Ob Griffe oder Basisübungen, Tipps zur Selbstbehandlung bei Ödemen oder zum Anlegen von Kompressionsverbänden: In verständlichen Worten und illustriert mit vielen Bildern aus der Praxis erklärt Autor Henry A. Schulze, worauf es dabei ankommt.
Im Gespräch mit der OT-Redaktion verrät der engagierte Lymph- und Ödemtherapeut Details zum Ratgeber.
OT: Wie ist die Idee für dieses Buch entstanden?
Henry Schulze: Als ausgebildeter Therapeut, der seit vielen Jahren tätig ist, bin ich schon lange auf der Suche nach Material, das ich meinen Patient:innen mit an die Hand geben kann, damit sie sich zuhause selbst helfen können. Aber meine Suche blieb erfolglos; entweder war die Information nicht ausreichend oder das Material war schlecht bebildert. Deshalb hatte ich schon länger Pläne, selbst etwas zu verfassen, aber die Zeit fehlte mir, es allein auf die Beine zu stellen. Dann kam der Thieme Verlag auf mich zu, weil er auf der Suche nach einem Autor für ein Projekt war, das genau dem entsprach, was ich mir vorgestellt hatte. Der Vorteil war, dass es bereits eine gewisse Auflistung gab, wie dieses Buch inhaltlich strukturiert werden sollte. Und das passte genau zu meinen Ideen, welche ich selbst noch erweitern konnte und so entschied ich mich für dieses Projekt, trotz der Herausforderung es neben meinem Berufsalltag zu stemmen. Im Prinzip sind in diesem Buch alle Informationen, Flyer und Broschüren zusammengefasst und um meinen Erfahrungsschatz ergänzt. Beim Schreiben sowie bei der Erstellung der Bilder habe ich darauf geachtet, dass die gesamten Inhalte für die Patient:innen leicht verständlich und gut nachvollziehbar sind. Natürlich fallen in dem Buch auch Fachbegriffe, aber die werden auch immer direkt erklärt, und zwar so, dass auch jeder Nichtmediziner Zugang dazu bekommen kann.
OT: Wie ist es inhaltlich aufgebaut?
Schulze: Es beginnt mit den Grundlagen des Lymphsystems – seinen Aufgaben und seinen Prinzipien. Daran schließt sich ein Überblick der verschiedenen lymphatischen Erkrankungen an. Anschließend wird das Lipödem erläutert. Das Behandlungskonzept wird zwar aktuell kontrovers diskutiert, aber der Therapiebedarf der Patient:innen ist weiterhin unbestritten. Auch der kosmetische Anwendungsbereich – Zellulite – wird in dem Kapitel angerissen ebenso wie das Thema Ödem in der Schwangerschaft. Nach der Theorie folgt der umfangreichere, praktische Teil. Dort werden zunächst wichtige Griffe aus der manuellen Lymphdrainage erklärt, bevor das Kapitel „Selbstbehandlung bei Ödemen“ folgt. Dabei war es mir besonders wichtig, angepasst an die Bedürfnisse der Patient:innen, einzelne Griffe für jede einzelne Körperregion aufzuzeigen, also Arme, Beine sowie Kopf- und Gesichtsbereich. Bei dem darauffolgenden Kapitel dreht sich alles um die „Kompressionstherapie“ und die verschiedenen Möglichkeiten. Beispielsweise wird auch eine Bilderfolge gezeigt, wie man Kompressionsverbände selbstständig anlegt. Es ging mir in diesem Kapitel aber nicht nur darum, alles aufzulisten, sondern ich wollte den Betroffenen dabei auch verdeutlichen, warum die Kompressionstherapie so hilfreich bei ihrer Erkrankung ist. Wichtig ist mir das Verständnis, um dann motivierter bei dem Selbstmanagement zu sein. Als Exkurs findet man am Ende des Buches auch noch Tipps, wie man mit Ödemen im Alltag umgeht, also bei Verletzungen oder im Urlaub und welche Dinge man vermeiden sollte wie beispielsweise Übergewicht oder Stress. Bürsten, Massageroller oder das Schröpfen (beim Lipödem) können wohldosiert auch ein gutes Hilfsmittel sein.
„Gebrauchsanweisung für mich selbst“
OT: Sie haben seit vielen Jahren täglich mit betroffenen Patient:innen zu tun: Wie lösen Sie die Aufgabe der Aufklärung und Schulung zur individuellen Selbsttherapie?
Schulze: Wir führen die Patientenedukation zum Großteil während der Therapie durch. Bereits beim Anamnesegespräch, bei der Inspektion oder der Palpation, wo wir uns genau anschauen, welche Erkrankung vorliegt, haben wir diesen Aspekt im Hinterkopf. Deshalb versuche ich meine Patient:innen während der Therapie auf die ganzen Möglichkeiten, die auch das Buch aufzeigt, einzustellen. Natürlich motiviere ich sie zusätzlich jedes Mal dazu dranzubleiben. In der Regel sehen wir die Patient:innen ein bis zwei Mal pro Woche: Aber wo sind sie den Rest der Woche? Wir verbringen viel Zeit mit den Patient:innen und sollten diese Zeit sinnvoll nutzen, sie aufzuklären. Aber was bleibt nach einer Stunde von dieser Information hängen? Mit diesem Buch habe ich endlich etwas, das ich ihnen guten Gewissens mitgeben kann. Denn was kann ihnen Besseres passieren, als wenn sie es selbst in der Hand haben, selbst agieren können? Ein Patient brachte es auf den Punkt und sagte: „Dein Buch ist wie eine Gebrauchsanweisung für mich selbst.“
OT: Apps zum Selbstmanagement sind bereits auf dem Markt: Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Schulze: Ich finde die alle echt gut und ich sehe darin großes Potential. Ähnlich wie bei Trainingsapps gibt es bei manchen Erinnerungsfunktionen wie beispielsweise „Hast du schon heute an deine Hautpflege gedacht?“ oder „Muss die Kompressionsbestrumpfung erneuert werden?“. Andere setzen mehr auf den Schwerpunkt „Edukation“ und erläutern die Krankheiten und zeigen entsprechende Übungen. Wir nehmen das Handy ständig in die Hand und deshalb machen diese Apps besonders für Patient:innen, die technikaffin sind, durchaus Sinn. Klar, kann man Push-Nachrichten auch übersehen, aber es kann auch dazu führen, dass die Patient:innen selbst aktiv werden. Und genau das ist unser gemeinsames Ziel: bei der Patientenedukation in der Therapie, bei den Apps und bei meinem Buch.
Die Fragen stellte Irene Mechsner.
Schulze H. Der kleine Coach für das Lymphsystem. Schnelle Hilfe bei Lymphödemen, Wassereinlagerungen & Co. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart; 2022
- Die neue Leitlinie zum Lipödem-Syndrom: mehr Licht als Schatten. Konsequenzen für die Praxis — 5. Dezember 2024
- Orthesenversorgung bei Läsion des Plexus brachialis — 4. Dezember 2024
- Anforderungen an additiv gefertigte medizinische Kopfschutzhelme — 4. Dezember 2024