Die Auslösung von Anpassungsprozessen ist dabei maßgeblich von der Charakteristik des mechanischen Reizes abhängig. Je nach Größenordnung, Einwirkdauer, Frequenz und Rate des Lasteintrags erhöhen oder reduzieren nicht nur Muskeln, sondern auch Sehnen, Bänder, Knochen und Knorpel ihre Gewebequalität. Die zeitlichen Abläufe von Anpassungsprozessen bei Aktivität und Inaktivität sind dabei besonders zu berücksichtigen.
Einleitung
Das Muskel-Skelett-System des menschlichen Körpers weist ein hohes Potenzial an Belastungsverträglichkeit und Anpassungsfähigkeit auf. Seit sich der Mensch vor ca. drei Millionen Jahren aufrichtete, um die bipedale Lokomotion zu erlernen, veränderte sich durch die Belastungsumverteilung 1 die Morphologie seines Körpers maßgeblich 2 3. Die Belastungen, die der Mensch während der aufrechten Fortbewegung erfährt, sind hinreichend beschrieben z. B.4 5. Während sich stehend das einfache Körpergewicht auf den Körper auswirkt, erhöht sich die Last während des Gehens auf das 1,3‑Fache des Körpergewichts 4, bei zunehmender Geschwindigkeit auf das Zwei- bis Vierfache 5. In sportmotorischen Extremsituationen werden sogar kurzzeitige Belastungen des sieben- bis achtfachen Körpergewichts am Körperschwerpunkt erreicht 6.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die ermittelten Belastungen über Kraftsensoren in Boden oder Equipment zwar abgeschätzt werden können, die interne Beanspruchung der Gewebe aber dadurch unterschätzt wird. Denn die externen Reaktionskräfte weichen von den internen Muskelkräften stark ab, da die externen Hebelarme die internen häufig um ein Vielfaches übersteigen. Bei einbeinigem Zehenstand beispielsweise können zwar Bodenreaktionskräfte von 700 N auftreten, die Plantarflexoren des Sprunggelenks müssen allerdings aufgrund der ungünstigen Hebelverhältnisse Kräfte von ca. 2.000 N erzeugen. Innerhalb des Hüftgelenks können dadurch – bedingt durch Muskelkräfte und Hebelverhältnisse – während des langsamen Laufens Belastungen des fünffachen Körpergewichts entstehen 7. Dies lässt eine präzise Differenzierung zwischen der Mechanik des Körperschwerpunkts und der Mechanik auf Gelenkebene notwendig erscheinen. Betrachtet man die Drehmomente an einem Gelenk als Belastungsindikator, so weisen die externen Flexionsmomente an den Gelenken der unteren Extremität in der schnellen Fortbewegung (6–9 ms‑1) Größenordnungen von 100 bis 600 Nm auf 8 9 10 11 12 13 14. In der Frontalebene des Laufens, Sprintens und bei Richtungswechseln entstehen am Kniegelenk Adduktionsmomente von 75 bis 130 Nm 15 16 17. In extremen Belastungssituationen, wie sie beispielsweise bei Elite-Hochspringern während des Absprungs auftreten, konnten sogar bis zu 800 Nm identifiziert werden. Dabei ist von Kompressionskräften im medialen Kompartiment des Kniegelenks von 18 kN auszugehen. Bei einer Gelenkfläche von ca. 6 cm² entspräche dies einer Druckspannung von ca. 30 MPa 18, wonach der tolerierbare Grenzbereich der Belastung am Knorpel deutlich überschritten wäre (Tab. 1). Allerdings kann in der Absprungphase des Hochsprungs nicht von einer reinen Druckspannung ausgegangen werden, sondern vielmehr von einer Kombination aus Druck‑, Zug- und Scherspannung.
Aus wissenschaftlicher Sicht bestehen keine Zweifel, dass sich nicht nur Muskeln, sondern auch Sehnen, Bänder, Knochen und Knorpel an diese Belastungen anpassen können: Bei Steigerung des Aktivitätsniveaus und der Belastung über Monate bis Jahre werden die Strukturen größer, steifer und dadurch widerstandsfähiger; bei Reduktion des Aktivitätsniveaus und bei Entlastung bilden sie sich innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen um bis zu 30 % zurück. Heute ist bekannt, dass der Auslösung biopositiver Anpassungsprozesse ein detaillierter mechanischer Reiz zugrunde liegt, der primär über die Kraft und sekundär über die Spannung und die Dehnung definiert ist. Dabei sind nicht nur die Größenordnung, die Richtung, die Kontaktfläche und die Lokalisation entscheidend, sondern auch die zeitliche Charakteristik, bestimmt durch Dauer, Frequenz und Rate des Lasteintrags.
Muskeln
Der Skelettmuskel ist hochadaptiv: Sowohl Ausdauer- als auch Krafttraining haben umfassende und vollkommen unterschiedliche Effekte auf das Muskelgewebe. An dieser Stelle wird nur in Kürze auf die grundlegende Kraftfähigkeit und die funktionelle Anpassungsfähigkeit an Belastung des Muskels eingegangen.
Die maximale Kraft eines Muskels innerhalb eines Individuums ist abhängig von der Kraft-Längen-Relation 19, der Kraft-Geschwindigkeits-Relation 20 und der Aktivierung des Muskels 21. Da die meisten Muskeln mit ihren Sehnen an einem Gelenkmittelpunkt vorbeiziehen, erzeugen sie Drehmomente an einem Gelenk. Je nach Trainingszustand, Alter, Geschlecht, Muskellänge und unter Vernachlässigung der Kontraktionsgeschwindigkeit (isometrische Kontraktionen) können die Hüftstrecker im Dynamometer maximale Drehmomente von 110 bis 250 Nm, die Kniestrecker von 200 bis 300 Nm und die Fußstrecker von 110 bis 275 Nm produzieren 22 23 24 25. Hochtrainierte Bob-Anschieber sind in der Lage, an Knie- und Sprunggelenken bis zu 450 Nm zu erzeugen. An den Zehengrundgelenken können maximale Drehmomente von 6 bis 24 Nm aufgebracht werden 26 27.
Bereits nach wenigen Trainingseinheiten finden in der neuronalen Ansteuerung von Muskeln erste Anpassungsprozesse statt: Nervenfasern bilden sich aus, Synapsen verändern die Kommunikation untereinander und innervieren nicht nur innerhalb eines Muskels, sondern auch in benachbarten Muskeln die Muskelfasern (inter- und intramuskuläre Koordination), was zu einer Steigerung der Maximalkraft führt. Nach sechs bis acht Wochen können je nach Ausgangsniveau und Gestaltung des Trainingsreizes Zunahmen des Muskelvolumens von 5 bis 8 % beobachtet werden, wodurch der Muskel widerstandsfähiger wird. Bis zur 14. Woche sind bei großen, antigravitatorisch wirkenden Muskelgruppen Zuwächse in der isometrischen Maximalkraft von 16 % bei gleichzeitiger Vergrößerung des Volumens um 10 % möglich 28. Kleine Muskelgruppen wie beispielsweise die Zehenbeuger zeigen sogar eine Zunahme der Maximalkraft durch systematisches Training von bis zu 70 % 27. Für das Training der Zehenbeuger können spezielle Geräte eingesetzt werden, die durch Austausch der Gummiseile eine Regulierung des Trainingswiderstands ermöglichen (Abb. 1). Dabei sollten über acht Wochen in drei Trainingseinheiten pro Woche sechs bis zehn ermüdende Kontraktionen in fünf Serien durchgeführt werden (90 Sekunden Pause zwischen den Serien).
Aber nicht nur in Krafttrainingsgeräten, sondern auch durch minimalistisches Schuhmaterial kann die Kraftfähigkeit der Muskeln um bis zu 20 % – bei Vergrößerung der anatomischen Querschnittsfläche von 4 bis 6 % – gesteigert werden 29 30. Dabei führen unterschiedliche Trainingsintensitäten zu ähnlichen Reizreaktionen (Tab. 2). Wichtig dabei sind insbesondere Lasteinträge über den Vorfuß (z. B. Lauf-ABC, Sprünge und Landungen, Richtungswechsel, Treppenläufe, Bergaufläufe) bei gleichzeitiger Dorsalflexion der Zehengrundgelenke auf verschiedenen Untergründen (Tartan, Gras, Sand).
Sehnen
In der Fortbewegung können Sehnen, insbesondere die Achillessehne, das Achtfache des Körpergewichts tolerieren; in sportmotorischen Extremsituationen kann sogar vom Zehn- bis Zwölffachen ausgegangen werden. Das entspricht Kräften in der Sehne von 8 bis 10 kN 31 32. Diesen Lasteinträgen passen sich Sehnen an, benötigen dafür allerdings deutlich mehr Zeit als Muskeln. In wissenschaftlichen Studien konnten über hohe Lasteinträge (90 % Maximalkraft, vier Wiederholungen, fünf Serien und drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche) und eine damit provozierte repetitive Dehnung der Sehne um 4,5 %, eine Vergrößerung der Querschnittsfläche und eine Erhöhung der Steifigkeit der Sehnenaponeurose nach 14-wöchigem Training beobachtet werden 33 34. Auch die freie Sehne zeigte bei Langstreckenläufern eine um 22 % vergrößerte Querschnittsfläche verglichen mit einer nichtlaufenden Kontrollgruppe 35. Die Sehne kann durch diese Anpassungserscheinungen mehr Energie aufnehmen und schützt sich dadurch vor Verletzung durch Überdehnung (> 9 %). Der Auslöser für die Sehnenanpassung ist dabei von einer präzisen Gestaltung des mechanischen Reizes abhängig. Eine hohe Dehnungsamplitude, eine moderate Dehnungsdauer und ein repetitiver Lasteintrag scheinen essentielle Trigger für Anpassungsprozesse darzustellen 36. Ein Zusammenhang zwischen der Veränderung der Sehneneigenschaften und der Optimierung der sportmotorischen Leistung konnte in einer Interventionsstudie beschrieben werden: Eine systematische Erhöhung der Sehnensteifigkeit um 15 % führte zu einer Verbesserung der Laufökonomie um 3 bis 5 % 37. Für die Anwendung dieser Ergebnisse scheint die Erkenntnis elementar zu sein, dass sich Sehnen deutlich langsamer (8 Wochen vs. 14 Wochen) anpassen als Muskeln. Insbesondere im Nachwuchssport, in dem deutliche Reifungsprozesse der Athletinnen und Athleten stattfinden, die mit einem zügigen Muskelwachstum einhergehen 38, ist diese Verzögerung von besonderer Bedeutung. Mersmann et al. (2014) untersuchten die Kniestrecker und die Patellasehne von Nachwuchsund ehemaligen Elite-Volleyballern auf ihre mechanischen Eigenschaften und stellten fest, dass es zwar keinen signifikanten altersbereinigten Unterschied in den Kraftfähigkeiten der Kniestrecker gab, dass allerdings die Querschnittsflächen der Patellasehnen bei den Nachwuchsspielern deutlich kleiner ausfielen als die der ehemaligen Elite-Spieler. Dadurch war die Beanspruchung der Sehne um 20 % erhöht 39. Dies lässt rückschließen, dass vor allem im Nachwuchssport der Schutz der Sehne vor Überlastung besonderes Augenmerk verdienen sollte.
Knochen
Seit den Beobachtungen des Chirurgen Julius Wolff Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigten sich zahlreiche Studien mit der Anpassungsfähigkeit des Knochens an mechanische Reize s. Review 40. Deutlich wird dabei der Effekt extern wirkender Kräfte auf den Körper durch Aktivität auf die Morphologie und die interne Struktur des Knochens. So zeigen häufig belastete Oberarme in Schlagdisziplinen (z. B. Baseball, Tennis) signifikant hypertrophierte Knochen im Vergleich zu ihren gering belasteten Gegenarmen 41 42. Ebenso wurde durch repetitive unilaterale Sprünge (Hoch- und Weitsprung) eine um 3,7 % vergrößerte Querschnittsfläche des kortikalen Knochens der Tibia auf der Sprungbeinseite verglichen mit der Schwungbeinseite beobachtet 43. Weitere Anpassungen konnten in der Knochenmineraldichte des Femurs und der Wirbelsäule verzeichnet werden. So wurde beispielsweise bei Gewichthebern eine deutlich höhere Knochenmineraldichte der Lendenwirbelsäule (11 %) und des Oberschenkels (15 %) identifiziert als bei einer gleichaltrigen Vergleichsgruppe 44. Auch bei ambitionierten Läufern (10 km unter 32 min) war die Knochenmineraldichte der Beine und des Beckens im Vergleich zu Nichtaktiven auffällig erhöht 45. Ein Training auf einer Vibrationsplattform (Frequenz 12,6 Hz; Amplitude 3 cm) dreimal pro Woche bei einer Dauer des Lasteintrags von sechsmal einer Minute pro Einheit (eine Minute Pause) über acht Monate führte zu einer Zunahme der Knochenmineraldichte um 4,3 % 46.
Das limitierte Verständnis für die Knochenanpassung an ein Training spiegelt sich in den Ergebnissen von Längsschnittstudien wider. Dabei konnten die Ergebnisse der Querschnittstudien, die die deutlichen Unterschiede in der Knochenmineraldichte zwischen Trainierten und Untrainierten offenlegten, nicht ansatzweise bestätigt werden. Dies scheint jedoch weniger mit der Anpassungsfähigkeit des Knochens als vielmehr mit der präzisen Gestaltung des mechanischen Reizes innerhalb der Studienprotokolle zusammenzuhängen.
Interessanterweise ist die für die Knochenbildung benötigte Anzahl an Belastungszyklen relativ niedrig: Um Knochenabbau durch Inaktivität entgegenzuwirken, waren vier Belastungszyklen pro Tag ausreichend. Konträr dazu zeigte ein Anstieg der Belastungszyklen zwischen 36 und 1.800 pro Tag keine zusätzlichen anabolen Prozesse 47. Diskutiert werden die durch Muskelkontraktion implizierten Stimuli von geringer Spannung (< 100 µɛ) und hoher Frequenz (10–90 Hz) zur Aufrechterhaltung der Knochenhomöostase und zur Knochenhypertrophie 48. Ist allerdings ein Belastungsparameter deutlich zu hoch gewählt, beispielsweise durch zu hohe oder zu lang andauernde Trainingsreize, daraus resultierende Muskelermüdung oder falsche Ausrüstung, kann dies zu einem Missverhältnis in Modeling- und Remodeling-Prozessen des Knochens führen. In der Folge können ein Abbau von Knochenmasse, Ermüdungserscheinungen des Knochenmaterials, Mikroverletzungen und Brüche auftreten 49 50. Stressfrakturen sind häufig im Bereich der Mittelfußknochen vorzufinden. Ein aktives Training der Fußmuskulatur (s. Abb. 1) kann dabei eine höhere Ermüdungswiderstandsfähigkeit und dadurch eine Entlastung des Knochens im Mittelfußbereich bewirken. Ein präzises Training der kurzen Fußmuskulatur und deren funktioneller Anpassungsfähigkeit wurde bereits mehrfach beschrieben 27 29.
Bänder
Ebenso wie die anderen kollagenen Strukturen des muskuloskelettalen Systems weisen Bänder ein deutliches Anpassungspotenzial auf. Durch Training können dabei Optimierungen in der Gewebequalität (z. B. Querschnittsfläche, Steifigkeit) von 10 bis 20 % erreicht werden 51 52 53. Dies wird insbesondere durch die Veränderung der biochemischen Zusammensetzung (u. a. Kollagenkonzentration) eines Bandes erklärt 53. Dabei benötigen Bänder ähnlich wie Sehnen über vier Monate für Struktur- und Morphologieveränderungen. Die Studien müssen allerdings mit Vorsicht betrachtet werden, da ein Trainingsprotokoll nicht zwingend die Spannung an einem untersuchten Band beeinflusst. Zudem ist es eher unwahrscheinlich, dass Bänder in sportmotorischen Situationen in ähnlichem Maße gedehnt werden wie Sehnen, da die Kraft des kontraktilen Elements als Dehnungsursache fehlt. Studien an Tiermodellen verdeutlichten, dass das vordere Kreuzband nach Ruptur über zwölf Monate benötigt, um seine funktionelle Leistungsfähigkeit wiederherzustellen 54. Dies sollte vor allem für Return-to-Sport nach Verletzung berücksichtigt werden. Auch wenn die Maximalkraft der gelenkumspannenden Muskeln ihr Ausgangsniveau wieder erreicht hat, so kann die muskuläre Ansteuerung in der sportmotorischen Wettkampfsituation reduziert sein. Die Folge wären hohe Beanspruchungen der Gelenkstrukturen und damit des betroffenen Bandes. Hier scheint eine gezielte biomechanische Funktionsdiagnostik auf Gelenkebene (mechanische Leistung, Arbeit und Energie in disziplinnahen Bewegungen) unabdingbar, um den Zeitpunkt des Return-to-Sport im Sinne der Verletzungsprävention und der Leistungsoptimierung präziser zu definieren.
Knorpel
Der Knorpel gewährleistet eine exzellente Lastverteilung innerhalb eines Gelenks und sorgt dafür, dass zwei Knochenenden nicht aufeinander reiben. Die Widerstandsfähigkeit des Knorpels ergibt sich aus seiner fibrösen Zusammensetzung. Insbesondere Kollagen II (> 90%) und die Proteoglykane in Kombination mit einem hohen Anteil an Wasser bilden die Basis für eine hohe Druckfestigkeit. Seine biopositive Anpassungsfähigkeit an chronische Belastung ist noch nicht gänzlich erklärt. Einerseits beobachteten verschiedene Studien am Menschen geringe bis moderate Veränderungen von Knorpeldicke, ‑fläche und ‑volumen an chronische Belastung 55 56, andererseits waren die Knorpeldicken und ‑flächen der Kniegelenke hochbelasteter Gewichtheber und Bob-Anschieber im Vergleich zu einer inaktiven Kontrollgruppe nicht vergrößert 57. Unsicherheit hinsichtlich der Ergebnisinterpretation besteht hauptsächlich durch eine hohe interindividuelle Variabilität der Morphologie des Knorpels. Die Modellierung von Muskelkräften und die Analyse der Spannungsverteilung über den gesamten Knorpel werden benötigt, um Reizreaktionen und Adaptation besser verstehen zu können.
Durch Experimente auf zellulärer Ebene erhofft man sich, der Definition einer tolerierbaren mechanischen Belastung für den Knorpel näherzukommen. Jüngste Studien zu präzisen Dehnungsreizen (3 Tage, 30 min pro Tag, 6 % Dehnung, 0,5 Hz) isolierter Knorpelzellen zeigten, dass nicht nur die Zunahme der Proteinmenge (COMP), sondern auch die Umorganisation und damit die Anordnung des extrazellulären Kollagennetzwerks von Bedeutung bei der Anpassung von Knorpel an mechanische Belastung sind 58. Für die Zerstörung von Knorpelmaterial scheinen insbesondere exzessive mechanische Reize eine Rolle zu spielen 59 60. Anhand von Studien an Tiermodellen kann davon ausgegangen werden, dass eine Überlastung des Knorpels (z. B. durch extreme Laufbelastung) zu einer Zerstörung der Kollagenstruktur und ‑organisation führt 61.
Fazit
Der menschliche Körper kann in sportmotorischen Extremsituationen kurzzeitig über das Achtfache seines Körpergewichts tolerieren. Unter Berücksichtigung von Muskelkräften und Hebelverhältnissen entspräche dies gelenkinternen Kräften des achtzehnfachen Körpergewichts. Dies gelingt nur durch eine gezielte Vorbereitung der muskuloskelettalen Strukturen auf Belastung durch intelligentes Training. Diagnostische Maßnahmen zur Identifizierung von Gewebequalität wären eine Möglichkeit, frühzeitig in eine präzise und individuelle Reizsteuerung durch Training einzugreifen.
Die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zeigen sehr deutlich, dass sich nicht nur Muskeln, sondern auch Sehnen, Bänder, Knochen und Knorpel an Belastung anpassen können. Dabei ist die Anpassungsausprägung abhängig von der Charakteristik des mechanischen Reizes respektive der Trainingsgestaltung: Erhöhte mechanische Reize resultieren in größeren, steiferen und widerstandsfähigeren Materialien. Funktionelle Kapazitätsverbesserungen um 5 bis 20 %, teilweise 30 %, können durch regelmäßige Aktivität über Jahre hinweg erreicht werden. Sensible Übersteuerungen der Reizcharakteristika können Risse, Entzündungen oder Brüche an den Strukturen provozieren. Wie wichtig regelmäßige Aktivität und mechanische Belastung zum Erhalt der Funktionalität der Strukturen sind, zeigen die katabolen Prozesse, die bei Inaktivität angestoßen werden und die funktionelle Kapazität der Bindegewebe innerhalb weniger Wochen um 30 bis 40 % dramatisch reduzieren (Abb. 2).
Für die Autoren:
Dr. Jan-Peter Goldmann
Deutsche Sporthochschule Köln
Institut für Biomechanik und Orthopädie
Deutsches Forschungszentrum für Leistungssport Köln
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln,
goldmann@dshs-koeln.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Goldmann J.-P., Kersting U. Biomechanik von Belastung und Anpassung im Sport. Orthopädie Technik, 2019; 70 (8): 50–56
Sehne | Band | Kortikaler Knochen | Knorpel | |
---|---|---|---|---|
Grenzspannung [MPa] | 100 (Zug) | 60–100 (Zug) | 30 (Zug) bis 200 (Druck) | 5–15 (Druck) |
Verformung [%] | 8–10 | 12–14 | 3–5 | 25–30 |
Studien | Goldmann et al. 2013 29 | Brüggemann et al. 2005 30 |
---|---|---|
Reizcharakteristik | intensiv und kurz | moderat und lang |
Intensität | 5000–6000 Push-offs | Aufwärmphase |
Trainingsdauer | 3 Wochen | 5 Monate |
Trainingseinheiten pro Woche | 5 | 2–3 |
Dauer pro Einheit | 30 min | 15–30 min |
Anzahl Einheiten gesamt | 15 | 45 |
Kraftzuwachs Zehenbeuger | 13–20 % | 18–20 % |
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