OT: Herr Dr. Florek, warum war es so wichtig, sich auf der OTWorld der Versorgung dieser Krankheitsbilder zu widmen?
Dr. Alexander Florek: Das primäre und sekundäre Lymphödem sind chronische, die Lebensqualität zum Teil massiv beeinträchtigende Krankheiten. Auch wenn es zunehmende Versuche gibt, das Krankheitsbild operativ zu behandeln, bleibt die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) samt Kompressionsversorgung und Lymphdrainage für die allermeisten Patientinnen und Patienten die lebenslängliche Standardtherapie der Wahl. Das Wissen über die konservativen und operativen Therapieoptionen zu verbreiten bringt messbare Verbesserungen in der Qualität der Patientenversorgung. Auch das Lipödem ist heutzutage noch in allererster Linie eine Domäne der konservativen Therapie mittels KPE.
OT: Welche neuen Erkenntnisse gibt es hinsichtlich der – auch operativen – Behandlung?
Florek: Beide Krankheiten, das Lymphödem sowie das Lipödem, sind heutzutage noch in allererster Linie eine Domäne der konservativen Therapie mittels KPE. Leitliniengerecht erfolgt die Prüfung der operativen Therapieoptionen ja erst nach dem Ausschöpfen der konservativen Maßnahmen. Die operativen Techniken zur Therapie des Lymphödems werden kontinuierlich weiterentwickelt – allerdings nur durch einige wenige, an der Thematik interessierten Kolleg:innen. Gute Ergebnisse können wir auf dem Gebiet der Lymphknotentransplantation verzeichnen. Aber auch die eigentlich aus dem Bereich der Lipödem-Therapie bekannte Technik des Fettabsaugens (Liposuktion) wird zunehmend erfolgreich beim fortgeschrittenen Lymphödem angewandt.
OT: Wie erfolgreich ist eine Liposuktion bei einem Lipödem?
Florek: Es existiert nur eine Handvoll Studien von geringem wissenschaftlichen Wert. Deshalb hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G‑BA) im letzten Jahr eine klinische Studie zur Wirksamkeit sowie vor allem auch zur Nachhaltigkeit des Therapieerfolgs initiiert. Die Studie wird voraussichtlich 2025 erste Ergebnisse bringen. Meine persönliche Erfahrung mit der Operationstechnik lässt mich jedoch begründet darauf hoffen, dass für einige Typen und Stadien des Lipödems eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse mittelfristig zu erwarten ist.
OT: Haben Betroffene jetzt einen leichteren Zugang zur Liposuktion, nachdem das Lipödem ab dem Stadium 3 in bestimmten Fällen zur GKV-Regelleistung geworden ist?
Florek: In der Tat ist es für die von einem 3°-Lipödem betroffenen Patientinnen jetzt leichter eine Kostenübernahmebestätigung zu erhalten. Allerdings ist die Anzahl der durchführenden Kliniken mit hohem Qualitätsanspruch gering. Hier spiele ich auf das Thema Lymphgefäß-schonende Absaugtechnik an. Korrespondierend dazu ist meiner Meinung nach jedoch ebenso die Anzahl der echten 3°-igen Lipödeme ohne wesentliche Adipositas nicht zu hoch, sodass die Zahl an operativen Eingriffen bei E 88.22 (ICD-10-Code Lipödem 3°) noch überschaubar bleibt.
OT: Zurzeit wird ebenfalls über den Zusammenhang Lipödem/Adipositas diskutiert – wie oft spielen Lipödem und Adipositas zusammen bzw. tauchen zusammen auf nach Ihrer Erfahrung?
Florek: Bei zunehmendem BMI wird die Diagnose Lipödem von einigen, nicht vorwiegend lymphologisch tätigen Kollegen zu häufig diagnostiziert. Dies kann bei den Betroffenen zu einer Fixierung auf das Krankheitsbild Lipödem führen, dem eine chronische Progredienz (Fortschreiten) nachgesagt wird. Die Motivation zur eigentlich wichtigen Gewichtsreduktion wird damit in vielen Fällen genommen. Den Anteil an echten Lipödemen in meiner Spezialsprechstunde für Lip- und Lymphödempatientinnen würde ich daher mit 20 bis 30 Prozent ansetzen.
Die Fragen stellte Cathrin Günzel.
Obwohl beide Erkrankungen verschiedene Ursachen haben, wird sowohl beim Lymphödem als auch beim Lipödem – besonders in frühen Stadien – die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) eingesetzt. Zum therapeutischen Team gehören neben der Ärzteschaft ebenso Therapeut:innen und die Fachleute im Sanitätsfachhandel. Speziell bei der Behandlung des Lipödems ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Liposuktion (Fettabsaugung) eine Option. Zurzeit gehört sie für einige Betroffene befristet bis 31. Dezember 2024 zu den Regelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Voraussetzungen für eine GKV-Leistung sind: Lipödem ab Stadium 3, Body-Mass-Index unter 35, Erfolglosigkeit der konservativen Behandlung; ab BMI über 35 soll zusätzlich eine Adipositas-Therapie durchgeführt werden und ab BMI über 40 ist Liposuktion keine Kassenleistung, hier soll eine Adipositas-Behandlung erfolgen.
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