Einleitung
Auch wenn die Osteoporose eine der weltweit häufigsten Erkrankungen und die Mortalität bei vorhandenen Frakturen signifikant erhöht ist, fristet sie vor allem aufgrund des stillen Verlaufes ein Schattendasein. Für Deutschland ist davon auszugehen, dass etwa jede fünfte Frau über 50 Jahren bereits eine Osteoporose-assoziierte Fraktur erlitten hat. Dennoch sind nach einer aktuellen Erhebung nur etwa 20 % der therapiebedürftigen Frauen in Deutschland tatsächlich medikamentös therapiert 1 2. Dies erstaunt umso mehr, da für Deutschland eine etablierte S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose existiert und mit wenig Aufwand in den Praxisalltag integriert werden kann.
Die Therapie der Osteoporose teilt sich in sogenannte Basismaßnahmen und eine spezifische medikamentöse Therapie 3.
Basismaßnahmen
Unter Basismaßnahmen zur Osteoporose- und Frakturprophylaxe sind allgemeine Maßnahmen zu verstehen, durch deren Umsetzung für alle Bereiche von der Primär- bis zur Tertiärprophylaxe eine Verbesserung der Knochenstabilität und eine Verringerung sturzbedingter peripherer Frakturen erreichbar sind. Hierzu gehört daher ein regelmäßiges Übungsprogramm zur Förderung der Kraft und Koordination, das idealerweise im Rahmen einer Turn-/Rehagruppe durchgeführt wird. Sturzanamnese und die Beseitigung von Stolperfallen in der häuslichen Umgebung sowie die Medikamentenanamnese zur Erkennung sturzfördernder Medikamente sind sinnvoll. Die Integration in eine Selbsthilfegruppe ist anzuraten.
Eine knochengesunde Lebensweise ist ebenfalls anzuraten: Hierzu gehört in erster Linie die ausreichende Zufuhr von Vitamin D und Calcium. Bei ausreichender Zufuhr von Calcium (1.200 bis 1.500 mg Calcium/Tag) über Nahrungsmittel und Mineralwasser ist eine zusätzliche Substitution nicht notwendig, eine Überdosierung ist zu vermeiden. Vitamin D muss in unseren Breitengraden in der Regel substituiert werden (Tagesbedarf 800 bis 1.200 IE). Untergewicht ist ebenso wie Rauchen zu vermeiden.
Spezifische medikamentöse Therapie
Die Einleitung einer spezifischen medikamentösen Therapie erfolgt bei einem 10-Jahres-Frakturrisiko von mehr als 40 %. Bei manifester Osteoporose mit bereits bestehender Fraktur wird eine Therapie unabhängig vom Alter bereits ab einem T‑Score von ‑2 oder kleiner eingeleitet. Das Folgerisiko für Wirbelkörperfrakturen ist in den ersten Monaten bis Jahren nach einer frischen osteoporotischen Wirbelkörperfraktur besonders hoch, so dass eine rasche Therapieeinleitung wichtig ist. Bei unklarer Situation empfiehlt sich die Überweisung zum Spezialisten: Besonders ausgebildete Kollegen sind in der Regel als Osteologen (DVO) über www.dv-osteologie.de auffindbar.
Die in Bezug auf eine Fraktursenkung am besten belegten medikamentösen Therapieoptionen bei der postmenopausalen Frau sind:
- die Bisphosphonate Alendronat, Risedronat, Ibandronat und Zoledronat,
- Raloxifen als selektiver Estrogenrezeptor-Modulator (SERM),
- Strontiumranelat,
- Denosumab,
- Teriparatid/Parathormon als osteoanabole Substanzen.
In der osteologischen Forschung gewinnt die selektive Betrachtung der Wirksamkeit verschiedener spezifischer Therapeutika auf den kompakten und spongiösen Anteil des Knochens zunehmend an Gewicht 4. Während es bei der postmenopausalen Osteoporose frühzeitig zu einem Anstieg der Wirbelkörperfrakturen kommt (überwiegend spongiöser Knochen), zeigt sich der Anstieg der Schenkelhalsfrakturen in dramatischer Weise ab dem 75. Lebensjahr. Dies ist dem schleichenden Abbau des kortikalen Knochens geschuldet. Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die Festigkeit des Schenkelhalses nur zu 16 % vom spongiösen Knochenanteil bestimmt wird 5. Dies sollte bei der Wahl des spezifischen Therapeutikums bei Osteoporose berücksichtigt werden.
Abschließend lässt sich feststellen, dass mit zunehmender Lebenserwartung der Bevölkerung die Zahl der Schenkelhalsfrakturen weiterhin zunehmen wird. Dies wird von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung sein. In der Zukunft ist davon auszugehen, dass die Wirkung verschiedener spezifischer Therapeutika im kortikalen und spongiösen Bereich weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen unterliegen wird. Die durchgeführte spezifische Therapie sollte aufgrund der vorliegenden Datenlage dem Alter der Patientin/des Patienten angepasst sein.
Der Autor:
Prof. Dr. Christopher Niedhart
Osteologisches Schwerpunktzentrum
Liecker Straße 23
52525 Heinsberg
cniedhart@gmx.de
Begutachteter Beitrag/Reviewed paper
Niedhart Ch. Basismaßnahmen und medikamentöse Therapie bei Osteoporose. Orthopädie Technik, 2013; 64 (9): 52–53
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- Hadji P, Klein S, Gothe H, Häussler B, Kless T, Schmidt T, Steinle T, Verheyen F, Linder R. Epidemiologie der Osteoporose – Bone Evaluation Study: Eine Analyse von Krankenkassen-Routinedaten. Dtsch Arztebl Int., 2013; 110 (4): 52–57
- Häussler B, Gothe H, Mangiapane S, Glaeske G, Pientka L, Felsenberg D. Versorgung von Osteoporose-Patienten in Deutschland – Ergebnisse der BoneEVA-Studie. Dtsch Arztebl, 2006; 103 (39): A 2452–2458
- Dachverband Osteologie: DVO-Leitlinie 2009 zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose im Erwachsenenalter. www.dv-osteologie.org
- Zebaze RM, Ghasem-Zadeh A, Bohte A, Iuliano-Burns S, Mirams M, Price RI, Mackie EJ, Seeman E. Intracortical remodelling and porosity in the distal radius and post-mortem femurs of women: a cross-sectional study. Lancet, 2010; 375 (9727):1729–1736
- Holzer G, von Skrbensky G, Holzer LA, Pichl W. Hip fractures and the contribution of cortical versus trabecular bone to femoral neck strength. J Bone Miner Res., 2009; 24 (3): 468–474