Digi­ta­li­sie­rung als Gesamtkunstwerk

Digitalisierung, Qualitätssicherung und mehr Evidenz in der Orthetik und Prothetik stehen im Mittelpunkt der Symposien, Podien und Vorträge, die Merkur Alimusaj im Kongressprogramm der digitalen OTWorld.connect vom 27. bis 29. Oktober 2020 verantwortet.

Im Inter­view erklärt der Lei­ter Tech­ni­sche Ortho­pä­die am Zen­trum für Ortho­pä­die, Unfall­chir­ur­gie und Para­ple­gio­lo­gie des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Hei­del­berg, auf wel­che High­lights er sich beson­ders freut und war­um Digi­ta­li­sie­rung ein „Gesamt­kunst­werk“ ist.

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OT: Herr Ali­mus­aj, Sie sind als Chair meh­re­rer Sym­po­si­en sowie mit eige­nen Vor­trä­gen im Kon­gress der OTWorld.connect ver­tre­ten – wel­che High­lights heben Sie hervor?

Mer­kur Ali­mus­aj: Ein High­light ist das The­ma Regis­ter­for­schung. Das Fraun­ho­fer-Insti­tut für Pro­duk­ti­ons­tech­nik und Auto­ma­ti­sie­rung (IPA) sowie die Uni­kli­nik Hei­del­berg haben gemein­sam die Podi­ums­dis­kus­si­on „Digi­ta­li­sie­rung, Evi­denz und ein deut­sches medi­zi­ni­sches Regis­ter für die Ver­sor­gung Ampu­tier­ter“ vor­be­rei­tet. Hier­bei geht es um nach­hal­ti­ge Qua­li­täts­si­che­rung und evi­denz­ba­sier­tes Arbei­ten in der Ortho­pä­die-Tech­nik. Nicht zuletzt durch die gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen der Euro­päi­schen Medi­zin­pro­duk­te-Ver­ord­nung (Medi­cal Device Regu­la­ti­on, MDR) wird das The­ma Wirk­sam­keits­nach­weis stark in den Fokus gerückt. Seit sie­ben Jah­ren arbei­ten wir in Hei­del­berg an einem inter­nen Regis­ter, einem Ver­zeich­nis rele­van­ter ortho­pä­die­tech­ni­scher Ver­sor­gungs­kon­zep­te, zunächst für Bein­pro­the­tik. Jetzt haben wir zusam­men mit Fraun­ho­fer IPA fast eine hal­be Mil­li­on Euro För­der­mit­tel erhal­ten, um dies modell­haft wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Die Idee ist, das Regis­ter in Zukunft bun­des­weit aus­zu­rol­len – als Hil­fe­stel­lung für die Sani­täts­häu­ser und OT-Werk­stät­ten. Ins­ge­samt wei­sen die auf der OTWorld.connect auf­ge­grif­fe­nen The­men Wege, wie wir unse­re wun­der­ba­re Arbeit auch künf­tig sicherstellen.

OT: Wor­auf legen Sie in die­ser Hin­sicht im Kon­gress der OTWorld.connect ein beson­de­res Augenmerk?

Ali­mus­aj: Sehr span­nend ist eine neue Koope­ra­ti­on mit den Kol­le­gen der Ame­ri­can Aca­de­my of Ortho­tists & Pro­sthe­tists (AAOP) – das Sym­po­si­um „Trans­fe­mo­ra­le Schaft­ge­stal­tung in den USA und Deutsch­land: Was ist Stand der Tech­nik?“ Das ist die ers­te kon­kre­te Koope­ra­ti­on zwi­schen der hie­si­gen Ortho­pä­die-Tech­nik und der Ame­ri­can Aca­de­my, die eine sehr wis­sen­schaft­li­che Aus­rich­tung hat und die Evi­denz hoch­hält. Ich bin zuver­sicht­lich, dass dar­aus ein regel­mä­ßi­ger Wis­sens­trans­fer ent­steht. Wei­te­re Säu­le auf der OTWorld.connect sind Ver­sor­gungs­aspek­te wie Kin­der­or­tho­pä­die, Arm- und Beinprothetik.

„Hau­de­gen“ und „Game­boy-Gene­ra­ti­on“ vereinen

OT: Wie wird die OTWorld.connect 2020 die Bran­che voranbringen?

Ali­mus­aj: Ob addi­ti­ve Pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren bzw. 3D-Druck, die wei­te­re Pro­fes­sio­na­li­sie­rung unse­res Fachs, das Zusam­men­spiel von Hand­werk und For­schung – auf der OTWorld.connect wer­den erneut wesent­li­che Zukunfts­the­men ver­han­delt. Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um pro­kla­miert seit Jah­ren den Begriff „Ver­sor­gungs­for­schung“. Wir sind die Ver­sor­ger und müs­sen hier unse­re Kom­pe­tenz zei­gen, uns als Teil des Gan­zen sehen. Zu die­sem inter­dis­zi­pli­nä­ren Aus­tausch trägt die OTWorld.connect bei, denn die OT braucht die enge Ver­knüp­fung mit Medi­zin und Wis­sen­schaft – auf Augenhöhe.

OT: 3D-Druck und Digi­ta­li­sie­rung wer­den in der Bran­che inten­siv dis­ku­tiert – und eben­so wie­der auf der OTWorld.connect. Wohin geht der Weg?

Ali­mus­aj: Schritt für Schritt fin­det in unse­rem Fach ein Gene­ra­ti­ons­wech­sel statt – die Zahl der alten „Hau­de­gen“ aus der Hand­werks­rie­ge nimmt zah­len­mä­ßig ab, die „Game­boy-Gene­ra­ti­on“ ist im Kom­men. Die Hür­den für die Digi­ta­li­sie­rung wer­den nied­ri­ger. Doch wir müs­sen auf­pas­sen, dass wir das Wis­sen der alten Hau­de­gen nicht ver­lie­ren. Die­se Gefahr sehe ich durch­aus. Wir müs­sen also ler­nen, wie wir deren Wis­sen in die digi­ta­le Welt trans­fe­rie­ren. Der 3D-Druck ist hier sicher eine wich­ti­ge Kom­po­nen­te. Doch wir soll­ten die­sen Bereich nicht über­stra­pa­zie­ren und ande­re wesent­li­che Ele­men­te dabei ver­ges­sen. Wir soll­ten uns viel­mehr mit den dahin­ter­ste­hen­den Pro­zes­sen befas­sen wie bei­spiels­wei­se der Doku­men­ta­ti­on, der opti­ma­len Steue­rung kom­ple­xer betrieb­li­cher Abläu­fe und Res­sour­cen – Stich­wort ERP-Soft­ware (Enter­pri­se-Res­sour­ce-Plan­ning). Die Digi­ta­li­sie­rung ist ein Gesamt­kunst­werk – das müs­sen wir dem Hand­werk nahe­brin­gen. Gera­de bei der Pro­zess­op­ti­mie­rung haben die meis­ten Fir­men Nach­hol­be­darf. Doch das Arbeits­prin­zip klei­ner Manu­fak­tu­ren wird sich im Trend der Filia­li­sie­rung nicht hal­ten las­sen. Die Digi­ta­li­sie­rung hilft dem Hand­werk, sein Wis­sen um Ver­sor­gungs­qua­li­tät umfas­send zu nut­zen und flä­chen­de­ckend auszuspielen.

OT: Kom­plett digi­tal ist die OTWorld.connect – wie berei­ten Sie sich dar­auf vor, allein vor dem Bild­schirm zu referieren?

Ali­mus­aj: Viel­leicht gelingt es, durch die digi­ta­le Prä­sen­ta­ti­on ein noch brei­te­res Publi­kum anzu­spre­chen. Zwar ist es einer­seits leich­ter, auf die direk­ten Stim­mun­gen in einem Vor­trags­saal ein­zu­ge­hen, ande­rer­seits sinkt durch das digi­ta­le For­mat die Schwel­le für die Teil­nah­me enorm. Die Refe­ren­ten müs­sen noch strin­gen­ter einem „roten Faden“ fol­gen. Am bes­ten sit­zen ein paar Kol­le­gen als Zuhö­rer hin­ter der Web­cam, deren Reak­tio­nen man ein­fan­gen kann. Auf jeden Fall hilft es, sich ein voll besetz­tes Audi­to­ri­um vor­zu­stel­len. Ich bin gespannt, wie aktiv der Chat wäh­rend der Ses­si­ons sein wird. Die­se außer­ge­wöhn­li­che Situa­ti­on wird aber ein Motor für digi­ta­le Ver­an­stal­tungs­for­ma­te sein – und eini­ges davon wer­den wir als Ergän­zung für die OTWorld 2022 sicher­lich mitnehmen.

Die Fra­gen stell­te Cath­rin Günzel.

 

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