OT: Was war die Intention für diesen Leitfaden „IPK“?
Prof. Dr. Eberhard Rabe: Dieser neue Leitfaden ist eine umfassende Neuauflage des Buches, das erstmals 2002 erschienen ist. Viele Erkenntnisse daraus gelten heute als veraltet, denn auch in der wissenschaftlichen Forschung hat sich eine Reihe von neuen Ansätzen ergeben. Das war einer der Gründe, diesen IPK-Leitfaden komplett neu aufzusetzen. Darüber hinaus war es unser Anliegen zu vermitteln, dass die Intermittierende pneumatische Kompressionstherapie eine sehr wichtige Therapieform ist, die aber in Deutschland im Bereich der klinischen Anwendung und insbesondere in der Phlebologie nicht so bekannt und vertreten ist, wie sie es aus unserer Sicht sein sollte. Das typische und häufigste Indikationsgebiet, das auch im Hilfsmittelverzeichnis ausgeführt ist, ist das Lymphödem. Aber darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von weiteren Indikationen, wie posttraumatisches Ödem, Periphere arterielle Verschlusskrankheit, diabetische Fußläsion usw., bei denen die IPK eine gute Ergänzung sein kann. Zum Beispiel ist die IPK zusätzlich zur medikamentösen Behandlung mit Heparin auch ein gutes Hilfsmittel für die Thrombose-Prophylaxe. Aber auch das ist in Deutschland relativ wenig bekannt. Ähnlich verhält es sich mit anderen Indikationen. Diese Wissenslücke zu schließen, war der Antrieb der Autoren, diesen Leitfaden zu verfassen.
OT: Wie ist das Buch inhaltlich aufgebaut?
Prof. Dr. Rabe: Der Leitfaden ist nach Indikationsgebieten aufgebaut. Am Anfang finden Sie allgemeine Kapitel, in denen die Historie, die Funktionsweise der IPK-Geräte oder das Hilfsmittelverzeichnis beschrieben werden. Dabei zeigen wir insbesondere die Unterschiede zwischen dem Hilfsmittelverzeichnis und den IPK-Leitlinien auf. Ein Beispiel: Wenn die IPK verordnet wird, sollten laut Hilfsmittelverzeichnis vorher flachgestrickte Kompressionstrümpfe und manuelle Lymphdrainage verordnet sein. Das ist vielleicht für das Lymphödem noch vertretbar, aber für viele andere Indikationen wie zum Beispiel beim Ulcus Cruris oder bei der arteriellen Verschlusskrankheit nicht. Im Hilfsmittelverzeichnis finden sich auch nicht alle Indikationen der IPK, für die es wissenschaftliche Belege gibt. Komplett sind deshalb die Kapitel des Leitfadens, in dem die verschiedenen Indikationen aufgelistet werden, wie sie auch in der deutschen Leitlinie zur IPK der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie formuliert worden sind. Da haben wir bei jeder Indikation neben den Grundlagen, den Therapieempfehlungen, zur Durchführung auch die Belege und wissenschaftliche Literatur aufgeführt.
OT: Für wen stellt der Leitfaden eine Unterstützung dar und warum?
Prof. Dr. Rabe: Da es sich vorrangig um vaskuläre Krankheitsbilder handelt, die eine Indikation darstellen, sprechen wir mit dem Leitfaden vor allem alle Kolleginnen und Kollegen an, die sich mit Gefäßerkrankungen beschäftigen, also in erster Linie Phlebologen, Angiologen und Gefäßchirurgen. Auf der anderen Seite ist aber der Nachholbedarf an Wissen im allgemeinmedizinischen Bereich auch groß. Deshalb ist es auch für den Allgemeinmediziner empfehlenswert. Aber für viele der venösen und lymphatischen Patienten ist auch das Sanitätsfachgeschäft die erste Anlaufstelle, um sich beraten zu lassen. Da müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorbereitet sein und wissen, welches beispielsweise die Kontraindikationen sein können oder was der Patient bei der IPK-Versorgung beachten muss. Das ist ähnlich wie bei der Versorgung mit Kompressionsstrümpfen: Dabei beraten die zertifizierten Sanitätshausfachkräfte die Patienten, wie man diese richtig an- und auszieht beziehungsweise was man beachten muss, wenn irgendwelche Komplikationen auftreten. Wenn also Patienten mit Gefäßerkrankungen im Sanitätsfachgeschäft aufschlagen, um nachzufragen, welche ergänzenden Versorgungsmöglichkeiten es zu ihrem Krankheitsbild gibt, dann ist es für eine gute Beratung zwingend notwendig, dass man dieses Wissen, wann die IPK induziert werden kann, abrufen oder bei Bedarf im Leitfaden nachschlagen kann.
Die Fragen stellte Irene Mechsner.
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