In den ostdeutschen Ländern sei das Handwerk die Wirtschaftsmacht Nummer eins, darauf wies der Präsident des Thüringer Handwerkstages, Stefan Lobenstein, hin: „Wir sind klassische Handwerksländer. Darauf sind wir stolz.“ Um Betriebsschließungen zu vermeiden, sei die Unterstützung des Staates gefragt. Vor allem die Energiepreise würden die Betriebe an die Grenze der Wirtschaftlichkeit drängen. „Die Politik, insbesondere die neue Bundesregierung, darf die Handwerksbetriebe nicht bestrafen, sondern muss ihnen beispielsweise bei der Umstellung auf energiesparende Investitionen unter die Arme greifen“, so Lobenstein. „Gleichzeitig muss global gedacht werden, um langfristig stabile Preise zu sichern. Hier muss die Europäische Union als starker Spieler auftreten, um auf internationale Vereinbarungen einwirken zu können.“
Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaates Thüringen, bezeichnete die Bedeutung des Handwerks mit 150.000 Beschäftigten in Thüringen als „unschlagbare Macht“, ohne die sich im Freistaat nichts drehen würde. Bis zum Jahr 2035 gehen 300.000 Menschen in Thüringen in Rente, aber nur 150.000 junge Menschen kommen bis dahin in Beschäftigung. „Wir werden uns alle noch kloppen um den Rohstoff Mensch“, meinte der Ministerpräsident.
Das Handwerk braucht Frieden in Europa
Die zentrale Rolle des Handwerks unterstrich auch Alf Reuter. Der Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT) sprach sich angesichts der zu erwartenden Kriegsversehrten in Europa für den Frieden aus. „Leider ist der Krieg 2022 nach Europa zurückgekehrt. Wir Orthopädietechniker versorgen Kriegsversehrte. Das können wir, das machen wir bereits und das werden wir auch weiter tun: Aber möge uns eine Eskalation des Krieges erspart bleiben. Frieden ist die wichtigste Rahmenbedingung für Gesellschaft und Handwerk.“ Die Orthopädie-Technik verstehe sich als ein Handwerk, das sich der Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Handicap oder Mobilitätseinschränkungen verschrieben habe. Es sei besorgniserregend, dass im Jahre 2022 die Versorgung von Kriegsversehrten in Europa als ein Schwerpunkt der OTWorld zurückgekehrt sei.
Warnung vor Leistungskürzungen und falsch verstandener Digitalisierung
Weitere wichtige Rahmenbedingungen, die das Orthopädietechnik-Handwerk beeinflussen, seien Beständigkeit – in Lieferketten, auf Energiemärkten und bei Rohstoffpreisen – sowie die Anerkennung der Leistungen des OT-Handwerks für die Gesellschaft. Das bedeutet, keine Leistungskürzungen in der Versorgung, gerechte Versorgungsverträge und Kostenträger, die Innovationen an nachhaltigen Verbesserungen für die Lebensqualität der Patienten messen und nicht allein am Preis. Entscheidend sei aber auch eine Politik, die aus Erfahrung lerne und den Wettbewerb nicht mehr an billig, sondern an einem gesellschaftlichen Auftrag zur Verbesserung der Versorgung ausrichte. Eine Politik, die der Zeit mit den Patienten endlich wieder mehr Bedeutung einräume als der Bürokratie. „Und eine Handwerksorganisation, die einen Beruf, den wir lieben, den wir brauchen, nicht leichtfertig mit Verweisen auf Medizin- und Sozialrecht verspielt, sondern die den Meisterbrief als oberstes Qualitätssiegel einer fachgerechten Versorgung schützt“, so der BIV-OT-Präsident in Leipzig. „Eine Handwerksorganisation, die Digitalisierung, die auf laienhafte Art die Patientensicherheit gefährdet, verantwortlich stoppt. Die sich für uns, für unsere Patienten einsetzt – damit Orthopädie-Technik auch in Zukunft Qualitätsstandards in der Versorgung setzen kann: in Deutschland, Europa und der Welt.“
Weitere Grußworte zum Handwerkspolitischen Forum Ost sprachen der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, sowie der Geschäftsführer der Leipziger Messe, Martin Buhl-Wagner. Impulse für die abschließende Podiumsdiskussion gab Dr. Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik BDI Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., mit seiner Keynote „Klimapfade für Deutschland“. Zum Abschluss des Handwerkspolitischen Forums griff die Diskussionsrunde um Moderator Robert Burdy das Thema des Forums „Fachkräftemangel, Energiewende, Beschaffungsmarkt: Welche Rahmenbedingungen braucht das Handwerk für weiteres Wachstum“ auf.