Aus Cha­os wur­de System

„Es war ein Durcheinander“, erinnert sich Markus Huser, Fachberater des Sanitätshauses Storch und Beller, mit Blick auf die ersten Monate nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Bürokratie, ungeklärte Zuständigkeiten und offene Kostenübernahmeanträge machten es dem Betrieb nicht leicht, die Geflüchteten zu versorgen. Mittlerweile ist dem Chaos System gewichen – eine Erleichterung für das Sanitätshaus und die Patient:innen.

Um die 20 Men­schen aus der Ukrai­ne hat der Betrieb mit Filia­le in Frei­burg im Breis­gau bis­lang ver­sorgt, auch aktu­ell sind Patient:innen in Behand­lung. „Wäh­rend des ers­ten hal­ben Jah­res waren der Sta­tus und damit die Fra­ge, wer die Kos­ten über­nimmt, noch unge­klärt“, berich­tet Huser. Die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem anfangs zustän­di­gen Sozi­al­amt sei schwie­rig gewe­sen und schlep­pend ver­lau­fen, da auch das Amt dem nicht gewach­sen war. „Für einen Pati­en­ten wur­de ein Steh­ge­rät geneh­migt, aber kei­ne Orthe­se. Das ergab manch­mal kei­nen Sinn“, nennt er ein Bei­spiel. Auch Nach­fra­gen bei behan­deln­den Ärzt:innen kos­te­ten Zeit, da teils unter­schied­li­che Ver­ord­nun­gen vorlagen.

Hel­fen „wol­len“, heißt nicht immer hel­fen „kön­nen“ – das Team ver­such­te zu ver­sor­gen, wo es ging, sah auf­grund der unge­klär­ten Kos­ten­über­nah­me aber häu­fig sei­ne Hän­de gebun­den, muss­te Betrof­fe­ne abwei­sen oder bis zur Klä­rung des Sta­tus ver­trös­ten. Eini­ge Hilfs­mit­tel, wie ein zuvor zum Ver­leih genutz­ter Bug­gy, wur­den ver­schenkt. Auch Zeit spen­de­te Huser und stell­te bei Bedarf vor­han­de­ne, teil­wei­se von Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen gestif­te­te Roll­stüh­le pas­send ein. Dank­bar ist er für die Unter­stüt­zung von pri­va­ten Initia­ti­ven und Ver­ei­nen. „Auch die guten Kon­tak­te zu unse­ren Lie­fe­ran­ten hal­fen, das eine oder ande­re Hilfs­mit­tel kos­ten­güns­ti­ger zu bekom­men. Die Fir­ma Per­mo­bil hat bei­spiels­wei­se kos­ten­los Sitz­kis­sen geliefert.“

Die Ver­sor­gun­gen, mit denen die Men­schen aus der Ukrai­ne ins Sani­täts­haus kamen, ent­spra­chen oft nicht dem, was Huser und sein Team in Deutsch­land als Stan­dard ken­nen. Er denkt an eine Pati­en­tin mit Spi­na­ler Mus­kel­atro­phie zurück, die auf­grund ihrer Fehl­hal­tung und nicht vor­han­de­ner Sitz­scha­le mit ihrer kon­trak­ten rech­ten Hand den Joy­stick auf der lin­ken Sei­te nur errei­chen konn­te, indem sie sich noch mehr in die Fehl­hal­tung zwäng­te – für sie Gewohn­heit, für Huser ein unge­wohn­ter Anblick. „So wür­den Tech­ni­ker in Deutsch­land nie­mals ver­sor­gen. Die Steue­rung wan­dert zu den Pati­en­ten und nicht anders­her­um. Gege­be­nen­falls gibt es Son­der­steue­run­gen.“ Eine wei­te­re Erfah­rung, die er gemacht hat: Aktiv­roll­stuhl­ver­sor­gung von Kin­dern fin­det in der Ukrai­ne kaum statt. Statt­des­sen kamen Mäd­chen und Jun­gen bei­spiels­wei­se mit Spi­na bifi­da im Bug­gy zu ihm. „Gehö­ren Aktiv­roll­stüh­le dort nicht zur Ver­sor­gung? Oder wol­len die Eltern kei­nen Rol­li? Trau­en sie ihrem Kind die Benut­zung nicht zu? Das kommt ja auch in Deutsch­land vor“, stellt Huser mög­li­che Grün­de in den Raum und fragt sich in dem Zusam­men­hang auch: „Wie war und ist das Gesund­heits­sys­tem grund­sätz­lich in der Ukrai­ne auf­ge­stellt – auch vor dem Krieg?“ Denn letzt­end­lich ist das, was er im Sani­täts­haus sieht, nur ein klei­ner Ausschnitt.

Was dank des digi­ta­len Zeit­al­ters von Beginn an wenig Pro­ble­me berei­tet, ist die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Geflüch­te­ten. „Goog­le Trans­la­tor macht es mög­lich“, sagt Huser. „Manch­mal ist das holp­rig, aber es funktioniert.“

Pia Engel­brecht

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