Funk­ti­ons­wei­se und Anwen­dung des phy­sio­lo­gi­schen 3D-Belastungsscans

O. Pape
In diesem Beitrag wird ein neuartiges Abdrucksystem vorgestellt, bei dem der Fuß des Patienten unter Vollbelastung mittels 3D-Laserscan vermessen wird. Dabei kommen branchenübliche 3D-Flachbett-Laserscanner zum Einsatz, welche mit einem abnehmbaren Aufsatz ausgerüstet werden. Ziel dieser Abdrucktechnik ist die Gewinnung von Daten, die es ermöglichen, die natürliche Fußbettung beim Barfußlaufen nachzuempfinden. Während des Scanvorganges befindet sich der Fuß in einer weitestgehend physiologischen Bettung, welche sich bereits beim Scan stark druckverteilend auswirkt. Zusätzlich wird die plantare Fußoberfläche unter Vollbelas­tung optisch erfasst.

Ein­lei­tung

Zur Her­stel­lung maß­ge­fer­tig­ter Ein­la­gen ste­hen den Tech­ni­kern regel­mä­ßig viel­fäl­ti­ge Abdruck­ver­fah­ren zur Aus­wahl, teils ana­log mecha­nisch, mecha­nisch zur Digi­ta­li­sie­rung oder digi­tal. Wei­ter­hin unter­schei­den sich die Tech­ni­ken im Aus­maß der Über­nah­me der Kör­per­last wäh­rend des Abdrucks. Sys­te­me ohne Belas­tung, teil­be­las­tet und unter Voll­be­las­tung ste­hen zur Wahl.

Letzt­end­lich obliegt es den Prä­fe­ren­zen des ver­sor­gen­den Tech­ni­kers und den Erfor­der­nis­sen der zu ver­sor­gen­den patho­lo­gi­schen Auf­fäl­lig­keit, wel­ches Sys­tem zum Ein­satz kommt. Das vor­ge­stell­te Sys­tem lie­fert dabei neu­ar­ti­ge digi­ta­le Daten.

Phy­sio­lo­gi­scher Ansatz

Stellt man sich die Fra­ge nach der Ursa­che für die häu­figs­ten Fuß­be­schwer­den, so wird oft­mals das Tra­gen von Schuh­werk, also die unphy­sio­lo­gi­sche Nut­zung unse­rer Füße, genannt. Spit­zen­drü­cke im Bereich der Meta­tar­sal­köp­fe von mehr als 1.000 kPa kön­nen auf­tre­ten1.

Fragt man in Fach­krei­sen danach, was das Bes­te für unse­re Füße sei, so erhält man berufs­grup­pen­über­grei­fend vom Fach­arzt bis zum Phy­sio­the­ra­peu­ten die Ant­wort, dass es das Bar­fuß­lau­fen sei. Genau­er gesagt han­delt es sich um das Bar­fuß­lau­fen auf natür­li­chen Unter­grün­den wie Sand- und Wald­bo­den2.

Vor die­sem Hin­ter­grund ist es nahe­lie­gend, sich ein­mal im Detail anzu­se­hen, was beim Bar­fuß­lau­fen auf natür­li­chen Unter­grün­den z. B. im Vor­fuß­be­reich geschieht bzw. wel­che Form die Fuß­bet­tung auf­weist (Abb. 1). Zu erken­nen sind eine kon­ka­ve Bal­len­bet­tung, ein retro­ka­pi­ta­ler Anstieg und die Zehen­bet­tung. Höhen­mä­ßig liegt die Zehen­bet­tung deut­lich über der Bal­len­bet­tung. Trotz kon­ka­ver Bal­len­bet­tung ist ein kon­ve­xes Quer­ge­wöl­be auf Höhe der Dia­phy­sen der Mit­tel­fuß­kno­chen erkennbar.

Die natür­li­che kon­ka­ve Bet­tung des Bal­lens ist prin­zi­pi­ell die­sel­be, wie sie mit der Schmet­ter­lings­rol­le erzielt wird. Das Prin­zip der kon­ka­ven Bal­len­bet­tung ist der Orthopädie-(Schuh-)Technik, wenn auch ver­ein­zelt kri­ti­siert, alles ande­re als unbe­kannt. Wäre die­se Bet­tung unphy­sio­lo­gisch oder gar schäd­lich, dann wäre auch das Bar­fuß­lau­fen auf natür­li­chen Unter­grün­den schädlich.

Die Schuh­in­dus­trie setzt die­se Erkennt­nis regel­mä­ßig um und formt den Bal­len­be­reich der Brand­soh­le kon­kav, um eine druck­re­du­zier­te und kom­for­ta­ble Bal­len­bet­tung zu errei­chen3.

Bet­tungs­prin­zi­pi­en

An die­ser Stel­le lohnt sich ein kur­zer Blick auf die ver­schie­de­nen Bet­tungs­kri­te­ri­en. Wäh­rend sich bei einer nicht form­kon­gru­en­ten, nach­gie­bi­gen Pols­te­rung am tiefs­ten Punkt des zu bet­ten­den Objek­tes wei­ter­hin ein rela­tiv hoher Druck auf­baut, ver­teilt die fes­te, form­kon­gru­en­te Bet­tung den Druck gleich­mä­ßig. Auf san­di­gem Unter­grund bei­spiels­wei­se wird beim Auf­tritt die Ober­flä­che durch Ver­drän­gung des San­des zu einer druck­ver­tei­len­den Bet­tung geformt. Federnd oder pols­ternd ist eine sol­che natür­li­che Bet­tung kaum (Abb. 2). Die­ser Effekt soll­te beim Scan­vor­gang berück­sich­tigt werden.

Anspruch an Abdrucktechnik

Unter Berück­sich­ti­gung die­ser Fak­ten stel­len sich nun fol­gen­de Ansprü­che an den Abdruck für Ein­la­gen zur phy­sio­lo­gi­schen Behand­lung des Fußes:

  • Auf einem Mate­ri­al, das sich ver­drän­gen lässt und dadurch eine druck­ver­tei­len­de Bet­tung bil­det. Also bet­tend, nicht dämpfend.
  • Unter Voll­be­las­tung, da sich auch die Bet­tun­gen auf natür­li­chen Böden unter Voll­be­las­tung aus­bil­den und der Abdruck die defi­ni­ti­ve Län­ge, Brei­te und Tie­fe abbil­det. Die rela­ti­ve Lage­ver­än­de­rung zwi­schen ossä­ren und bin­de­ge­web­i­gen Struk­tu­ren soll beim Scan erfasst werden.
  • Digi­tal, um evtl. nöti­ge ortho­pä­di­sche Kor­rek­tu­ren per CAD ein­brin­gen zu können.
  • Trans­pa­rent, um Anzeich­nun­gen, Ulce­ra­tio­nen, Hyper­ke­ra­to­sen und Ähn­li­ches in ihrer tat­säch­li­chen Lage bei der Last­über­nah­me berück­sich­ti­gen zu können.

Metho­de

Zur Anwen­dung kommt ein mobi­ler Auf­satz für gän­gi­ge 3D-Laser-Flach­bett­scan­ner (Abb. 3). Der Auf­satz wird auf die Ober­sei­te des vor­han­de­nen Scan­ners auf­ge­legt und fixiert sich selbst. Der Auf­bau inner­halb des Rah­mens besteht aus mehr­schich­ti­gem, trans­pa­ren­tem Sili­kon. Scan­ner­sei­tig bil­det eine PETG-Schei­be den Abschluss. Auf dem klar­sich­ti­gen Sili­kon befin­det sich noch eine Schicht halb­trans­pa­ren­ten Sili­kons, wel­ches uner­wünsch­te Licht­ein­flüs­se beim Scan­vor­gang her­aus­fil­tert. Die Sicht auf die plant­are Fuß­haut bleibt gewähr­leis­tet (Abb. 4). Die Ober­sei­te wird letzt­lich noch durch eine dehn­ba­re Hygie­ne­fo­lie abge­schlos­sen. Die­se stellt sicher, dass eine effi­zi­en­te Wisch­des­in­fek­ti­on durch­ge­führt wer­den kann. Das Ein­drin­gen von uner­wünsch­ten Kei­men ins Sili­kon ist somit ausgeschlossen.

Der Scan­vor­gang

Wäh­rend des Scans befin­det sich die zu scan­nen­de Per­son in Voll­be­las­tung im Ein­bein­stand auf dem Scan­ner. Um das Gleich­ge­wicht zu hal­ten, berührt D1 der kon­tra­la­te­ra­len Sei­te leicht den Boden. Jeweils ein bis zwei Fin­ger je Hand berüh­ren das Gelän­der. Der Kör­per­schwer­punkt wird so zen­tral über der Belas­tungs­flä­che des Fußes aus­ge­rich­tet (Abb. 5).

Der Tech­ni­ker über­wacht die Stel­lung des Fußes. Soll­ten Maß­nah­men im Sin­ne einer Knick­fuß­kor­rek­tur gewünscht sein, so kön­nen die­se direkt beim Scan durch­ge­führt wer­den (Abb. 6). Dabei wird das Fer­sen­bein aktiv durch den Pati­en­ten oder pas­siv durch den Tech­ni­ker supi­niert. Das Sili­kon wird ver­stärkt nach medi­al ver­drängt, der Scan beinhal­tet dann eine media­le Unterstützung.

Auch eine Tie­fer­le­gung von D1 z. B. bei Hal­lux Rigi­dus kann direkt beim Scan durch­ge­führt werden.

Sca­n­er­geb­nis

Das Sca­n­er­geb­nis unter Ver­wen­dung der Zusatz­aus­rüs­tung unter­schei­det sich inso­fern von bekann­ten Ver­fah­ren, als bestehen­de plant­are kon­ve­xe Struk­tu­ren nicht durch das Scan­me­di­um abge­flacht, son­dern last­über­neh­mend gebet­tet wer­den. Es besteht also weni­ger bis gar nicht die Not­wen­dig­keit, natür­li­cher­wei­se nicht last­über­neh­men­de Berei­che wie das media­le Längs­ge­wöl­be zur Last­über­nah­me her­an­zu­zie­hen, wenn­gleich die­se Mög­lich­keit durch Model­lie­rung mit­tels CAD wei­ter­hin besteht.

Die rela­ti­ve Lage­än­de­rung der ossä­ren Struk­tu­ren im Ver­hält­nis zu den wei­chen bin­de­ge­web­i­gen Antei­len fin­det durch die Belas­tung statt. Pols­tern­de Gewe­be­schich­ten wer­den nicht ver­drängt. Beson­ders ein­drucks­voll ist dies bei der dyna­mi­schen Innen­schuh­druck­mes­sung an der Fer­se zu erken­nen (Abb. 7).

In der abge­bil­de­ten Mes­sung ist eine deut­li­che Spit­zen­druck­re­du­zie­rung zu erken­nen. Durch die form­kon­gru­en­te Bet­tung spielt hier offen­sicht­lich auch die nur im phy­sio­lo­gi­schen Rah­men statt­fin­den­de Ver­drän­gung der pols­tern­den Fett­schicht eine stark kraft­re­du­zie­ren­de Rol­le (Abb. 8).

Model­lie­rung

Der ent­stan­de­ne digi­ta­le Scan wird stan­dard­mä­ßig nur gering­fü­gig model­liert, von der Posi­tio­nie­rung des Abdru­ckes auf der spä­te­ren Ein­la­ge ein­mal abge­se­hen. Ledig­lich die Zehen­bank wird regel­mä­ßig geglät­tet und auf die Höhe der Zehen­bee­ren abge­flacht. Nach fron­tal läuft die Höhe der Zehen­bank auf null aus. Die pos­te­rio­re Flä­che der Zehen­bank bil­det den fron­ta­len Anteil der Bal­len­bet­tung. Der Grat zwi­schen bei­den Kom­po­nen­ten wird eben­falls geglättet.

Soll­ten auf­grund schwer­wie­gen­der patho­lo­gi­scher Auf­fäl­lig­kei­ten deut­li­che Ein­grif­fe in das ent­stan­de­ne Ein­la­gen­mo­dell nötig sein, so wer­den die­se in gewohn­ter Art und Wei­se durch­ge­führt. Kor­rek­tu­ren im Sin­ne einer Pro­na­ti­on oder Supi­na­ti­on des Fußes kön­nen direkt beim Scan voll­zo­gen wer­den und bedür­fen kei­ner wei­te­ren Modellierung.

Phy­sio­lo­gi­sche Fußbettung

Die mit Hil­fe des phy­sio­lo­gi­schen Abdru­ckes gefer­tig­ten Fuß­bet­tun­gen bie­ten also eine erheb­li­che Druck­ent­las­tung durch Anwen­dung der form­kon­gru­en­ten Bet­tung. Daher sind die Ein­la­gen weder dick noch weich. Trotz­dem wer­den sie von den Anwen­dern als beson­ders weich wahr­ge­nom­men. Dies liegt natür­lich dar­an, dass die Drü­cke gerin­ger als bei weichen/polsternden Bet­tun­gen sind.

Damit die Form­kon­gru­enz auch und gera­de unter Belas­tung bestehen bleibt, wer­den die Ein­la­gen in shore 45 gefer­tigt und haben eine mini­ma­le Stär­ke von 2–3 mm (Abb. 9). Obwohl kei­ne Pelot­te vor­han­den ist, ist der retro­ka­pi­ta­le Anstieg 8 hoch und flächig.

Fol­gen­de Merk­ma­le sind auf der unmo­del­lier­ten Bet­tung zu erken­nen: Zehen­bank, Bal­len­bet­tung, Bet­tung MFK 3, retro­ka­pi­ta­le Abstüt­zung, Bet­tung Basis MFK 5, media­les Längs­ge­wöl­be, late­ra­les Längs­ge­wöl­be, pero­nea­le Inzi­sur late­ral, Fersenbettung.

Sen­so­mo­to­ri­sche Informationen

Die Wer­tig­keit der sen­so­mo­to­ri­schen Infor­ma­tio­nen einer Ein­la­gen­ver­sor­gung ist hin­läng­lich bekannt. Die Hal­tung und Koor­di­na­ti­on des gesam­ten Kör­pers wer­den durch die­se Infor­ma­tio­nen beein­flusst4.

Obwohl in unse­rem Hau­se zu die­sem The­ma bis­lang kei­ne Unter­su­chun­gen durch­ge­führt wur­den, beka­men wir seit der Ein­füh­rung des phy­sio­lo­gi­schen Abdru­ckes im Jah­re 2019 und auch im Rah­men der bio­me­cha­ni­schen Mess­rei­he immer wie­der ein viel­ver­spre­chen­des Feed­back von den Anwen­dern. Dabei waren Sta­bi­li­täts­ge­winn, Hal­tungs­än­de­rung und Ver­bes­se­rung der Koor­di­na­ti­on (Gol­fer und Sport­schüt­zen) immer wie­der The­ma. Auch Per­so­nen, wel­che im beruf­li­chen All­tag viel ste­hen oder gehen, pro­fi­tie­ren von der natür­li­chen Fuß­bet­tung.  Denk­bar wäre, dass die natür­li­chen sen­so­mo­to­ri­schen Infor­ma­tio­nen einen posi­ti­ven Ein­fluss auf die Anwen­der haben. Dies wäre noch zu beweisen.

Wei­te­re Anwendungen

Durch die erreich­ba­re deut­li­che Druck­entlastung kann das Sys­tem Basis­daten für die Fer­ti­gung von diabetes­adaptierten Fuß­bet­tun­gen für die Risi­ko­grup­pen 1 bis 3 lie­fern5. Da für die­se Anwen­dung der vol­le Fokus auf der maxi­ma­len Druck­ent­las­tung liegt, wird in die­sem Fall ein um 50 % dicke­res Sili­kon genutzt. Das tie­fe­re Ein­sin­ken beim Scan führt zu einer wei­te­ren Ver­grö­ße­rung der last­über­neh­men­den Flä­che und zu einer scha­li­ge­ren Ein­fas­sung des Fußes. In sei­nem Bei­trag von 2023 beschreibt J. Stumpf: „Eine her­vor­ra­gen­de Ent­las­tung der Zehen­end­glie­der kann durch eine indi­vi­du­el­le Anmo­del­lie­rung (Greif­wulst) im Bereich zwi­schen Meta­tar­sal­köp­fen und Zehen­end­glie­dern erzielt wer­den. Die­se Anmo­del­lie­rung bewirkt auch eine zusätz­li­che Ent­las­tung der Meta­tar­sal­re­gi­on.“6 Die­ser Bereich mit den genau­en Aus­deh­nun­gen und Höhen wird neben der Mikro­ent­las­tung der MFK und Zehen­bee­ren beim phy­sio­lo­gi­schen Scan prä­zi­se erfasst. Die gelie­fer­ten Daten wer­den dann um eine wei­te­re Druckum­ver­tei­lung durch Anhe­bung des Längs­gewölbes ergänzt.

Da die gefräs­te Ein­la­ge noch mit einer für Dia­be­ti­ker geeig­ne­ten obe­ren Deck­schicht ver­se­hen wird, muss deren Stär­ke bei der Model­lie­rung kon­tu­ren­ge­recht abge­zo­gen wer­den. Pas­siert dies nicht, so ver­rin­gert sich der Radi­us der Bal­len­bet­tung unge­wollt und die Ein­la­ge passt nicht opti­mal. Glei­ches gilt für die dyna­mi­sche Innen­schuh­druck­mes­sung mit­tels Druck­mess­soh­len. Älte­re Model­le wei­sen eine erheb­li­che Mate­ri­al­stär­ke auf und ver­än­dern so die pass­ge­naue Struk­tur der Bet­tung nach­tei­lig, was zu feh­ler­haf­ten Mess­ergeb­nis­sen führt.

Das um 50 % dicke­re Sili­kon bie­tet auch bei wei­te­ren Indi­ka­tio­nen Vor­tei­le. So kön­nen nach dem­sel­ben Prin­zip Ein­la­gen­ab­drü­cke für Rheu­ma­ti­ker gemacht wer­den. Auch Hohl­fü­ße pro­fi­tie­ren von der druck­ver­tei­len­den Tech­nik und der Mög­lich­keit, Stel­lungs­kor­rek­tu­ren direkt beim Scan vor­zu­neh­men. Das Glei­che gilt für star­ke Knick­fü­ße. Der in kor­ri­gier­ter Stel­lung gemach­te Scan inte­griert auto­ma­tisch eine media­le Unterstützung.

Selbst die Bet­tung von Hohl­fü­ßen wur­de bereits über­aus erfolg­reich durch­ge­führt. Auch hier­bei wer­den Stel­lungs­kor­rek­tu­ren direkt beim Scan vor­ge­nom­men (Abb. 10).

Ver­gleich Tritt­schaum vs. phy­sio­lo­gi­scher Scan

Im Ver­gleich zum Tritt­schaum erge­ben sich zwei Varianten:

Tritt­schaum teil­be­las­tet: Die Bal­len­bet­tung im halb­be­las­te­ten Tritt­schaum ist bei genau­er Betrach­tung um eini­ges kür­zer als beim voll­be­las­te­ten Scan. Sieht man sich die Lage der Mikro­bet­tung des MFK 3 an, so ist zu erken­nen, dass sich das MFK 3 im teil­be­las­te­ten Schaum­ab­druck auf dem fron­ta­len Anstieg der Bal­len­bet­tung befin­det. Unter Voll­be­las­tung käme es dann zu einem unan­ge­neh­men Druck in der Abroll­be­we­gung. Daher wird der fron­ta­le Anstieg vor dem Bal­len meist nach­träg­lich abge­flacht. Eine opti­ma­le Druck­ver­tei­lung ist damit nicht gegeben.

Tritt­schaum voll­be­las­tet: Der voll­be­las­te­te Tritt­schaum zeigt, eben­so wie der phy­sio­lo­gi­sche Belas­tungs­scan, eben­falls eine Höher­le­gung der Zehen und eine Bal­len­bet­tung. Da aller­dings der Schaum das Kör­per­ge­wicht des Pati­en­ten nicht trägt, sin­ken die Belas­tungs­flä­chen des Fußes ein, bis sie auf den Unter­grund tref­fen. Hier wird dann die kon­ve­xe Form des Bal­lens und der Fer­se eben­falls abge­flacht. Abbil­dung 11 zeigt eine Ver­gleichs­mes­sung zwi­schen einem voll­be­las­te­ten Tritt­schaum und einem phy­sio­lo­gi­schen Belas­tungs­scan. Die Far­ben ver­deut­li­chen die Abwei­chung zwi­schen den bei­den Abdruck­sys­te­men. Die grü­nen Flä­chen zei­gen, dass der vollbelas­tete Tritt­schaum eine an Bal­len und Fer­se abge­flach­te Kon­tur liefert.

Druck­ver­tei­lung am Bal­len und Mus­kel­ak­ti­vie­rung im Längsgewölbe

Die durch den 3D-Belas­tungs­scan ent­stan­de­ne Höher­le­gung der Zehen durch die Zehen­bank ist in meh­rer­lei Hin­sicht funk­tio­nell. Ein Beugen/Absenken der Zehen gegen die Fuß­bet­tung bewirkt auto­ma­tisch ein Anhe­ben des Bal­lens. So wird durch das natür­li­che Höherlegen/Vorstrecken der Zehen eine direk­te Ent­las­tung des Bal­lens erzielt.

In einer bio­me­cha­ni­schen Mess­rei­he7 an 22 Pro­ban­den wur­de das Wirk­prin­zip der phy­sio­lo­gi­schen Bet­tung bezüg­lich der auf­tre­ten­den Drü­cke unter­sucht. Hier­zu wur­den die in der Dyna­mik auf­tre­ten­den Kräf­te mit­tels Innen­schuh­mes­s­sys­tem gemessen.

Es erga­ben sich fol­gen­de Ergebnisse:

  • Pro­ban­den neh­men einen Kom­fort­ge­winn durch das Tra­gen der Ein­la­gen wahr.
  • Die Kon­takt­flä­che unter dem Längs­ge­wöl­be wird flä­chi­ger belas­tet, eine Ver­grö­ße­rung der belas­te­ten Flä­che um knapp 7 % wur­de beobachtet.
  • In der Ein­la­gen­be­din­gung wei­sen sowohl der Hal­lux als auch die rest­li­chen Zehen um 18 – 28 % höhe­re Kraft- und Druck­spit­zen auf und schei­nen akti­ver beim Abdruck invol­viert zu sein. Das Druck-Zeit-Inte­gral steigt mit Ein­la­gen um 53 % (p = 0,018, d = 0,765).
  • Die mitt­le­re Bal­len­re­gi­on unter den Meta­tar­sal­köp­fen II & III wird durch die Ein­la­gen ent­las­tet, Druck- und Kraft­spit­zen sind um 13–14 % redu­ziert. Die umlie­gen­den Bal­len­re­gio­nen unter Met I und Met IV & V sind nicht nach­weis­bar höher belastet.

Folg­lich arbei­ten die Zehen­beu­ger laut Mess­rei­he in einer phy­sio­lo­gi­schen Fuß­bet­tung eher und kräf­ti­ger. Durch die Mehr­fach­funk­ti­on die­ser Mus­ku­la­tur las­sen sich dar­aus fol­gen­de Schlüs­se ziehen:

  • Die Koor­di­na­ti­on und Senso­motorik wer­den ver­bes­sert8.
  • Die Auf­rich­tung des Längs­ge­wöl­bes wird begüns­tigt, da die flex­or hal­lu­cis longus, flex­or digi­torum longus, abduc­tor hal­lu­cis, abduc­tor digi­ti mini­mi sowie die intrin­si­sche Fuß­mus­ku­la­tur stär­ker und län­ger arbei­ten. Denn die­se Mus­ku­la­tur ist an der Auf­rich­tung des Längs­ge­wöl­bes betei­ligt9.
  • Bet­ten­de und sti­mu­lie­ren­de Ein­la­gen kom­men zur Leis­tungs­stei­ge­rung im Sport zum Ein­satz10. Durch das Trai­ning der Zehen­beu­ger wird die Lauf­ge­schwin­dig­keit posi­tiv beein­flusst11, daher trai­nie­ren bei­spiels­wei­se Sprin­ter ihre Zehen­flex­o­ren. Hier kann die Zehen­bank leis­tungs­stei­gernd wir­ken. Denn bei einer Dor­sal­ex­ten­si­on von 25–45 Grad ent­wi­ckeln die Zehen­beu­ger die größ­ten Kraft­mo­men­te zur Unter­stüt­zung der Vorwärts­bewegung12 13.

Hält man sich die Wer­tig­keit der Funk­ti­on der Zehen­beu­ger vor Augen, so erkennt man im Umkehr­schluss, dass sich der Spit­zen­hub, wel­cher in vie­len Jog­ging­schu­hen inte­griert ist, durch die Deak­ti­vie­rung der Zehen­beu­ger nega­tiv auf die Druck­be­las­tung des Bal­lens und die Auf­recht­erhal­tung des Längs­ge­wöl­bes aus­wir­ken dürf­ten14.

Da der phy­sio­lo­gi­sche Scan letzt­end­lich auch die Län­gen- und Wei­ten­ma­ße des belas­te­ten Fußes in der Bet­tung lie­fert, erscheint auch die Nut­zung der Tech­nik in einem Voll­fuß­scan­ner sinn­voll. So kön­nen in einem Arbeits­gang wich­ti­ge Daten des belas­te­ten, phy­sio­lo­gisch gebet­te­ten Fußes gewon­nen wer­den (Abb. 12).

Fazit

Der phy­sio­lo­gi­sche 3D-Laser­scan ist eine Abdruck­tech­nik, die dem Tech­ni­ker voll­kom­men digi­tal wert­vol­le und bis­her nicht zugäng­li­che Daten unter Voll­be­las­tung zur Ver­fü­gung stellt. Die­se Daten kön­nen als phy­sio­lo­gi­sche Fuß­bet­tung direkt ver­wer­tet oder als Grund­la­ge für die Wei­ter­ver­ar­bei­tung zu ortho­pä­di­schen Fuß­bet­tun­gen genutzt wer­den. Kor­rek­tu­ren kön­nen direkt mit­ge­scannt wer­den. Somit stellt die­se Tech­nik eine sinn­vol­le Erwei­te­rung der digi­ta­len Mög­lich­kei­ten zur Ein­la­gen­her­stel­lung dar.

 

Der Autor:
Oli­ver Pape
Oes­ter­reich Orthopädietechnik
Bür­ger­meis­ter-Smidt-Str. 32 – 36
28195 Bre­men
0421–790030
opape@ot-oesterreich.de

 

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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