Handwerkerinnen und Handwerker müssen in ihren vielfältigen Berufen stets präzise arbeiten, denn am Ende kann ein Fehler die ganze Arbeit zunichtemachen. Abseits der Werkbank gelten aber schon mal andere Toleranzen: Wenn gleich zwei Jubiläen, nämlich der 75. Geburtstag des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) und der 125. Geburtstag vieler Handwerkskammern in Deutschland, binnen kurzer Zeit anstehen, dann kann man ein Auge zudrücken und beide Feste gemeinsam feiern. Und das ist auch so im Juni 2025 geschehen. Da feierte der ZDH, der am 30. November 1949 gegründet wurde, mit einem Festakt sein großes Jubiläum. Rund 400 Gäste aus Handwerksorganisationen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft waren der Einladung gefolgt, unter anderem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er ehrte das Handwerk mit einer Festrede, in der er die demokratiestärkende Bedeutung der ehrenamtlichen Arbeit tausender Handwerkerinnen und Handwerker würdigte: „125 Jahre Handwerkskammern und 75 Jahre Zentralverband des Deutschen Handwerks: eine riesige Erfolgsgeschichte! […] Ohne die Kammern wären heute Ausbildung und Qualität des Handwerks nicht auf dem hohen Niveau, auf dem sie sind. Ohne den Zentralverband wäre die Stimme des Handwerks leiser, hätte weniger Gewicht.“
Handwerk prägt Deutschland
Der ehemalige Außenminister und Sohn eines Tischlers lobte auch das ehrenamtliche Engagement, das in den Kammern und Verbänden geleistet wird. „Das Handwerk steht in besonderer Weise für die vielen Stärken unseres Landes. Sie alle schrauben, hämmern, sägen, löten, planen und entwickeln den Weg zu einer lebenswerten Zukunft. Sie alle helfen mit, die großen Aufgaben unserer Zeit zu meistern, ob es um die Digitalisierung geht, um neue Technologien oder den Umbau hin zur Klimaneutralität. Sie alle sind miteinander ein wichtiger Grund dafür, dass wir in Deutschland selbstbewusst und zuversichtlich nach vorn schauen können.“
Zukunftsmodell statt Nostalgie
Auch ZDH-Präsident Jörg Dittrich richtete in seiner Ansprache den Blick auf Geschichte und Zukunft des Handwerks und sprach eindringlich über Verantwortung, Gemeinschaft und demokratische Teilhabe als Kern des Handwerks. „Unsere Strukturen sind durchlässig, plural, pragmatisch. Wir leben die Demokratie in unseren Gremien, in der dualen Ausbildung, im Miteinander von Haupt- und Ehrenamt. Diese Form der Mitgestaltung ist keine nostalgische Idee, sie ist ein Zukunftsmodell“, betonte Dittrich.
Die Handwerkskammern seien nie bloße Verwaltungseinheiten gewesen, sondern von Anfang an Orte gelebter Verantwortung. „Wenn wir auf 125 Jahre Handwerkskammern zurückblicken, dann schauen wir zurück auf eine Zeit, in der Mitbestimmung keine Selbstverständlichkeit war. Und doch war es genau diese Sehnsucht nach Teilhabe, nach Gestaltung, die unser Handwerk bis heute prägt“, hob der ZDH-Präsident hervor und erinnerte daran, dass sich das Handwerk unmittelbar nach dem Krieg, „noch bevor ein Grundgesetz verabschiedet wurde, noch bevor es eine Bundesregierung gab“, wieder organisierte und Verantwortung übernahm.
Heute sei es die Selbstverwaltung, die das Handwerk stark mache. „Die Selbstverwaltung ist nichts ohne die Menschen, die sie mit Leben füllen. Es sind tausende Frauen und Männer in Innungen, Kammern, Verbänden, die mit ihrer Zeit, ihrem Wissen und ihrem Herzen für das Handwerk einstehen. Selbstständige und Arbeitnehmer bilden in diesem ehrenamtlichen Engagement gleichermaßen das Rückgrat unserer Demokratie“, sagte Dittrich unter großem Applaus.
Mit Blick auf Europa richtete der ZDH-Präsident einen Appell an Politik und Gesellschaft: „Was bei uns seit Jahrzehnten funktioniert, hat das Potenzial, auch Europa zu stärken. Die Selbstverwaltung ist kein deutsches Sondermodell, sie ist ein europäischer Möglichkeitsraum. Wir fordern ein Europa, das nicht nur reguliert, sondern beteiligt.“
Starkes Wertefundament
Der Abend im Tipi nahe dem Bundeskanzleramt stand unter dem Motto „Verantwortung, Werte, Zukunft“ und verband einen geschichtlichen Rückblick mit zuversichtlicher Zukunftsvision. In thematischen Gesprächsrunden, Talk-Formaten und künstlerischen Beiträgen wurde sichtbar, was das Handwerk ausmacht: sein Wertefundament, seine demokratische Verfasstheit und sein unermüdliches Engagement für die nachfolgenden Generationen. Die Festveranstaltung zeigte auf, dass die Vertreter des deutschen Handwerks stolz auf ihre Geschichte und entschlossen sind, dessen Zukunft zu gestalten. Die Prinzipien, auf denen es aufgebaut ist – Subsidiarität, Verantwortung, Mitgestaltung – sind aktueller denn je. Oder, wie es Handwerkspräsident Dittrich formulierte: „Was hier bei uns seit Jahrzehnten funktioniert, könnte auch an anderer Stelle wirksam werden.“
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