OT: Wie sind Sie zur Orthopädie-Technik gekommen?
Tronje Koppelmann: Ich hatte das Glück, die Orthopädie-Technik über einen sehr lieben und geschätzten Menschen, Holger Kellinghusen, kennenzulernen. Sein Pathos für die Orthopädie-Technik hat mich angesteckt. Ich bin dann den klassischen Weg über Praktika gegangen und habe schlussendlich einen Ausbildungsplatz bei Thies bekommen.
OT: Welchen Stellenwert hat das Handwerk allgemein bei jungen Menschen?
Koppelmann: Das kann ich natürlich nicht allgemeingültig beantworten. Ich meine jedoch, das Handwerk spielt eine immer kleinere Rolle in der Lebensrealität von jungen Menschen und ist somit zu etwas Abstraktem geworden. Die zunehmende Akademisierung und die fehlende Wahrnehmung des Handwerks im Alltag minimieren die Auseinandersetzung – und damit den Stellenwert des Handwerks bei vielen jungen Menschen.
OT: Wie sind Sie auf den Leistungswettbewerb aufmerksam geworden?
Koppelmann: Vor Antritt der Ausbildung hat mich die Möglichkeit angetrieben, über gute Leistungen Begabtenförderung zu bekommen und mir so anschließend die Finanzierung des Meisters ein wenig zu erleichtern. Dementsprechend hatte ich den Leistungswettbewerb immer im Hinterkopf. Herr Kellinghusen hatte mir damals als Erster von dem Leistungswettbewerb berichtet.
OT: Welche Prüfungsarbeit haben Sie gezeigt?
Koppelmann: Als Gesellenstück habe ich eine dynamische Unterschenkelorthese mit unilateraler Gelenkführung, ventraler Anlage, kondylärer Anstützung und herausnehmbarem Innenschuh mit einem „Neuro Swing“-Systemknöchelgelenk gebaut.
Im Rahmen des Bundesleistungswettbewerbes habe ich eine dorsal verlaufende Unterschenkelorthese mit proximaler Lasche sowie einer sprunggelenksumgreifenden Lasche, teilflexiblem Vorfuß und einem Innenpolster gebaut. Dabei habe ich mich natürlich an den eng gesteckten Vorgaben der Prüfung orientiert.
OT: Welche Erfahrungen haben Sie beim Bundesfinale in Dortmund gemacht?
Koppelmann: Rundum positive Erfahrungen. Allein die Bufa einmal vor Ort zu erleben, was zuvor coronabedingt nicht möglich war, ist schon interessant gewesen. Das Arbeiten in einer fremden Werkstatt und unter dem Druck des Bundesleistungswettbewerbes ist schon eine Erfahrung für sich. Der für mich jedoch schönste Aspekt waren die anderen Teilnehmer:innen. Der Austausch war sehr spannend und hat mich in der Berufswahl noch einmal bestätigt.
OT: Wie stellen Sie sich die Zukunft der Orthopädie-Technik vor?
Koppelmann: Mit modernen Fertigungsverfahren wie z. B. dem 3D-Druck wird schon heute Zeit eingespart. In Zukunft werden wir das Potenzial dieses sowie anderer Fertigungsverfahren mit Sicherheit noch weiter ausschöpfen können.
Die entscheidende Frage für mich ist, wie wir die über die optimierten Fertigungsschritte gewonnene Zeit nutzen. Meine Hoffnung dabei ist, dass diese zum einen in die ganzheitliche Betrachtung der Anwender:innen bzw. eine vermehrte interdisziplinäre Zusammenarbeit fließt und schlussendlich die Versorgungsqualität erhöht. Andererseits können reduzierte handwerkliche Fertigungsschritte natürlich auch ein Werkzeug gegen den Fachkräftemangel sein.
OT: Krisen bestimmen die aktuelle Zeit. Was sind für Sie die größten Herausforderungen für die Orthopädie-Technik?
Koppelmann: Natürlich neben allen globalen Krisen, die uns offensichtlich alle betreffen, und neben dem Fachkräftemangel glaube ich tatsächlich, dass unsere kleine Lobby und die geringe gesellschaftliche Wahrnehmung die großen Herausforderungen der Orthopädie-Technik sind. Gerade gegenüber den Kostenträgern gilt es dabei gemeinsam die absolute gesellschaftliche Notwendigkeit in den Vordergrund zu stellen und die Deckung der Versorgungskosten zu sichern.
Der Fachkräftemangel wird sich sicherlich noch verstärken, zum einen durch das relativ niedrige Lohnniveau bzw. mangelnde Anreize für Neu- und Quereinsteiger:innen sowie zum anderen aus demografischen Gründen. Wenn bald die sogenannte Boomer-Generation in Rente geht, werden die Auswirkung auf den Hilfsmittelmarkt mit Sicherheit spürbar sein.
OT: Wie sieht Ihre persönliche Zukunft in der Orthopädie-Technik aus?
Koppelmann: Zunächst möchte ich möglichst viele und intensive Berufserfahrungen sammeln und mich weiterbilden. Momentan ist das klare Ziel, beizeiten Orthopädietechnik-Meister zu werden, aber schauen wir einmal, wo mich mein Weg am Ende hinführen wird.
OT: Wie informieren Sie sich über die Neuigkeiten der Branche?
Koppelmann: Selbstverständlich immer mit der monatlichen Ausgabe des Fachmagazins ORTHOPÄDIE TECHNIK sowie dem Fachportal 360°. Der Austausch mit Kolleg:innen ist auch immer sehr informativ und gerade beim Bundesleistungswettbewerb konnte ich dadurch neue Perspektiven gewinnen. Dafür bin ich sehr dankbar.
OT: Alf Reuter, Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik, hat kürzlich mehr junge Leute im Ehrenamt gefordert. Sehen Sie dort ein Betätigungsfeld für sich, um die Zukunft des Fachs mitzugestalten?
Koppelmann: Ein Ehrenamt zu führen, kann mit Sicherheit sehr erfüllend sein und würde mich und garantiert viele andere junge Orthopädietechniker:innen reizen. Unser Fach dabei mitzugestalten, ist sicherlich ein ausschlaggebender Punkt dabei. Wenn der Raum neben Beruf und der Verantwortungen im Alltag da ist, engagiert sich bestimmt jeder/jede leidenschaftliche Handwerker:in.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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