Ent­wick­lung einer neu­ar­ti­gen 3D-gedruck­ten Zervikalorthese

M. Gebauer, J. Popkes, O. Dobrindt
Die orthetische Versorgung der Halswirbelsäule ist ein anspruchsvolles Gebiet der Orthopädietechnik. Bei chronischen Beschwerden mit der Gefahr dauerhafter neurologischer Schädigungen ist eine maßgefertigte Orthesenversorgung unabdingbar, um einem operativen Eingriff vorzubeugen. Moderne Technologien zum digitalen Maßnehmen, zur Modellierung sowie zur Fertigung per 3D-Druck bieten dabei neue Möglichkeiten. Die hier vorgestellte neuartige 3D-gedruckte Zervikalorthese stellt das Ergebnis eines erfolgreichen Projekts zur Versorgung von Patienten mit Spinalkanalstenosen dar. Anhand dieses Projekts sowie einer begleitenden quantitativen Studie soll aufgezeigt werden, inwiefern sowohl betroffene Patienten als auch Orthopädietechniker von der Anwendung einer digitalen Prozesskette profitieren können.

Ein­lei­tung

Im Ver­sor­gungs­be­reich der Hals­wir­bel­säu­le kom­men über­wie­gend kon­fek­tio­nier­te Zer­vi­kal­or­the­sen in ver­schie­de­nen Aus­füh­run­gen zum Ein­satz. Haupt­säch­lich geht es dabei um post­trau­ma­ti­sche Ver­sor­gun­gen, die zeit­lich limi­tiert ein­ge­setzt wer­den, um den Hei­lungs­pro­zess zu unter­stüt­zen. Wenn es sich aller­dings um chro­ni­sche Beschwer­den infol­ge von struk­tu­rel­len, funk­tio­nel­len oder neu­ro­lo­gi­schen Schä­di­gun­gen bzw. Abwei­chun­gen han­delt, ist eine adäqua­te indi­vi­du­el­le Ver­sor­gung der Hals­wir­bel­säu­le unab­ding­bar. In der Chir­ur­gi­schen Kli­nik des Virch­ow-Kli­ni­kums der Cha­ri­té in Ber­lin wur­de unter der Lei­tung von Dr. med. Oli­ver Dob­rindt eine indi­vi­du­el­le Zer­vi­kal­or­the­se ent­wi­ckelt, um schwer­punkt­mä­ßig Pati­en­ten mit Spi­nal­ka­nals­teno­sen zu behan­deln. Für die Umset­zung die­ses Kon­zepts zeich­net das Gesund­heits­haus See­ger in Ber­lin verantwortlich.

Der Arti­kel zeigt auf, inwie­fern Pati­en­ten von indi­vi­du­el­len Hilfs­mit­teln aus einer moder­nen digi­ta­len Pro­zess­ket­te pro­fi­tie­ren und even­tu­ell sogar adäqua­ter ver­sorgt wer­den kön­nen als mit kon­ven­tio­nell her­ge­stell­ten Orthesen.

Pro­blem­stel­lung und Vorüberlegungen

Bei den meis­ten Pati­en­ten, die sich im Virch­ow-Kli­ni­kum mit chro­ni­schen Beschwer­den im Hals­wir­bel­be­reich vor­stel­len, liegt eine Spi­nal­ka­nals­teno­se vor. Dabei wird der Rücken­marks­ka­nal durch dis­lo­zier­te, defor­mier­te oder bereits defek­te Band­schei­ben ver­engt, sodass das Rücken­mark gequetscht wird. Aus­lö­ser von Steno­sen kön­nen Trau­ma­ta, struk­tu­rel­le Kno­chen­de­fek­te in Form von Osteoly­sen oder auch Erkran­kun­gen des Ner­ven­sys­tems wie Amyo­tro­phe Late­ral­skle­ro­se (ALS) sein. Oft resul­tiert dar­aus eine mus­ku­lä­re Dys­ba­lan­ce, die sich wie­der­um in Fehl- und Schon­hal­tun­gen nie­der­schlägt und die Spi­nal­ner­ven auf lan­ge Sicht durch die damit ein­her­ge­hen­de abnor­me Posi­ti­on der Band­schei­ben beein­träch­tigt. Eine unsi­che­re Kopf­hal­tung bei schnel­len und abrup­ten Bewe­gun­gen sowie ein­schie­ßen­de Schmer­zen bis ins Hin­ter­haupt sind all­täg­li­che Beschwer­den, von denen Betrof­fe­ne berich­ten. Die letzt­end­li­che Dia­gno­se einer Spi­nal­ka­nals­teno­se kann durch bild­ge­ben­de Ver­fah­ren mit­tels Rönt­gen­auf­nah­men oder durch ein CT gestellt wer­den. Dabei wird auch deut­lich, ob die Steno­se ven­tral, dor­sal oder beid­sei­tig vor­liegt 1. Um einen ope­ra­ti­ven Ein­griff zu ver­mei­den, muss die Hals­wir­bel­säu­le mit­tels einer kon­ser­va­ti­ven Orthe­sen­ver­sor­gung vor allem im Sagit­tal­pro­fil sta­bi­li­siert wer­den. Anhand der Ana­mne­se und einer bild­ge­ben­den Dia­gno­se wird fest­ge­legt, wel­che Bewe­gungs­li­mi­tie­rung not­wen­dig ist, um eine Ent­las­tung der Spi­nal­ner­ven zu gewährleisten.

Erstel­lungs­pro­zess der Zervikalorthese

Maß­neh­men

Da Ver­let­zun­gen der Hals­wir­bel­säu­le sehr unan­ge­nehm und schmerz­haft sind, soll­te die Orthe­sen­ver­sor­gung für den Pati­en­ten mög­lichst ange­nehm gestal­tet wer­den. Aus die­sem Grund wird zur Erstel­lung des not­wen­di­gen indi­vi­du­el­len Abdrucks des Kopf-Hals-Bereichs der mitt­ler­wei­le bran­chen­be­kann­te Hand­scan­ner „Artec Eva“ (Artec Euro­pe, Luxem­burg) ver­wen­det. Die­ser kann mit einer Erfas­sungs­ge­nau­ig­keit von 0,1 mm berüh­rungs­los ein akku­ra­tes Abbild des Pati­en­ten erstel­len und in ein digi­ta­les 3D-Modell über­füh­ren 2. Das digi­ta­le Maß­neh­men ist für den Kun­den bei die­ser Ver­sor­gungs­art deut­lich schnel­ler, sau­be­rer und ange­neh­mer als eine her­kömm­li­che Gips­maß­nah­me. Direkt vor dem Maß­neh­men bringt der Ortho­pä­de den Kopf-Hals-Bereich des Pati­en­ten in die beab­sich­tig­te Posi­ti­on, die spä­ter von der Zer­vi­kal­or­the­se erzielt wer­den soll. Zur Unter­stüt­zung der Hal­tung wäh­rend des Scan-Abdrucks wird eine Cast-Bin­de dor­sal an Nacken und Kopf ange­formt und fixiert (Abb. 1). Die Cast-Bin­de wird spä­ter digi­tal vom gescann­ten Modell wie­der ent­fernt, um die kor­rek­te Ana­to­mie zu erhalten.

Der Scan­vor­gang erfolgt in der Wei­se, dass der Ortho­pä­die­tech­ni­ker sich mit dem Hand­scan­ner ein­mal um den Pati­en­ten her­um­be­wegt, um ein geschlos­se­nes Modell zu erzeu­gen. Mit Hil­fe der dazu­ge­hö­ri­gen Soft­ware „Artec Stu­dio“ wer­den unzäh­li­ge Punk­te der Kör­per­ober­flä­che auf­ge­nom­men und zu einem Mesh-Modell (Drei­ecks­kör­per) fusio­niert 3. Even­tu­el­le Arte­fak­te oder irrele­van­te Tei­le kön­nen nach­träg­lich ent­fernt wer­den. Das fer­ti­ge Mesh-Modell wird sodann als STL- oder OBJ-Datei (Drei­ecks­kör­per mit zusätz­li­cher Farb­tex­tur) für die Wei­ter­be­ar­bei­tung exportiert.

Digi­ta­le Erstel­lung der Orthese

Das erzeug­te 3D-Modell des Pati­en­ten dient als Grund­la­ge zur Erstel­lung der Zer­vi­kal­or­the­se. Im nächs­ten Pro­zess­schritt wird das Mesh-Modell in die Soft­ware „Geo­ma­gic Free­form“ gela­den und in ein soge­nann­tes Clay-Objekt umge­wan­delt, das vir­tu­ell wie ein Gips­mo­dell bear­bei­tet wer­den kann. Mate­ri­al für zu ent­las­ten­de Pro­mi­nen­zen oder Platz­hal­ter für Pols­te­run­gen kön­nen dabei in weni­gen Arbeits­schrit­ten auf- oder abge­tra­gen wer­den. Bei Bedarf wird das digi­ta­le Modell im Hals­be­reich bis zu 5 mm gestreckt, um die Band­schei­ben zusätz­lich zu ent­las­ten. Dar­auf­hin legt man den vor­ge­se­he­nen Rand­ver­lauf der Orthe­se fest und trägt die gewünsch­te Orthe­sen­wand­stär­ke (hier 2,0 bis 2,7 mm) auf die Zweck­form auf. Außer­dem kön­nen Aus­spa­run­gen für den Kehl­kopf­be­reich oder Per­fo­ra­tio­nen zur bes­se­ren Ven­ti­la­ti­on ein­ge­fügt wer­den. Die Zer­vi­kal­or­the­se wird zum Anle­gen auf der lin­ken oder der rech­ten Sei­te geschlitzt, und gegen­über­lie­gend wird ein fle­xi­bler Bereich zur leich­te­ren Öff­nung ein­ge­ar­bei­tet (Abb. 2a–c). Abschlie­ßend wer­den alle Kan­ten geglät­tet, um Ver­let­zun­gen vor­zu­beu­gen. Wie in den Abbil­dun­gen zu erken­nen ist, kann man die Pass­form anhand des 3D-Scans bereits in digi­ta­ler Form annä­hernd über­prü­fen. Das fina­le digi­ta­le Modell der Orthe­se wird zum Abschluss zurück in ein Mesh-Modell umge­wan­delt und schließ­lich per 3D-Druck ein greif­ba­res Pro­dukt dar­aus erstellt.

Die Gestal­tung des letzt­end­li­chen Orthe­sen­de­signs ent­stand im Vor­feld in enger Zusam­men­ar­beit zwi­schen dem behan­deln­den Arzt, dem Ortho­pä­die­tech­ni­ker und den Pati­en­ten. Dabei wur­den nach den ers­ten Erfah­run­gen schritt­wei­se Ver­bes­se­run­gen vor­ge­nom­men und in Pro­to­ty­pen erprobt.

3D-Druck

Für die Erzeu­gung der Zer­vi­kal­or­the­se die­ses Pro­jekts fiel die Wahl auf das pul­ver­ba­sier­te Druck­ver­fah­ren „Mul­ti Jet Fusi­on“ (MJF) der Fir­ma HP mit dem Mate­ri­al Poly­amid 12 (PA12). Es ähnelt dem bereits län­ger eta­blier­ten Selek­ti­ven Laser­sin­tern (SLS) – aller­dings wer­den die Pul­ver­schich­ten beim MJF-Ver­fah­ren nicht durch einen Laser, son­dern mit­tels wär­me­lei­ten­der Flüs­sig­kei­ten und einer Infra­rot-Ener­gie­quel­le ver­schmol­zen 4. Der E‑Modul von PA12 liegt mit durch­schnitt­lich 1800 MPa über dem von PE-HD (1350 MPa) und PP (1450 MPa) und ist damit hin­sicht­lich elas­ti­scher Ver­for­mung min­des­tens eben­bür­tig mit den im Orthe­sen­bau oft genutz­ten Kunst­stof­fen ohne Faser­ver­stär­kung 5. Hier­bei ent­ste­hen also sta­bi­le iso­tro­pe Werk­stü­cke, die rich­tungs­un­ab­hän­gig belast­bar sind. Je nach Auf­trags­la­ge wird die gedruck­te Orthe­se inner­halb von drei bis sechs Tagen vom Druck­dienst­leis­ter ins Sani­täts­haus geschickt, und die Anpro­be kann erfolgen.

Ers­te Anprobe

Auf die Pro­duk­ti­on der Orthe­se mit­tels 3D-Druck folgt die ers­te Anpro­be am Pati­en­ten. Dabei wird vor­ran­gig über­prüft, ob der Kopf mit Hil­fe der Orthe­se sowohl im Lie­gen als auch im Ste­hen in der beab­sich­tig­ten Posi­ti­on gehal­ten wird (Abb. 3). Nach kur­zer Ein­ge­wöh­nung kön­nen even­tu­el­le Druck­stel­len oder schmerz­haf­te Punk­te gemein­sam mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten ermit­telt wer­den. Leich­te Kor­rek­tu­ren der Pass­form sind wie bei kon­ven­tio­nel­len Orthe­sen durch Pols­ter­ma­te­ria­li­en, ther­mi­sche Ver­for­mung oder Beschlei­fen mög­lich. Das sub­jek­ti­ve Pati­en­ten­feed­back ist an die­ser Stel­le von gro­ßer Bedeu­tung, denn auf die­se Wei­se kann eine indi­vi­du­el­le Ein­schät­zung abge­ge­ben wer­den, inwie­fern die Hals­wir­bel­säu­le ent­las­tet ist und die Beschwer­den oder Schmer­zen gelin­dert wer­den konnten.

Pati­en­ten­re­so­nanz

Die Zer­vi­kal­or­the­se wur­de bereits bei eini­gen Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit unter­schied­li­chen Indi­ka­tio­nen erfolg­reich erprobt. Dar­un­ter befand sich unter ande­rem eine Pati­en­tin mit Apla­sie des Atlas-Wir­bels, die sich in unsi­che­rer Kopf­hal­tung bei abrup­ten Bewe­gun­gen äußer­te; eine wei­te­re Pati­en­tin litt nach einem trau­ma­ti­schen Ereig­nis an star­ken ein­schie­ßen­den Schmer­zen im Nacken­be­reich, sodass sie ihren Kopf im nor­ma­len All­tag nicht schmerz­frei bewe­gen konnte.

Ursprüng­lich war die Orthe­se aus­schließ­lich als Nacht­la­ge­rungs­schie­ne geplant, um die Hals­wir­bel­säu­le pri­mär im Sagit­tal­pro­fil auch bei erschlaff­ter Mus­ku­la­tur wäh­rend des Schlafs akku­rat zu posi­tio­nie­ren. Aller­dings wur­de die Ver­sor­gung von den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten so posi­tiv auf­ge­nom­men, dass sie die­se aus eige­nem Antrieb teil­wei­se auch im All­tag tra­gen. Die­se hohe Akzep­tanz wird sicher­lich durch das dezen­te Design begüns­tigt, da die Orthe­se pro­blem­los unter der Klei­dung getra­gen wer­den kann. In bei­den exem­pla­risch dar­ge­stell­ten Fäl­len wur­de den Pati­en­tin­nen mit Hil­fe der Zer­vi­kal­or­the­se ermög­licht, ihren All­tag schmerz­frei­er zu bewäl­ti­gen und teil­wei­se sogar Sport­übun­gen wie Sit-ups oder Nor­dic Wal­king auszuführen.

Quan­ti­ta­ti­ve Unter­su­chung der Wir­kung der Zervikalorthese

Um die neu­ar­tig gefer­tig­te Orthe­se nicht nur auf der Basis des sub­jek­ti­ven Feed­backs der ver­sorg­ten Pati­en­ten bewer­ten zu kön­nen, wur­de im Rah­men einer Bache­lor­ar­beit 6 eine Bewe­gungs­mes­sung durch­ge­führt. Dabei soll­te das Bewe­gungs­aus­maß der Hals­wir­bel­säu­le („cer­vical ran­ge of moti­on“, CROM) mit­tels Instru­men­tie­rung des Kop­fes und des obe­ren Brust­wir­bel­be­rei­ches nähe­rungs­wei­se ermit­telt wer­den (Abb. 4) 6.

Dazu wur­de ein Mess­sys­tem ver­wen­det, das mit Iner­ti­al­sen­so­ren arbei­tet. Sol­che Sen­so­ren sind neben opti­schen Sys­te­men bereits aus der Gang­ana­ly­se bekannt. Sie bie­ten vor allem den Vor­teil einer kom­pak­ten Bau­wei­se und einer nahe­zu labor­un­ab­hän­gi­gen Mess­um­ge­bung. Die­ses Sys­tem stellt damit eine gute Grund­la­ge dar, die Pro­ban­den so wenig wie mög­lich in ihren Bewe­gungs­ab­läu­fen zu beein­flus­sen, um rea­lis­ti­sche­re Mess­ergeb­nis­se zu erhalten.

An den Mes­sun­gen par­ti­zi­pier­ten ins­ge­samt vier Pro­ban­din­nen und Pro­ban­den im Alter zwi­schen 35 und 64 Jah­ren – zwei davon hat­ten eine ent­spre­chen­de Indi­ka­ti­on für die Ver­wen­dung der Orthe­se, die ande­ren bei­den Pro­ban­den wie­sen kei­ne ent­spre­chen­de Indi­ka­ti­on auf. Bestand­tei­le der Mes­sun­gen waren All­tags­be­we­gun­gen wie

  • Schu­he binden,
  • Trep­pen steigen,
  • ent­spann­tes Gehen sowie
  • Gegen­stän­de von einem Tisch aufnehmen.

Außer­dem soll­ten die Pro­ban­den das maxi­mal mög­li­che Bewe­gungs­aus­maß (max. CROM) in Sagit­tal- und Fron­tal­ebe­ne iso­liert aktiv aus­üben. Die­se Teil­auf­ga­ben wur­den von allen Pro­ban­den jeweils mit einer maß­ge­fer­tig­ten Zer­vi­kal­or­the­se und ohne Orthe­se aus­ge­führt, um Ver­gleichs­wer­te zu erhalten.

Die Ergeb­nis­se (Tab. 1) bele­gen, dass die Orthe­se das maxi­ma­le Bewe­gungs­aus­maß der HWS (max. CROM) sagit­tal durch­schnitt­lich um 64 % und koro­nal um 52 % redu­ziert. Bei den All­tags­be­we­gun­gen liegt die Immo­bi­li­sie­rung in der Sagit­tal­ebe­ne zwi­schen 32 und 63 % sowie fron­tal zwi­schen 12 und 27 % (Tab. 1) 6.

Zur bes­se­ren Ein­schät­zung die­ser Ergeb­nis­se lässt sich ein Review von Hol­la und Kol­le­gen 7 her­an­zie­hen. Dar­in wur­den kon­ven­tio­nel­le Zer­vi­kal­or­the­sen nach ihrer Grö­ße und der Immo­bi­li­sie­rung des maxi­ma­len Bewe­gungs­um­fangs (max. CROM) klas­si­fi­ziert und mit­ein­an­der ver­gli­chen 7. Die Immo­bi­li­sie­rungs­wer­te der hier vor­ge­stell­ten maß­ge­fer­tig­ten Zer­vi­kal­or­the­se sind mit den Wer­ten der kon­ven­tio­nel­len Orthe­sen ver­gleich­bar, wenn sie eine ähn­li­che Bau­grö­ße auf­wei­sen. Teil­wei­se lie­gen die Wer­te sogar im Bereich grö­ße­rer Orthe­sen, die deut­lich län­ge­re ven­tra­le und dor­sa­le Rumpf­an­la­gen haben (Tab. 2) 6.

Dis­kus­si­on

Die im Rah­men des hier vor­ge­stell­ten Pro­jekts ent­wi­ckel­te Orthe­se erhielt bei den bis­her ver­sorg­ten Pati­en­ten eine gute Reso­nanz bezüg­lich des all­täg­li­chen Tra­ge­kom­forts sowie der Lin­de­rung im betrof­fe­nen Bereich. Die Bewe­gungs­mes­sun­gen bestä­ti­gen zusätz­lich die Immo­bi­li­sie­rungs­wir­kung der Orthe­se und spie­geln eben­falls den Mehr­wert der Ver­sor­gung wider. Bei der Her­stel­lung der Orthe­se wur­den die Mög­lich­kei­ten einer digi­ta­len Pro­zess­ket­te vom Maß­neh­men bis zur Pro­duk­ti­on abge­wo­gen und erfolg­reich angewandt:

  • Zum einen wur­de die digi­ta­le Scan­tech­nik ein­ge­setzt, um ein Abbild der Pati­en­ten zu erfas­sen, das sau­be­rer, schnel­ler und ange­neh­mer erstellt wer­den kann als mit einer Gipsmaßnahme.
  • Zum ande­ren wur­de die Zweck­form, also die Basis der Orthe­sen­kon­struk­ti­on, digi­tal mit­tels „Geo­ma­gic Free­form“ erar­bei­tet und das Design der Orthe­se direkt auf die­ser Grund­la­ge kon­stru­iert, sodass es in den 3D-Druck über­führt wer­den konnte.

Die Fer­ti­gungs­kos­ten für die­se Ver­sor­gung fal­len zwar deut­lich höher aus als bei einer kon­fek­tio­nier­ten Hals­or­the­se mit ähn­li­chem Anwen­dungs­be­reich. Durch die Son­der­an­fer­ti­gung wird aber jedem Pati­en­ten eine adäqua­te Ver­sor­gung gebo­ten, die optisch unauf­fäl­lig ist und somit für eine grö­ße­re Com­pli­ance sorgt. Dies wäre mit Kon­fek­ti­ons­wa­re nicht möglich.

In die­sem Pro­jekt ging es nicht vor­ran­gig um die Auto­ma­ti­sie­rung und Stan­dar­di­sie­rung einer digi­ta­len Pro­zess­ket­te zur Her­stel­lung einer indi­vi­du­el­len Zer­vi­kal­or­the­se. Viel­mehr wur­de ver­sucht, bereits vor­han­de­ne digi­ta­le Mög­lich­kei­ten in den Her­stel­lungs­pro­zess der geplan­ten Ver­sor­gung ein­zu­bin­den, um Arbeits­schrit­te einer­seits ange­neh­mer für die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten und ande­rer­seits vor­teil­haf­ter und ziel­ge­rich­te­ter für den Tech­ni­ker zu gestal­ten. Da die Umset­zung für alle Betei­lig­ten sehr posi­tiv aus­fiel, wäre eine Stan­dar­di­sie­rung der hier ent­stan­de­nen Pro­zess­ket­te in jedem Fall sinn­voll, um zukünf­tig effi­zi­en­ter zu arbei­ten. Die Arbeits­schrit­te der „ana­lo­gen“ Anpro­be blei­ben aller­dings unab­ding­bar, um indi­vi­du­el­le Anpas­sun­gen nach der Orthe­sen­pro­duk­ti­on durchzuführen.

Für die Autoren:
Micha­el Gebau­er, B. Eng.
Pro­dukt- und Prozessentwicklung
See­ger Gesund­heits­haus GmbH & Co. KG
Genest­stra­ße 5–6, 10829 Berlin
m.gebauer@seeger-gesundheit.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Gebau­er M, Pop­kes J, Dob­rindt O. Ent­wick­lung einer neu­ar­ti­gen 3D-gedruck­ten Zer­vi­kal­or­the­se. Ortho­pä­die Tech­nik, 2021; 72 (7): 36–39
  1. Dob­rindt O. Cer­vicale Repo­si­ti­ons­or­the­se zur Behand­lung von chro­ni­schen HWS-Beschwer­den [unver­öf­fent­lich­te Prä­sen­ta­ti­on]. Ber­lin: Juli­us Wolff Insti­tut, 2019
  2. Artec Euro­pe. Artec Eva, Spe­zi­fi­ka. https://www.artec3d.com/de/portable-3d-scanners/arteceva-v2#specifications (Zugriff am 22.04.2021)
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  4. Som­mer W, Schlen­ker A, Lan­ge-Schö­ne­beck C‑D. Fas­zi­na­ti­on 3D-Druck. Alles zum Dru­cken, Scan­nen, Model­lie­ren. 2., aktua­li­sier­te Auf­la­ge. Burgt­hann: Markt + Tech­nik, 2018
  5. Kern GmbH. Mate­ri­al Sel­ec­tor. Die dyna­mi­sche Richt­wert­ta­bel­le. https://www.kern.de/de/richtwerttabelle (Zugriff am 02.06.2021)
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