Einführung
Zahlreiche Pathologien, vor allem aber das diabetische Fußsyndrom, erfordern druckumverteilende Fußbettungen. Als „Goldstandard“ für die Erstellung eines Fußabdrucks hat sich weitgehend der von Hand belastete Schaumabdruck durchgesetzt (Abb. 1). Alternativ gibt es verschiedene elektronische Scanverfahren. Gipsabdrücke kommen nur im Einzelfall bei besonderen Herausforderungen zum Einsatz.
Alle diese Verfahren haben gemeinsam, dass sie die Fußform in einer statischen Situation erfassen. Die Druckbelastung des Fußes in der Dynamik ist jedoch wesentlich höher und es kommt zu einer Verschiebung der Belastungsareale (Abb. 2). Zwar kann bei allen genannten Verfahren das entstehende Modell unter Berücksichtigung der Daten aus einer dynamischen Fußdruckmessung modifiziert werden, doch wie gut dies gelingt, ist sehr stark von den individuellen Fähigkeiten des Technikers bzw. der Qualität der Software abhängig.
Abhilfe verspricht ein Verfahren, bei dem der Patient auf einer Formmasse mit definiertem Verformungswiderstand läuft und sich dadurch eine Erfassung der dynamischen Fußbelastung ergibt.
Dynamische Abformung
Zur Erstellung eines dynamischen Formabdrucks wird eine etwa ein cm hohe Kunststoffschale, die der Brandsohlenform, der Absatzsprengung und dem Spitzenhub des verwendeten Schuhs entspricht mit Plastilin (weich, Fa. Beil) gefüllt. Um Verschmutzung von Schuh und Socken zu vermeiden, wird das Plastilin mit handelsüblicher PE-Frischhaltefolie abgedeckt (Abb. 3). Die Abdruckschalen werden in den Schuh eingebracht und der Patient läuft für etwa fünf Minuten darauf. Dabei verschiebt sich das Plastilin von Arealen mit hoher Druckbelastung zu Arealen mit geringerer Druckbelastung (Abb. 4). Vorgestellt wurde dieses Verfahren im Jahr 2004 von OTM H. Kubin im Rahmen des internationalen Kongresses Orthopädie + Reha-Technik in Leipzig.
Die Arbeitshypothese, die sich aus den Vorüberlegungen ergibt, ist, dass ein dynamischer Plastilinabdruck eine bessere Basis zur Erstellung einer individuellen druckumverteilenden Fußbettung bietet als ein statischer Schaumabdruck. Dabei sollten die Ergebnisse unabhängig davon sein, an welcher Stelle unter dem Fuß die höchsten Drücke entstehen.
Methodik
Da vor Beginn der Studie keine Daten über die Belastung des Fußes während der dynamischen Abformung vorlagen, wurden von der zuständigen Ethikkommission nur fußgesunde Probanden ohne Sensibilitätsstörungen zugelassen. Untersucht wurden 12 Probanden, die jeweils mit einem Paar Fußbettungen nach statischem und dynamischen Abdruck versorgt wurden.
Die jeweiligen Abformergebnisse wurden lediglich im Bereich der Zehenbeeren modifiziert, da die Platzierung jeder einzelnen Zehenbeere in einer entsprechenden Vertiefung auf der Fußbettung während der Messung nicht zuverlässig reproduziert werden kann.
Weitere Modifikationen wie z. B. die Einarbeitung einer retrokapitalen Querbrücke wurden nicht vorgenommen. Die Messung des plantaren Fußdrucks erfolgte mittels des NovelPedar-Systems. Untersuchungsparameter waren der gemittelte Spitzendruck (GSD) sowie das gemittelte Druck/Zeit Integral (GDZI). Um die Gehgeschwindigkeit während der dynamischen Abformung und der Messungen konstant zu halten, wurde ein Laufband verwendet.
Alle Probanden trugen das gleiche Schuhmodell (Nürnberg, Fa. Fior & Gentz) in der individuell passenden Größe. Der Schuh besitzt eine verfestigte Sohle und eine definierte Ballenrolle.
Die Basismessung erfolgte im Schuh auf einem 1 cm starken Platzhalter aus einem EVA mit einer Härte von 52 ShoreA. Danach erfolgte die erste Vergleichsmessung auf einer ebenfalls 1 cm starken ungeformten Lage aus dem Bettungsmaterial aus dem auch die Einlagen gefertigt wurden (nora Combi T1, Fa. Freudenberg), um so den Einfluss des Materials alleine bestimmen zu können. Danach wurden die Messungen auf der Bettung nach statischem Abdruck und auf der Bettung nach dynamischem Abdruck durchgeführt.
Um die so gewonnene Datenmenge auswerten zu können, wurde in der Basismessung für jeden Fuß individuell die Fußregion mit der höchsten Belastung bestimmt (Abb. 5) und für diese Region die Veränderung durch die verschiedenen Interventionen untersucht. So kann es ein, dass bei einem Fuß der MFK1-Bereich von Interesse ist, während bei dem anderen Fuß die Fersenregion analysiert wird.
Ergebnisse
Sowohl im Spitzendruck als auch im Druck/Zeit-Integral wurden die gemessenen Werte im Durchschnitt allein durch das Bettungsmaterial um etwa ¼ reduziert. Auffallend ist, dass die Bettung nach statischem Abdruck zwar eine geringe weitere Reduktion bewirkt, diese aber statistisch nicht signifikant ist. Demgegenüber erreicht die Bettung nach dynamischem Abdruck im Durchschnitt eine Gesamtentlastung um 42 % (GSD, Abb. 6) bzw. 43 % (GDZI, Abb. 7).
Betrachtet man die Einzelergebnisse, um die geringe zusätzliche Druckreduktion durch die Bettungen nach statischem Abdruck erklären zu können, so fällt auf, dass es mehrere Einzelmessungen gibt, bei denen der Druck mit Bettung sogar größer ist als nur mit dem flachen Bettungsmaterial. Alle diese schlechteren Ergebnisse liegen im MFK1-Bereich, während im Fersenbereich größere Druckreduktionen erreicht werden konnten (Abb. 8).
Eine ähnliche Tendenz zeigt sich beim Vergleich der detaillierten Ergebnisse zwischen statischer und dynamischer Bettung. Hier zeigt sich dass es durchaus Versorgungsfälle gibt, bei denen die dynamische Bettung schlechtere Ergebnisse liefert als die statische Bettung. Auch alle diese Fälle befinden sich im Fersenbereich (Abb. 9).
Scheinbar sind also die Ergebnisse der beiden Abformtechniken nicht unabhängig davon, in welcher Region der Spitzendruck am Fuß entsteht. Die statische Abformung scheint Vorteile zu zeigen, wenn der Spitzendruck in der Fersenregion auftritt, während die dynamische Abformung besonders für die Reduktion von Spitzendruck im Vorfußbereich geeignet erscheint.
Eine separate Betrachtung der gemittelten Ergebnisse unterteilt nach Vorfuß- und Rückfußbereich bestätigt diese Vermutung. Vergleicht man die Reduktion des Spitzendrucks und des Druck/Zeit-Integrals ausschließlich in der Fersenregion, so sieht man eine Entlastung um 38 % (GSD) bzw. 28 % (GDZI) für den statischen Abdruck gegenüber 34 % (GSD) bzw. 24 % (GDZI) für den dynamischen Abdruck (Abb. 10 u. 11).
Betrachtet man hingegen nur die Vorfußregionen, so erkennt man eine deutlich höhere Reduktion sowohl der Druckspitzen (45 %) als auch des Druck/Zeit-Integrals (46 %) durch die dynamische Abformung gegenüber 24 % (GSD) bzw. 25 % (GDZI) durch die statische Abformung (Abb. 12 u. 13).
Diskussion
Die Eingangshypothese, dass ein dynamisches Abformverfahren eine bessere Basis für die Anfertigung einer druckumverteilenden Fußbettung darstellt als ein statisches Abformverfahren, konnte bestätigt werden. Allerdings zeigt das vorgestellte Verfahren Schwächen bei der Druckreduktion im Fersenbereich, während es deutliche Vorteile im Vorfußbereich bietet. Die Hypothese, dass die durch das dynamische Verfahren erzielbare Druckreduktion unabhängig von der Fußregion ist, in der der Druck auftritt, ist somit widerlegt. Eine mögliche Ursache für diese unterschiedlichen Ergebnisse könnte im Verformungswiderstand des Plastilins liegen. Möglicherweise müsste für den Fersenbereich eine andere Festigkeitsklasse gewählt werden. In wie weit die dargestellten Ergebnisse auch für deformierte neuropathische Füße gelten, muss in weiteren Studien evaluiert werden. Ebenso stellt sich die Frage, ob ähnliche Ergebnisse auch bei flexiblen Schuhsohlen erreichbar sind und ob die Ergebnisse durch funktionelle Modifikationen wie beispielsweise eine retrokapitale Querbrücke noch verbessert werden könnten.
Fazit
Die dynamische Fußabformung mittels Plastilinschalen zeigt überzeugende Resultate insbesondere, wenn eine Druckumverteilung im Vorfußbereich erforderlich ist. Eine Evaluierung der Langzeitergebnisse bei neuropathischen Füßen steht allerdings noch aus.
Der Autor:
Ludger Lastring
Msc Rehabilitation Studies
Bundesfachschule für
Orthopädie-Technik
Schliepstraße 6–8
44135 Dortmund
Begutachteter Beitrag/Reviewed paper
Lastring L. Evaluierung eines dynamischen Abformverfahrens für druckumverteilende Fußbettungen. Orthopädie Technik, 2013; 64 (1): 32–35
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