In dem vom BAS kürzlich veröffentlichten 76 Seiten starken „Sonderbericht über die Qualität der Hilfsmittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ werden vor allem der Mangel an Transparenz, fehlende Verträge von Kostenträgern in verschiedenen Versorgungsbereichen mit Leistungserbringern sowie die fehlende Überprüfung der Qualität der Versorgung durch die Kostenträger kritisiert. Darüber hinaus gibt der Bericht einen Ausblick zur möglichen Um- und Ausgestaltung, der als Diskussionsgrundlage fungieren soll.
Diskussionsprozess einleiten
„Ein wesentlicher Baustein ist dabei unsere Einschätzung, dass sich das wettbewerbsbasierte Vertragsmodell in der Hilfsmittelversorgung nicht bewährt hat. Wir schlagen deshalb eine Rückkehr zur Zulassung der Leistungserbringer per Verwaltungsakt und landesweit einheitliche Versorgungsverträge vor“, so Frank Plate, Präsident des BAS. „Das BAS möchte den Diskussionsprozess über die weitere Gestaltung in der Hilfsmittelversorgung anstoßen. Wir freuen uns, wenn uns dies mit diesem Bericht gelingt.“
Bereits 2018 hatte es einen ähnlichen Sonderbericht des BAS – damals noch unter dem Namen Bundesversicherungsamt – gegeben. Probleme sind seitdem angegangen worden, aber ebenso geblieben. So wird beispielsweise die Kritik der fehlenden Transparenz erneut aufgegriffen. Diese richtet sich aber nicht allein an die Kostenträger, die gesetzlich zu einer Auskunft verpflichtet sind, sondern auch an den Gesetzgeber selbst, der durch eine unspezifische Formulierung eine Grauzone gelassen hat. Eigentlich sollten die Krankenkassen mit § 127 Abs. 5 Satz 1 SGB V zur Information der Versicherten über Vertragspartner und Vertragsinhalte zu mehr Transparenz gedrängt werden. Mit dem aktuellen Verfahren ist es aber für Versicherte weiterhin eine große Aufgabe, die nötigen Informationen einzuholen oder gar – wenn möglich – zum Vergleich der Leistungen unterschiedlicher Krankenkassen zu nutzen.
Bei der Qualitätskontrolle muss nachgebessert werden
Ein weiterer Punkt, bei dem die Kostenträger laut BAS Nachbesserungsbedarf haben, ist der Bereich der Qualitätskontrolle. Bereits 2017 hatte der GKV-Spitzenverband Rahmenempfehlungen veröffentlicht. Die Rahmenempfehlungen sehen als Überwachungsinstrumente Beschwerden der Versicherten, Datenauswertungen, Auswertungen von Unterlagen und Dokumentationen, die Evaluation des Versorgungsprozesses durch Testkäufe, Versichertenbefragungen sowie die Einbindung des Medizinischen Dienstes vor. Diese Überwachungsinstrumente können als Stichprobenprüfungen durchgeführt werden. Grundsätzlich wäre mit dem Ausschöpfen dieser Möglichkeiten auch eine gute Qualitätskontrolle möglich, dem BAS fehlen allerdings in den Rahmenempfehlungen die rechtlichen Vorgaben zum Prüfumfang. Das heißt, dass die Krankenkassen weder dazu verpflichtet sind die gesamte Klaviatur der Überwachungsinstrumente zu benutzen noch ist festgelegt, in welchem Zeitraum die Prüfungen stattzufinden haben. Auch ist nicht abschließend geklärt, ob das Abprüfen einzelner Produktgruppen ausreichend ist. „Nur bei einem Fehlen von jeglichen Prüfungen im Sinne des § 127 Abs. 7 SGB V kann das BAS aufsichtsrechtlich eingreifen“, heißt es im Sonderbericht.
Dritter großer Kritikpunkt, der im Sonderbericht formuliert wird, ist das Fehlen von geschlossenen Verträgen. Die Auswertung sei – so das BAS – zur Veröffentlichung des Berichts noch gar nicht vollständig, da die Datensätze der Krankenkassen mit zeitlicher Verzögerung eingetroffen sind. Mit Stand 1. April 2022 haben alle gesetzlichen Krankenkassen lediglich in den Produktgruppen 05 (Bandagen), 14 (Inhalations- und Atemtherapiegerät), 15 (Inkontinenzhilfen) sowie 17 (Hilfsmittel zur Kompressionstherapie) einen Vertrag geschlossen. Ganz am anderen Ende der Skala befinden sich ebenfalls fünf Produktgruppen– wobei für die Orthopädie-Technik vor allem die PG 38 (Armprothesen) von Relevanz ist, die zudem mit 51 Krankenkassen ohne einen geschlossenen Vertrag im negativen Sinne der Spitzenreiter ist.
„Wir versorgen Deutschland“ bereit zum Dialog
„Wir stehen für einen Austausch über die Ergebnisse des BAS-Sonderberichtes und die Diskussion sinnvoller Reformen in der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung“, betont das Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ in Person von Generalsekretärin Kirsten Abel und Generalsekretär Patrick Grunau in einer ersten Reaktion auf den Sonderbericht. Der Zusammenschluss aus Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik und Leistungserbringergemeinschaften mahnt in seiner Stellungnahme insbesondere die ebenfalls vom BAS kritisierte mangelhafte Vertragssituation in der Hilfsmittelversorgung an: „Mit dem Ansatz der Leitverträge – die durch die Spitzenverbände der Leistungserbringer oder maßgebliche sonstigen Zusammenschlüsse von Leistungserbringern verhandelt würden – würde u. a. der Qualitätswettbewerb unter den Leistungserbringern gestärkt.”
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