Zuvor setzte sich Mißfeldt im Bundesfinale gegen neun weitere Landessieger durch. In der Bundesfachschule für Orthopädie-Technik (Bufa) in Dortmund galt es für die Hamburgerin eine Unterschenkelorthese mit flexiblen Laschen und tiefgezogenem Polster zu fertigen. Dafür blieben ihr fünf Stunden Zeit. Das machte ihr anfangs wenig Sorgen, aber gegen Ende waren alle Teilnehmer:innen gestresst, berichtet Mißfeldt. „Wir haben bis zur letzten Sekunde geschliffen und gehofft, dass wir keine Kante vergessen haben.“ Mit dem Ergebnis ist sie zufrieden, wenn auch nicht zu hundert Prozent. Neben dem Zeitdruck war die ungewohnte Arbeitsumgebung die größte Herausforderung: Das Harz war von einer Marke, die sie vorher noch nicht im Betrieb verwendet hatte und verhielt sich dementsprechend anders. Zudem musste sie mit anderem Werkzeug hantieren. „Dadurch war ich nicht so im Fluss wie sonst.“ Im Nachhinein beschreibt sie genau das als wertvolle Erfahrung. „Jede Werkstatt ist anders. Jeder Mensch ist anders. Und dass ich es trotz dessen gemeistert habe, hat mir gezeigt: Ich kann mit meinem Wissen und meiner Anpassungsfähigkeit gute Arbeit leisten.“
Den Austausch mit den anderen Landessieger:innen während des Wochenendes in Dortmund hat die 25-Jährige genossen. Während der Fertigung der Arbeitsproben unterstützten sie sich gegenseitig. „Man kann viel voneinander lernen, wenn man fragt und zuhört. Und dann wird man auch besser“, sagt Mißfeldt. Groß vorbereiten konnte sie sich auf den Wettbewerb nicht, hat dafür aber einen anderen Tipp für künftige Teilnehmer:innen: „Es ist nicht vorbei, ehe es vorbei ist. Macht euch nicht verrückt, sondern zieht durch.“
Den Weg ins Handwerk einzuschlagen, lag für die 25-Jährige nahe, der Weg in die Orthopädie-Technik war dagegen eher ein glücklicher Zufall. Vor ihrer Ausbildung zur Orthopädietechnikerin, die sie im Juni 2023 beim Sanitätshaus Stolle abschloss, absolvierte sie eine Ausbildung im Bereich Kommunikationsdesign. Die Corona-Pandemie erschwerte es allerdings, ihre Kunst auf Messen und Co. auszustellen sowie Kontakte zu knüpfen. Für Mißfeldt kein Zustand auf Dauer. Mit ihren Händen und kreativ zu arbeiten, gefiel ihr schon immer. Auf ein Gewerk wollte sie sich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht festlegen. Dafür sprachen sie zu viele an. Mißfeldt bewarb sich auf Stellen in ganz unterschiedlichen Bereichen – beispielsweise Goldschmiedehandwerk, Geigenbau und eben Orthopädie-Technik. Bei Stolle konnte sie für ein paar Tage in den Beruf hineinschnuppern und startete kurz darauf schon mit der Ausbildung. „Mich hat von Anfang an fasziniert, wenn Menschen im Rollstuhl in den Laden hereinkommen und später laufend wieder herausgehen. Das ist sehr berührend“, erzählt sie. An die körperlich anstrengenden Tage musste sie sich aber erst einmal gewöhnen.
Schränken, sintern, feilen – schnell stellte die 25-Jährige bei solchen Arbeiten fest, was alles möglich ist und welche individuellen Lösungen sie für Kund:innen wird entwickeln können. Viel Raum für Gestaltung hat Mißfeldt ebenfalls in der Silikonabteilung, in der sie aktuell tätig ist. Dazu gehört es z. B., kosmetische Handprothesen zu fertigen sowie Hauttöne zu mischen – alles nur auf Vorlage der noch vorhandenen Hand. Mal fest, mal zäh wie Kaufgummi: Auch die Arbeit mit den verschiedenen Härtegraden findet sie spannend. Künftig möchte sie sich auf den Bereich Silikontechnik spezialisieren.
Dazwischen bleiben ausprobieren und weiter lernen die Devise, auch wenn die Orthopädietechnikerin seit Sommer 2023 „ausgelernt“ ist. „Ich fange selbst jetzt immer wieder Sachen an, die ich bislang nicht gemacht habe. Meine Ausbildung habe ich in der Orthetik gemacht und währenddessen nie mit Silikon gearbeitet. Jetzt lerne ich, wie es verarbeitet und eingefärbt und wofür es alles verwendet werden kann. Das lerne ich von meinen Kollegen.“
Durch ihre Ausbildung fühlt sich die Hamburgerin gut auf das Berufsleben vorbereitet, sowohl durch den Betrieb als auch durch die Berufsschule. Aus dem Austausch mit ihren Mitschüler:innen konnte sie stets viel mitnehmen, auch weil jeder durch die Spezialisierung seines Ausbildungsbetriebs andere Kenntnisse in anderen Versorgungsbereichen mitbrachte. „Jeder macht in der Ausbildung andere Erfahrungen, hat andere Kunden und macht andere Fehler“, sagt sie. Und in der Berufsschule bedeutete das oft: Was der eine noch nicht kann, kann der andere und macht kurzerhand vor, wie es geht.
„Ich finde es wichtig, einen Beruf auszuüben, der einem wirklich gefällt“, betont Mißfeldt. „Ich freue mich jeden Tag auf die Arbeit und auf meine Kollegen. Und ich freue mich, am Ende des Tages zu sehen und in den Händen zu halten, was ich gemacht habe. Das ist sehr erfüllend und motiviert.“
Pia Engelbrecht
Bei der „Deutschen Meisterschaft im Handwerk – German Craft Skills“ messen sich in mehr als 130 Gewerken in bis zu vier aufeinander aufbauenden Ebenen die besten Absolvent:innen einer beruflichen Ausbildung. In diesem Jahr haben 113 den Bundessieg errungen und sich damit gegen mehr als 3.000 Teilnehmer:innen durchgesetzt. Die DMH steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Ausrichter sind der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und die Stiftung für Begabtenförderung im Handwerk. Dabei werden sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützt.
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