OT: Herr Beucher, die erste Frage gilt „Ihren“ Athlet:innen: Wie zufrieden sind Sie mit dem Auftritt der deutschen Vertreter:innen bei den European Championships?
Friedhelm Julius Beucher: Sehr zufrieden! Unsere Athlet:innen haben insgesamt sechs Medaillen zum offiziellen Medaillenspiegel und damit zum hervorragenden Abschneiden der gesamten deutschen Mannschaft beigetragen. Im Para-Rudern haben wir Silber und Bronze gewonnen, das entspricht zwei Dritteln der deutschen Ruder-Medaillen bei den European Championships. Hinzu kommen zwei EM-Titel sowie Silber und Bronze im Para-Kanu.
OT: Wenn Sie die Veranstaltung insgesamt bewerten, wie fällt da Ihr Fazit aus?
Beucher: Es war eine wunderbare Veranstaltung mit großer Begeisterung, vielen Emotionen und tollen Leistungen. Zugleich war es Werbung für Sportveranstaltungen in Deutschland. Wermutstropfen aus unserer Sicht war hingegen, dass der Parasport mit Para-Rudern und Para-Kanu lediglich in zwei Sportarten vertreten war. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass die Zehntausenden Zuschauer im Münchener Olympiastadion bspw. auch unsere Para-Leichtathlet:innen Markus Rehm, Niko Kappel, Johannes Floors oder Irmgard Bensusan lautstark angefeuert und ihnen zugejubelt hätten.
OT: Wer die Berichterstattung zu den Wettkämpfen verfolgt hat, der musste auf Parasport-affine Redakteur:innen hoffen, um Bilder von den Wettkämpfen zu erhalten. Wie empfanden Sie die Darstellung des Parasports?
Beucher: Dass der Parasport so eine untergeordnete Rolle spielt, halte ich für inakzeptabel. Unsere Wettkämpfe und Erfolge waren die ersten, die hinten runtergefallen sind oder, wenn überhaupt, am Rande der Berichterstattung zu finden waren. Das empfinde ich als ungerecht gegenüber unseren Athlet:innen, die bei der Heim-EM in München fantastische Leistungen gezeigt haben.
OT: Warum wurden eigentlich die Wettkämpfe nicht in allen Disziplinen von Menschen mit und ohne
Beeinträchtigung ausgetragen? Para-Radsport und Para-Leichtathletik, um nur zwei zu nennen, wären doch sicherlich auch Publikumsmagnete gewesen – allein schon wegen der klangvollen Namen wie Markus Rehm, Johannes Floors oder Felix Streng.
Beucher: Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten gerne mehr Para-Sportarten Teil der European Championships sein dürfen und das erwarten wir auch für die Zukunft. Warum das nicht der Fall war, müssen die Verantwortlichen erklären. Die European Championships sind eine Marke und werden vom European Championships Management (ECM) in Zusammenarbeit mit der Europäischen Rundfunkunion (EBU) organisiert.
OT: Wie barrierefrei waren die Spiele für Zuschauer:innen und Athlet:innen?
Beucher: In einigen Bereichen wurden neue Maßstäbe gesetzt und es gab gute und notwendige Ansätze, wie bspw. Audiodeskription, Gebärdensprachdolmetscher, Inklusions-Volunteers oder einen Mobilitätsservice. Allerdings bleibt im Bereich Inklusion und Barrierefreiheit noch Luft nach oben. Denn eigentlich sollten der barrierefreie Zugang zu Sportstätten und eine barrierefreie Kommunikation kein neuer Meilenstein sein, sondern eine Selbstverständlichkeit in Deutschland im Jahr 2022. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Deutschland hat noch viele Hausaufgaben vor sich mit Blick auf barrierefreie Veranstaltungen.
OT: Können Sie sich vorstellen, dass die European Championships einen größeren inklusiven Charakter bekommen?
Beucher: Wir erhoffen uns einen größeren inklusiven Charakter solcher Veranstaltungen, da es für alle Seiten einen Mehrwert darstellt. Begegnungen von Menschen mit und ohne Behinderung sind so wichtig und der Sport bietet dahingehend große Potenziale. Es ist eine Win-win-Situation. Die Entscheidung darüber treffen aber letztlich die benannten Organisationen.
OT: Welche organisatorischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit das zukünftig klappt?
Beucher: Wenn die Bundesrepublik oder die Bundesländer Steuergelder in solche Veranstaltungen stecken, erwarte ich zukünftig, dass sie die Unterstützung vom inklusiven Charakter der Veranstaltung abhängig machen. Gelder darf es folglich nur noch für inklusive Veranstaltungen geben.
OT: Könnten Sie sich ein Multi-Sport-Event nur für Parasportler:innen vorstellen oder kombinierte Wettkämpfe zum Beispiel im Bahnradsport von Menschen mit und ohne Behinderungen?
Beucher: Grundsätzlich haben Multi-Sport-Events eine große Attraktivität, wenn räumlich gebündelt Wettkämpfe in verschiedenen Sportarten ausgetragen werden – warum also nicht auch im Parasport? Noch besser fände ich jedoch Multi-Sport-Events mit olympischen und paralympischen Sportarten nebeneinander, die parallel zur gleichen Zeit am gleichen Ort ausgetragen werden.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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