ange­ris­sen eben­so wie das The­ma Ödem in der Schwan­ger­schaft. Nach der Theo­rie folgt der umfang­rei­che­re, prak­ti­sche Teil. Dort wer­den zunächst wich­ti­ge Grif­fe aus der manu­el­len Lymph­drai­na­ge erklärt, bevor das Kapi­tel „Selbst­be­hand­lung bei Öde­men“ folgt. Dabei war es mir beson­ders wich­tig, ange­passt an die Bedürf­nis­se der Patient:innen, ein­zel­ne Grif­fe für jede ein­zel­ne Kör­per­re­gi­on auf­zu­zei­gen, also Arme, Bei­ne sowie Kopf- und Gesichts­be­reich. Bei dem dar­auf­fol­gen­den Kapi­tel dreht sich alles um die „Kom­pres­si­ons­the­ra­pie“ und die ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten. Bei­spiels­wei­se wird auch eine Bil­der­fol­ge gezeigt, wie man Kom­pres­si­ons­ver­bän­de selbst­stän­dig anlegt. Es ging mir in die­sem Kapi­tel aber nicht nur dar­um, alles auf­zu­lis­ten, son­dern ich woll­te den Betrof­fe­nen dabei auch ver­deut­li­chen, war­um die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie so hilf­reich bei ihrer Erkran­kung ist. Wich­tig ist mir das Ver­ständ­nis, um dann moti­vier­ter bei dem Selbst­ma­nage­ment zu sein. Als Exkurs fin­det man am Ende des Buches auch noch Tipps, wie man mit Öde­men im All­tag umgeht, also bei Ver­let­zun­gen oder im Urlaub und wel­che Din­ge man ver­mei­den soll­te wie bei­spiels­wei­se Über­ge­wicht oder Stress. Bürs­ten, Mas­sa­ge­rol­ler oder das Schröp­fen (beim Lipö­dem) kön­nen wohl­do­siert auch ein gutes Hilfs­mit­tel sein.

„Gebrauchs­an­wei­sung für mich selbst“

OT: Sie haben seit vie­len Jah­ren täg­lich mit betrof­fe­nen Patient:innen zu tun: Wie lösen Sie die Auf­ga­be der Auf­klärung und Schu­lung zur indi­vi­du­el­len Selbsttherapie?

Schul­ze: Wir füh­ren die Pati­en­ten­e­du­ka­ti­on zum Groß­teil wäh­rend der The­ra­pie durch. Bereits beim Ana­mne­se­ge­spräch, bei der Inspek­ti­on oder der Pal­pa­ti­on, wo wir uns genau anschau­en, wel­che Erkran­kung vor­liegt, haben wir die­sen Aspekt im Hin­ter­kopf. Des­halb ver­su­che ich mei­ne Patient:innen wäh­rend der The­ra­pie auf die gan­zen Mög­lich­kei­ten, die auch das Buch auf­zeigt, ein­zu­stel­len. Natür­lich moti­vie­re ich sie zusätz­lich jedes Mal dazu dran­zu­blei­ben. In der Regel sehen wir die Patient:innen ein bis zwei Mal pro Woche: Aber wo sind sie den Rest der Woche? Wir ver­brin­gen viel Zeit mit den Patient:innen und soll­ten die­se Zeit sinn­voll nut­zen, sie auf­zu­klä­ren. Aber was bleibt nach einer Stun­de von die­ser Infor­ma­ti­on hän­gen? Mit die­sem Buch habe ich end­lich etwas, das ich ihnen guten Gewis­sens mit­ge­ben kann. Denn was kann ihnen Bes­se­res pas­sie­ren, als wenn sie es selbst in der Hand haben, selbst agie­ren kön­nen? Ein Pati­ent brach­te es auf den Punkt und sag­te: „Dein Buch ist wie eine Gebrauchs­an­wei­sung für mich selbst.“

OT: Apps zum Selbst­ma­nage­ment sind bereits auf dem Markt: Wie sehen Sie die­se Entwicklung?

Schul­ze: Ich fin­de die alle echt gut und ich sehe dar­in gro­ßes Poten­ti­al. Ähn­lich wie bei Trai­nings­ap­ps gibt es bei man­chen Erin­ne­rungs­funk­tio­nen wie bei­spiels­wei­se „Hast du schon heu­te an dei­ne Haut­pfle­ge gedacht?“ oder „Muss die Kom­pres­si­ons­be­strump­fung erneu­ert wer­den?“. Ande­re set­zen mehr auf den Schwer­punkt „Edu­ka­ti­on“ und erläu­tern die Krank­hei­ten und zei­gen ent­spre­chen­de Übun­gen. Wir neh­men das Han­dy stän­dig in die Hand und des­halb machen die­se Apps beson­ders für Patient:innen, die tech­nik­af­fin sind, durch­aus Sinn. Klar, kann man Push-Nach­rich­ten auch über­se­hen, aber es kann auch dazu füh­ren, dass die Patient:innen selbst aktiv wer­den. Und genau das ist unser gemein­sa­mes Ziel: bei der Pati­en­ten­e­du­ka­ti­on in der The­ra­pie, bei den Apps und bei mei­nem Buch.

Die Fra­gen stell­te Ire­ne Mechsner.

Das Buch
Schul­ze H. Der klei­ne Coach für das Lymph­sys­tem. Schnel­le Hil­fe bei Lymph­öde­men, Was­ser­ein­la­ge­run­gen & Co. Georg Thie­me Ver­lag KG, Stutt­gart; 2022 

 

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