Ange­spann­te Lage in der Hilfsmittelbranche

Dass die Herausforderungen für die Betriebe der Hilfsmittelbranche groß sind, das konnte man aufgrund der Ereignisse der großen Weltpolitik schon erahnen. Corona, Krieg, Krise – drei Schlagworte, die den privaten wie beruflichen Alltag 2022 prägten. Hinzu kommen Fachkräftemangel, Klimakrise und Bürokratie. Im Einzelgespräch kam man fast zwangsläufig in den vergangenen Monaten auf eines oder mehrere Themen zu sprechen. Damit aus den vielen Einzelaufnahmen ein Gesamtbild wird, rief das Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ (WvD) Ende 2022 zu einer Umfrage unter seinen Mitgliedsbetrieben auf.

Fast 400 Betrie­be mel­de­ten sich zurück und ihre Ant­wor­ten auf die 17 Fra­gen flos­sen in die Ergeb­nis­se ein und zeich­nen dabei ein deut­li­ches Bild zum Ist-Zustand der Branche.

Bestä­ti­gung

Bereits beim The­men­block Kos­ten wird durch die Ant­wor­ten bestä­tigt, was all­ge­mein ver­mu­tet wur­de: Die Bran­che ächzt unter den Fol­gen der aktu­el­len Kri­sen. Fast 80 Pro­zent der Befrag­ten gaben an, dass sie stark bis sehr stark von exter­nen Preis­stei­ge­run­gen betrof­fen sei­en. Vor allem die gestie­ge­nen Ener­gie­kos­ten schla­gen ins finan­zi­el­le Kon­tor. Sie­ben von zehn Unter­neh­men lei­den stark bis sehr stark unter erhöh­ten Ener­gie­kos­ten in den Berei­chen Gas, Strom etc. Bei den Kos­ten für die Mobi­li­tät – also Ben­zin, Die­sel, Strom – sind sogar acht von zehn Fir­men stark bzw. sehr stark von den Preis­stei­ge­run­gen betrof­fen. Auch in den Sek­to­ren Fracht- und Logis­tik­kos­ten, Brut­to-Lohn­kos­ten oder Her­stel­lungs- und Mate­ri­al­kos­ten erge­ben sich ähn­li­che Wer­te aus den Ant­wor­ten. Inter­es­sant: 40 Pro­zent aller befrag­ten Betrie­be gaben an, dass sie aktu­ell sehr stark unter stei­gen­den Büro­kra­tie­kos­ten zu lei­den haben. Das steht kon­trär zu der von der Bun­des­re­gie­rung in Aus­sicht gestell­ten Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung, die ja auch auf finan­zi­el­ler Sei­te zur Ent­las­tung füh­ren müss­te. Ein kla­rer Fin­ger­zeig also, wo poli­tisch nach­jus­tiert wer­den muss.

Aus­gleich fehlt

Die Belas­tung durch stei­gen­de Kos­ten wird für Betrie­be grö­ßer und auf der Ent­las­tungs­sei­te? Die Bun­des­an­stalt für Arbeits­schutz und Arbeits­me­di­zin (BAuA) emp­fiehlt für Tätig­kei­ten im Gesund­heits­we­sen grund­sätz­lich das Tra­gen einer Mas­ke. Ob medi­zi­ni­sche Mas­ke oder FFP2-Mas­ke – das kommt laut BAuA auf ver­schie­de­ne Fak­to­ren wie Belüf­tung, Dau­er der Behand­lung und Nähe zu den Patient:innen an. Auf den Kos­ten für pan­de­mie­be­ding­te Hygie­ne­maß­nah­men bleibt aber am Ende fast immer das Sani­täts­haus sit­zen. 66 Pro­zent sagen, sie erhal­ten kei­ne Kos­ten­er­stat­tung durch die Kran­ken­kas­sen, 33 Pro­zent bekom­men immer­hin einen Teil der Aus­ga­ben wie­der. Ein biss­chen bes­ser sieht es beim Auf­fan­gen der aktu­el­len Kri­sen­kos­ten aus. 48 Pro­zent der Unter­neh­men erhal­ten laut eige­nen Anga­ben eine teil­wei­se Kos­ten­er­stat­tung durch die Kos­ten­trä­ger. Den­noch: Jeder zwei­te Betrieb bleibt kom­plett auf den Kos­ten sit­zen und muss aus eige­nen Rück­la­gen oder auf ande­rem Weg die Defi­zi­te aus­glei­chen. Eine Mög­lich­keit wäre es, durch die Ent­las­tungs­pa­ke­te der Bun­des­re­gie­rung zumin­dest einen Teil der nicht selbst ver­schul­de­ten finan­zi­el­len Schief­la­ge auf­zu­fan­gen. Doch Sani­täts­häu­ser und OT-Werk­stät­ten gehö­ren nicht zu den Pro­fi­teu­ren der Hilfs­pa­ke­te aus Ber­lin. 85 Pro­zent aller an der Umfra­ge teil­neh­men­den Betrie­be sag­ten aus, dass sie wenig (16 Pro­zent) bis gar nicht (69 Pro­zent) von den Ent­las­tungs­pa­ke­ten I und II pro­fi­tie­ren. Dem­entspre­chend wenig opti­mis­tisch zeig­ten sich die Umfrageteilnehmer:innen bezüg­lich kom­men­der Hilfs­pa­ke­te. Zwei von drei Betrie­ben rech­nen auch zukünf­tig damit, dass die spür­ba­ren Ent­las­tun­gen ausbleiben.

Unge­wis­se Zukunft

Bin­nen zwölf Mona­ten hat sich die Infla­ti­on ver­dop­pelt, die Bürger:innen in Deutsch­land schau­en ver­hal­ten in die Zukunft. Ähn­li­ches gilt auch für die OT-Betrie­be. Nur jeder fünf­te Betrieb schaut opti­mis­tisch auf die kom­men­den Mona­te, fast die Hälf­te der Umfrageteilnehmer:innen ent­hält sich einer Wer­tung für die Zukunfts­pro­gno­sen und 38 Pro­zent bli­cken pes­si­mis­tisch vor­aus. Ein Grund dafür dürf­te auch die Sor­ge sein, dass die wirt­schaft­li­che Lage zu Ein­schrän­kun­gen in der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung füh­ren könn­te. So erwar­ten 65 Pro­zent star­ke bis sehr star­ke Ein­schrän­kun­gen zum Bei­spiel durch ver­län­ger­te War­te­zei­ten und Lieferengpässe.

Zeit­fres­ser Bürokratie

Erst­mals wur­de im Jahr 1986 das Wort Büro­kra­tie­ab­bau in einer Rede im Deut­schen Bun­des­tag benutzt. Fast vier Jahr­zehn­te spä­ter gehört die­se Voka­bel wei­ter­hin zum fes­ten Bestand­teil von Dis­kus­sio­nen und Debat­ten, denn die Zeit, die mit büro­kra­ti­schen Auf­ga­ben gebun­den wird, steigt ste­tig. Zwei von drei Betrie­ben sagen aus, dass mehr als ein Drit­tel der Arbeits­zeit im Unter­neh­men für Büro­kra­tie­pflich­ten auf­zu­wen­den ist. Mit über­wäl­ti­gen­der Mehr­heit von 93,5 Pro­zent wird die Viel­falt der Ver­trä­ge mit den gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen als Büro­kra­tie­trei­ber Num­mer eins genannt, dicht gefolgt von den Doku­men­ta­ti­ons­pflich­ten gegen­über den Kos­ten­trä­gern (89 Pro­zent) und auf­grund der Euro­päi­schen Medi­zin­pro­duk­te-Ver­ord­nung (MDR/77 Pro­zent). Das Ende der berühm­ten Fah­nen­stan­ge ist aber aus Sicht der Betrie­be noch nicht erreicht. Neun von zehn Umfrageteilnehmer:innen erwar­ten zukünf­tig – ent­ge­gen der Ver­spre­chen der Poli­tik – eine Zunah­me der Bürokratiepflichten.

„Die Ergeb­nis­se unse­rer Umfra­ge bestä­ti­gen unse­re War­nun­gen vor einer wirt­schaft­li­chen Über­las­tung der Hilfs­mit­tel­bran­che und dadurch dro­hen­den Ver­sor­gungs­pro­ble­men bei medi­zi­ni­schen Hilfs­mit­teln“, erklä­ren Kirs­ten Abel, WvD-Gene­ral­se­kre­tä­rin, und Patrick Gru­n­au, WvD-Gene­ral­se­kre­tär. „Zugleich zeigt sich ein hoher Ver­trau­ens­ver­lust in die Poli­tik, wenn fast drei Vier­tel der Betrie­be davon aus­ge­hen, von den aktu­ell beschlos­se­nen Hilfs­pro­gram­men nicht zu pro­fi­tie­ren. Hier rächt sich die bereits bei den Coro­na-Hil­fen auf­ge­tre­te­ne Ver­nach­läs­si­gung der Hilfs­mit­tel­bran­che durch die Gesund­heits- und Wirtschaftspolitik.“

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