Erstat­tung von Sport­pro­the­sen bleibt ein heik­les Thema

Die Sportversorgung nimmt auf der OTWorld 2022 nicht zuletzt aufgrund der Kongresspräsidentschaft von Prof. Dr. Martin Engelhardt in diesem Jahr eine herausgehobene Rolle ein. Dies trifft offenbar den Nerv des Fachpublikums. Bereits zum Auftakt des zweiten Veranstaltungstages war etwa der Kurs „Sportprothetik“ in Saal 4 fast bis auf den letzten Platz gefüllt.

Unter der Lei­tung von Ingo Pfef­fer­korn, der am Vor­tag offi­zi­ell als einer der bei­den Kon­gress­prä­si­den­ten der OTWorld 2024 bekannt gege­ben wor­den war, über­nah­men Reidar und Leif Pahl (Bre­men) den ers­ten Vor­trag. Die Brü­der wid­me­ten sich den Unter­schie­den von All­tags- und Sport­pro­the­sen und rich­te­ten den Blick zunächst auf das Erstat­tungs­sys­tem in Deutsch­land, das nur in Aus­nah­me­fäl­len eine Kos­ten­über­nah­me durch die Kran­ken­kas­sen bei Sport­pro­the­sen vor­sieht. Die Begrün­dung eines Kos­ten­trä­gers „Einen Anspruch auf eine opti­ma­le Ver­sor­gung gibt es nicht“, erach­tet Reidar Pahl als sehr frag­wür­dig, bedeu­te Sport für die Betrof­fe­nen doch einer­seits Lebens­qua­li­tät als auch Teil­ha­be. In vie­len Fäl­len, die die Brü­der bei­spiel­haft anhand einer Pati­en­ten­ver­sor­gung ver­deut­lich­ten, sei­en die Repa­ra­tur­kos­ten einer über­be­an­spruch­ten All­tags­pro­the­se oft höher als die Erstat­tung einer robus­ten Sport­pro­the­se. Samu­el Wied­mann nahm die Zuschau­er im Anschluss mit in die Anfor­de­run­gen einer Ver­sor­gung eines Leis­tungs­sport­lers. Auf­grund einer Dys­me­lie wird der Para-Sport­ler Felix Streng von OTM Wied­mann mit einer Bein­pro­the­se ver­sorgt, die eine beson­de­re Schaft­ge­stal­tung erfor­de­re. Gera­de im Leis­tungs­sport müss­ten sich die Athlet:innen jeder­zeit auf ihre tech­ni­schen Hilfs­mit­tel ver­las­sen kön­nen: „Hier geht es um die Ver­trau­ens­ba­sis zwi­schen Sport­ler und Tech­ni­ker.“ Bei den Para­lym­pi­schen Spie­len von Tokio im ver­gan­ge­nen Jahr war Samu­el Wied­mann dann sogar live vor Ort, als sich Streng „Gold“ im 100-Meter-Sprint sicher­te. Ein für den Tech­ni­ker ein­ma­li­ger Moment.

Kom­ple­xi­tät der Pro­the­sen hat zugenommen

Auch Andrea Gio­van­ni Cut­ti aus Ita­li­en hat Erfah­rung mit der Ver­sor­gung von Para-Leis­tungs­port­lern und teil­te in Leip­zig sei­ne Stu­di­en­ergeb­nis­se zum Kon­zept von Sprint­pro­the­sen nach trans­fe­mo­ra­ler Ampu­ta­ti­on mit dem inter­es­sier­ten Publi­kum. Unter ande­rem führ­te er aus, wie bereits mini­ma­le Win­kel­ver­än­de­run­gen bei der Schaft­kon­struk­ti­on zu beleg­ba­ren Ver­bes­se­ru­nengen in der Anwen­dung führ­ten. Als letz­ter Refe­rent der Ses­si­on trat Jochen Steil aus Tübin­gen ans Red­ner­pult, um zu demons­trie­ren, dass im Brei­ten­sport eine moder­ne Pro­the­sen­ver­sor­gung zwar mög­lich sei, aber beson­de­ren Her­aus­for­de­run­gen unter­lie­ge. Dies lie­ge nicht zuletzt dar­an, dass in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten die Kom­ple­xi­tät der Pro­the­sen immer mehr zuge­nom­men habe, was aller­dings par­al­lel mit einem Rück­gang der Belast­bar­keit ein­her­ge­gan­gen sei. Steil griff in sei­nem Bei­trag auch noch ein­mal den Aspekt der Erstat­tung auf und erklär­te: „Sport­pro­the­sen kön­nen ein wich­ti­ger Bau­stein bei der Reha­bi­li­ta­ti­on sein.“ Es bleibt abschlie­ßend zu hof­fen, dass sich die­se Posi­ti­on auch beim Gesetz­ge­ber und ggf. sogar bei den Kran­ken­kas­sen durchsetzt.

Micha­el Blatt

Tei­len Sie die­sen Inhalt