Eine Metho­de zur Eva­lu­ie­rung von objek­ti­ven Qua­li­täts­kri­te­ri­en in der Armprothetik

B. Bertram, M. Vorbeck, D.W.W. Heitzmann, J. Block, F. Braatz, S.I. Wolf, M. Alimusaj
Die klinische Beobachtung zeigt funktionelle Vorteile bei der Verwendung von Silikon als Schaftmaterial bei Unterarmprothesen. Zur Evaluation dieser Beobachtung und weiterer Qualitätskriterien wurde eine Studie initiiert, welche die Entwicklung einer geeigneten Methode zum Ziel hat. Darüber hinaus wurden erste Vergleiche zwischen dem klassischen rigiden Unterarmschaft (Münsterschaft) und dem zeitgemäßen Silikonschaft durchgeführt, um einerseits die funktionellen Unterschiede zu objektivieren und andererseits das Verständnis für diese Versorgungsart zu verbessern.

Im Ver­sor­gungs­all­tag ist durch die Wahl her­kömm­li­cher Mate­ria­li­en eine Limi­tie­rung in Bezug auf Funk­tio­na­li­tät, Kom­fort und indi­vi­du­el­le Stumpf­ver­hält­nis­se zu beob­ach­ten. Ins­be­son­de­re bei der Ver­sor­gung von Pati­en­ten mit Unter­arm­pro­the­sen kön­nen kli­nisch betrach­tet Unter­schie­de im Funk­ti­ons­um­fang und der Akzep­tanz des Hilfs­mit­tels im Ver­gleich unter­schied­li­cher Schaft­sys­te­me fest­ge­stellt wer­den. Die kli­ni­sche Erfah­rung der Leis­tungs­er­brin­ger und der Pati­en­ten lässt ein­deu­ti­ge Aus­sa­gen über den Funk­ti­ons­zu­ge­winn durch die Wahl zeit­ge­mä­ßer Mate­ria­li­en und Schaft­ge­stal­tungs­kri­te­ri­en zu. Pati­en­ten berich­ten nach einer Umstel­lung vom klas­si­schen rigi­den Unter­arm­schaft (Müns­ter­schaft) auf einen fle­xi­blen Sili­kon­schaft (Voll­kon­takt­schaft mit Sili­kon­li­ner oder Sili­kon­haft­kon­takt­schaft) häu­fig von einer erhöh­ten Tra­ge­dau­er, einem ver­grö­ßer­ten Bewe­gungs­aus­maß und einer ver­bes­ser­ten Füh­rung der Pro­the­se. Es ist wich­tig, den Stand der Tech­nik nach objek­ti­ven Kri­te­ri­en nach­voll­zieh­bar zu erfas­sen und die Erfah­run­gen zu vali­die­ren, um die funk­tio­nel­le Dis­kus­si­ons­grund­la­ge für die pro­the­ti­sche Ver­sor­gung der obe­ren Extre­mi­tät zu fes­ti­gen. Im Rah­men einer Stu­die wur­de eine Metho­de ent­wi­ckelt, um objek­ti­ve Qua­li­täts­kri­te­ri­en und die Erfah­run­gen der Ver­sorg­ten und der Ver­sor­ger unter wis­sen­schaft­li­chen Kri­te­ri­en nachzuvoll­ziehen und das grund­le­gen­de Ver­ständ­nis der Ver­sor­gungs­art zu verbessern.

Erwei­te­rung der funk­tio­nel­len Möglichkeiten

Zu den Qua­li­täts­kri­te­ri­en für Pro­the­sen der obe­ren Extre­mi­tät zäh­len die akku­ra­te Stumpf­bet­tung durch einen Voll­kon­takt­schaft, die prä­zi­se Posi­tio­nie­rungs­mög­lich­keit und eine siche­re Ansteue­rung der pro­the­sen­sei­ti­gen Funk­tio­nen in der Dyna­mik. Ziel einer funk­tio­nel­len pro­the­ti­schen Ver­sor­gung ist das Erlan­gen einer unab­hän­gi­gen Greif­funk­ti­on zur Erwei­te­rung der funk­tio­nel­len Mög­lich­kei­ten und somit zur Ver­grö­ße­rung der selbst­be­stimm­ten Unab­hän­gig­keit des Pati­en­ten. Dabei soll das Schaft­sys­tem grund­sätz­lich kei­ne zusätz­li­che Ein­schrän­kung bewir­ken. Die Limi­tie­rung des natür­li­chen Bewe­gungs­aus­ma­ßes ein­ge­schlos­se­ner Gelen­ke durch den Schaft ist mit allen zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln zu mini­mie­ren, um die Tätig­kei­ten des All­tags gewähr­leis­ten zu kön­nen. Die kli­ni­sche Bewer­tung zum Errei­chen der Qua­li­täts­kri­te­ri­en fin­det im Rah­men der Anpro­ben und Gebrauchs­schu­lun­gen durch Tech­ni­ker, The­ra­peu­ten und Ärz­te statt. Sie ori­en­tiert sich an Erfah­rungs­wer­ten und ist stark sub­jek­tiv geprägt. Eine objek­ti­ve Vali­die­rung kann unter­stüt­zen­de Wir­kung haben, kon­struk­ti­ve Ele­men­te in der Schaft- und Auf­bau­ge­stal­tung zu opti­mie­ren, um so das funk­tio­nel­le Ergeb­nis zu maximieren.

Im Rah­men der Stu­die wer­den die Qua­li­täts­kri­te­ri­en des klas­si­schen Gieß­harz­schaf­tes (Abb. 1) und des fle­xi­blen Sili­kon­schaf­tes (Abb. 2) unter­sucht und gegen­über­ge­stellt. Die rigi­de Ein­tritts­ebe­ne und kon­struk­ti­ve Frei­räu­me der klas­si­schen Bau­wei­se füh­ren dazu, dass sich ins­be­son­de­re beim Stre­cken des Armes die Pro­the­se vom Stumpf weg­he­beln kann. Der rigi­de supraole­cra­ne Schaf­trand übt bei die­ser Bewe­gung einen hohen Druck auf die Weich­tei­le und ins­be­son­de­re den Tri­ceps und des­sen Seh­ne aus. Die mus­ku­lä­re Ver­span­nung ver­schiebt den Schaft über den Weich­teil­man­tel des Unter­arm­stump­fes, was somit auch zu einer Ver­schie­bung der Elek­tro­den­kon­takt­flä­chen zur dar­un­ter lie­gen­den Mus­kel­grup­pe und lang­fris­tig zu Weich­teil­ver­än­de­run­gen führt. Gleich­zei­tig ist fest­stell­bar, dass auch die Beu­gung deut­lich limi­tiert erscheint, wenn der Unter­arm­stumpf gegen die Aus­bil­dung von Rand­wüls­ten bis zur Beu­ge­fal­te ein­ge­fasst wird. Die­ser Effekt behin­dert eine opti­ma­le Füh­rung und Ansteue­rung der Pro­the­se. Trotz des schein­bar gege­be­nen Kraft­schlus­ses ist ins­be­son­de­re bei eher kur­zen Unter­arm­stümp­fen nur ein unzu­rei­chen­der Halt der Pro­the­se in der Dyna­mik der All­tags­an­wen­dung zu erken­nen. Die Viel­falt der posi­ti­ven Mate­ri­al­ei­gen­schaf­ten von Sili­kon kann dazu bei­tra­gen, die Schnitt­stel­le zwi­schen Stumpf und Pro­the­se zu ver­bes­sern. Dar­über hin­aus erlaubt sie eine Umge­stal­tung der Schaft­form und der Schaft­ein­tritts­ebe­ne. Durch die Fle­xi­bi­li­tät und die Haft­rei­bung des Sili­kons kann die stark kon­tu­rier­te Con­dylen­um­grei­fung in abge­schwäch­ter Form ange­wen­det wer­den; die supraole­cra­ne Umgrei­fung kann brei­ter und dadurch flä­chi­ger gestal­tet wer­den, wodurch die Druck­spit­zen auf die Tri­ceps­seh­ne deut­lich redu­ziert sind. Die Kom­bi­na­ti­on von hoch­fle­xi­blem Sili­kon und rigi­dem Faser­ver­bund­werk­stoff lässt eine Rah­men­tech­nik zu, die gleich­zei­tig opti­mal die Last­über­tra­gung und Sta­bi­li­sie­rung sowie die maxi­ma­le Fle­xi­bi­li­tät in den arti­ku­lie­ren­den Berei­chen sicher­stellt. Die­se Tech­nik kann eine opti­ma­le Bet­tung des Stump­fes in allen Beu­ge­win­keln gewähr­leis­ten und bie­tet zudem die Mög­lich­keit, sowohl sehr kur­ze als auch lan­ge Unter­arm­stümp­fe glei­cher­ma­ßen gut und sta­bil zu bet­ten. Dabei kann durch die Fle­xi­bi­li­tät der Schaft­ein­tritts­ebe­ne und der Rah­men­kon­struk­ti­on im pro­xi­ma­len Bereich der Form­ver­än­de­rung der Weich­tei­le in der Dyna­mik Rech­nung getra­gen wer­den. Dadurch sind die sonst bekann­ten Effek­te im Sin­ne eines Abhe­belns in end­ge­ra­di­gen Posi­tio­nie­run­gen deut­lich redu­ziert. Dies führt dazu, dass die rela­ti­ve Posi­tio­nie­rung der Elek­tro­den in allen Bewe­gungs­aus­ma­ßen unver­än­dert bleibt und eine dau­er­haft siche­re Ansteue­rung der Pro­the­se gewähr­leis­tet ist.

Exkurs: Bun­des­pro­the­sen­lis­te

Die klas­si­sche Bau­wei­se ist die fest­ge­leg­te Bau­wei­se der Bun­des­pro­the­sen­lis­te, die im Bereich der pro­the­ti­schen Ver­sor­gung der obe­ren Extre­mi­tät nach wie vor ihre Anwen­dung fin­det. Man­gels zeit­ge­mä­ßer Kal­ku­la­ti­ons­grund­la­gen und Kas­sen­ver­trä­ge kann die Bun­des­pro­the­sen­lis­te hel­fen, für Leis­tungs­trä­ger und Leis­tungs­er­brin­ger eine gemein­sa­me Dis­kus­si­ons­grund­la­ge zu bil­den. Gleich­zei­tig spie­gelt sie allen­falls in Bezug auf weni­ge Zusatz­po­si­tio­nen den tat­säch­li­chen Auf­wand zeit­ge­mä­ßer Ver­sor­gun­gen und gel­ten­der Qua­li­täts­kri­te­ri­en wider. Voll­kon­takt­schäf­te wer­den nur in weni­gen Posi­tio­nen berück­sich­tigt, fle­xi­ble ther­mo­plas­ti­sche Schäf­te und Sili­kon­schaft­sys­te­me sowie Ver­sor­gungs­kon­zep­te mit Pass­teil­kom­bi­na­tio­nen nach dem Stand der Tech­nik, sind weder mit erhöh­tem Pro­be­auf­wand noch mit dem erhöh­ten Her­stel­lungs­auf­wand abge­bil­det. Den­noch wer­den ins­be­son­de­re die Grund­po­si­tio­nen häu­fig als kal­ku­la­to­risch aus­rei­chend bewer­tet und die Anga­be eines tat­säch­li­chen Mehr­auf­wan­des für ande­re Schaft­sys­te­me als die in der Bun­des­pro­the­sen­lis­te fest­ge­leg­ten Bau­wei­sen nicht immer als erfor­der­lich betrach­tet. Es ist wich­tig zu ver­ste­hen, dass die dort fest­ge­leg­ten Bau­wei­sen, Arbeits­schrit­te und Anpro­be­zei­ten der­zeit noch als Basis die­nen kön­nen, der Mehr­auf­wand für Schaft­sys­te­me nach dem Stand der Tech­nik, wel­cher erfor­der­lich ist, um die Qua­li­täts­kri­te­ri­en zu errei­chen, jedoch zwin­gend zusätz­lich mit ein­kal­ku­liert wer­den muss. Als Grund­la­ge für die­ses Ver­ständ­nis dient die Erkennt­nis über den funk­tio­nel­len Mehr­wert zeit­ge­mä­ßer Sys­te­me. Um die­se Erkennt­nis zu vali­die­ren, muss über die kli­ni­sche Erfah­rung hin­aus ermög­licht wer­den, die Qua­li­täts­krie­ri­en metho­disch und objek­tiv zu erfassen.

Unab­hän­gig von über­hol­ten Aus­füh­rungs­merk­ma­len der Bun­des­pro­the­sen­lis­te kann die klas­si­sche Bau­wei­se mit Gieß­harz­schäf­ten bei­spiels­wei­se in den sel­te­nen Fäl­len man­geln­der Akzep­tanz für zeit­ge­mä­ße Schaft­sys­te­me noch immer Anwen­dung fin­den. Aus heu­ti­ger Sicht stel­len die­se jedoch klar die Aus­nah­me dar, die im Ein­zel­fall zu prü­fen ist. Aus funk­tio­nel­ler Sicht besteht kei­ne Recht­fer­ti­gung mehr für ande­re Schaft­sys­te­me als die zeit­ge­mä­ßen mit fle­xi­blen und hygie­nisch ein­wand­frei­en Komponenten.

Die Stu­die

Die vor­ge­stell­te Stu­die beinhal­tet ein Pro­to­koll, wel­ches die Qua­li­täts­kri­te­ri­en einer pro­the­ti­schen Ver­sor­gung im Bereich des Unter­ar­mes mess­bar wer­den lässt. Funk­tio­nel­le Anfor­de­run­gen, Limi­tie­run­gen und Frei­räu­me kön­nen auf die­se Wei­se dar­ge­stellt und in Zusam­men­hang mit Pati­en­ten­an­sprü­chen und Kon­struk­ti­ons­kri­te­ri­en bewer­tet werden.

Hypo­the­se

Ein Pati­ent mit Unter­arm­am­pu­ta­ti­on oder Dys­me­lie mit Aus­prä­gung im Bereich des Unter­ar­mes gewinnt durch den Sili­kon­schaft im Ver­gleich zum kon­ven­tio­nel­len rigi­den Schaft an Bewe­gungs­frei­heit, Steue­rungs­si­cher­heit und Kom­fort. Die all­ge­mei­ne Akzep­tanz für das Hilfs­mit­tel steigt.

Ziel

Im Rah­men der Stu­die soll eine Metho­de ent­wi­ckelt wer­den, die es im wei­te­ren Ver­lauf ermög­licht, eine Bewer­tung des Bewe­gungs­aus­ma­ßes des ein­ge­schlos­se­nen Ellen­bo­gen­ge­lenks vor­zu­neh­men. Es soll eine Bewer­tung der Bewe­gung der gesam­ten Gelenk­ket­te erfol­gen, wie etwa Aus­gleichs­be­we­gun­gen in angren­zen­den Gelen­ken und des Rump­fes. Die Füh­rung und Fein­po­si­tio­nie­rung soll bewer­tet wer­den. Auch sol­len Aus­sa­gen über die Tra­ge­dau­er, den Kom­fort, die Akzep­tanz und den Ein­satz der Pro­the­se objek­ti­viert werden.

Pati­en­ten

Die Stu­die unter­sucht Pati­en­ten mit einer uni­la­te­ra­len Unter­arm­am­pu­ta­ti­on oder Dys­me­lie mit Aus­prä­gung im Bereich des Unter­ar­mes zwi­schen 18 und 60 Jah­ren ohne Ellen­bo­gen­kon­trak­tur, die mit einer myo­elek­tri­schen Unter­arm­pro­the­se mit Kurz­schaft (vgl. Abb. 1 u. 2) ver­sorgt sind.

Metho­de

Vor­aus­set­zung zur Teil­nah­me an der Stu­die ist die pass­ge­rech­te Ver­sor­gung und the­ra­peu­ti­sche Gebrauchs­schu­lung mit bei­den Schaft­sys­te­men. Das bestehen­de Schaft­sys­tem wird vor­ab auf sei­ne Pass­form über­prüft. Sofern Teil­neh­mer der Stu­die mit nur einem der zu ver­glei­chen­den Schaft­sys­te­me ver­sorgt sind, erhal­ten sie eine Anpas­sung und Gebrauchs­schu­lung mit dem zwei­ten Schaft­sys­tem. Es fin­det eine drei­di­men­sio­na­le opti­sche Erfas­sung der Kine­ma­tik mit­tels eines Vicon-Sys­tems (Oxford Metrics, Oxford, UK) statt. Eine Aus­wer­tung der Daten geschieht durch das bio­me­cha­ni­sche Ober­kör­per­mo­dell von Oli­ver Ret­tig et. al. 1. Reflek­tie­ren­de Mar­ker wer­den an fest­ge­leg­ten pro­mi­nen­ten ana­to­mi­schen Merk­ma­len plat­ziert (Abb. 3)­ und über ein Kame­ra­ar­ray drei­di­men­sio­nal im Raum erfasst (Abb. 4). Die erfass­ten Bewe­gungs­seg­men­te wer­den als Flä­chen dar­ge­stellt, die Ermitt­lung der Gelenk­ach­sen geschieht mathe­ma­tisch durch das Ober­kör­per­mo­dell. So ist eine abso­lu­te Erfas­sung von Bewe­gungs­ab­läu­fen und Bewe­gungs­aus­ma­ßen möglich.

Im Mess­pro­to­koll wird das maxi­ma­le Bewe­gungs­aus­maß der Schul­ter und des Ellen­bo­gen­ge­lenks in Sagit­tal- und Fron­tal­ebe­ne ermit­telt. Anschlie­ßend wird erneut das maxi­ma­le Bewe­gungs­aus­maß des Ellen­bo­gen­ge­lenks iso­liert gemes­sen, um Kom­pen­sa­ti­ons­be­we­gun­gen aus­zu­schlie­ßen. Als all­tags­re­le­van­te Bewe­gungs­ab­läu­fe wer­den die Posi­tio­nie­rung der Hän­de hin­ter dem Kopf, das Ver­set­zen einer Kis­te sowie das wie­der­hol­te Grei­fen eines Bal­les hin­ter sich in ver­schie­de­nen Abstän­den optisch erfasst. Die Bewer­tung der Fein­po­si­tio­nie­rung geschieht zusätz­lich über einen Test, bei dem die Pro­the­se in 30 Zyklen zwi­schen Nase und einem Schal­ter hin und her geführt wer­den muss. Die­ser Schal­ter wird auf Schul­ter­hö­he in einem Abstand von 80 % der Maxi­mal­reich­wei­te vor dem Pati­en­ten posi­tio­niert (Tab. 1). Tei­le die­ses Mess­pro­to­kolls leh­nen sich an All­tags­be­we­gun­gen an. Die Grund­la­gen für das Pro­to­koll schaf­fen Unter­su­chun­gen von Pati­en­ten mit Ellen­bo­gen­kon­trak­tur 2. Die­se ver­wand­te Fra­ge­stel­lung in Bezug auf Aus­gleichs­be­we­gun­gen stellt eine geeig­ne­te Metho­de dar, um den Ver­gleich der Schaft­sys­te­me hin­sicht­lich der auf­ge­stell­ten Hypo­the­se anzustellen.

Neben den mess­tech­nisch erfass­ten Bewe­gungs­ab­läu­fen wer­den zudem Funk­ti­ons­tests aus dem kli­ni­schen Ver­sor­gungs­all­tag und der Ergo­the­ra­pie durch­ge­führt. Die siche­re Ansteue­rung etwa im Schür­zen­griff oder über dem Kopf ist nur mit einer akku­ra­ten Pass­form mög­lich und lässt Erkennt­nis­se über eine insuf­fi­zi­en­te Ansteue­rung durch Ver­he­be­lun­gen im Schaft zu. Rou­ti­nen wie Hand­tü­cher fal­ten, einen Reiss­ver­schluss­beu­tel öff­nen oder Übun­gen wie der Box-and-Blocks-Test 3 las­sen, ins­be­son­de­re bei einem direk­ten Ver­gleich der Schaft­sys­te­me, Aus­sa­gen über eine siche­re Ansteue­rung, ein bima­nu­el­les Arbei­ten, zeit­li­che Kom­po­nen­ten und die Fein­po­si­tio­nie­rung zu.

Bedingt mess­ba­re Ver­sor­gungs­fak­to­ren über die Akzep­tanz wer­den über zwei Fra­ge­bö­gen erho­ben. Der am Tri­ni­ty Col­lege Dub­lin ent­wi­ckel­te „Tri­ni­ty Ampu­ta­ti­on and Pro­sthe­tic Expe­ri­ence Sca­le“, T.A.P.E.S abge­kürzt 4 5, spie­gelt die psy­cho­so­zia­le Bewer­tung, die erleb­ten Mobi­li­täts­ein­schrän­kun­gen und die Zufrie­den­heit der Pati­en­ten wider. Die­ser ursprüng­lich für die unte­re Extre­mi­tät ent­wi­ckel­te Fra­ge­bo­gen beinhal­tet im Wesent­li­chen die glei­che Fra­ge­stel­lung und kann daher als aner­kann­ter Test her­an­ge­zo­gen wer­den. Dabei tref­fen die Pati­en­ten jeweils für bei­de Schaft­sys­te­me Aus­sa­gen bezüg­lich des Tra­gens der Pro­the­se („ich habe mich an das Tra­gen einer Pro­the­se gewöhnt“), zu Akti­vi­tä­ten eines typi­schen Tages­ab­laufs („Hob­bies nach­ge­hen“, „zur Arbeit gehen“, „Freun­de besu­chen“), der Zufrie­den­heit mit der Pro­the­se und der Tra­ge­dau­er sowie sub­jek­ti­ven Emp­fin­dun­gen und Schmerz­er­fah­run­gen im Umgang mit dem Hilfsmittel.

Der „Disa­bi­li­ties of the Arm, Should­er and Hand Out­co­me Mea­su­re“ (DASH Score, Ame­ri­can Aca­de­my of Ortho­pae­dic Sur­ge­ons 6 7) erhebt ergän­zend Infor­ma­tio­nen über einen geziel­ten funk­tio­nel­len Ein­satz im All­tag mit einer kon­kre­ten Fra­ge­stel­lung nach bestimm­ten Tätig­kei­ten. Auch die­ser Fra­ge­bo­gen wird für bei­de Ver­sor­gun­gen aus­ge­füllt. Über eine Punk­te­ma­trix kön­nen die Ant­wor­ten bei einer höhe­ren Fall­zahl gra­fisch dar­ge­stellt und bewer­tet werden.

Zwi­schen­stand

Die bis­he­ri­gen Ergeb­nis­se hin­sicht­lich des erar­bei­te­ten Pro­to­kolls und der Metho­de zei­gen, dass sie grund­sätz­lich die funk­tio­nel­len Aspek­te der arm­pro­the­ti­schen Ver­sor­gung wider­spie­geln und damit mess­bar machen. Die Ergeb­nis­se zwei­er exem­pla­ri­scher Unter­su­chun­gen wer­den im Fol­gen­den deskrip­tiv dar­ge­stellt. Es zeich­net sich bereits nach zwei Pro­ban­den eine Ten­denz bezüg­lich der Fra­ge­stel­lung zum abso­lu­ten Bewe­gungs­aus­maß ab. Es ist fest­zu­stel­len, dass sich die kli­ni­schen Beob­ach­tun­gen in der Mes­sung bestä­ti­gen und bei der Ver­sor­gung mit einem Sili­kon­schaft ein Zuwachs des Bewe­gungs­aus­ma­ßes gegen­über der kon­ven­tio­nel­len Schaft­aus­füh­rung deut­lich wird. Exem­pla­risch anhand der Mes­sun­gen eines Pro­ban­den dar­ge­stellt zeigt sich in Abbil­dung 5 mit dem rigi­den Schaft ein Bewe­gungs­aus­maß von 65°. Die­sem Bewe­gungs­aus­maß ste­hen 85° mit Sili­kon­schaft gegen­über (Abb. 6). Obwohl in die­sem Fal­le unter­schied­li­che Kri­te­ri­en für den Auf­bau der bei­den Schaft­sys­te­me zur Gel­tung kamen, wodurch sich die unter­schied­li­chen Abso­lut­wer­te (Mini­num und Maxi­mum) nach Neu­tral Null erga­ben, so nähert sich mit dem Sili­kon­schaft das Bewe­gungs­aus­maß mit einem Zuwachs von 20° in jedem Fal­le dem phy­sio­lo­gi­schen Bewe­gungs­um­fang von etwa 150° an.

Ana­log dazu zeugt die Aus­wer­tung der Fra­ge­bö­gen von der Wich­tig­keit des erhöh­ten Bewe­gungs­aus­ma­ßes. Die Pati­en­ten bewer­ten den funk­tio­nel­len Mehr­wert als rele­vant und stel­len eine Erwei­te­rung der Mög­lich­kei­ten bei den Tätig­kei­ten ihres All­tags fest. Die Ergeb­nis­se der Bewer­tung der angren­zen­den Gelen­ke und der gesam­ten Gelenk­ket­te ste­hen noch aus.

Fazit

Mit der Metho­de wur­de ein geeig­ne­ter Weg gefun­den, die kli­ni­schen Beob­ach­tun­gen mess­bar zu machen und Aus­sa­gen der Pati­en­ten repro­du­zier­bar dar­zu­stel­len. Das Pro­to­koll schließt die wesent­li­chen Bewer­tungs­kri­te­ri­en zum Bewe­gungs­aus­maß und zur Ansteue­rung von Unter­arm­pro­the­sen mit ein und erlaubt die Aus­wer­tung sub­jek­ti­ver Ein­drü­cke nach wis­sen­schaft­li­chen Kri­te­ri­en. Die bis­he­ri­gen Ergeb­nis­se las­sen sicher­lich noch kei­ne all­ge­mein­gül­ti­ge Aus­sa­ge zu, erlau­ben jedoch bei Betrach­tung der mess­tech­nisch erfass­ten Grö­ßen und der Ergeb­nis­se der Fra­ge­bö­gen die Schluss­fol­ge­rung, dass die auf­ge­stell­te Hypo­the­se wei­ter­hin Bestand hat. Wei­te­re Unter­su­chun­gen sind jedoch erfor­der­lich, um die Ergeb­nis­se auch sta­tis­tisch prü­fen zu können.

Die bis­he­ri­ge Unter­su­chung zeigt, dass der erfor­der­li­che Auf­wand weni­ger durch abso­lu­te Ver­sor­gungs­zah­len in die­sem Bereich moti­viert ist als viel­mehr durch den enor­men Stel­len­wert unse­rer Hän­de im all­täg­li­chen Leben. Die tech­ni­sche Limi­tie­rung gegen­über der phy­sio­lo­gi­schen Hand­funk­ti­on stellt bei der pro­the­ti­schen Ver­sor­gung der obe­ren Extre­mi­tät und der dar­aus resul­tie­ren­den hoch­gra­di­gen Indi­vi­dua­li­sie­rung der Pro­the­sen eine gro­ße Beson­der­heit die­ser ortho­pä­die­tech­ni­schen Dis­zi­plin dar. Daher ist es umso wich­ti­ger, die kli­ni­schen Beob­ach­tun­gen auch wis­sen­schaft­lich nach­zu­voll­zie­hen, um fun­dier­te Aus­sa­gen über den Funk­ti­ons­zu­ge­winn im Sin­ne der Qua­li­täts­kri­te­ri­en für den pro­the­ti­schen Ver­sor­gungs­be­reich der obe­ren Extre­mi­tät zu erhal­ten und den Stand der Tech­nik wei­ter als sol­chen zu ver­fes­ti­gen bzw. vor­an­zu­trei­ben. Die Objek­ti­vie­rung der Ver­sor­gungs­pa­ra­me­ter ist bei der Ent­wick­lung einer funk­ti­ons­ori­en­tier­ten Dis­kus­si­ons­grund­la­ge ein essen­ti­el­ler Baustein.

Die zu bewer­ten­den Ver­sor­gun­gen besit­zen eine hohe Kom­ple­xi­tät auf­grund der hohen funk­tio­nel­len Anfor­de­run­gen. Das Vor­ge­hen der Stu­die ist den­noch dar­auf aus­ge­legt, ein mög­lichst brei­tes Spek­trum an funk­tio­nel­len Ver­glei­chen zu zie­hen, um die The­ma­tik von vie­len Sei­ten zu beleuch­ten. So ist es zum Bei­spiel wich­tig zu beach­ten, dass nicht allein das Schaft­sys­tem zuver­läs­sig mess­ba­re Aus­sa­gen über Kom­pen­sa­ti­ons­be­we­gun­gen oder das Errei­chen mar­kan­ter Bewer­tungs­kri­te­ri­en zulässt. Die Füh­rung der Pro­the­sen­hand zum Mund wird nicht nur durch den Ein­satz eines fle­xi­blen Schaf­tes mög­lich, son­dern ist auch abhän­gig von der jewei­lig ein­ge­stell­ten Vor­fle­xi­on, die sich an den Anfor­de­run­gen, Wün­schen und Bewer­tungs­kri­te­ri­en des Pati­en­ten ori­en­tiert. Die Anpas­sung bei­der Schaft­sys­te­me im Rah­men der Stu­die muss daher im Sin­ne ver­gleich­ba­rer Mes­sun­gen den­sel­ben Auf­bau­kri­te­ri­en fol­gen. Es ist zwar in jedem Fal­le tech­nisch mög­lich, das abso­lu­te Bewe­gungs­aus­maß zu erfas­sen. Eine Aus­sa­ge über Kom­pen­sa­ti­ons­be­we­gun­gen kann andern­falls jedoch ohne Beach­tung der ande­ren Rand­be­din­gun­gen nicht zuver­läs­sig getrof­fen werden.

Gleich­zei­tig muss beach­tet wer­den, dass die Viel­zahl an Frei­heits­gra­den des Schul­ter­gür­tels unzäh­li­ge Stra­te­gien ermög­licht, die Pro­the­sen­hand zu posi­tio­nie­ren und einen Gegen­stand zu ergrei­fen. Somit ist eine hohe Pro­ban­den­zahl anzu­stre­ben, um ver­läss­li­che sta­tis­ti­sche Aus­sa­gen ins­be­son­de­re zu Aus­gleichs­be­we­gun­gen unter Aus­schluss per­sön­li­cher Bewe­gungs­mus­ter tref­fen zu können.

Die Teil­nah­me an der Stu­die bie­tet Pati­en­ten die Mög­lich­keit eines direk­ten Ver­gleichs zwei­er Sys­te­me, um so ein per­sön­li­ches Resü­mee zie­hen zu kön­nen. Damit ergibt sich zusätz­lich die Chan­ce einer direk­ten und fun­dier­ten Rück­mel­dung an den Tech­ni­ker über die jewei­li­gen Vor- und Nach­tei­le der Schaft­sys­te­me. Wer schließ­lich das Ver­sor­gungs­kon­zept eines Sili­kon­schaf­tes ver­steht, kann es noch geziel­ter auf den indi­vi­du­el­len Pati­en­ten anpas­sen, um die best­mög­li­che Ver­sor­gung zu erreichen.

Für die Autoren:
Boris Bert­ram
Ortho­pä­di­sche Universitätsklinik 
Hei­del­berg
Schlier­ba­cher Land­stra­ße 200a
69118 Hei­del­berg
boris.bertram@med.uni-heidelberg.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/Reviewed paper

Zita­ti­on
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