Einleitung
Die Metalle Aluminium und Titan sind in vielen Bereichen des täglichen Lebens anzutreffen. Auch in der Orthopädie-Technik sind sie angesichts ihrer individuellen Eigenschaften weit verbreitet. Während sich Aluminium besonders für eine handwerkliche Ver- und Bearbeitung eignet, ist Titan als hochfestes Metall eher bei vorgefertigten Bauteilen anzutreffen. Grundsätzlich kann ein Vergleich der Eigenschaften beider Metalle nur in Bezug auf die jeweilige Reinform erfolgen. Liegt, wie in den meisten Fällen, eine Legierung vor, so weichen die Eigenschaften oftmals deutlich vom Reinmetall ab. Im Folgenden werden Aluminium und Titan als Werkstoffe vorgestellt und miteinander verglichen, zunächst jeweils allgemein, sodann bezüglich ihrer Verwendung in Orthopädie- und Reha-Technik. Abschließend wird auf Titan-Aluminium-Legierungen und ihre Vorzüge eingegangen.
Aluminium als Werkstoff
Aufbau
Aluminium (Al) ist ein metallischer Feststoff mit einer kubisch flächenzentrierten Gitterstruktur (Abb. 1). Mit einer Dichte von 2,7 g/cm³ gehört es zu den Leichtmetallen. Es kommt am häufigsten von allen Metallen in der Erdkruste vor. Die wichtigste und wirtschaftlich interessanteste Aluminiumverbindung Bauxit besteht bis zu 60 % aus Aluminiumhydroxid und zu 30 % aus Eisenoxid sowie aus Siliziumoxid.
Eigenschaften
Aufgrund seiner schnellen Oxidation an der Luft bildet Aluminium eine hauchdünne Oxidschicht, wodurch es eine sehr hohe Korrosionsbeständigkeit besitzt. Diese Oxidschicht kann durch elektrische Oxidation noch verstärkt werden und wird dann Eloxalschicht genannt.
Aluminium ist ein relativ weiches, gut verformbares, zähes Metall. Es ist dehnbar und lässt sich auch bei niedrigeren Temperaturen leicht verarbeiten und beispielsweise zu hauchdünnen Folien auswalzen, aber auch gut schmieden, biegen und pressen. Es ist zudem gut spanend zu bearbeiten.
Reines Aluminium hat eine Zugfestigkeit von ca. 49 MPa; bei Al-Legierungen liegt diese weitaus höher: zwischen 300 und 700 MPa. Im Bereich des Stromleitvermögens gehört Aluminium zu den mittelgut leitenden Metallen, aber es ist ein hervorragender Wärme- bzw. Kälteleiter und wird somit entsprechend verwendet.
Herstellung
Die großindustrielle Gewinnung von Aluminium findet ausschließlich mittels der Al-Verbindung Bauxit statt, das zunächst im Mahlwerk zerkleinert wird. Im nächsten Schritt wird es im Autoklav mit Natronlauge von den übrigen Bestandteilen gelöst und dann in großen Rohröfen zu Aluminiumoxid gebrannt. Später im Elektrolyseprozess wird das Aluminiumoxid verflüssigt, das reine Aluminium abgeschöpft und in einheitliche „Blöcke” gegossen. Insgesamt ist die Aluminiumherstellung sehr energieaufwendig; aus dem Rohstoff Bauxit kann lediglich ein Viertel reines Aluminium gewonnen werden. Allerdings hat Aluminium ausgezeichnete Recycling-Eigenschaften 1.
Verwendung in der Orthopädie-Technik
Auch in der Orthopädie-Technik ist Aluminium ein weit verbreitetes Material. Es besitzt gute Festigkeitswerte im Verhältnis zum geringen Gewicht. Des Weiteren lässt es sich leicht verarbeiten, da es sich kalt verformen und gut spanend bearbeiten lässt. Es wird daher in vielen Gebieten innerhalb der Orthopädie-Technik sowie der Reha-Technik verwendet, zum Beispiel in der Prothetik bei Kniegelenken (Abb. 2) und Modularpassteilen. In der Orthetik wird es z. B. für Gelenke, Systemschienen und andere Bauteile verwendet. In der Reha-Technik werden häufig Rahmenkonstruktionen für Rollstühle (Abb. 3), Kindertherapiegeräte oder Gehstützen aus Aluminium gefertigt 2 3 4.
Titan als Werkstoff
Aufbau
Titan (Ti) ist wie alle Metalle in einer Gitterstruktur aufgebaut, in der sich die Titanmoleküle zusammenfinden. Beim Titan ist es bei Raumtemperatur die sogenannte hexagonale Gitterstruktur (Abb. 4). Ab einer Temperatur von 882 °C (bei Reintitan) verändert sich die Struktur zum kubisch raumzentrierten Gittertyp (Abb. 5). Mit dieser Änderung der Gitterstruktur gehen wesentliche Veränderungen der Eigenschaften einher.
Eigenschaften
Ebenso wie Aluminium zählt Titan zu den unedlen Metallen und bildet deshalb eine Oxidschicht („Patina”), wodurch es sehr korrosionsbeständig wird. Zu den allgemeinen Eigenschaften des Titans zählen eine relativ geringe Dichte von 4,51 kg/dm³; es ist nicht magnetisch und besitzt eine hohe Langlebigkeit. Es ist dabei beständig gegenüber Salzwasser, einer Vielzahl von Säuren und Laugen, natürlichem Wasser und industriellen Chemikalien. Ein besonderer Vorteil von Titan ist, dass es hoch biokompatibel ist, worauf die hohe Nachfrage aus dem Bereich der Medizin-Technik basiert. Zu den mechanischen Eigenschaften zählen seine hohe Festigkeit (Dauerfestigkeit dynamisch und statisch) im Verhältnis zum Gewicht und seine Härte 5.
Herstellung
Als Rohstoffe für die Titanherstellung dienen in erster Regel Titanminerale wie Rutil (TiO2) und Ilmenit (FeTiO3), wobei Rutil das wertvollste Titanmineral ist, da es bis zu 95 % Titanoxid enthält, Ilmenit maximal 60 %. Abgebaut werden die Titanmineralien vorrangig in Australien, Indien, Brasilien und Norwegen. Aus den Erzen wird das Titanoxid (TiO2) als Ausgangsstoff gewonnen, indem die Erze zerkleinert und gereinigt werden. Hierbei werden für den späteren Prozess magnetische von nichtmagnetischen Stoffen getrennt. Anschließend wird eine Chlorierung vollzogen, um letzte Verunreinigungen durch Destillation zu entfernen. Im sogenannten Kroll-Verfahren wird sodann das Chlor vom Titantetrachlorid getrennt. Der so entstandene Titanschwamm wird zerkleinert und anschließend umgeschmolzen; hierbei werden auch die Legierungsbestandteile zugegeben 1.
Verwendung in der Orthopädie-Technik
Titan wird in allen Bereichen der Orthopädie- und Reha-Technik verwendet; häufig bestehen jedoch nur einzelne Bauteile und nicht komplette Komponenten aus Titan. In der Prothetik werden z. B. Prothesen-Kniegelenke, Modularpassteile, Rohradapter (Abb. 6), Kleinbauteile wie Liner-Pins und vieles mehr aus Titan hergestellt. Das Gleiche gilt für die Orthetik, wo man z. B. Orthesengelenke und Systemschienen sowie Verbindungsteile aus Titan fertigt. Auch bei Rahmenkonstruktionen für Aktivrollstühle (Abb. 7) sowie bei hoch belasteten Bauteilen wie Kreuzverbindungen oder Fußbrettern wird in der Reha-Technik oft auf Titan zurückgegriffen (Tab. 1) 2 3 4.
Titan-Aluminium-Legierungen
Aufbau und Eigenschaften
Der Aufbau von Titanlegierungen ähnelt dem von Titan als Reinmetall; Titan stellt den größten Masseanteil der Legierung. Die Mischkristalle entstehen durch Einlagerung und Substitution der Legierungsbestandteile. Die Legierungsbestandteile wirken sich auf die sogenannte α-Phase (hexagonale Struktur bis 882° C) und die sogenannte ß‑Phase (kubisch raumzentrierte Struktur ab 882 °C) aus. So werden zum Beispiel Eigenschaften wie Festigkeit, Schmelzpunkt, Korrosionsbeständigkeit und Gitterstruktur verändert.
Die Legierungen können je nach ihrem Gefüge unterschieden werden. Dabei zeichnen sich zum Beispiel die α-Legierungen durch eine hohe Zug- und Formänderungsbeständigkeit bis +500 °C aus. Die Bruchfestigkeit zwischen ‑200 und +500 °C ist für viele Anwendungen ausreichend. Diese Legierungstypen sind nicht wärmebehandelbar, jedoch bieten sie eine gute Oxidationsbeständigkeit und sind gut schweißbar. Durch die Beigabe von Aluminium kann die Festigkeit noch erhöht werden. Die ß‑Legierungen besitzen dagegen höhere Festigkeitswerte als die α-Legierungen. Sie sind wärmebeständig bis zu +500 °C und bieten nach einer Wärmebehandlung hohe Festigkeitswerte. Des Weiteren sind sie gut umform- und schweißbar und besitzen eine hohe Dehnfähigkeit.
Der am häufigsten verwendete Legierungstyp ist die sogenannte α+ß‑Legierung. Hierzu gehört die Legierung „TiAl6V4″ als meistverwendete Titan-Legierung, da sie Eigenschaften der α+ß‑Phasen-Legierung besitzt. Besonders hervorheben ist hierbei die hohe Festigkeit. Diese Legierungen sind wärmebeständig bis +450 °C und wärmebehandelbar. Vorteilhaft ist die gute spanlose Verformbarkeit, jedoch ist die Schweißbarkeit herabgesetzt 1 6.
Herstellung
Titanlegierungen werden in ähnlichen Prozessen wie das Rein-Titan hergestellt, wobei die Legierungsbestandteile in verschiedenen Stadien der Herstellung zum Hauptbestandteil Titan zugegeben werden. Zudem gibt es spezielle Nachbehandlungsverfahren, um gezielt bestimmte Eigenschaften des Materials hervorzuheben 1.
Verwendung in der Orthopädie-Technik
In der Orthopädie-Technik wird Titan häufig in Form von Titanlegierungen eingesetzt, da deren Eigenschaften denen des Rein-Titans überlegen sind. Dies gilt insbesondere für mechanisch belastete Bauteile (Abb. 8). Zum Beispiel kann die Achse eines Kniegelenks durch eine Titanlegierung weitaus verschleißfester und wärmestabiler gestaltet werden. Besonders der Gewichtsaspekt gegenüber der Festigkeit spielt hier eine Rolle. Hierbei hat wie erwähnt der Legierungstyp „TiAl6V4″ die größte Bedeutung 2 3 4.
Fazit
Bei der Betrachtung von Aluminium und Titan ist festzustellen, dass sich die beiden Metalle nicht ganz einfach miteinander vergleichen lassen. Zwar ist ein Vergleich der Reinformen in Bezug auf technische Kenndaten und Eigenschaften möglich; dieser ist jedoch in der Regel nicht aussagekräftig bezogen auf den Anwendungsbereich der Orthopädie-Technik, da hier meist Legierungen angewendet werden. Angesichts der verschiedenen Legierungen und deren speziellen Eigenschaften gibt es eine Vielzahl von Verwendungsgebieten, auf denen sich das eine oder das andere Metall durchgesetzt hat. Man kann jedoch feststellen, dass in Orthopädie- und Reha-Technik Aluminium und Al-Legierungen häufiger anzutreffen sind als Titan. Titan und Ti-Legierungen sind vor allem in Bereichen etabliert, wo Höchstleistungen gefordert werden.
Die Autoren:
Dipl.-Ing. (FH) OTM Julia Welz
Berufsförderungswerk Hamm GmbH
Caldenhofer Weg 225
59063 Hamm
Julia.Welz@bfw-hamm.de
OTM Jan Becker
Bundesfachschule für Orthopädie-Technik
Schliepstraße 6–8
44135 Dortmund
Begutachteter Artikel/reviewed paper
Welz J, Becker J. Aluminium und Titan in der Orthopädie-Technik – Werkstoffeigenschaften und Verwendung. Orthopädie Technik, 2014; 65 (1): 26–29
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