„Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Digitalisierung des Gesundheitssystems drastisch beschleunigt und das Ressort auf Digitalkurs gebracht“, sagt Bitkom-Vizepräsidentin Christina Raab. „Die Menschen in Deutschland finden diese Entwicklung richtig, stoßen im alltäglichen Umgang mit digitalen Technologien und Anwendungen im Gesundheitsbereich aber noch auf Hürden. Ob elektronische Patientenakte, E‑Rezept oder KI in der Medizin: Wir müssen die Kompetenzen zum Umgang mit digitalen Gesundheitstechnologien und ‑anwendungen stärken.“
In der Umfrage gaben 71 Prozent der Befragten an, sich mehr Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens zu wünschen. Allerdings war im Durchschnitt auch fast jeder Zweite von der Digitalisierung im Alltag überfordert. Vor allem in der Personengruppe oberhalb von 50 Jahren stieg die Überforderung auf 53 Prozent an. Ein Widerspruch? Wohl eher nicht, wenn man betrachtet, wie schnell Begriffe wie ePA, eAU oder auch E‑Rezept den Weg in den Alltag gefunden haben. 98 Prozent der Befragten haben schon vom E‑Rezept gehört, 95 Prozent können mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung etwas anfangen und 93 Prozent haben bereits von der elektronischen Patientenakte gehört.
Patientenakte ist Basis
Die Patientenakte ist dabei der zentrale Baustein, um den sich das digitale Gesundheitswesen aufbaut. Deshalb hat die aktuelle Bundesregierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass von dem aktuell noch gültigen Opt-in-Verfahren, also der aktiven Beantragung des Zugangs zur ePA, zum Opt-out-Verfahren, automatische Freischaltung der ePA, die durch aktiven Widerspruch zurückgenommen wird, gewechselt wird. Aktuell, so geht es aus den Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervor, nutzt nur 1 Prozent aller gesetzlich Versicherten die ePA. Dabei gibt es viele Vorteile für die Nutzer:innen, denn in der ePA werden unter anderem medizinische Daten, Befunde und Untersuchungsergebnisse gespeichert, sodass diese für die Patient:innen jederzeit einsehbar sind und auf Wunsch auch mit den behandelnden Ärzt:innen geteilt werden können. Deshalb wird dies auch von neun der zehn Personen, die bereits die ePA nutzen oder noch nutzen wollen, als Hauptgrund für die Nutzung genannt. Ab dem 15. Januar 2025 wird die ePA für alle freigeschaltet. Laut Bitkom-Umfrage wollen 71 Prozent der Befragten dann die elektronische Patientenakte aktiv nutzen.
Mehr Selbstständigkeit von Patient:innen
Dass Patient:innen ihre Gesundheit immer mehr eigenverantwortlich fördern und kontrollieren wollen, ist ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren deutlich verstärkt hat. Das lässt sich zum Beispiel an der Anzahl der Nutzer:innen von Fitness-Apps belegen. Laut Statista hat sich die Zahl der Nutzer:innen in den vergangenen vier Jahren verdoppelt. Mehr als 18 Millionen Apps sind auf deutschen Smartphones installiert. Laut Bitkom-Befragung nutzen aktuell 69 Prozent mindestens eine Gesundheits-App. 45 Prozent tracken ihre Schritte mit einer Schrittzähler-App, 39 Prozent nutzen Sport-Apps, die etwa Laufen, Radfahren oder Schwimmen aufzeichnen. 37 Prozent nutzen Sport-Apps mit Fitnessübungen und 17 Prozent Apps mit speziellen, beispielsweise physiotherapeutischen Übungen. Auch die allgemeine Gesundheit und das seelische Wohlbefinden wollen viele Menschen mithilfe ihres Smartphones stärken: Ein Viertel der Smartphone-Nutzerinnen und ‑Nutzer (24 Prozent) verwendet Apps zum Thema psychische Gesundheit, etwa Achtsamkeits- oder Anti-Stress-Apps. 23 Prozent tracken Gewicht und Ernährung per App und 17 Prozent messen Körper- und Vitaldaten, beispielsweise die Herzfrequenz oder das Schlafverhalten. Die Bereitschaft, diese Daten zu erfassen und gegebenfalls mit medizinischem Personal zu teilen, ist groß. Fast jeder Zweite der Befragten, die bereit sind, die ePA zu nutzen, will eigene Daten beispielsweise aus einer Sportuhr oder Smartwatch in die ePA hochladen.
„Viele Menschen ziehen einen großen Nutzen aus Apps, mit denen sie ihr Bewegungspensum oder ihre Ernährungsgewohnheiten verfolgen und steuern können“, so Bitkom-Vizepräsidentin Raab. „In Verbindung mit Sportuhren, Smartwatches oder Fitnessarmbändern können oft viele weitere wertvolle Daten gewonnen werden, um die eigene Gesundheit zu verbessern.“
Trotz aller Zustimmung heißt es auch, dass jeder vierte Befragte die Nutzung der ePA eher ablehnt, beziehungsweise ausschließt. Die Gründe dafür sind vor allem Bedenken um die eigenen Gesundheitsdaten. Außerdem gibt es aus Sicht der Ablehnenden ein Informationsdefizit, bzw. erscheint die Nutzung der ePA als zu aufwendig. Der Trend der Ablehnung ist allerdings rückläufig: Im Vergleich zum Vorjahr wollen nun rund 11 Prozent mehr die ePA nutzen als noch bei der letzten Befragung, bei der mehr als jeder Dritte die ePA-Nutzung ablehnte. Raab: „Mit der elektronischen Patientenakte erhalten die Versicherten einen schnellen Zugriff auf ihre medizinischen Daten, ihre Diagnosen und auch Dokumente wie Impf- oder Mutterpass. Sie werden dadurch als Patientinnen und Patienten souveräner und mündiger.“
Informationsdefizit bei ePA
Ob man die elektronische Patientenakte selbst nutzen will oder ablehnt: 59 Prozent aller Befragten begrüßen die Widerspruchslösung und sind froh, dass die ePA nun automatisch eingerichtet wird. 61 Prozent aller Befragten möchten aber besser über die ePA informiert werden und 58 Prozent sorgen sich um die Datensicherheit. „Jetzt kommt es darauf an, den Patienten und Patientinnen die Vorteile der ePA verständlich zu erklären, um Vorbehalte und Sorgen abzubauen. Hier müssen alle Beteiligten mitwirken und für Informiertheit und Transparenz sorgen“, betont Raab.
Vorreiter E‑Rezept
Das E‑Rezept für Arzneimittel ist bereits von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn auf den Weg gebracht worden, doch erst seit Anfang 2024 ist es in der Versorgungsrealität angekommen. Dabei wird dem E‑Rezept eine ganz besondere Bedeutung in der Digitalisierungsstrategie des deutschen Gesundheitswesens beigemessen. Es ist das Vorreiterprojekt für eine flächendeckende digitale Anwendung, die in der Versorgung von vielen Menschen im Alltag genutzt wird. Denn: Wer von einem Arzt oder einer Ärztin ein Medikament verschrieben bekommt, der kann es derzeit auf drei verschiedenen Wegen „digital“ einlösen – per elektronischer Gesundheitskarte, per App oder mittels eines ausgedruckten QR-Codes. Die digitalen Verfahren werden dabei klar bevorzugt: 54 Prozent stecken am liebsten ihre Gesundheitskarte in der Apotheke ein, 20 Prozent bevorzugen die E‑Rezept-App der Gematik auf ihrem Smartphone oder Tablet und 8 Prozent wollen das E‑Rezept am liebsten gleich in einer Online-Apotheke einlösen. Nur noch 14 Prozent bevorzugen den Ausdruck auf Papier, vor einem Jahr waren es noch 24 Prozent.
Acht von zehn Befragten gaben an, dass sie bereits ein oder mehrere E‑Rezepte eingelöst haben. Bei 83 Prozent verlief alles reibungslos, 23 Prozent berichten von Problemen, einige haben also beim Einlösen von E‑Rezepten mal gute, mal schlechte Erfahrungen gemacht. „Die Umstellung auf das E‑Rezept betrifft nicht nur Patientinnen und Patienten sowie die Apotheken, sondern auch die Ärztinnen und Ärzte. Die Einführung neuer Prozesse – dazu zählt auch die unmittelbare Signatur und Freigabe der digitalen Rezepte in den Praxen – ist mittlerweile aber auf einem sehr guten Weg“, erklärt Bitkom-Vizepräsidentin Raab.
Positive Wahrnehmung steigt
Die Bitkom-Umfrage zeigt, dass die Digitalisierung von der überwiegenden Mehrheit der Menschen in Deutschland als Chance begriffen wird. 84 Prozent stehen der Digitalisierung positiv gegenüber. Ein Wert, der sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert hat. Im Vorjahr lag er noch bei 74 Prozent, vor zwei Jahren sogar nur bei 60 Prozent. Die Anzahl an Menschen, die ein Risiko in dieser Entwicklung sehen, schrumpft dagegen und liegt aktuell bei 14 Prozent. „Die Digitalisierung des Gesundheitssystems hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, und dies wird von den Menschen erkannt und geschätzt“, so Raab. Wichtig sei daher auch die gezielte Förderung der digitalen Kompetenzen der Patientinnen und Patienten. Mit Blick auf weitere wichtige Digitalgesetze im Gesundheitsbereich appelliert der Bitkom an die Politik, den nun eingeschlagenen Weg konsequent fortzuführen. „Das deutsche Gesundheitswesen ist sehr komplex. Es ist daher wichtig, dass die Koordinierung der einzelnen digitalen Maßnahmen und die Stärkung der Interoperabilität zentral durch die geplante Digitalagentur für Gesundheit gesteuert werden“, betont Raab. „Die Weiterentwicklung der Gematik ist im Kern richtig. Kritisch bewertet Bitkom allerdings die im aktuellen Gesetzentwurf festgehaltene Absicht, dass die Gematik selbst bestimmte Anwendungen entwickelt oder ausschreiben soll. Digitale Lösungen müssen im Wettbewerb entstehen und entwickelt werden, der Wettbewerb ist der beste Treiber von Innovationen zum Wohle der Patientinnen und Patienten.“
Am 15. Januar 2025 wird die elektronische Patientenakte „für alle“ kommen. Um dem Informationsdefizit in der Bevölkerung zu begegnen, wird es ab Oktober 2024 eine Kampagne zum Roll-out der ePA geben. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beauftragte die Agenturgruppe Fischer-Appelt mit der Planung und Umsetzung der Kampagne. „Um die Awareness für die Einführung der ePA zu steigern und die damit einhergehenden Benefits für den Patienten aufmerksamkeitsstark zu kommunizieren, haben wir eine bundesweite Kommunikationskampagne konzipiert. Das Bundesministerium für Gesundheit will mit der Kampagne über die ePA informieren und aufklären, um so Wissenslücken zu schließen und mit Vorurteilen aufzuräumen“, heißt es in der Pressemeldung der Agentur. Die Beauftragung für die Kampagne erfolgte im Rahmen des Etats „Kaufhaus des Bundes” des Bundesinnenministeriums, den Fischer-Appelt seit Mai 2022 verantworten und unter Führung der Direktoren Florian Reher und Jonas Gulde vom Berliner Standort aus steuern.
„Wir freuen uns sehr über die Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums, diese bedeutsame Kampagne mit Fischer-Appelt als Lead-Agentur umzusetzen. Ein Vertrauen, dem wir gerne mit einem hochmotivierten und erfahrenen Team sowie unserer Expertise als Marktführer im Gesundheitswesen begegnen,“ erklärte Eva Weghmann, Geschäftsführerin Fischer-Appelt, anlässlich der Verkündung der Zusammenarbeit.
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