Digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on in der Orthopädie-Technik

Digitalisierte Prozesse, Formulare und Unterschriften, Additive Fertigung, digitale Gesundheitsanwendungen, Elektronisches Rezept – die Digitalisierung in der Orthopädie-Technik hat viele Facetten. Während manche Betriebsinhaber:innen für den Einstieg Prozesse in der Werkstatt wählen, digitalisieren andere organisatorische Abläufe. Doch wie genau kann diese Transformation erfolgreich gelingen? Und wie können sich Betriebe von Mitbewerbern abheben?

Dani­el Behm, MBA Gesund­heits­ma­nage­ment, Ortho­pä­die­tech­ni­ker und stell­ver­tre­ten­der Geschäfts­lei­ter des Sani­täts­hau­ses Gäher aus Müns­ter, hat in sei­ner Mas­ter­the­sis meh­re­re Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für Betriebsinhaber:innen und Entscheidungsträger:innen erar­bei­tet, die er in einer mehr­tei­li­gen Serie in der OT vor­stellt. Der drit­te und letz­te Teil greift fol­gen­de The­men­schwer­punk­te auf: Außen­dar­stel­lung der Ortho­pä­die-Tech­nik, ethi­sche Fra­ge­stel­lun­gen, wohn­ort­na­he Ver­sor­gung durch Netz­werk­ar­beit und Limi­ta­tio­nen der Arbeit. (Teil 1: Inno­va­ti­ons­ma­nage­ment auf Unter­neh­mens­ebe­ne; Teil 2: Wie die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on gelin­gen kann).

Hand­lungs­emp­feh­lung 8:
Außen­dar­stel­lung, Bekannt­heits­grad und Attraktivität

Es liegt in der Ver­ant­wor­tung jedes ein­zel­nen Unter­neh­mens und der Ver­bän­de und Innun­gen, an der Außen­dar­stel­lung, dem Bekannt­heits­grad, der Attrak­ti­vi­tät und den Arbeits­mög­lich­kei­ten im Sani­täts­haus zu arbei­ten. Der zuneh­men­de Wett­be­werb und die kom­ple­xen He­rausforderungen im Gesund­heits­we­sen und in der heu­ti­gen Geschäfts­welt erfor­dern eine star­ke Stim­me der Bran­che, um gemein­sa­me Inter­es­sen zu ver­tre­ten und effek­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le zu eta­blie­ren. Dar­über hin­aus ist die Zusam­men­ar­beit mit ande­ren Bran­chen­ver­bän­den und die Ent­wick­lung von Part­ner­schaf­ten uner­läss­lich, um gemein­sa­me Inter­es­sen zu ver­tre­ten und eine brei­te­re Basis für die Ver­tre­tung nach außen zu schaf­fen. Nach den Emp­feh­lun­gen der Gesprächsteilnehmer:innen ist es von ent­schei­den­der Bedeu­tung, die Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren in den ver­schie­de­nen Ver­bän­den der Bran­che klar zu kom­mu­ni­zie­ren. Hier­bei sind ins­be­son­de­re der Bun­des­in­nungs­ver­band für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV-OT), das Bünd­nis „Wir ver­sor­gen Deutsch­land“ (WvD) und die Deut­sche Gesell­schaft für inter­pro­fes­sio­nel­le Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung e. V. (DGIHV) sowie dar­über hin­aus rele­van­te Ver­bän­de zu berück­sich­ti­gen. Um sicher­zu­stel­len, dass sowohl die Bran­che selbst als auch exter­ne Inter­es­sen­ten über die Zustän­dig­kei­ten und Auf­ga­ben der ein­zel­nen Ver­bän­de infor­miert sind, bedarf es einer trans­pa­ren­ten und effek­ti­ven Kom­mu­ni­ka­ti­on. Dazu gehört eine kla­re und über­sicht­li­che Dar­stel­lung der Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che und Arbeits­schwer­punk­te. Wich­tig ist zudem eine Über­sicht über die ver­schie­de­nen Ansprechpartner:innen inner­halb der Bran­che und der Ver­bän­de sowie eine regel­mä­ßi­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on über News­let­ter, Web­i­na­re oder Ver­an­stal­tun­gen, um über aktu­el­le Ent­wick­lun­gen und Ver­än­de­run­gen inner­halb der Ver­bän­de zu informieren.

Hand­lungs­emp­feh­lung 9:
Ver­sor­gungs­netz­wer­ke – vor Ort

Ange­sichts der häu­fig engen und lang­jäh­ri­gen Bezie­hun­gen zu ande­ren Gesund­heits­dienst­leis­tern wie Ärzt:innen, Alten- und Kran­ken­pfle­ge­ein­rich­tun­gen sowie Therapeut:innen haben die Unter­neh­men einen deut­li­chen Wett­be­werbs­vor­teil gegen­über dem Online-Han­del. Das gemein­sa­me Han­deln und der Auf­bau von Ver­sor­gungs­netz­wer­ken im Sin­ne einer wohn­ort­na­hen Ver­sor­gung muss von den Unter­neh­men wei­ter gestärkt und aus­ge­baut wer­den. Nur so kön­nen die Unter­neh­men vor Ort ihren Wett­be­werbs­vor­teil aus­bau­en und lang­fris­tig am Markt bestehen. Hier­bei ist die Dif­fe­ren­zie­rung der ein­zel­nen Ver­sor­gungs­be­rei­che Sani­täts­haus, Ortho­pä­die-Tech­nik, Reha-Tech­nik und Home­ca­re, um nur eini­ge zu nen­nen, immens wich­tig, da die Expert:innen die­sen Berei­chen eine unter­schied­li­che Aus­rich­tung in den kom­men­den Jah­ren pro­gnos­ti­zie­ren. Grund­sätz­lich lässt sich fest­hal­ten, so die Expert:innen, dass die Ver­sor­gung direkt an Patient:innen das Kern­ge­schäft der Hilfs­mit­tel­ver­sor­ger aus­ma­chen wird. In inter­dis­zi­pli­nä­ren Arzt­sprech­stun­den und durch den Kon­takt zu Mediziner:innen, vor allem in Fach­zen­tren und Fach­kli­ni­ken mit kom­ple­xen Ver­sor­gun­gen, ist der Fach­han­del wei­ter­hin unab­ding­bar. Die digi­ta­le Ent­wick­lung in der Medi­zin, in den Kli­ni­ken und Pra­xen, rund um das Ent­lass­ma­nage­ment und die Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung, die sich bereits auf die Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur (TI) ein­ge­stellt hat und durch das Kran­ken­haus­zu­kunfts­ge­setz (KHZG) kurz­fris­tig ein­stel­len wird, darf die Bran­che nicht verpassen.

Hand­lungs­emp­feh­lung 10:
Anspra­che des Pati­en­ten oder der Kund:innen

Allein die Fra­ge nach der Anspra­che des Men­schen, der eine Dienst­leis­tung im Sani­täts­haus in Anspruch nimmt, eröff­net die Dimen­si­on, die sich hin­ter einer auf den ers­ten Blick ein­fa­chen, ethi­schen Fra­ge­stel­lung ver­birgt. Der frü­her noch aus­schließ­lich in der männ­li­chen Form ange­spro­che­ne, hil­fe­su­chen­de und gesiez­te Pati­ent wird heu­te immer häu­fi­ger zum selbst­be­stimm­ten und ser­vice- und dienst­leis­tungs­ori­en­tier­ten Kun­den bzw. zur Kun­din. Die Grün­de hier­für sind viel­fäl­tig. Nicht zuletzt bie­ten Sani­täts­häu­ser nicht mehr aus­schließ­lich Leis­tun­gen des ers­ten Gesund­heits­mark­tes an, son­dern bedie­nen sich zuneh­mend auch der Pro­duk­te des zwei­ten und drit­ten Gesund­heits­mark­tes. Auch die gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen in die­sem Zusam­men­hang und die per­ma­nen­te Ent­wick­lung von Spra­che sol­len nicht uner­wähnt bleiben.

Ethi­sche Betrachtung

Die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on ver­än­dert die Arbeits­welt und vie­le ande­re Berei­che des pri­va­ten und öffent­li­chen Lebens. In der Gesund­heits­ver­sor­gung bleibt jedoch ent­schei­dend, was zwi­schen den Men­schen pas­siert, die mit­ein­an­der inter­agie­ren. Smart­phones, Weara­bles, Digi­ta­le Gesund­heits­an­wen­dun­gen (DiGA), Wis­sens­platt­for­men und die Ana­ly­se von Daten oder Labor­wer­ten bie­ten täg­lich medi­zi­ni­schen Fort­schritt. Die Anfor­de­run­gen an Ziel­grup­pen und The­ra­pien müs­sen auf ver­schie­de­nen Ebe­nen gestal­tet wer­den. Gleich­zei­tig muss die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen allen Betei­lig­ten, von der Geschäfts­lei­tung über die Mitarbeiter:innen und Kos­ten­trä­ger bis hin zu Kund:innen und Ange­hö­ri­gen, situa­tiv ange­passt und modi­fi­ziert wer­den1.

Zusam­men­fas­send lässt sich fest­hal­ten, dass die Gesund­heits­ver­sor­gung nicht mehr aus­schließ­lich auf die Behand­lung von Krank­hei­ten aus­ge­rich­tet ist, son­dern durch digi­ta­le Ent­wick­lun­gen wie Selbst­ma­nage­ment, Track­ing und Risi­ko­be­wusst­sein deut­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Lebens­füh­rung im Sin­ne einer erreich­ba­ren Gesund­heit und der Ver­mei­dung von Krank­hei­ten hat.

Limi­ta­ti­on und wei­te­rer Forschungsbedarf

Im Rah­men der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on zeigt sich ein ver­än­der­tes Kauf­ver­hal­ten der Kund:innen. Dies hat Aus­wir­kun­gen auf Omnich­an­nel- und Mul­tich­an­nel-Ansät­ze und ‑Lösun­gen.

Neben dem The­men­kom­plex Inno­va­ti­ons­ma­nage­ment sind auch Hand­lungs­fel­der wie Chan­ge Manage­ment, Imple­men­tie­rungs­stra­te­gien, Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung sowie For­schung & Ent­wick­lung relevant.

Im Rah­men der Mas­ter­ar­beit wur­den die­se Aspek­te nicht behan­delt. Aller­dings bie­ten sie ein gro­ßes Poten­zi­al für wei­te­re Erkennt­nis­se in der qua­li­ta­ti­ven und quan­ti­ta­ti­ven Forschung.

Dani­el Behm, MBA

 

  1. Her­mans BE, Ren­zel P. Zen­tral ist, was zwi­schen Men­schen geschieht! Aspek­te zur Digi­ta­li­sie­rung im Gesund­heits- und Sozi­al­we­sen. In: Hei­ne­mann S, Matus­ie­wicz D (Hrsg.). Digi­ta­li­sie­rung und Ethik in Medi­zin und Gesund­heits­we­sen. Ber­lin: Medi­zi­nisch Wis­sen­schaft­li­che Ver­lags­ge­sell­schaft, 2020: 217–224
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