Einleitung
Ziel der Hilfsmittelversorgung nach § 12 SGB V ist die ausreichende und zweckmäßige Versorgung mit individuell adaptierten Hilfsmitteln. Die Versorgung muss dabei wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Gleichzeitig soll die Versorgung dem Stand der Technik entsprechen (§ 12 u. § 33 SGB V). Der mit dieser Aufgabe betraute Orthopädie-Techniker muss sich daher stets den Herausforderungen des technischen Fortschritts stellen. Neue innovative Konstruktionen und Versorgungskonzepte ermöglichen eine hochtechnologische Versorgung und eröffnen dabei neue, funktionellere Optionen. Technologische Neuheiten müssen jedoch in Bezug auf medizinische Notwendigkeiten geprüft und im Rahmen des funktionellen Zugewinns für jeden einzelnen Patienten, aber auch für Patientengruppen bewertet werden. Es besteht damit bei jeder anstehenden Hilfsmittelversorgung die Frage, ob diese für den individuellen Patienten funktionell gleichwertig ist oder einen funktionellen Zugewinn bietet. Dabei ist der Versorger angehalten, auf die Kosten zu achten; dies gilt vor allem für die Passteile, ist aber nicht darauf beschränkt.
In den letzten 20 Jahren kam es zu einer spürbaren Verbesserung der Versorgung transfemoral Amputierter; erwähnt sei an dieser Stelle die Einführung elektronisch gesteuerter Kniepassteile. Neu bzw. Umversorgungen von einem nicht elektronisch gesteuerten auf ein elektronisch gesteuertes Kniepassteil ergeben bei vielen Patienten deutliche Verbesserungen, deren Ausmaß letztlich von den individuellen Gegebenheiten abhängt. Seitdem hat sich auch die Beurteilung des funktionellen Zugewinns geändert: Musste anfangs nachgewiesen werden, dass mit der elektronischen Stand und Schwungphasenregelung funktionelle Vorteile gegenüber konventionellen Kniepassteilen verbunden waren, steht jetzt die Differentialindikation zwischen hochwertigen Versorgungen im Vordergrund. Das heißt, man stellt sich der Herausforderung, die für den Patienten am besten geeignete Versorgung aus einer großen Auswahl von Versorgungsmöglichkeiten auszuwählen, deren Eigenschaften sich auf hohem Niveau angleichen. Die Auswahl beschränkt sich in diesem Kontext jedoch nicht allein auf elektronische Passteile – auch konventionelle, rein mechanische Passteile müssen berücksichtigt werden 1. Eine wichtige Hilfe bei der Suche nach der individuell am besten geeigneten Versorgung, insbesondere bei den Passteilen, sind die Indikationsangaben der Hersteller. Allerdings sind diese Angaben nicht immer ausreichend; die klinische Überprüfung kann zu abweichenden Indikationen führen 2. Es sind also weitere Kriterien notwendig, um die Eignung einer Versorgung und ihren individuellen Nutzen für einen Patienten zu beurteilen und daraus Entscheidungshilfen für den Versorger zu gewinnen. Auch wenn eine Entscheidung ganz ohne das subjektive Empfinden des Patienten nicht möglich ist, sollten solche Kriterien objektiv gestützt sein. In diesem Zusammenhang hat sich die instrumentierte Ganganalyse bei der Versorgung von Ober- und Unterschenkelamputierten bewährt.
Im Folgenden werden die Voraussetzungen, die Durchführung und die Analyse von Untersuchungen beschrieben, die dem Vergleich des funktionellen Zugewinns dienen. Die hier angeführten Beispiele stammen aus kinematischen Messungen, wobei dynamische Messungen gleichfalls in die Analyse und den Vergleich eingehen.
Material und Methoden
Verfahren einer vergleichenden Untersuchung
Die Untersuchung beginnt mit einer dokumentierten Bestandsaufnahme der vorhandenen Oberschenkelprothese unter orthopädietechnischen Gesichtspunkten. Sodann findet eine visuelle Beurteilung der mit der Versorgung nutzbaren Funktionen und der verbleibenden Einschränkungen beim Gehen in der Ebene statt (s. dazu auch den Abschnitt „Orthopädietechnische Anamnese“). Anschließend erfolgt eine umfassende Untersuchung des Gangbildes mit der vorhandenen Alltagsprothese (Referenzversorgung). Diese beinhaltet eine 3D-kinematische und kinetische Analyse beim Gehen in der Ebene, das Überwinden von Schrägen und Hindernissen sowie das Bewältigen von Treppenstufen. Nur wenn es die Belastbarkeit des Untersuchungs-teilnehmers zulässt, können weitereUntersuchungen angeschlossen werden (s. dazu auch den Abschnitt „Messtechnische Untersuchung“). Die enannten Aufgaben werden als notwendige Bewegungsaufgaben verstanden und können durch optionale Aufgaben ergänzt werden, z. B. das Gehen mit Tempowechseln, das Absolvieren eines Slalomparcours und das Gehen mit eingeschränktem Sichtfeld. Abhängig von den zum Vergleich anstehenden Passteilen können spezifische Funktionen (z. B. alternierendes Hinaufgehen von Treppenstufen) hinzukommen. Auf diese Weise wird intraindividuell ein allgemeingültiges Untersuchungsprotokoll konkret an die prothetische Versorgungssituation adaptiert und angewandt 3.
Anschließend erfolgt der Umbau bzw. der Wechsel auf die zu vergleichende Prothese (Versorgung 2). Der Austausch bzw. Um- und Aufbau der Oberschenkelprothese berücksichtigt dabei jeweils die Herstellervorgaben und die individuellen Voraussetzungen. Zur Kontrolle wird unter anderem das L.A.S.A.R. Posture (Fa. Otto Bock) eingesetzt. Daraufhin findet eine Eingewöhnungsphase statt. Die Dauer dieser Eingewöhnung beträgt ungefähr fünf Minuten; sie dauert jedoch mindestens so lange, bis sich ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle eingestellt hat. Anschließend beginnt die eigentliche Messung. Sie erfolgt nach demselben Protokoll wie zuvor bei der Referenzversorgung. Mit dieser Untersuchung ist die Datenerhebung des ersten Tages abgeschlossen, und es beginnt die 6- bis 10-tägige Erprobungsphase der zu vergleichenden Prothese (Versorgung 2) zu Hause. Eine abschließende Messung nach dem gleichen Protokoll erfolgt nach dieser Erprobungsphase. Danach wird die erprobte Versorgung zurückgebaut bzw. wieder gegen die Referenzversorgung ausgetauscht.
Einschlusskriterien und Voraussetzungen einer Messung
Die beschriebene Untersuchung findet nur statt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Untersuchungsteilnehmer ist sowohl physisch als auch psychisch belastbar, um die Aufgaben des Messprotokolls absolvieren zu können. Ebenso wird ein angemessenes Maß an Kooperationsbereitschaft vorausgesetzt (vgl. 4).
- Der Schaft der Versorgung ist passfähig, intakt und aufbaufähig, sodass die korrekte Ansteuerung der Prothesegewährleistet ist.
Ausschlusskriterien
Wenn sich die genannten Kriterien nicht eindeutig bejahen lassen, wird die Messung nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt.
Orthopädietechnische Anamnese
Die orthopädietechnische Anamnese erfolgt nach einem standardisierten Protokoll. Hier, im Fall einer prothetischen Versorgung nach transfemoraler Amputation, erfolgt sie nach dem von Sibbel, Bieringer und Haase et al. (2012) vorgestellten Datenerhebungsbogen 5. Dieser Anamnesebogen wurde im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit entwickelt und ermöglicht einen „Soll-Ist-Vergleich“6 zwischen den versorgungsbezogenen Qualitätskriterien und der zu bewertenden prothetischen Versorgung. Dabei geht es vor allem um die Erfassung der Versorgungssituation, deren nachvollziehbare Dokumentation und anschließende Diskussion bzw. Analyse. Erfasst werden die medizinische Vorgeschichte des Untersuchungsteilnehmers, die Anamnese des aktuellen Gesundheitsstatus und die Festlegung des Mobilitätsgrades, Informationen über die Hilfsmittelversorgung (z. B.Komponenten, Aufbau, Schaftgestaltung), die Stumpfbeschaffenheit (z. B. Form, Länge, Belastbarkeit) und die Bewertung des Gangbildes (Tab. 1). Der Umfang der Anamnese erlaubt eine ganzheitliche Analyse des Patienten im Hinblick auf seine Hilfsmittelversorgung und unterstützt den Vergleich verschiedener Oberschenkelprothese.
Messtechnische Untersuchung
Wie bei der orthopädietechnischen Anamnese wird auch im Fall der instrumentierten Ganganalyse nach standardisierten Messprotokollen gearbeitet. Ziel ist es, die vorangegangene orthopädietechnische Bewertung quantitativ zu ergänzen. Für die Messungen steht ein 3D-kinematisches Messsystem (Fa. Vicon) mit 12 Infrarotkameras und zwei ergänzenden Videokameras (frontal/dorsal, sagittal) zur Verfügung. Die Erfassung der Bewegung findet dabei mit einer Messfrequenz von 200 Hz statt. Die 3D-kinematische Bewegungsanalyse wird darüber hinaus durch die simultane Erfassung der Bodenreaktionskräfte ergänzt. Hierzu werden vier Kraftmessplattformen (Fa. Amti) genutzt, die in die Gangstrecke integriert sind und mit einer Frequenz von 1000 Hz messen. Für die 3D-kinematische Datenauswertungwird als biomechanisches Modell das Plug-in-Gait-Modell (PiG) 78910 angewandt. Die Position der Marker ist im PiG-Protokoll festgelegt. Zu Beginn der Untersuchung werden die PiG-Positionen am Prothesenträger palpiert und auf der Haut markiert. Anschließend werden die für die Modellberechnung notwendigen Maße erfasst, die Marker auf die zuvor markierten Modell-Positionen geklebt und dokumentiert.
Wie oben beschrieben, finden im Fall einer vergleichenden Untersuchung drei Messungen statt: Der Messdurchgang mit der Referenzversorgung und der Messdurchgang nach direktem Umbau auf Versorgung 2 finden an einem Termin und zeitlich direkt nacheinander statt. Für die zu vergleichende Prothese (Versorgung 2) wird der Schaft der Referenzversorgung beibehalten und das Kniepassteil inklusive des zugehörigen Fußpassteils getauscht. Nach dem Umbau und dem erneuten Anlegen der Prothese wird zunächst die Passform sowie die Weichteilsituation im Schaftrandbereich überprüft. Werden hierbei keine Probleme festgestellt, so wird mit der Kontrolle des Prothesenaufbaus am Amputierten fortgefahren. Anschließend erfolgt die Überprüfung aller optischen Marker. Im Allgemeinen können die aufgeklebten Marker zwischen dem ersten und dem zweiten Messdurchgang beibehalten werden.
Zum Zeitpunkt des zweiten Messtermins, nach ca. einer Woche Erprobung, müssen die Markerpositionen erneut palpiert und markiert, die Marker aufgeklebt und dokumentiert werden. Anschließend kann die Messung nach dem Messprotokoll des ersten Messtermins erfolgen. Die Überprüfung der Markerpositionen ist im Fall einer 3D-kinematischen Datenerfassung besonders wichtig, da Fehler in der Markerpositionierung sich deutlich auf die Genauigkeit der kinematischen Parameter auswirken 11. Beim Gehen in der Ebene werden für jede Versorgungssituation mindestens zehn verwertbare Datensätze erhoben, damit Mittelwertkurven und Standardabweichungen repräsentativ berechnet werden können. Das Bewältigen von Schrägen und Treppenstufen wird vom Prothesenträger mindestens dreimal absolviert.
Auswertungskriterien
Für den Vergleich zweier Oberschenkelprothesen wird auf die Vergleichskriterien zurückgegriffen, die am UKM Münster von der Klinischen Prüfstelle für Orthopädische Hilfsmittel erarbeitet wurden 1213. Demnach setzt sich der Begriff des funktionellen Zugewinns aus folgenden Kriterien zusammen: Erhöhung der Sicherheit, Entlastung der Gegenseite, Integration ins Körperschema mit dadurch ermöglichter geteilter Aufmerksamkeit, Harmonisierung des Gangbildes, Variationder Geschwindigkeit, Verringerung desKraftaufwandes und Reduktion der Hilfsmittel. Nach Kuhr (2008) hat sich für den Vergleich von Versorgungen mit Kniegelenkpassteilen eine Bündelung der Kriterien des funktionellen Zugewinns nach Wetz et al. 1415 in die zwei Gruppen „Sicherheit“ und „Gangphysiologie“ bewährt 16.
Die Auswertung der erhobenen Daten findet anhand einzelner Stand- und Gangphasenparameter statt, die sich aus der Ganganalyse bestimmen lassen und die eine Charakterisierung des Gangbildes ermöglichen. Für vergleichende Untersuchungen werden Parameter wie Gehgeschwindigkeit, Schrittlänge und Schrittfrequenz sowie die Kenngrößen der Bodenreaktionskraft und der Sprunggelenks‑, Kniegelenks- und Hüftgelenkswinkel und ‑momente herangezogen und zunächst im Seitenvergleich analysiert. Bei der Diskussionder Ganguntersuchung stellen die folgenden Beobachtungen Indizien für den Zugewinn an Sicherheit dar 17 18:
- Eine geringe Standardabweichung bei Wiederholungsmessungen und damit eine gute Reproduzierbarkeit des Gangbildes werden als Indiz für Sicherheit gewertet.
- Der transfemoral Amputierte lässt auf der Prothesenseite flektierend Momente zu oder reduziert die extendierenden Momente.
- Es ergibt sich eine Erhöhung der Geschwindigkeit – insbesondere bei einer optionalen Übung wie dem Slalomgehen.
Folgende Faktoren werden als Zugewinn hinsichtlich der Gangphysiologie verstanden 1920:
- ein harmonisches Gangbild, wie es sich durch eine erhöhte Symmetrie der Gangparameter erweist;
- eine Links-rechts-Kongruenz der Kurven der Winkel, Bodenreaktionskraft und Momentenkurven.
Unabdingbar bei der Auswahl eines Passteils ist der Gewinn an Sicherheit. Bei höheren Aktivitätsklassen bekommt das Kriterium der Gangphysiologie eine stärkere Bedeutung zugeschrieben. Wenn sich also das Gangbild verbessert, dies aber auf Kosten der Sicherheit geschieht, resultiert daraus kein funktioneller Zugewinn im Vergleich zu einem anderen Passteil, bei dem sich die Sicherheit verbessert und sich die Gangphysiologie verschlechtert.
Ergebnisse
Die im Folgenden auszugsweise dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf einen transfemoral amputierten Untersuchungsteilnehmer. Er war zum Zeitpunkt der Datenerhebung 50 Jahre alt, 185 cm groß und wog 114 kg mit angelegter Prothese. Die Prothese wies ein separates Gewicht von 4 kg auf. Die Amputation (rechts) fand im Alter von 30 Jahren aufgrund eines Traumas statt. Anschließend erfolgte zweimalig eine Revision des Stumpfes. Nach Angabe des Amputierten wird die Prothese über den Tag durchgehend 14 bis 15 Stunden getragen. Er zeigt sich während der Untersuchungen kognitiv rege und gibt sportliche Freizeitaktivitäten an. Aufgrund der Angabe seiner Aktivitäten und des allgemeinen Eindrucks wird der Patient nach der Einteilung des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e. V. (MDS) in den Mobilitätsgrad 3 eingestuft.
Zur Beantwortung der Frage nach dem individuellen funktionellen Zugewinn, bezogen auf zwei verschiedene prothetische Versorgungen, wurde eine vergleichende Untersuchung mit 3D-kinematischer und kinetischer Analyse des Gangbildes durchgeführt. Diese beinhaltete sowohl die zuvor vorgestellte orthopädietechnische Anamnese als auch die messtechnische Untersuchung. Der Untersuchungsteilnehmer wurde folglich sowohl mit der vorhandenen Alltagsprothese als Referenzversorgung als auch mit der zu vergleichenden Versorgung (Versorgung 2) am ersten Messtermin untersucht. Dem folgte eine einwöchige Eingewöhnungszeit mit Versorgung 2. Anschließend erfolgte mit Versorgung 2 ein zweiter Messtermin mit 3D-kinematischer und kinetischer Analyse des Gangbildes wie am ersten Messtermin. Für beide Versorgungssituationen wurde derselbe Schaft verwendet, jedoch unterschieden sich die mikroprozessorgesteuerten Kniepassteile und die jeweils dazugehörigen Fußpassteile.
Grafische Aufbereitung
In Anlehnung an die Vergleichskriterien nach Wetz (2005) wurden folgende Parameter erfasst: der Verlauf der Bodenreaktionskraft (in 3 Ebenen), die Momentenkurven des Hüft‑, Knie- und Sprunggelenks (in 3 Ebenen) sowie die Winkelverlaufskurven des Hüft‑, Knie- und Sprunggelenks (in 3 Ebenen) 21.
Im Folgenden werden exemplarisch die Gelenkwinkelverläufe (Sagittalebene) des Hüft‑, des Knie- sowie des oberen Sprunggelenks im Hinblick auf die verschiedenen Versorgungssituationen abgebildet. Dabei sind Unterschiede zwischen den gemessenen Versorgungssituationen erkennbar.
Ergebnisse der 3D-kinematisch erfassten Hüftgelenkswinkelverläufe (Sagittalebene), betrachtet über den Gangzyklus
Bei Betrachtung der Hüftgelenksbewegung in der Sagittalebene (A bb. 1) wird deutlich, dass Versorgung 2 im Vergleich zur Referenzversorgung einen erkennbaren Einfluss auf das Gangbild des transfemoral Amputierten hat. Dies zeigt sich sowohl auf der erhaltenen Seite (linkes Bein) als auch auf der versorgten Seite (rechtes Bein). Durch Versorgung 2 kommt es an beiden Messterminen (akut und nach einer Woche Eingewöhnung) zu einer Annäherung der Gelenkwinkelverläufe zwischen rechter und linker Seite und somit zu einer Zunahme an Kongruenz. Ausgehend von den Bewertungskriterien nach Wetz et al. 2223 und Kuhr 24 können diese Ergebnisse als Indiz für einen Zugewinn an Gangphysiologie für den Patienten durch Versorgung 2 gegenüber der Referenzversorgung verstanden werden.
Ergebnisse der 3D-kinematisch erfassten Kniegelenkswinkelverläufe (Sagittalebene), betrachtet über den Gangzyklus
Bei Betrachtung der Kniegelenkswinkelverläufe (Abb. 2) wird deutlich, dass die Umstellung auf Versorgung 2 Veränderungen im Bewegungsverlauf des Amputierten zur Folge hat: Es kommt sowohl für die erhaltene als auch für die prothetisch versorgte Seite zu einer Verschiebung des Gesamtwinkelverlaufs hin zu kleineren Flexionswerten. Wenn auch zu Beginn der Standphase und zum Ende der Schwungphase eine Annäherung der rechten und linken Seite mit Versorgung 2 zu erkennen ist, so kann eine grundsätzliche Zunahme an Kongruenz oder Symmetrie im Hinblick auf die abgebildeten Winkelverläufe nicht festgehalten werden. Diese Daten lassen folglich keinen Zugewinn, aber auch keine grundsätzliche Verschlechterung durch Versorgung 2 erkennen.
Ergebnisse der 3D-kinematisch erfassten Sprunggelenkswinkelverläufe (OSG) (Sagittalebene), betrachtet über den Gangzyklus
Auch die Winkelverläufe des Sprunggelenkes (OSG, Sagittalebene) bilden den Einfluss der Versorgungen auf das Gangbild erkennbar ab (Abb. 3): Sowohl die erhaltene als auch die versorgte Seite erfahren mit Versorgung 2 eine Vergrößerung des Winkelbereichs der Plantarflexion im Vergleich zur Referenzversorgung. Außerdem ist eine Annäherung beider Seiten, d. h. eine Zunahme an Kongruenz zwischen versorgter und erhaltener Seite durch Versorgung 2, zu erkennen. Wenn auch der erkennbare Unterschied der Versorgungen hier nicht nur der veränderten Kniepassteilsituation, sondern auch dem ausgewechselten Fußpassteil zuzuschreiben ist, so zeigen die Gelenkwinkelverläufe des OSG, ausgehend von den Kriterien nach Wetz et al. 2526 und Kuhr 27, einen deutlichen Zugewinn an Gangphysiologie für den Prothesenträger durch Versorgung 2 gegenüber Versorgung 1.
Fazit
Vergleicht man die Ergebnisse des exemplarisch vorgestellten Prothesenträgers, so wird deutlich, dass sich das Gangbild mit Versorgung 2 erkennbar verändert: So zeigen die Winkelverläufe eine Annäherung der rechten und der linken Seite, was insgesamt als Zugewinn an Gangphysiologie für den Untersuchungsteilnehmer durch Versorgung 2 festzuhalten ist. Dieser würde folglich, ausgehend von den betrachteten Parametern, von einer Umversorgung profitieren.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Vielfalt an Fragestellungen hinsichtlich der Beurteilung bzw. Untersuchung orthopädietechnischer Versorgungen ein differenziertes Vorgehen bei der Wahl des geeignetenMessverfahrens bedingt, um sowohl auf die individuellen Umstände des Patienten als auch auf die zu vergleichenden Versorgungssituationen eingehen zu können. Ebenso sollten die angewandten Untersuchungen unter standardisierten Messprotokollen durchgeführt werden, um belastbare und nachvollziehbare Aussagen liefern zu können. Das vorgestellte methodische Vorgehen – die Kombination aus orthopädietechnischer Anamnese und messtechnischer Untersuchung – stellt dabei eine adäquate Lösung zur Beantwortung versorgungstechnischer Fragestellungen dar.
Für die Autoren:
Dr. phil. Ann-Kathrin Hömme,
Dipl.-Ing. (FH), Leiterin des Instituts für Messtechnik und Biomechanik (IMB), Leitung des Studiengangs Orthopädie- und Rehabilitationstechnik (B. Eng./M. Eng.), Bundesfachschule für Orthopädie- Technik, Kompetenzzentrum für Orthopädie- und Reha-Technik
Schliepstraße 6–8
44135 Dortmund
a.hoemme@ot-bufa.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Hömme A‑K, Drerup B. Anwendung der instrumentierten Ganganalyse bei der Bewertung des funktionellen Zugewinns am Beispiel einer transfemoralen Prothesenversorgung. Orthopädie Technik. 2017; 68 (12): 40–45
Vorgeschichte/Anamnese |
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Angabe personenbezogener Daten | (Name, Geschlecht, Adresse, Geburtsdatum, …) |
Angaben zur Amputation | (betroffene Seite, Amputationsdatum, Ursache, Angabe zu Stumpfrevisionen, …) |
Angaben zur Versorgung | (Datum der Prothesenanfertigung, Sanitätshaus, Erst- oder Folgeversorgung, …) |
Angabe zu Kontextfaktoren | (Angaben zum Lebensraum, zur Fortbewegung, zu weiteren Hilfsmitteln, …) |
Angaben zu Aktivitäten | (berufliche Tätigkeit, Freizeitaktivitäten, …) |
Angaben zu versorgungsrelevanten Begleitzuständen | (Funktions‑, Bewegungseinschränkungen, …) |
Angabe des Mobilitätsgrads nach MDS | (von 0 „nicht gehfähig“ bis 4 „uneingeschränkter Außenbereichsgeher mit besonders hohen Ansprüchen“) |
Befund (Oberschenkel) |
|
Allgemeine Angaben | (Alter zum Zeitpunkt der Untersuchung, Gewicht, Größe, …) |
Befunderhebung Stumpf | (Stumpfform, Weichteildeckung, Belastungsfähigkeit, Narbenzustand, Stumpfmaße, …) |
Hilfsmittelversorgung (Oberschenkelprothese) |
|
Allgemeine Angaben | (Definitvprothese, Interimsprothese, Diagnoseschaft) |
Angaben zur Schaftgestaltung | (Schaftform, Veränderungen am Schaft, Prothesenkonfiguration, Linersystem, Schaftmaße, …) |
Angaben zu den Bestandteilen der Prothese | (Kniegelenkbezeichnung, ‑bauart, Fußbezeichnung, ‑art, kosmetische Verkleidung, Gewicht der Prothese, …) |
Angaben zum Prothesenaufbau | (Schaft‑, Kniegelenk- und Fußeinordnung in Horizontal‑, Frontal- und Transversalebene, Schaftstellung, …) |
Konformitätsanalyse (Oberschenkelprothese) |
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Patientenbezogene Schaftanalyse | (Angaben zum Anlegen der Prothese, zur Passform des Schaftes, zum Volumen des Schaftes, …) |
Angaben zur Körperstatik/Prothesenlänge | (Angabe zum Fuß-Boden-Kontakt, zur Proportion Ober- zu Unterschenkel, zum Beckengradstand, …) |
Patientenbezogener Prothesenaufbau | (Schaft‑, Kniegelenk- und Fußeinordnung in Horizontal‑, Frontal- und Transversalebene, Schaftstellung, …) |
Gangbild |
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Bewertung des Gangbildes | (allgemeiner Eindruck, Bewertung Frontalebene, Bewertung Sagittalebene, …) |
Beurteilung |
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Zusammenfassende Beurteilung | (Zusammenfassung aller erhobenen Daten und Schlussfolgerung) |
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