Die Zeiten, in denen eine Koalition aus CDU/CSU und SPD als „Große Koalition“ galt, sind vorbei, dennoch vereint das Dreierbündnis aus den beiden Unionsparteien und den Sozialdemokraten genug Stimmen auf sich, um die künftige Regierung zu bilden. Das war bereits kurz nach den Wahlen im Februar klar. Damals kündigte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz an, bis Ostern eine Regierung aufgestellt zu haben. Aller Voraussicht nach wird sich der Sauerländer am 6. Mai zum Bundeskanzler wählen lassen und sein Kabinett präsentieren. Expertengruppen hatten sich im Hintergrund beraten und den Koalitionsvertrag verhandelt. Am 9. April verkündeten die drei Parteien, dass sie sich auf eine Koalition einigen konnten.
„Wir wollen und werden den Wandel in der Welt für Deutschland mitgestalten. Der Koalitionsvertrag ist ein Aufbruchsignal und ein kraftvolles Zeichen für unser Land: Die politische Mitte unseres Landes ist in der Lage, die politischen Probleme zu lösen, vor denen wir stehen“, erklärte Friedrich Merz und betonte weiter: „Die künftige Koalition wird reformieren und investieren, um Deutschland stabil zu halten, sicherer zu machen und stärker zu machen. Und auch Europa kann sich auf Deutschland verlassen.“
Gesundheitsbranche reagiert
Im Koalitionsvertrag heißt es unter anderem in Bezug auf das Themenfeld Gesundheit: „Unser Gesundheitssystem lebt von hochqualifizierten Fachkräften, die täglich Verantwortung für Menschen tragen. Wir verringern Dokumentationspflichten und Kontrolldichten durch ein Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen massiv, etablieren eine Vertrauenskultur und stärken die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Professionen, statt sie mit Bürokratie aus Gesetzgebung und Selbstverwaltung zu lähmen. Alle Gesetze in diesem Bereich werden wir einem Praxis-Check unterziehen.“
Ob diesen Worten Taten folgen, bleibt abzuwarten. Das Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ (WvD) meldet sich in Persona ihrer Generalsekretäre Kirsten Abel und Patrick Grunau zu Wort: „Die Koalition hat wichtige Weichen gestellt und erkennt an, dass Leistungserbringer in der Hilfsmittelversorgung mehr Verantwortung und Gestaltungsspielraum verdienen – das ist ein überfälliges Signal. Doch diese Wertschätzung muss sich auch in konkreten Maßnahmen für die Hilfsmittelversorgung niederschlagen – sonst bleibt das Versprechen eines zukunftsfähigen Gesundheitssystems ein Papiertiger.“
Die Hilfsmittelversorgung wird – im Gegensatz zu anderen Koalitionsverträgen – im Vertragswerk von Union und SPD namentlich erwähnt: „Die Verschreibung und Abrechnung von Heil- und Hilfsmitteln gegenüber den Krankenkassen vereinfachen wir wesentlich.“ Im Vergleich zu anderen Themen bleibt das Thema Gesundheit aber weiter nur eine Randnotiz.

Auch Oda Hagemeier, Geschäftsführerin der Herstellervereinigung Eurocom, äußerte sich zum Koalitionsvertrag: „Es ist begrüßenswert, dass die Koalitionäre die Bedeutung der Medizintechnik erkannt haben und sie als Leitwirtschaft stärken wollen. Das wird der Relevanz der Hilfsmittelherstellung als wichtiger Teil der Medizintechnik gerecht – und muss nun schnell mit Leben gefüllt werden. Ein ‚Runder Tisch Hilfsmittelversorgung‘ wäre ein erster Schritt.“ Hagemeier betont außerdem die Bedeutung von Innovationen für die Gesundheitsversorgung. Die Entwicklung neuartiger Produkte sei für den medizintechnischen Fortschritt und eine effektive Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland wichtig. Dafür brauche es aber die richtigen Rahmenbedingungen. „Wer Innovationspolitik machen will, muss die Gesundheits‑, Wirtschafts- und Forschungspolitik eng vernetzen. Vertreter aus allen drei Bereichen müssen an einem Tisch sitzen, um einen Beitrag zu einer innovationsfreudigen Leitwirtschaft zu leisten“, sagt Hagemeier weiter. Frank Weniger, Leiter Politik der Eurocom ergänzt: „Die Hilfsmittelversorgung wird im Gesundheitswesen oft unterschätzt. Das muss sich ändern und das Potenzial dieses Versorgungsbereiches gehoben werden. Gleichzeitig muss dieser Bereich fit für die Zukunft gemacht werden. Dazu hat die Eurocom in ihrem Forderungspapier zur Bundestagswahl Lösungen identifiziert. Sie müssen nun von Bundesregierung und Bundestag aufgegriffen werden.“
Politik unterstützen
Die Anzeichen verdichten sich, dass das Gesundheitsministerium in die Hand der Kanzlerpartei CDU wechseln wird. Als aussichtsreiche Kandidaten für die Nachfolge von Prof. Karl Lauterbach gelten der Virologe Hendrik Streeck und der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge. Letztgenannter hat in der Vergangenheit immer wieder Berührungspunkte mit den politischen Vertretern der Hilfsmittelbranche gehabt, beispielsweise war er es, der als Gastgeber des parlamentarischen Abends in der französischen Botschaft vor gut einem Jahr zu den Anwesenden sprach. Eine Unterstützung der Politikerinnen und Politiker – vor allem bei der großen Umwälzung des Personals im Gesundheitsausschuss – durch die Branche ist aber weiterhin nötig. Mit WvD steht bereits ein möglicher Ansprechpartner in relevanten Fragen für die Politik in den Startlöchern, wie Abel und Grunau bestätigen: „Die Koalition hat wichtige Weichen gestellt. Jetzt gilt es, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, Bürokratie abzubauen und die Hilfsmittelversorgung als das zu begreifen, was sie ist: ein zentrales Element moderner Gesundheitsversorgung, das Lebensqualität sichert, vermeidbare Operationen verhindert, Pflegebedürftigkeit hinauszögert und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Wir stehen bereit, diesen Weg gemeinsam mit der Politik, den Krankenkassen und allen anderen Beteiligten zu gestalten.“
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