BIV-OT blickt sor­gen­voll auf den Welt-Lymphödem-Tag

Kompressionsstrümpfe in modischen Farbtönen fallen insbesondere in Schaufensterauslagen von Sanitätshäusern ins Auge. Im Gegensatz dazu rückt ihre medizinische Bedeutung oft in den Hintergrund. Dabei kann gerade bei Lymphödemen eine falsche Versorgung fatale Folgen haben.

Zum Welt-Lymph­ödem-Tag am 6. März 2025 rückt der Bun­des­in­nungs­ver­band für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV-OT) zudem eine wei­te­re oft unter­schätz­te Gefahr in den Fokus: die Unter­ver­sor­gung durch man­geln­des Wis­sen in den Arzt­pra­xen und Apotheken.

Anzei­ge

Rund­ge­strick­te Kom­pres­si­ons­strümp­fe schmie­gen sich naht­los an das Bein, sind elas­tisch und dehn­bar, doch genau die­se Fle­xi­bi­li­tät kann bei der Behand­lung von Lymph­öde­men zum Pro­blem wer­den. Denn hier zählt nicht nur das sanf­te Anlie­gen, son­dern vor allem der sta­bi­le Druck, der dem Gewe­be Halt gibt und Schwel­lun­gen in Schach hält. Wird die fal­sche Strumpf­art gewählt, kann sich das Lei­den ver­schlim­mern. Offe­ne Bei­ne und chro­ni­sche Wun­den kön­nen die Fol­ge sein.

Nicht nur die Wahl zwi­schen rund- und flach­ge­strick­ten Kom­pres­sio­nen ist ent­schei­dend. Schon in der Arzt­pra­xis muss fest­ge­legt wer­den, ob eine Ver­sor­gung mit kon­fek­tio­nier­ten Strümp­fen eine Opti­on dar­stellt oder eine maß­an­ge­fer­tig­te Lösung not­wen­dig ist. Meis­tens wird jedoch erst im Sani­täts­haus gemes­sen, denn hier ver­ant­wor­ten die aus­ge­bil­de­ten Ban­da­gis­ten und das Fach­per­so­nal mit Lymph­zer­ti­fi­kat die Versorgung.

Kom­pres­si­ons­the­ra­pie kommt zu kurz

Eine feh­ler­haf­te Ver­ord­nung kann meist leicht durch Rück­fra­gen kor­ri­giert wer­den. Das größ­te Pro­blem: Vie­le Ver­trags­ärz­te ver­ord­nen die wich­ti­ge Kom­pres­si­ons­the­ra­pie gar nicht oder nicht in Kom­bi­na­ti­on mit der Manu­el­len Lymph­drai­na­ge. Doch ohne Kom­pres­si­on bleibt der Effekt der Lymph­drai­na­ge nicht bestehen – die Flüs­sig­keit wird zwar aus dem Gewe­be mas­siert, kehrt jedoch schnell wie­der zurück. Damit läuft die MLD ins Lee­re. Des­halb for­dern die aktu­el­len ärzt­li­chen Leit­li­ni­en der Arbeits­ge­mein­schaft der Wis­sen­schaft­li­chen Medi­zi­ni­schen Fach­ge­sell­schaf­ten (AWMF), dass jede Lymph­drai­na­ge zwin­gend mit einer ent­spre­chen­den Kom­pres­si­ons­ver­ord­nung ein­her­ge­hen muss.

„Wenn schon Ver­si­cher­ten eine not­wen­di­ge Kom­pres­si­on wegen Unwis­sen­heit über die Leit­li­ni­en zu sel­ten ver­schrie­ben wird, kön­nen wir nicht erwar­ten, dass Ärz­te vol­le Kennt­nis über die Kom­ple­xi­tät von Kom­pres­si­ons­ver­sor­gung im Detail haben. Hier kön­nen Ban­da­gis­ten und Lym­ph­ex­per­ten ent­las­ten. Sie soll­ten bei der Ver­ord­nung viel mehr ins Boot geholt wer­den“, for­dert BIV-OT-Prä­si­dent Alf Reu­ter Ver­bes­se­run­gen im Ver­sor­gungs­ab­lauf. Er ergänzt: „Eine Unter­ver­sor­gung von 40 Pro­zent bedeu­tet nicht nur viel Leid für die Pati­en­ten und Fol­ge­schä­den wie offe­ne Bei­ne, sie ist auch ein enor­mer Kos­ten­trei­ber. Eine Inves­ti­ti­on in eine bes­se­re Ver­sor­gung schafft Bei­trags­sta­bi­li­tät. Zu den der­zeit gel­ten­den Stun­den­ver­rech­nungs­sät­zen ist die Lym­ph­ver­sor­gung ein Zuschussgeschäft.“

Indi­vi­du­el­le Ver­sor­gung von geschul­tem Personal

Was eine indi­vi­du­el­le Ver­sor­gung bedeu­tet, sieht man bereits an der Viel­falt der mög­li­chen Zusät­ze, die bei einer Kom­pres­si­ons­ver­sor­gung zum Ein­satz kom­men kön­nen. Bei der Bun­des­fach­schu­le Ortho­pä­die-Tech­nik (Bufa), die die Cur­ri­cu­la für das Lymph­zer­ti­fi­kat und Ban­da­gis­ten ver­ant­wor­tet, sind allein für die Ver­sor­gung der Bei­ne 22 Zusät­ze vor­ge­se­hen. Die­se Zusät­ze sind zum Bei­spiel nötig, wenn ein Pati­ent eine Zehen- oder Fuß­fehl­stel­lung, eine Unver­träg­lich­keit etwa gegen­über Sili­kon­bän­dern oder eine Haut­krank­heit hat.

Alf Reu­ter hebt her­aus: „Wenn wir die Unter­ver­sor­gung wirk­lich ange­hen wol­len, brau­chen wir mehr Ver­ant­wor­tung bei den Lymph­the­ra­peu­ten und den Sani­täts­häu­sern. Denn wir müs­sen grund­sätz­lich die Kom­pe­tenz dort­hin ver­la­gern, wo sie hin­ge­hört: Der Arzt muss das Lymph­ödem erken­nen und nie­der­schwel­lig direkt an Lymph­the­ra­peut und Sani­täts­haus die Leis­tung ver­an­las­sen kön­nen. Jede zusätz­li­che Büro­kra­tie kos­tet nicht nur Zeit, son­dern auch viel Leid und Ver­si­cher­ten­gel­der.“ 

Feh­len­de Prä­qua­li­fi­zie­rung bedroht die Versorgungsqualität

Hin­zu kommt nach Ansicht des Bun­des­in­nungs­ver­ban­des für Ortho­pä­die-Tech­nik noch der besorg­nis­er­re­gen­de Weg­fall der Prä­qua­li­fi­zie­rung für Apo­the­ken. „Die Unter­ver­sor­gung betrifft nicht nur die feh­len­de Kom­pres­si­on nach einer manu­el­len Lymph­drai­na­ge“, warnt Reu­ter. „Noch dra­ma­ti­scher ist, dass Apo­the­ken ohne spe­zia­li­sier­te Qua­li­fi­ka­ti­on in den Markt drän­gen. Kom­pres­si­ons­the­ra­pie ist kei­ne Neben­sa­che – eine fal­sche Ver­sor­gung kann Pati­en­ten unnö­ti­ges Leid zufü­gen und das Gesund­heits­sys­tem mit zusätz­li­chen Kos­ten von meh­re­ren zehn­tau­send Euro belas­ten. Die­se hoch­spe­zia­li­sier­te The­ra­pie in die Apo­the­ken zu ver­la­gern, ist fahrlässig.“

Der BIV-OT ist sich sicher: Ein funk­tio­nie­ren­des Gesund­heits­sys­tem bedeu­tet, die rich­ti­gen Kom­pe­ten­zen an den rich­ti­gen Stel­len zu nut­zen. Die Digi­ta­li­sie­rung könn­te hier eine Brü­cke bau­en, sofern alle Betei­lig­ten bereit sind, sie zu überqueren.

Auf den Punkt
  • Unter­ver­sor­gung: 40 Pro­zent der Pati­en­ten erhal­ten nach manu­el­ler Lymph­drai­na­ge (MLD) kei­ne not­wen­di­ge Kom­pres­si­ons­the­ra­pie, wodurch die Wir­kung verpufft.
  • Kom­ple­xi­tät der Ver­ord­nung: Ärz­te sol­len zahl­rei­che spe­zia­li­sier­te Zusät­ze ken­nen und kor­rekt ver­schrei­ben, was oft zu Feh­lern führt.
  • Kom­pe­tenz­ver­la­ge­rung: Ärz­te soll­ten das grund­sätz­li­che Hilfs­mit­tel ver­schrei­ben und die Sani­täts­häu­ser ergän­zen die indi­vi­du­el­le Anpassung. 

 

Tei­len Sie die­sen Inhalt