Die Telematikinfrastruktur (TI)
Als „Datenautobahn“ des deutschen Gesundheitswesens wird die Telematikinfrastruktur betitelt. Das Ziel der TI ist es, alle Akteur:innen des Gesundheitswesens miteinander zu verbinden und so eine schnelle und sichere Kommunikation zu erlauben. Telematik ist dabei ein zusammengesetzter Begriff aus den beiden Wörtern „Telekommunikation” und „Informatik”. Die Gesamtverantwortung für die Telematikinfrastruktur trägt per gesetzlichen Auftrag die Gematik als Nationale Agentur für Digitale Medizin. Die Gematik soll die Telematikinfrastruktur im deutschen Gesundheitswesen einführen und aufbauen. Sie ist Kompetenzzentrum und Koordinierungsstelle für Interoperabilität und versteht sich dabei nicht nur als Prüferin und Standardgeberin, sondern auch als Vermittlerin, Moderatorin und Beraterin. Es wurden sechs tragende Säulen der Telematik definiert, um eine Gesundheitsplattform der Zukunft zu schaffen. Diese sind:
- ein föderiertes Identitätsmanagement
- die universelle Erreichbarkeit der Dienste durch Zugangsschnittstellen im Internet
- eine moderne Sicherheitsarchitektur
- verteilte Dienste
- Interoperabilität und strukturierte Daten
- ein automatisiert verarbeitbares Regelwerk der Telematikinfrastruktur
Um TI-Dienste nutzen zu können, muss man sich authentisieren. Dies kann zum Beispiel über die ausgegebenen Smartcards oder in der TI 2.0 zukünftig per elektronische Identitäten (eIDs) passieren. Bei Letzteren übernehmen von der Gematik zugelassene Identitätsprovider die Authentifizierung der Nutzer:innen (Single Sign-on).
Zu den Anwendungen der TI gehören derzeit die elektronische Patientenakte (ePa), die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAu) und das E‑Rezept sowie der elektronische Arztbrief (eArztbrief), der elektronische Medikationsplan (eMP), Notfalldatenmanagement (NFDM) und Versichertenstammdatenmanagement (VSDM).
Apotheken und Arztpraxen müssen bereits an die TI angeschlossen sein, für Pflegebetriebe, Heilmittelerbringer und Hebammen ist die Anbindung zunächst freiwillig. Für Hilfsmittelbetriebe ist eine freiwillige TI-Anbindung ab 2024 möglich. Gesetzlich verpflichtend wird der TI-Anschluss für Pflegebetriebe 2024, für alle weiteren Berufsgruppen sieht der Gesetzgeber eine Frist zum Jahr 2026 vor.
Um an die TI angeschlossen zu werden, benötigt man einen Konnektor. Dieser ähnelt einem DSL-Router, arbeitet allerdings auf einem deutlich höheren Sicherheitsniveau. Er stellt ein sogenanntes virtuelles privates Netzwerk (VPN) zur TI her. Dann wird ein E‑Health-Kartenterminal benötigt, um die Anwendungen der elektronischen Gesundheitsakte nutzen zu können. Über die Geräte erfolgt auch die Anmeldung an die TI via Institutionsausweis. Gegebenenfalls muss das Kartenterminal einen Aufsatz erhalten, um die neuen Gesundheitskarten mit NFC (Near Field Chip/Nahfelderkennung) störungsfrei auslesen zu können. Für den Zugang zur TI benötigen Betriebe einen speziellen VPN-Zugangsdienst – ähnlich einem Internetprovider, der den Zugang zum Internet bereitstellt. Auch diese Dienste müssen sich von der Gematik zertifizieren lassen.
SMC‑B
SMC‑B steht für Security Module Card und ist der elektronische Institutionsausweis für z. B. Apotheken und Krankenhäuser. Die SMC‑B (bzw. SMC‑B ORG) ermöglicht die sichere Authentifizierung einer Praxis/eines Betriebs innerhalb der TI und den Zugang zu ihr. Die Karte wird bei der Installation der TI-Technik in eines der Kartenterminals gesteckt und über eine PIN freigeschaltet. Eine erneute Eingabe der PIN ist erforderlich, wenn das Gerät neu eingeschaltet wird. Nur so kann der Konnektor eine Onlineverbindung zur TI herstellen. Die Karten gelten außerdem als Authentifizierung zum Zugriff auf Daten der elektronischen Gesundheitskarte (eGK).
Elektronische Berufsausweise (eBA)
Im Umgang mit Patientendaten werden hohe Anforderungen an den Datenschutz und die IT-Sicherheit gestellt. Aus diesem Grund sind elektronische Berufsausweise (eBA) neben dem elektronischen Praxis-/Institutionsausweis (SMC‑B) und der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) das wichtigste Strukturelement des Sicherheitskonzeptes rund um die Telematikinfrastruktur (TI). Leistungserbringer, die auf die Informationen und Anwendungen innerhalb der TI zugreifen wollen, benötigen einen eBA.
Über ihre Funktion als berufsbezogenes Identifikationsinstrument hinaus stellen die eBA ein zentrales Strukturelement für eine sichere elektronische Kommunikation im Gesundheitswesen dar. Sie gewährleisten die sichere Authentifizierung und Autorisierung von Leistungserbringern beim Zugriff auf Anwendungen der TI.
Inhaber:innen eines eBA können mit ihrem Ausweis ihre Identität einschließlich ihrer beruflichen Qualifikation/Rolle gegenüber elektronischen Systemen nachweisen und entsprechende Zugriffsberechtigungen auf Systeme und Daten erhalten. Zum anderen ermöglichen eBA eine qualifizierte Signatur von elektronischen Dokumenten und legen damit die Grundlage für eine rechtssichere elektronische Archivierung. Die qualifizierte elektronische Signatur (QES) ist rechtlich einer handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt.
Elektronisches Rezept (E‑Rezept) bzw. elektronische Verordnung (eVO)
Das elektronische Rezept (E‑Rezept) ist seit 2022 für Ärzt:innen und Apotheken verpflichtend. Ziel ist es, den Informationsaustausch zwischen Ärzt:innen, Patient:innen, Apotheker:innen sowie Vertreter:innen von Krankenkassen zu digitalisieren und das Papierrezept abzulösen. Ab Januar 2026 sollen auch die Verordnungen von Hilfsmitteln – die elektronische Verordnung (eVo) – für Sanitätshäuser Standard werden. Das E‑Rezept wird weiterhin von den Ärzt:innen ausgestellt und kann – wie der analoge Vorgänger – bei der Apotheke der Wahl eingelöst werden. Der Vorteil des E‑Rezepts ist, dass es – auch wenn es als Ausdruck in der Apotheke eingelöst wird – strukturierte Daten enthält, die digital verarbeitet werden können. Für Apotheken entfallen dadurch das fehleranfällige Scannen samt OCR-Erkennung oder Abtippen und Nachbearbeiten: Über den Rezeptcode erhalten Apotheken den direkten Zugriff auf die elektronisch signierte Verordnung der Ärzt:innen. Dabei sind E‑Rezepte immer vollständig ausgefüllt und lesbar. Missbrauchsmöglichkeiten wie Urkundenfälschungen beim Muster-16-Formular gehören durch die digitale Signatur der Vergangenheit an. Zugleich ist die Handhabung des Papierausdrucks des E‑Rezepts im Arbeitsablauf der Apotheke schnell und einfach, der Umstellungsbedarf zudem sehr gering. Neben dem Papierausdruck können gesetzlich Versicherte auch die Gematik-App „Mein E‑Rezept“ nutzen. Über die App kann der Rezeptcode direkt und in Echtzeit an Apotheken übermittelt werden (Funktion „Zur Abholung bestellen“). Ein Kunden-WLAN oder ein Internetzugang für die Patient:innen sind dabei nicht zwangsläufig nötig, da die Patient:innen die Rezepte nach dem erstmaligen Laden in die App auch offline einlösen können. Auch die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) soll zukünftig eine Option sein. Das E‑Rezept wird dann von der Arztpraxis in die Telematikinfrastruktur hochgeladen. Nachdem eine Patientin bzw. ein Patient ihre bzw. seine Gesundheitskarte in der Apotheke eingescannt hat, können die Apotheker:innen auf das E‑Rezept zugreifen und das Medikament ausgeben. Aktuell sind über 13.000 Apotheken „E‑Rezept ready“ – allerdings nur etwas mehr als die Hälfte (7.300) lösen auch wirklich die E‑Rezepte ein. Hilfsmittel dürfen weiterhin nicht per E‑Rezept verordnet werden.
Gematik GmbH
Der Gesetzgeber hat die Etablierung einer interoperablen und sektorübergreifenden Informations‑, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur (Telematikinfrastruktur) als Basis für eine digitale und sichere Vernetzung im Gesundheitswesen mit dem § 306 des Sozialgesetzbuches (SGB) V in die Hände des Bundesministeriums für Gesundheit sowie der Spitzenorganisation des deutschen Gesundheitswesens gelegt und diese zur Umsetzung dieser Aufgabe gleichzeitig mit der Gründung der Gesellschaft für Telematik betraut. Infolgedessen wurde im Jahr 2005 die Gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte – in der Rechtsform einer GmbH gegründet. Die Gematik trägt die Gesamtverantwortung für die Telematikinfrastruktur (TI) – die zentrale Plattform für digitale Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen. Mit der Definition und Durchsetzung verbindlicher Standards für Dienste, Komponenten und Anwendungen in der TI gewährleistet die Gematik, dass diese zentrale Infrastruktur sicher, leistungsfähig und nutzerfreundlich ist und bleibt. Die Arbeit der Gematik als Nationale Agentur für Digitale Medizin reicht weit über Landesgrenzen hinaus – für die beste medizinische Versorgung der Menschen kooperiert sie international mit „National Digital Health Agencies“ anderer Länder. Sie ist Kompetenzzentrum und Koordinierungsstelle für Interoperabilität und versteht sich dabei nicht nur als Prüferin und Standardgeberin, sondern auch als Vermittlerin, Moderatorin und Beraterin.
Kommunikation im Medizinwesen (KIM)
Die Kommunikation im Medizinwesen (KIM) ist eine Anwendung der Gematik, die aktuell Ärzt:innen und Apotheker:innen zur Verfügung steht. Es ist eine Anwendung zum Austausch von Patientendaten ähnlich einem E‑Mail-Programm. Statt Fax oder Postweg lassen sich Nachrichten, Untersuchungsergebnisse und Co. schnell zwischen Akteur:innen des Gesundheitswesens teilen. Dank strukturierter Daten können beispielsweise E‑Arztbriefe automatisch den Patient:innen zugeordnet werden. Jede Nachricht über KIM wird automatisch verschlüsselt und signiert. So sind auch sensible Inhalte sicher. Beim Abruf werden die Nachrichten automatisch für die Empfänger:innen entschlüsselt. Diese können sie dann direkt weiterverarbeiten. Das bundeseinheitliche Adressbuch von KIM enthält nur geprüfte Adressdaten von Ärzt:innen oder Apotheker:innen. Das Versenden einer KIM-Nachricht ist so einfach wie das Versenden einer E‑Mail. Auch ist dafür keine neue Software nötig: Es funktioniert über das Krankenhausinformationssystem bzw. das Praxisverwaltungssystem oder, falls entsprechend konfiguriert, über ein marktübliches E‑Mail-Programm.
- Die neue Leitlinie zum Lipödem-Syndrom: mehr Licht als Schatten. Konsequenzen für die Praxis — 5. Dezember 2024
- Orthesenversorgung bei Läsion des Plexus brachialis — 4. Dezember 2024
- Anforderungen an additiv gefertigte medizinische Kopfschutzhelme — 4. Dezember 2024