Ver­bes­ser­te Sicher­heit und Mobi­li­tät durch ein mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­tes Bein­pro­the­sen­sys­tem – Ers­te Ergeb­nis­se einer Multicenter-Pilotstudie

D. Merbold, T. Hähnel, J. Brandenburg, Ch. Müller, M. Tschernig
Die Untersuchung überprüft, ob die Versorgung von oberschenkelamputierten Personen mit dem Beinprothesensystem „Symbionic Leg“ die allgemeine Mobilität und die Bewältigung von Aktivitäten des täglichen Lebens als Voraussetzung für eine größere Teilhabe am familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Leben verbessert. In fünf Testzentren wurde ein aktives Kollektiv von 10 Anwendern einer Reihe von Tests unterzogen. Neben zwei objektiven Tests, Timed-Up-and-Go-Test (TUG) und 6-Minuten-Gehtest (6MWT), wurden die Anwender zu ihrer Sicherheit und Zufriedenheit sowie zu 26 Parametern des Prothesengebrauchs befragt. Bereits bei den beiden objektiven Tests konnten signifikante Verbesserungen festgestellt werden. Auch das subjektive Sicherheitsempfinden und die Zufriedenheit mit der Prothese konnten gesteigert werden. In der vergleichenden Bewertung des bisherigen und des neuen Prothesensystems zeigten sich die deutlichsten Verbesserungen in einer reduzierten Stolpergefahr, beim Hinaufgehen von Schrägen, in der Reduktion von Ausgleichsbewegungen und einer längeren Gehstrecke sowie einem deutlich verbesserten Gangkomfort. Insgesamt lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass das Beinprothesensystem „Symbionic Leg“ eine weitere Optimierung der Prothesenversorgung oberschenkelamputierter Anwender ermöglicht. Dies stellt einen wesentlichen Schritt in Richtung des sozialrechtlich gewünschten Versorgungsziels des Gleichziehens mit der Mobilität eines Nichtbehinderten dar.

Ein­lei­tung

Die ver­bes­ser­te Reha­bi­li­ta­ti­on und die opti­ma­le Inte­gra­ti­on von ober­schen­kel­am­pu­tier­ten Anwen­dern in das pri­va­te und vor allem auch in das beruf­li­che Umfeld steht im Fokus jeder Pro­the­sen­ver­sor­gung. Durch die Ein­füh­rung mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­ter Knie­ge­len­ke und die ste­ti­ge Wei­ter­ent­wick­lung der Pro­the­sen­ver­sor­gun­gen wur­den kon­ti­nu­ier­lich Fort­schrit­te erzielt. Kli­ni­sche und bio­me­cha­ni­sche Stu­di­en konn­ten zei­gen, dass mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­te Knie­ge­len­ke neben einem funk­tio­nel­len Zuge­winn in vie­len Teil­aspek­ten der Mobi­li­tät vor allem zu einer Ver­bes­se­rung der Sicher­heit des Gehens und des Ver­trau­ens des Anwen­ders in die Pro­the­se füh­ren 1 2 3 4 5 6 7.

Auch beim Trepp­ab­ge­hen und beim Gehen auf schrä­gem bzw. unebe­nem Unter­grund zei­gen mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­te Knie­ge­len­ke deut­li­che Vor­tei­le gegen­über her­kömm­li­chen mecha­ni­schen Gelen­ken 4 8 5 6 9 7. Dies wird durch die sen­sor­ba­sier­te Mes­sung ver­schie­dens­ter Para­me­ter des Gang­zy­klus und deren mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­te Ver­ar­bei­tung ermög­licht, die wie­der­um eine opti­mier­te Echt­zeit-Adapt­a­ti­on des Gelen­kes an alle Mobi­li­täts­an­for­de­run­gen des All­tags erlaubt 1.

Ein Schwach­punkt in der her­kömm­li­chen Ver­sor­gung blieb bis­lang stets das mecha­ni­sche Fuß­pass­teil, das rigi­de mit der Pro­the­se ver­bun­den ist und sich somit nicht mit­be­wegt bzw. adap­tiert. So sind mecha­ni­sche Pro­the­sen­fü­ße nicht in der Lage, die nor­ma­le Dor­sal­ex­ten­si­on des mensch­li­chen Fußes nach­zu­bil­den, die in der Schwung­pha­se für eine aus­rei­chen­de Boden­frei­heit und damit den Stol­per­schutz sorgt. Das Gehen mit mecha­ni­schen Pro­the­sen­fü­ßen erfor­dert daher eine hohe Kon­zen­tra­ti­on des Pati­en­ten, ins­be­son­de­re zur Stol­per- und Sturz­ver­mei­dung in der Schwung­pha­se. Auch beim Gehen und Ste­hen auf Schrä­gen oder beim Trep­pen­stei­gen zei­gen sich die funk­tio­nel­len Gren­zen mecha­ni­scher Füße sehr deut­lich. Selbst mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­te Knie­ge­len­ke kön­nen die funk­tio­nel­len Defi­zi­te mecha­ni­scher Pro­the­sen­fü­ße nur teil­wei­se kom­pen­sie­ren. Aus den genann­ten Grün­den wer­den Pro­the­sen für Ober­schen­kel­am­pu­tier­te aus Sicher­heits­grün­den meist ver­kürzt auf­ge­baut, um das Risi­ko des Hän­gen­blei­bens in der Schwung­pha­se und von Aus­gleichs­be­we­gun­gen in der Hüf­te mög­lichst gering zu hal­ten. Damit ist jedoch eine Fehl­sta­tik des gesam­ten Kör­pers ver­bun­den, die wie­der­um zu Fehl­be­las­tun­gen, Fehl­hal­tun­gen und schließ­lich zu erheb­li­chen Schmer­zen im Bewe­gungs­ap­pa­rat füh­ren kann.

Es ist daher nicht ver­wun­der­lich, dass Her­stel­ler von Pro­the­sen­pass­tei­len in den letz­ten Jah­ren die Ent­wick­lung von mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­ten Füßen vor­an­ge­trie­ben haben, um die Pro­the­sen­ver­sor­gung für die Ampu­tier­ten wei­ter zu ver­bes­sern. Mit dem „Sym­bio­nic Leg“ steht nun die nächs­te Gene­ra­ti­on der Pro­the­sen­ver­sor­gung für ober­schen­kel­am­pu­tier­te Anwen­der zur Ver­fü­gung. Es ver­bin­det die Vor­tei­le von zwei auf­ein­an­der abge­stimm­ten mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­ten Pro­the­sen­pass­tei­len: dem Knie­ge­lenk und dem akti­ven Fuß.

Die Kom­bi­na­ti­on bei­der mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­ter Pass­tei­le lässt für den Anwen­der fol­gen­de Vor­tei­le erwarten:

  • siche­re­res Gehen auf unebe­nem Untergrund,
  • gerin­ge­rer Ener­gie­ver­brauch beim Gehen mit Ermög­li­chung län­ge­rer Gehstrecken,
  • Ver­bes­se­run­gen beim Gehen auf Schrä­gen und auf unebe­nem Untergrund,
  • ver­min­der­tes Risi­ko für ein Hän­gen­blei­ben in der Schwungphase,
  • ver­rin­ger­te Aus­gleichs­be­we­gun­gen in der Hüfte,
  • Ver­mei­dung von Fehlhaltungen,
  • erhöh­ter Kom­fort beim Gehen.

Ziel der vor­lie­gen­den Unter­su­chung war es, die­se theo­re­tisch zu erwar­ten­den Funk­ti­ons­zu­wäch­se in der Ver­sor­gungs­pra­xis zu überprüfen.

Metho­dik

Im Rah­men einer Tages­ver­sor­gung wur­de das „Sym­bio­nic Leg“ der Fir­ma Össur bei 10 Anwen­dern mit akti­vem Lebens­stil (eine Frau, 9 Män­ner, Durch­schnitts­al­ter von 44,0 ± 10,1 Jah­re) unter­sucht, die mit einer All­tags­pro­the­se mit unter­schied­li­chen Knie­sys­te­men und einem Kar­bon­fe­der­fuß ver­sorgt waren. Als Aus­schluss­kri­te­ri­en gal­ten Vor­er­fah­run­gen mit einem mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­ten, akti­ven Fuß, aku­te Infek­tio­nen am Stumpf oder ande­re Schaftprobleme.

Die Anwen­der wur­den in fünf Test­zen­tren rekru­tiert und ver­sorgt. Die Unter­su­chun­gen wur­den unter ande­rem durch Tobi­as Häh­nel (Sani­täts­haus Rose­nau), Lars Jäger und Chris­ti­an Mül­ler (Jütt­ner Ortho­pä­die), Mar­tin Tscher­nig (May­er & Behn­sen) sowie Jan Bran­den­burg (See­ger hilft) durch­ge­führt. Von Sei­ten des Her­stel­lers Össur wur­de die Test­rei­he durch Dani­el Mer­bold begleitet.

Bis auf einen Pati­en­ten (Knie­ex­ar­ti­ku­la­ti­on) waren alle Anwen­der ober­schen­kel­am­pu­tiert. Die durch­schnitt­li­che Zeit­dau­er seit der Ampu­ta­ti­on betrug 17,6 ± 11,1 Jah­re. Der Mobi­li­täts­grad der Pati­en­ten lag im Mit­tel bei 3,2 ± 0,34. Alle Anwen­der gaben einen hohen bis sehr hohen Zufrie­den­heits­grad mit der vor­he­ri­gen Ver­sor­gung an. Sie wur­den aus­führ­lich über den Ablauf der Unter­su­chung und die Zie­le der Erhe­bung infor­miert und wil­lig­ten schrift­lich in die Teil­nah­me ein.

Zunächst wur­den die Pati­en­ten mit­tels eines stan­dar­di­sier­ten Fra­ge­bo­gens (s. u.) zu ihrem Sicher­heits­emp­fin­den und ihrer Zufrie­den­heit sowie 26 Para­me­tern des Pro­the­sen­ge­brauchs ihrer bis­he­ri­gen Ver­sor­gung befragt. Danach absol­vier­ten alle Anwen­der den Timed-Up-and-Go-Test (TUG) sowie den 6‑Mi­nu­ten-Geh­test (eng­lisch: 6 minu­tewalk­test = 6MWT).

Vor der Ver­sor­gung mit dem „Sym­bio­nic Leg“ wur­den die Pati­en­ten aus­führ­lich zu ihren Ver­sor­gungs­zie­len mit der neu­en Pro­the­se befragt. Die­se wur­den am Ende der Tages­ver­sor­gung mit den erreich­ten Ergeb­nis­sen abgeglichen.

Anschlie­ßend wur­den die Anwen­der mit dem „Sym­bio­nic Leg“ (SBL) ver­sorgt. Der sta­ti­sche Auf­bau wur­de ent­spre­chend den Auf­bau­richt­li­ni­en des Her­stel­lers ange­passt. Nach der dyna­mi­schen Anpro­be wur­den die Anwen­der in den Gebrauch des SBL ein­ge­wie­sen und beka­men ca. 2 Stun­den Zeit, sich mit dem Pro­the­sen­sys­tem ver­traut zu machen. Danach durch­lie­fen sie einen vor­ge­ge­be­nen Par­cours, der neben Trep­pen auch unebe­nen Unter­grund sowie Schrä­gen auf­wies. Am dar­auf fol­gen­den Tag absol­vier­ten die Pati­en­ten wie bereits zuvor mit ihrer All­tags­pro­the­se nun mit dem neu­en Pro­the­sen­sys­tem den TUG und den 6MWT. Danach wur­den die Pati­en­ten mit­tels des bereits erwähn­ten stan­dar­di­sier­ten Fra­ge­bo­gens (s. u.) zu ihrem Sicher­heits­emp­fin­den und ihrer Zufrie­den­heit in Bezug auf die neue Ver­sor­gung sowie zu 26 Para­me­tern des Pro­the­sen­ge­brauchs im Ver­gleich zu ihrer bis­he­ri­gen Ver­sor­gung befragt.

Fra­ge­bo­gen

In dem stan­dar­di­sier­ten Fra­ge­bo­gen bewer­te­ten die Anwen­der zunächst ihr Sicher­heits­emp­fin­den und ihre Zufrie­den­heit mit bei­den Pro­the­sen­sys­te­men jeweils getrennt auf eige­nen visu­el­len Ana­logska­len (VAS) mit 1 (schlech­tes­te Bewer­tung) bis 10 Punk­ten (bes­te Bewer­tung). Die ande­ren 26 Para­me­ter (Tab. 1 in Ergeb­nis­se) wur­den dage­gen nur ver­glei­chend auf jeweils einer visu­el­len Ana­logska­la (VAS) mit einer Ska­lie­rung von ‑5 bis +5 (-5 bis ‑0,1: Vor­teil für bis­he­ri­ge Ver­sor­gung [je nega­ti­ver, des­to grö­ßer der Vor­teil]; 0: bei­de Pro­the­sen­sys­te­me gleich; +0,1 bis +5: Vor­teil für „Sym­bio­nic Leg“ [je posi­ti­ver, des­to grö­ßer der Vor­teil]) bewertet.

Die Ergeb­nis­se der objek­ti­ven Test­ver­fah­ren TUG und 6MWT sowie die getrenn­ten Bewer­tun­gen von Sicher­heits­emp­fin­den und Zufrie­den­heit mit den bei­den Pro­the­sen­sys­te­men wur­den einer sta­tis­ti­schen Signi­fi­kanz­prü­fung mit dem Wil­coxon­Si­gned Rank Test in Win­S­tat für MSEx­cel® unterzogen.

Da die ver­glei­chen­de Bewer­tung der ande­ren 26 Para­me­ter des Pro­the­sen­ge­brauchs auf jeweils nur einer VAS erfolg­te, konn­ten die Unter­schie­de zwi­schen bei­den Pro­the­sen­sys­te­men nicht sta­tis­tisch ana­ly­siert wer­den. Aus die­sem Grund wur­den fol­gen­de Bewer­tungs­ka­te­go­rien definiert:

  • Durch­schnitts­wert +4,0 bis +5,0: sehr gro­ßer Vor­teil für „Sym­bio­nic Leg“,
  • Durch­schnitts­wert +3,0 bis +3,9: gro­ßer Vor­teil für „Sym­bio­nic Leg“,
  • Durch­schnitts­wert +2,0 bis +2,9: Vor­teil für das „Sym­bio­nic Leg“,
  • Durch­schnitts­wert +0,5 bis +1,9: leich­ter Vor­teil für das „Sym­bio­nic Leg“,
  • Durch­schnitts­wert ‑0,4 bis +0,4: bei­de Pro­the­sen­sys­te­me gleich,
  • Durch­schnitts­wert ‑0,5 bis ‑1,9: leich­ter Vor­teil für die bis­he­ri­ge Versorgung,
  • Durch­schnitts­wert ‑2,0 bis ‑2,9: Vor­teil für die bis­he­ri­ge Versorgung,
  • Durch­schnitts­wert ‑3,0 bis ‑3,9: gro­ßer Vor­teil für die bis­he­ri­ge Versorgung,
  • Durch­schnitts­wert ‑4,0 bis ‑5,0: sehr gro­ßer Vor­teil für die bis­he­ri­ge Versorgung.

Ergeb­nis­se

Die mitt­le­re Geh­stre­cke im 6‑Mi­nu­ten-Geh­test (6MWT) ver­län­ger­te sich von 348,9 ± 61,2 m (bis­he­ri­ge Ver­sor­gung) mit dem „Sym­bio­nic Leg“ signi­fi­kant auf 365,9 ± 63,6 m (p = 0,01) (Abb. 1).

Die mitt­le­re Zeit für die Absol­vie­rung des Timed-Up-and-Go-Tests (TUG) ver­rin­ger­te sich von 9,6 ± 1,3 s (bis­he­ri­ge Ver­sor­gung) eben­falls signi­fi­kant auf 8,8 ± 1,4 s (p = 0,02) (Abb. 2).

Mit dem neu­en Pro­the­sen­sys­tem ver­bes­ser­te sich das Sicher­heits­emp­fin­den der Anwen­der um durch­schnitt­lich 11,3 % und die Gesamt­zu­frie­den­heit im Mit­tel um 9,2 % (Abb. 3).

Die Pro­the­sen­län­ge konn­te bei 8 der 10 Pati­en­ten um 0,5 cm bis 2,5 cm ver­län­gert werden.

Bei der Bewer­tung der ein­zel­nen Para­me­ter des Pro­the­sen­ge­brauchs fällt zunächst auf, dass das „Sym­bio­nic Leg“ in allen Para­me­tern im Mit­tel durch­weg bes­se­re Bewer­tun­gen erhält als die Vor­ver­sor­gung. Die Ergeb­nis­se für die ein­zel­nen Para­me­ter sind in Tabel­le 1 dargestellt.

Die vor der Ver­sor­gung mit dem neu­en Pro­the­sen­sys­tem gesteck­ten Ver­sor­gungs­zie­le wur­den bei 6 Anwen­dern voll erreicht, in 3 Fäl­len teil­wei­se erreicht und in einem Fall nicht erreicht. Der Anwen­der, der das Ver­sor­gungs­ziel nicht erreicht hat, beschrieb ins­ge­samt kei­nen merk­li­chen Unter­schied der Prothesentypen.

Sie­ben der zehn Anwen­der gaben am Ende der Unter­su­chung an, dass ihre vor der Ver­sor­gung mit dem Bein­pro­the­sen­sys­tem bestehen­den Schmer­zen unter Belas­tung merk­lich zurück­ge­gan­gen seien.

Dis­kus­si­on

In der Gesamt­schau der Ergeb­nis­se wird deut­lich, dass das kom­plett inte­grier­te Bein­pro­the­sen­sys­tem „Sym­bio­nic Leg“ einen funk­tio­nel­len Zuge­winn an Sicher­heit und Mobi­li­tät bewirkt und damit einen wei­te­ren Fort­schritt in der Ver­sor­gung von ober­schen­kel­am­pu­tier­ten Pro­the­sen­an­wen­dern dar­stellt. Der Timed-Upand-Go-Test (TUG) ist ein vali­dier­ter und all­ge­mein aner­kann­ter Test zur Abschät­zung des Sturz­ri­si­kos 10 11 12 13 14 15 sowohl von nicht-ampu­tier­ten 10 11 16 14 15 als auch von ampu­tier­ten 12 Per­so­nen. Bei Nicht-Ampu­tier­ten zei­gen bereits Wer­te über 10 Sekun­den ein erhöh­tes Sturz­ri­si­ko an 10 17, bei unter­schen­kel­am­pu­tier­ten Per­so­nen wei­sen Wer­te über 19 Sekun­den auf ein Risi­ko für wie­der­hol­te Stür­ze hin 12. Das unter­such­te Anwen­der­kol­lek­tiv wies bereits mit der Vor­ver­sor­gung gute Wer­te von knapp unter­halb von 10 Sekun­den auf, was den hohen Mobi­li­täts- und Akti­vi­täts­grad unter­streicht. Mit dem „Sym­bio­nic Leg“ gelang es den Pati­en­ten jedoch, die für den TUG benö­tig­te Zeit noch ein­mal signi­fi­kant zu ver­rin­gern und sich damit einen noch grö­ße­ren Sicher­heits­puf­fer zum Schwel­len­wert für ein erhöh­tes Sturz­ri­si­ko zu ver­schaf­fen. Die­ses objek­ti­ve Ergeb­nis wird von den sub­jek­ti­ven Bewer­tun­gen der Pati­en­ten unter­stri­chen, die gro­ße Vor­tei­le der neu­en Pro­the­sen­ver­sor­gung z. B. bei der gerin­ge­ren Gefahr des Hän­gen­blei­bens des Fußes in der Schwung­pha­se sahen.

Geh­tests mit vor­ge­ge­be­ner Geh­stre­cke oder Zeit wie der 6‑Mi­nu­ten-Geh­test (6MWT) sind vali­dier­te und aner­kann­te Test­ver­fah­ren für die all­ge­mei­ne Geh­fä­hig­keit und Mobi­li­tät von Ampu­tier­ten, die gut mit einer gan­zen Rei­he ande­rer Test­ver­fah­ren für die Funk­ti­on und Mobi­li­tät von Ampu­tier­ten kor­re­lie­ren. Erwei­te­run­gen der Geh­stre­cke in die­sen Tests wer­den daher all­ge­mein als Zei­chen für eine ver­bes­ser­te Geh­fä­hig­keit und Mobi­li­tät im All­tag gewer­tet 18 19 20 21. In die­ser Unter­su­chung konn­ten die Anwen­der bereits nach 2 Stun­den Trai­ning ihre Geh­leis­tung im 6MWT signi­fi­kant stei­gern, was für eine wei­te­re Ver­bes­se­rung der Funk­tio­na­li­tät im All­tag spricht. Auch die­ses objek­ti­ve Ergeb­nis wird durch die sub­jek­ti­ven Pati­en­ten­be­wer­tun­gen bestä­tigt: In allen 26 Para­me­tern des Pro­the­sen­ge­brauchs sehen die Anwen­der im Mit­tel leich­te bis sehr gro­ße Vor­tei­le des „Sym­bio­nic Leg“ gegen­über der bis­he­ri­gen Pro­the­sen­ver­sor­gung. Dies zeigt sich beson­ders in Akti­vi­tä­ten, die eine Beweg­lich­keit bzw. Anpas­sung des Fußes an ver­schie­de­ne Unter­grün­de oder Kör­per­hal­tun­gen erfor­dern. Ver­bes­ser­te Sicher­heit und Bewäl­ti­gung von Akti­vi­tä­ten des täg­li­chen Lebens sind wich­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen für eine bes­se­re Teil­ha­be der Ampu­tier­ten am fami­liä­ren, beruf­li­chen und gesell­schaft­li­chen Leben 22.

Beson­ders her­vor­zu­he­ben ist die Tat­sa­che, dass mit der neu­en Pro­the­sen­ver­sor­gung die Pro­the­sen­län­ge, die übli­cher­wei­se aus Sicher­heits­grün­den ver­kürzt wird, bei 8 der 10 Pati­en­ten um 0,5 bis 2,5 cm ver­län­gert wer­den konn­te. Dies ist ein wesent­li­cher Bei­trag zum Aus­gleich der durch die Pro­the­sen­ver­kür­zung beding­ten Fehl­sta­tik und kann die von vie­len Anwen­dern geäu­ßer­te Ver­rin­ge­rung der Schmerz­sym­pto­ma­tik erklä­ren. Die signi­fi­kan­te Ver­rin­ge­rung der für den TUG benö­tig­ten Zeit und die sub­jek­ti­ven Bewer­tun­gen zum Hän­gen­blei­ben des Fußes in der Schwung­pha­se und zu Aus­gleichs­be­we­gun­gen zei­gen dabei an, dass die Sicher­heit trotz der Pro­the­sen­ver­län­ge­rung grö­ßer zu sein scheint als die der vor­he­ri­gen Alltagsprothese.

Limi­ta­tio­nen der Studie

Bei der Inter­pre­ta­ti­on der Ergeb­nis­se die­ser Unter­su­chung ist zu berück­sich­ti­gen, dass es sich um eine ers­te Pilot­stu­die han­delt. Die Zahl der ein­ge­schlos­se­nen Anwen­der erscheint mit zehn zunächst rela­tiv klein, ent­spricht jedoch durch­aus einer in der Pro­the­tik übli­chen Stu­di­en­grö­ße. Die Ein­ge­wöh­nungs­zeit war mit 2 Stun­den sehr kurz, ist aber in die­sem Umfang in Deutsch­land für Test­ver­sor­gun­gen mit mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­ten Pro­the­sen­sys­te­men durch­aus üblich. Es ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die Unter­schie­de bei län­ge­rer Ein­ge­wöh­nungs­zeit noch deut­lich grö­ßer gewe­sen wären. Die durch­ge­führ­ten kli­ni­schen Tests (TUG und 6MWT) sind vali­diert und als Mess­in­stru­men­te für das Sturz­ri­si­ko und die all­ge­mei­ne Geh­fä­hig­keit und Mobi­li­tät aner­kannt. Sie soll­ten in zukünf­ti­gen Unter­su­chun­gen jedoch durch zusätz­li­che Test­ver­fah­ren ergänzt wer­den, die Ein­bli­cke in wei­te­re Aspek­te der Mobi­li­tät von Pro­the­sen­trä­gern erlauben.

Schluss­fol­ge­rung

Die Pilot­stu­die hat gezeigt, dass das bio­ni­sche Bein­pro­the­sen­sys­tem „Sym­bio­nic Leg“ gegen­über einem her­kömm­li­chen Pro­the­sen­sys­tem zu einer wei­te­ren Ver­bes­se­rung der Sicher­heit, Mobi­li­tät und Bewäl­ti­gung von Akti­vi­tä­ten des täg­li­chen Lebens füh­ren kann. Dies wird ins­be­son­de­re in Akti­vi­tä­ten deut­lich, die eine Beweg­lich­keit bzw. akti­ve Anpas­sung des Fußes an ver­schie­de­ne Unter­grün­de oder Kör­per­hal­tun­gen erfor­dern. Die erhöh­te Mobi­li­tät ist eine wesent­li­che Vor­aus­set­zung für die Ver­bes­se­rung der Teil­ha­be am fami­liä­ren, beruf­li­chen und gesell­schaft­li­chen Leben. Dar­über hin­aus erlaubt die akti­ve Dor­sal­ex­ten­si­on des bio­ni­schen Fußes in der Schwung­pha­se bei vie­len Pati­en­ten eine Ver­län­ge­rung der bei her­kömm­li­chen Pro­the­sen häu­fig aus Sicher­heits­grün­den ver­kürz­ten Pro­the­sen­län­ge. Dies trägt zum Aus­gleich der durch die Ver­kür­zung beding­ten Fehl­sta­tik und zur Lin­de­rung der in der Fol­ge ent­ste­hen­den Schmer­zen bei und ver­rin­gert dar­über hin­aus die zum Errei­chen einer aus­rei­chen­den Boden­frei­heit häu­fig erfor­der­li­chen Ausgleichsbewegungen.

Zusam­men­fas­send stellt das neue Pro­the­sen­sys­tem einen wei­te­ren wich­ti­gen Schritt in Rich­tung des sozi­al­recht­lich gewünsch­ten Gleich­zie­hens der Mobi­li­tät von Ampu­tier­ten und Nicht-Ampu­tier­ten dar 23.

Für die Autoren:
Dani­el Merbold
Augus­ti­nus­stra­ße 11a
50226 Fre­chen Königsdorf
dmerbold@ossur.com

Begut­ach­te­ter Beitrag/Reviewed paper

Zita­ti­on
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