Körperliche Fitness als Voraussetzung für Selbstständigkeit und Teilhabe
Während gemäß dem dritten Teilhabebericht der Bundesregierung etwa ein Drittel der Menschen ohne Beeinträchtigung keinen Sport treibt, liegt dieser Anteil bei Menschen mit einer Beeinträchtigung sogar bei über der Hälfte 1. Menschen mit einer Querschnittlähmung gehören dabei zu den inaktivsten Gruppen 2. Jedoch ist regelmäßige körperliche Aktivität insbesondere für diese Gruppe von essenzieller gesundheitlicher Bedeutung und zählt zu den wichtigsten Maßnahmen sowohl zur Rehabilitation querschnittspezifischer Beeinträchtigungen als auch zur Prävention lähmungsbedingter Folgeerkrankungen und Komplikationen 3 4 5. Ein Überblick über die Wirkung sportlicher Aktivität auf körperliche bzw. biologische, psychische und soziale Faktoren bei Menschen mit Querschnittlähmung wird anhand eines abgewandelten biopsychosozialen Modells in Abbildung 1 vermittelt. Studien zeigen, dass sportliche Aktivität signifikant die Leistungs- und Funktionsfähigkeit verbessert 6 7 8, was in einem positiven Zusammenhang mit mehreren Aspekten steht:
- mit ausgeprägteren Rollstuhlfähigkeiten 9,
- mit der Ökonomisierung des Rollstuhlantriebs 10,
- mit einer verbesserten Selbstständigkeit im Alltag 11 12,
- mit der Prävention von Überlastungsschäden 12 und
- mit der Linderung von Schmerzen 7 13.
Sportlich aktive Personen mit Querschnittlähmung leiden seltener an einer Depression 7 14 und sind stärker sozial integriert als Menschen aus ihrer inaktiven Vergleichsgruppe 11 15 14.
Herausforderungen sportlicher Teilhabe
Das Erreichen einer guten körperlichen Konstitution sowie ausgeprägte Fähigkeiten im Umgang mit dem Rollstuhl gehören somit zu den essenziellen Voraussetzungen für einen selbstständigen und unabhängigen Alltag und damit für eine hohe Lebensqualität. Wer sich jedoch körperlich betätigen möchte, sieht sich – nicht erst seit einem pandemiebedingten Lockdown – mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert:
- fehlende Transportmöglichkeiten,
- unzureichende Barrierefreiheit von Gebäuden oder
- mangelnde Expertise im Bereich Rollstuhlsport.
All dies erschwert die Teilhabe an Sportangeboten erheblich 1 16. Digitale Sportangebote haben u. a. durch ihre Ungebundenheit an Ort und Zeit ein großes Potenzial, diese Barrieren zu überwinden und die Teilhabe zu fördern 1 17.
„ParaGym“ als niederschwellige und barrierearme Lösung
Fitness-Apps und Aktivitäts-Tracker haben in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen: Während im Jahr 2017 weltweit etwa 167 Mio. Menschen Fitness-Apps genutzt haben, waren es 2020 schon rund 474 Mio. Nutzende 18. In Deutschland ist der Anteil der Smartphone-Nutzerinnen und ‑Nutzer, die eine Gesundheits-App verwenden, innerhalb von zwei Jahren von 45 % auf 65 % gestiegen 19 20. Insbesondere die im Zusammenhang mit der Coronapandemie verhängten Hygienemaßnahmen wie Ausgangssperren oder das vorübergehende Aussetzen von Sportangeboten haben diesen Trend weiter beschleunigt. So zeigt die jährlich prospektiv erhobene globale Fitness-Trend-Umfrage des American College of Sports Medicine (ACSM) für das Jahr 2021 gegenüber dem Jahr 2020 eine deutliche Verschiebung zu digitalen Trends – beispielsweise „mobile exercise apps“ – sowie zu „lockdownkompatiblen“ Trainingsformen (z. B. „bodyweight training“) 21 22. Eine australische Studie weist nach, dass die Nutzung einer digitalen Plattform zur Unterstützung der körperlichen Aktivität im Lockdown die Chance erhöhte, die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur körperlichen Aktivität einzuhalten 23.
Trotz der vielversprechenden Möglichkeiten zur Überwindung struktureller Barrieren und Exklusionskriterien werden Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen in dieser Entwicklung weiterhin nur wenig berücksichtigt. Bisherige Projekte zur Entwicklung einer Trainings-App oder eines Fitness-Trackers für Menschen mit Querschnittlähmung wurden nach kurzer Laufzeit eingestellt 24 25 26. Gründe für den Abbruch bzw. die Nicht-Weiterführung der Projekte sind nicht bekannt. Eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz eines solchen Programms, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung ist hierbei die Personalisierung im Hinblick auf die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzenden 1 27.
An dieser Stelle setzt das „ParaGym“-Projekt an, das unter dem Titel „FIT-IN3 – ein inklusiver, interaktiver und intelligenter Fitnesscoach“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird (Laufzeit 09/2020–02/2023). Folgende Partner sind an diesem Projekt beteiligt:
- die Kernwerk GmbH (Siegen),
- die Deutsche Sporthochschule Köln,
- die Gesellschaft für Intelligente Textile Produkte (ITP GmbH, Weimar),
- das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS, Sankt Augustin) sowie
- die Aktion Mensch als assoziierter Projektpartner.
In Zusammenarbeit zwischen diesen Beteiligten soll bis Ende der Projektlaufzeit im Februar 2023 ein auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basierender erster Demonstrator (d. h. ein Prototyp) einer sensorgestützten Trainings-App entstehen. Diese soll ein individuelles Sportprogramm explizit für Menschen mit Paraplegie anbieten, das durch das Tragen eines mit Sensoren besetzten Funktionsshirts (Abb. 2) unterstützt wird. Zweck dieses sogenannten Sensorshirts ist es, Informationen zur Bewegungsausführung und ‑qualität sowie Pulsdaten an das Smartphone zu übertragen und in die App zu integrieren.
Das langfristige Projektziel besteht darin, die Möglichkeit eines weder orts- noch zeitgebundenen sowie vor allem eigenständigen und optimal zugeschnittenen Trainings in Ergänzung zur Regelversorgung zu schaffen. Ermöglicht werden soll dies durch die Weiterentwicklung der bereits bestehenden „Kernwerk“®-App, die ein mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) personalisiertes, für jeden Tag neu konzipiertes Trainingsprogramm für Menschen ohne körperliche Beeinträchtigung anbietet.
Individuelles, virtuelles Training mit der „Kernwerk“®-App
Um die Umsetzung der „ParaGym“-App nachvollziehen zu können, muss zunächst die Funktionsweise der „Kernwerk“®-App erläutert werden, auf der „ParaGym“ basiert. „Kernwerk“® bietet ein funktionelles Training nach dem „Daily-Workout-Prinzip“ an mit dem Ziel, eine möglichst universelle Fitness zu erreichen. Unter universeller Fitness ist eine Ganzkörperfitness in allen Kraftarten (Maximal- und Schnellkraft, Kraftausdauer) sowie motorischen Grundfähigkeiten (Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Koordination, Schnelligkeit) zu verstehen. Das „Daily-Workout-Prinzip“ bedeutet, dass ein Team aus Trainerinnen und Trainern bzw. aus Sportwissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für jeden Tag ein Trainingsprogramm („Workout“) konzipiert, das zunächst für alle App-Nutzenden gleich ist. Dieses Workout wird anschließend mittels KI an die individuelle Leistungsfähigkeit, die im jeweiligen Moment zur Verfügung stehende Ausrüstung („Equipment“, z. B. Hanteln) sowie verschiedene Umgebungsvariablen (z. B. Platz zum Laufen) angepasst. Weiterhin lassen sich Übungen, die das Element „Springen“ beinhalten, oder Übungen, die das Element „auf dem Boden sitzen“ beinhalten, als Grundbedingungen ausschließen. Die Variablen „Equipment“, „Umgebung“ und „Grundbedingungen“ sind vor jedem Workout individuell einstellbar. Durch ein Feedback (Abb. 3) zum Schwierigkeitsgrad jeder Übung nach Abschluss eines Workouts erhält die KI Informationen zur persönlichen Leistungsfähigkeit der Nutzenden. Dadurch lernt die KI und passt so das „Daily Workout“ an die individuellen Stärken und Schwächen an.
Von der Anforderungsanalyse bis zum Prototyp
Identifikation gesundheitlicher und lähmungsspezifischer Anforderungen
Eine starke Orientierung an den tatsächlichen Anforderungen und Wünschen von Menschen mit Paraplegie steht im Zentrum des gesamten Entwicklungsprozesses. Um diese zu ermitteln, wurden zu Beginn des Projektes eine Online-Umfrage sowie eine umfangreiche Literaturrecherche durchgeführt. In der Online-Umfrage wurden Informationen zu folgenden Aspekten erhoben:
- Anforderungen an das Trainingsprogramm,
- körperliche Aktivität,
- Anforderungen an eine Fitness-App und Wearables sowie
- Anforderungen an die Sportbekleidung.
Es partizipierten 115 Personen, von denen 95 in der Auswertung berücksichtigt werden konnten. Die Rekrutierung erfolgte über:
- alle von der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegiologie (DMGP) zertifizierten Querschnittzentren,
- das Schweizer Paraplegiker Zentrum,
- verschiedene Behindertensportverbände auf Landes- und Bundesebene,
- den Deutschen Rollstuhl-Sportverband (DRS),
- die DMGP sowie
- die Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland (FGQ).
Die Literaturrecherche erfasste gesundheitliche Aspekte, die allgemein bei der Entwicklung einer Trainings-App berücksichtigt werden müssen. Auf der Basis der Umfrage und der Literaturrecherche konnten folgende Konsequenzen für die Entwicklung der Fitness-App und des Sensorshirts gezogen werden:
- Es gibt einen großen Bedarf an Sportprogrammen, die speziell auf die körperlichen Fähigkeiten der Nutzenden zugeschnitten sind und die Möglichkeit einer Individualisierung des Trainings bieten. „ParaGym“ kommt diesem Bedarf entgegen: Durch die Integration geeigneter Filter sollen Übungen, die bspw. aufgrund der Lähmungshöhe oder spastisch verkrampfter Muskulatur nicht durchgeführt werden können, abgewählt und automatisch durch sinnvolle Übungen ersetzt werden.
- Ein Training mit freien Gewichten wird gegenüber dem an Maschinen bevorzugt. „ParaGym“ soll ein funktionelles Training anbieten, das i. d. R. mit dem eigenen Körpergewicht oder mit Hilfe von Kleingeräten (z. B. Hanteln) durchgeführt wird, und orientiert sich somit an den Vorlieben der Zielgruppe.
- Von den Teilnehmenden an der Umfrage wird die Möglichkeit der Herzfrequenzmessung gewünscht, die bereits für das Sensorshirt vorgesehen ist.
- Gegenüber geeigneter Sportbekleidung bestehen mit Ausnahme von Maschinenwaschbarkeit, Bequemlichkeit und Atmungsaktivität keine besonderen Anforderungen.
- In den Übungskatalog sollten Dehnübungen und Übungen zur Schulung der Schulterblattkoordination integriert werden.
- In den Workouts sollte der Fokus auf die rückwärtige Schultermuskulatur gelegt werden, um die Beanspruchung der Alltagsbelastung entgegenzusetzen und Überlastungsschäden zu vermeiden.
- Die Nutzenden sollten ausführlich über mögliche Risiken bei sportlicher Aktivität informiert und ggf. ärztlich für den Kraftsport freigegeben werden.
Partizipative Erstellung des Übungskatalogs
Der Übungskatalog wurde auf der Basis der Anforderungsanalyse und in enger Zusammenarbeit mit Sport- und Physiotherapeutinnen und ‑therapeuten der Querschnittzentren des Klinikums Bayreuth/Hohe Warte und der BG Klinik Tübingen erstellt. Eine besondere Unterstützung boten an dieser Stelle ein Kollege bzw. Kooperationspartner und eine Kollegin, die selbst querschnittgelähmt sind. Insgesamt 56 Übungen, darunter 2 Aufwärmübungen, 46 Kraftübungen und 8 Dehnübungen, wurden mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen und eigens produzierten Übungsvideos (Abb. 4) versehen.
Übungskatalog und Sensorgurtsystem im ersten Praxistest
In einem nächsten Schritt wurden die Übungen, Übungsanleitungen und ‑videos sowie das Sensorgurtsystem als Prototyp des Sensorshirts im Rahmen spezieller „ParaGym“-Workshops (Abb. 5) einem ersten Praxistest unterzogen. Elf Teilnehmende mit paraplegischer Querschnittlähmung testeten die Durchführbarkeit des Übungskatalogs und bewerteten die Anleitung hinsichtlich ihrer Verständlichkeit sowie die Übungsvideos hinsichtlich ihrer Nützlichkeit. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, jede Übung durch eine persönliche Anmerkung bezüglich der erhobenen Aspekte zu ergänzen. Die Workshops wurden zudem fachlich durch drei anwesende Physiotherapeutinnen bzw. ‑therapeuten unterstützt, die aus ihrer Perspektive und anhand ihrer Beobachtungen die Übungen bewerteten. Dabei ergab sich, dass lediglich 6 der 56 Übungen nicht oder nur eingeschränkt durch führbar waren; Gründe hierfür waren in den meisten Fällen eine unzureichende muskuläre Ansteuerung und in wenigen Fällen Schmerzen oder andere Gründe.
Die Übungsbeschreibungen wurden insgesamt als gut verständlich bewertet. Einzelne Beschreibungen wurden marginal angepasst, sprachlich überarbeitet und gekürzt.
Die Übungsvideos wurden als sehr hilfreich empfunden. Anpassungen umfassen Detailaufnahmen von Handpositionen und eine visuelle oder auditive Integration von Hinweisen bezüglich häufiger Fehlerbilder (z. B: „Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule“).
Das von der ITP entwickelte Sensorgurtsystem konnte erfolgreich Daten generieren, die anschließend vom Fraunhofer IAIS ausgewertet wurden. In den Workshops konnte gezeigt werden, dass sich das verwendete Material „CondElastX“ (ein von der ITP entwickeltes leitfähiges, elastisches Band) als Verbindungselement für mechanisch hochbelastete Sensornetzwerke am Körper eines Menschen sehr gut eignet.
Die Befragung der Teilnehmenden hat zudem ergeben, dass das Tragen des Sensorgurtsystems die Testpersonen bei der Ausführung der Übungen nicht beeinflusst hat. Aussagen zur Langzeitbeständigkeit gegenüber Schweiß konnten noch nicht generiert werden.
Der Schritt in die Digitalisierung
Nach geringfügiger Anpassung des Übungskataloges wurde dieser in das von dem Unternehmen Kernwerk entwickelte und zur Verfügung gestellte sogenannte „Admin Panel“ übertragen. Dies ist eine Online-Plattform, über die Übungen und Trainingseinheiten eingepflegt werden können, die anschließend für die Programmierung der „ParaGym“-App zur Verfügung stehen. Um eine Individualisierung des Workouts zu ermöglichen, wurden die Übungen mit bestimmten Merkmalen körperlicher Voraussetzungen belegt. So ist für die Übung „Reverse Dips from Box/Wheelchair (in Front of Wheelchair)“ (rückwärtiger Beugestütz vor dem Rollstuhl) (Abb. 4) die Voraussetzung „eingeschränkte Rumpfstabilität“ festgelegt. Hat eine Nutzerin bzw. ein Nutzer zuvor ausgewählt, dass alle Übungen ausgeschlossen werden sollen, die eine „eingeschränkte Rumpfstabilität“ erfordern, so wird für die oben genannte Übung automatisch die Alternativübung „Reverse Dips from Box/Wheelchair (in Wheelchair)“ (rückwärtiger Beugestütz im Rollstuhl) (Abb. 6) angezeigt. Auf diese Weise entsteht ein „Übungsbaum“, der sich umso weiter verzweigt, je höher die Leistungsfähigkeit, je größer der Anteil innervierter Muskulatur und je größer die Equipment-Auswahl ist (Abb. 7). Dieser bildet die Grundlage für die Konzeption der Trainingseinheiten.
In das Sensorshirt sind fünf Bewegungssensoren („inertial measurement units“, IMU) integriert, mit denen die Bewegung der Arme und des Oberkörpers gemessen werden können. Außerdem ist ein optischer Sensor zur Messung der Herzfrequenz integriert (Abb. 2). Ziel ist es, den Trainierenden ein Echtzeit-Feedback zur Bewegungsausführung und ‑qualität sowie zur aktuellen Herzfrequenz zu vermitteln. Durch einen Ist-Soll-Abgleich können mögliche Fehler in der Übungsausführung (z. B. Überstreckung) detektiert und korrigiert werden. Weitere Möglichkeiten bestehen darin,
- automatisch die Anzahl der Wiederholungen einer Übung zu zählen,
- auf Asymmetrien in der Bewegungsausführung zwischen rechter und linker Körperhälfte hinzuweisen und
- den Übergang zur nächsten Übung des Workouts statt durch Knopfdruck am Smartphone durch eine Geste zu steuern.
Damit werden die besonderen Belange der Zielgruppe berücksichtigt, denn eine Weiterschaltung der Übung per Knopfdruck setzt voraus, dass das Smartphone während des Trainings in permanenter Reichweite liegen muss, was bei einem Training im Rollstuhl zur Herausforderung werden kann. Diesem Problem kann somit auf diese Weise begegnet werden.
Zur Kopplung des Sensorshirts an das Smartphone wird eine Bluetooth-Low-Energy-Verbindung eingesetzt. Dies ermöglicht nicht nur eine einfache Anbindung an moderne Smartphones bzw. Tablets, sondern spart auch Energie und verlängert somit die Laufzeit des Systems. Da das T‑Shirt drahtlos arbeitet (sowohl zur Ladung des Akkus als auch bei der Datenübertragung), können die elektrischen Komponenten vollständig vergossen werden. Dadurch können sie mit dem Textil mitgewaschen werden und sind geschützt gegenüber der Umwelt.
Weiteres Vorgehen: Ausblick auf die Überprüfung der Durchführbarkeit
Nachdem die ersten Prototypen der „ParaGym“-App sowie des Sensorshirts fertiggestellt sind, werden nach einem ersten technischen Testlauf die Funktionalität und die Nutzungsfreundlichkeit in einer Studie überprüft. Dazu werden Menschen mit paraplegischer Querschnittlähmung ein mehrwöchiges selbstständiges Heimtraining mit dem Prototyp absolvieren und ihre Erfahrungen mit der App, den Übungen und dem Sensorshirt schriftlich festhalten. Das Projekt wird voraussichtlich im Februar 2023 mit der Auswertung der Studie und der Gesamtevaluation des Projektes abgeschlossen.
Fazit
Das laufende Projekt „ParaGym“, das unter dem Titel „FIT-IN3 – ein inklusiver, interaktiver und intelligenter Fitnesscoach“ vom BMBF gefördert wird, zielt darauf ab, ein appbasiertes personalisiertes Training für Menschen mit Paraplegie anzubieten. Ein mit Sensoren besetztes Funktionsshirt soll dazu ein Feedback zur Herzfrequenz und zu Bewegungsparametern liefern. Die Trainingseinheiten werden mit Hilfe einer KI an die individuellen Anforderungen der Nutzenden angepasst. Die partizipative Entwicklung dieser App in Zusammenhang mit dem Sensorshirt bietet somit großes Potenzial, strukturelle Barrieren der Teilhabe an Sportprogrammen zu überwinden und eine bisher wenig berücksichtigte Zielgruppe zu mehr sportlicher Aktivität zu motivieren.
Langfristig soll somit deren Leistungsfähigkeit gesteigert werden, wodurch ein wichtiger Beitrag sowohl zur Prävention von Sekundärerkrankungen und Komplikationen als auch zur Verbesserung der Mobilität und damit der Selbstständigkeit, der Teilhabe und schlussendlich der Lebensqualität geleistet werden kann.
Das vorgestellte Projekt geht jedoch nicht über die Entwicklung eines Prototyps hinaus, der lediglich einen Basis-Übungskatalog und nur rudimentäre Funktionen umfasst. Erweist sich das Training mit dem entwickelten Prototyp als durchführbar und die Handhabung als nutzungsfreundlich, ist dringend die Durchführung von Folgeprojekten zur Weiterentwicklung des Prototyps bis hin zu einer marktreifen Trainings-App anzustreben.
Projektförderung
Das Projekt wird unter dem Titel „FIT-IN3 – ein inklusiver, interaktiver und intelligenter Fitnesscoach“ in der Förderlinie „KMU-innovativ“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert (Förderkennzeichen 16SV8572, Laufzeit 09/2020–02/2023).
Für die Autoren:
Janika Bolz, M. A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Institut für Kreislaufforschung und
Sportmedizin, Abt. I
Deutsche Sporthochschule Köln
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln
j.bolz@dshs-koeln.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Bolz J, Nickel K, Bölecke L, Löscher A. Partizipative Entwicklung einer sensorgestützten Trainings-App für Menschen mit Paraplegie. Orthopädie Technik, 2022; 73 (9): 42–48
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