„Apo­the­ken­üb­li­che Hilfs­mit­tel“ wer­den Realität

Keine Präqualifizierung für apothekenübliche Hilfsmittel – das ist die Quintessenz aus einem Gesetzentwurf zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) aus dem Bundesministerium für Gesundheit, der der OT-Redaktion vorliegt. Damit wird das Realität, was die Branche lange zu verhindern versuchte – nämlich eine einseitige Entlassung von Leistungserbringern aus der Präqualifizierung.

Bis zuletzt hat­ten die Leis­tungs­er­brin­ger gemein­schaft­lich bei der Poli­tik davor gewarnt, dass eine ohne­hin schon vor­han­de­ne Ungleich­be­hand­lung wei­ter anwächst. Gemeint ist damit, dass die Apo­the­ken zum Bei­spiel nicht die Bege­hun­gen der Betriebs­stät­ten im 20-Monats-Rhyth­mus über sich erge­hen las­sen müs­sen. Zuletzt war in Per­son von Patrick Gru­n­au, Gene­ral­se­kre­tär beim Bünd­nis „Wir ver­sor­gen Deutsch­land“ (WvD), bei der öffent­li­chen Anhö­rung im Gesund­heits­aus­schuss des Deut­schen Bun­des­ta­ges ein deut­li­ches State­ment vor­ge­bracht wor­den, um die Ände­rung im Geset­zes­ent­wurf zu ver­hin­dern. Doch die­ser Pro­test scheint auf den Flu­ren der Ber­li­ner Bun­des­po­li­tik auf wenig Gehör zu treffen.

Ganz im Gegen­teil. In dem Ent­wurf des Geset­zes fin­den sich Pas­sa­gen, die auf­hor­chen las­sen. So wird der Begriff „apo­the­ken­üb­li­che Hilfs­mit­tel“ – eine For­mu­lie­rung, die es so bis­her nicht in der deut­schen Gesetz­ge­bung gab, nun eta­bliert. Was dar­un­ter zu ver­ste­hen ist, das sol­len nach dem Wil­len des Gesetz­ge­bers der GKV-Spit­zen­ver­band und die Ver­tre­tun­gen der Apo­the­ken allei­ne im Dia­log fest­le­gen. Fest steht nur, dass Hilfs­mit­tel die „erwei­ter­te hand­werk­li­che Fer­tig­kei­ten“ benö­ti­gen sowie Hilfs­mit­tel, die nicht übli­cher­wei­se in Apo­the­ken vor­rä­tig sind – in der Geset­zes­be­grün­dung wird dafür das Bei­spiel des Blin­den­führ­hun­des genannt – nicht inklu­diert sein sol­len. Wor­auf sich die bei­den Par­tei­en am Ende – ohne Ein­be­zie­hung der rest­li­chen Hilfs­mit­tel­bran­che – eini­gen, wird sich zei­gen. War­um die Poli­tik einen Begriff wie „apo­the­ken­üb­lich“ über­haupt in einen Geset­zes­text ein­flie­ßen lässt, ist eine ande­re Fra­ge, die gege­be­nen­falls recht­lich zu erklä­ren ist. Das Bünd­nis WvD kün­dig­te bereits juris­ti­sche Gegen­wehr an, falls das Gesetz die Zustim­mung des Bun­des­ta­ges bekom­men sollte.

„Die Apo­the­ken­teams ver­brin­gen meh­re­re Stun­den pro Tag damit, über­haupt noch Arz­nei­mit­tel für die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zu beschaf­fen. Dass sie dann zusätz­lich noch durch Büro­kra­tie-Mons­ter wie die Prä­qua­li­fi­zie­rung und exis­ten­zi­ell bedro­hen­de Hono­rar-Strei­chun­gen der Kran­ken­kas­sen belas­tet wer­den, ist blan­ker Hohn. Sowohl das Prä­qua­li­fi­zie­rungs­ver­fah­ren als auch die Null­re­ta­xa­tio­nen gehö­ren sofort abge­schafft!“, kom­men­tier­te Gabrie­le Regi­na Over­wi­ening, Prä­si­den­tin der Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Apo­the­ker­ver­bän­de (ABDA), anläss­lich der Stel­lung­nah­me des Bun­des­ra­tes im Mai die Situa­ti­on. Die For­de­rung der Apo­the­ken nach der Ent­las­sung aus der Prä­qua­li­fi­zie­rung war auf dem Apo­the­ker­tag in Mün­chen im Herbst des Vor­jah­res von der Ver­samm­lung beschlos­sen wor­den und fand über den Bun­des­rat sei­nen Weg in die Gesetz­ge­bung. In sei­ner Stel­lung­nah­me emp­fahl der Bun­des­rat die Apo­the­ken auf Grund ihrer Apo­the­ken­be­triebs­er­laub­nis von der Prä­qua­li­fi­zie­rung aus­zu­neh­men. Apotheker:innen und deren Mitarbeiter:innen sei­en durch Aus- und Fort­bil­dung qua­li­fi­ziert genug, um Hilfs­mit­tel abzu­ge­ben. Eine wei­te­re Über­prü­fung sei eine büro­kra­ti­sche Dop­pel­be­las­tung der Apotheken.

„Wir haben in der öffent­li­chen Anhö­rung zum ALBVVG ein­dring­lich vor einer ein­sei­ti­gen Ent­las­sung der Apo­the­ken aus der Prä­qua­li­fi­zie­rung gewarnt“, erklä­ren die WvD-Gene­ral­se­kre­tä­re Kirs­ten Abel und Patrick Gru­n­au. „Dass die­se nun trotz­dem kom­men soll, stellt eine kla­re Ver­let­zung der Grund­sät­ze des frei­en und glei­chen Markt­zu­gan­ges im Hilfs­mit­tel­be­reich dar. Gesetz­lich Ver­si­cher­te müs­sen dar­auf ver­trau­en kön­nen, dass die stren­gen Regeln bei der Abga­be von Hilfs­mit­teln über­all glei­cher­ma­ßen gel­ten. Die­se ein­sei­ti­ge und sach­frem­de Bevor­tei­lung der Apo­the­ken zu Las­ten aller übri­gen Leis­tungs­er­brin­ger wer­den wir nicht hin­neh­men und daher recht­li­che Schrit­te bis hin zur Ver­fas­sungs­be­schwer­de prüfen.“

Auch Alf Reu­ter, Prä­si­dent des Bun­des­in­nungs­ver­band für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV) und Vor­stands­mit­glied von WvD, kom­men­tiert den Ände­rungs­an­trag. „Gesetz­lich Ver­si­cher­te müs­sen sich dar­auf ver­las­sen kön­nen, dass die stren­gen Regeln bei der Abga­be von Hilfs­mit­teln über­all glei­cher­ma­ßen gel­ten. Die Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung steht eben­so wenig im Zen­trum der Aus­bil­dung eines Apo­the­kers wie die Phar­ma­zie Kern­kom­pe­tenz des Ortho­pä­die-Tech­ni­ker ist — auch wenn wir von Schmerz­the­ra­pie sehr viel Ahnung haben. Daher müs­sen der­zeit Apo­the­ker mit­un­ter beson­de­re Fort- bzw. Wei­ter­bil­dun­gen nach­wei­sen, wenn sie bestimm­te Hilfs­mit­tel abge­ben möch­ten.  Auch die sach­li­chen Vor­aus­set­zun­gen einer Apo­the­ke ent­spre­chen nicht immer den Kri­te­ri­en der Prä­qua­li­fi­zie­rung, da in der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung Vie­les am Kör­per ver­mes­sen und ange­passt wer­den muss. Das kann man nicht über einen Ver­kaufs­tre­sen hin­weg tun. Der jetzt vor­lie­gen­de Ände­rungs­an­trag ist daher ein ekla­tan­ter Ein­griff in die Berufs­frei­heit, da Markt­ein­tritts­bar­rie­ren ohne sach­li­chen Grund exklu­siv für die Apo­the­ken abge­senkt wer­den und es wider­spricht der Sicher­stel­lung der Ver­sor­gungs­qua­li­tät. Wir prü­fen daher mit unse­ren Part­nern die Ver­fas­sungs­kla­ge, soll­te der Ände­rungs­an­trag tat­säch­lich vom Bun­des­tag ange­nom­men werden“.

 

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