Mehr als die Hälfte der Handwerksbetriebe (54 Prozent) profitiert bereits von den Digitalkompetenzen ihrer Auszubildenden – sei es bei der Bedienung neuer Software, beim Verfassen von Social-Media-Posts oder im Umgang mit Cloud-Technologien. Das zeigt eine repräsentative Studie des Digitalverbands Bitkom, für die 504 Handwerksunternehmen befragt wurden. Die Ergebnisse offenbaren eine Branche im Wandel, die einerseits die Chancen der Digitalisierung erkannt hat, andererseits aber noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen hat.
Digitale Verlockungen für den Nachwuchs
Die Betriebe haben längst verstanden, dass sie ohne digitale Präsenz im Kampf um junge Talente keine Chance haben. Acht von zehn Ausbildungsbetrieben nutzen bereits digitale Medien, um potenzielle Auszubildende anzusprechen – über soziale Netzwerke oder sogar Videospiele. „Zur Gewinnung junger Talente führt für Handwerksbetriebe kein Weg an digitalen Medien vorbei“, betont Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bitkom.
Diese Erkenntnis teilen 54 Prozent aller deutschen Handwerksunternehmen: Ohne digitale Technologien, so sind sie überzeugt, verlieren sie den Wettbewerb um Fachkräfte. Dennoch investieren bislang nur vier von zehn Unternehmen gezielt in die Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu Digitalthemen.
Existenzielle Herausforderungen
Das Handwerk hat gleich mehrere große Aufgaben zu bewältigen. Neben den dramatisch gestiegenen Energie- (81 Prozent) und Materialkosten (59 Prozent) plagen die Betriebe vor allem Personalprobleme: 83 Prozent beklagen einen Mangel an Auszubildenden, 75 Prozent fehlen Fachkräfte. Fast die Hälfte hat außerdem mit der Unternehmensnachfolge zu kämpfen. In diesem Spannungsfeld wird die Digitalisierung zur zusätzlichen Herausforderung. Sechs von zehn Betrieben sehen sie als Problem für das eigene Unternehmen, ebenso viele kämpfen mit IT-Sicherheitsfragen. Die größten Hemmnisse sehen fast alle Betriebe (96 Prozent) in Bedenken bezüglich IT- und Datensicherheit sowie Datenschutz. Sieben von zehn Unternehmen schrecken die hohen Investitionskosten ab.
Nur Durchschnittsnote für eigene Leistung
Trotz aller Bemühungen geben sich die Handwerksbetriebe für die Digitalisierung ihres eigenen Unternehmens nur die Durchschnittsnote 3. Jeder zehnte Betrieb bewertet sie sogar als mangelhaft oder ungenügend. Dennoch sehen neun von zehn Handwerksbetrieben die Digitalisierung als Chance für ihr Unternehmen.
Die Hoffnungen sind groß: Acht von zehn Betrieben versprechen sich eine flexiblere Arbeitsorganisation, drei Viertel erwarten Zeitersparnis und eine erhöhte Sichtbarkeit gegenüber der Kundschaft.
Immerhin 85 Prozent der Handwerksbetriebe bieten bereits mindestens einen digitalen Service an. Dazu gehören der digitale Angebots- (68 Prozent) und Rechnungsversand (62 Prozent), aber auch Online-Terminbuchung (48 Prozent) und Online-Beratung (35 Prozent). In der Kommunikation sind E‑Mails und Smartphones bereits Standard (jeweils 100 Prozent), auch Messenger-Dienste sind weit verbreitet (62 Prozent).
Dennoch halten viele Betriebe an traditionellen Kommunikationswegen fest: Jeder nutzt noch das Festnetztelefon, drei Viertel versenden Briefe, ein Viertel setzt sogar noch auf das Fax.
KI bleibt Zukunftsmusik
Während Cloud-Anwendungen bereits von mehr als der Hälfte der Betriebe (56 Prozent) genutzt werden, fristet die Künstliche Intelligenz noch ein Nischendasein: Nur vier Prozent der deutschen Handwerksbetriebe setzen KI derzeit ein, lediglich jeder zehnte plant den Einsatz.
„Der Fachkräftemangel ist das drängendste Problem im deutschen Handwerk. Künstliche Intelligenz kann helfen, die so entstehenden Engpässe abzufedern“, mahnt Rohleder. „Jeder Handwerksbetrieb sollte sich mit KI beschäftigen.“
Zeit als knappste Ressource
Ein wesentlicher Grund für die verhaltene Digitalisierung liegt in den fehlenden Kapazitäten: Knapp drei Viertel der Handwerksbetriebe haben nach eigenen Angaben schlichtweg zu viel zu tun, um sich mit der Digitalisierung zu beschäftigen. Hinzu kommen grundsätzliche Vorbehalte: Mehr als die Hälfte fürchtet ständige Überwachung oder vermutet, dass nichts mehr „unter der Hand“ läuft.
Sechs von zehn Betrieben halten digitale Anwendungen zudem nur für größere Unternehmen als lohnenswert. Ein Problem, das durch mangelnde Information verstärkt wird: 60 Prozent der Handwerksbetriebe wissen nach eigenen Angaben nicht, welche Technologien und Einsatzmöglichkeiten es überhaupt gibt.
Das Handwerk steht damit vor einem Paradox: Einerseits sind die Betriebe auf die Digitalkompetenzen ihrer Azubis angewiesen, andererseits fehlen ihnen Zeit und Ressourcen, um die Digitalisierung systematisch voranzutreiben. Die junge Generation wird so nicht nur zum Hoffnungsträger für die Zukunft der Branche, sondern auch zu ihrem wichtigsten „Digitalisierungshelfer“.
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